Momentaufnahme
Charlestons nackten Füße ruhten auf den ausgelatschten Tretern von anno dazumal, als er an seinem zu gestapelten Schreibtisch über die vergangenen drei Jahre sinnierte. Seine Hornhaut an den Fersen war rissig, und sie schmerzten ihn vom vielen Laufen dieser Tage. Die Gedanken, wohin ihn diese Treter schon überall gebracht hatten, ließen ihn nicht mehr los, als ihm die Begebenheit in Höckershausen in den Sinn kam, bei der ihm die strebsame Gloriana die damals noch neuen Schuhkleider im Suff abgenommen hatte und wie er sie mit Säuferschläunis wieder zurückerlangt hatte.
Charleston liebte diese Treter, weil sie ihn auch in seiner dunklen Zeit nie verlassen und ihm zwar nicht immer einen rechten Weg aber immerhin überhaupt einen Weg gewiesen hatten.
Und heute, nach fast dreizehn Jahren ohne einen Tropfen, saß er zwischen zahlreichen unerledigten Papieren an seinem heimischen Arbeitsplatz. Die Fersen schmerzten ihm, als er mit den nackten Füßen seine Treter unter dem Tisch über den Laminatfußboden schob, so als ob er Schlittschuh oder zumindest Gleitschuh laufen würde und dachte darüber nach, was nun, nach den letzten drei Jahren voller Schulabenteuer und sonstigem Leben, folgen würde.
Er spürte ein gewisses Vakuum in seinem erschöpften Körper und suchte innerlich das eine Ende seines roten Fadens, auf dass er ein Knäuel daraus aufwickeln könne, damit man später daraus auch eine Kleidung für was oder wen auch immer stricken würde.
Nicht er wollte die Stricknadeln in die Hand nehmen, aber er wollte die Orientierung und das handbreite Wasser unter seinem Kiel nicht verlieren. So sinnierte er an seinem Schreibtisch sitzend, und die Fersen taten ihm weh, bevor er sich erhob, um etwas zu tun.
© CRK, LE, 01/2020