Sodo 23 - 29
Sodo 23 Der Bericht
Wollte man die Atmosphäre beschreiben, die nach Loups und Pontons Rückkehr im Besprechungsraum herrscht, müsste man zu so Bildern wie knisternde Spannung oder ungeduldige Vorfreude greifen. Am Abend zuvor, als die Beiden zurückkamen, waren sie so erschöpft, dass sie sich nach ein paar mystischen Andeutungen sofort schlafen legten. Das führte zu Spekulationen, denn dies waren die Gefährten nicht von ihnen gewohnt. Myth, wie zu nun ihnen gehörende Fledermaus genannt wurde, Mila und Dragon vermuteten einen mentalen Kampf, den sie etweder knapp gewonnen haben oder bei dem sie gerade noch entkommen konnten. Alb und Miez jedoch ahnten, dass ihre zwei Kollegen etwas gefunden hatten, was sie so erschüttert haben muss, dass sie so erschöpft sind.
"Schlimmeres als ein holzkrawattentragend, singender Gasflaschenlieferant kann ihnen sicher nicht passiert sein" witzelt Ponton, als die Türe der Blockhütte knarrend aufgeht und bringt damit die gerade Eintretenden und so sehnsüchtig Erwarteten augenblicklich zum Lachen.
"Das müsst ihr uns aber haarklein berichten! Unsere Erlebnisse waren zwar auch spektakulär, zu Lachen gab es das Ein oder Andere, doch eher aus der Rubrik faszinierende Mutanten. Nicht Muhtunten, wie Euch!"
Nun grinsen alle und angesichts der sichtbar guten Stimmung und mentalen Unversehrtheit Loups, fallen nicht nur aus Milas Gesicht alle ängstlichen Fragezeichen . Die Anderen lassen sich sichtbar entspannt in Sessel und Sofa zurückfallen.
Nur Oberst Karhupatja behält vorerst seine militärische Haltung.
Der Kommandeur räuspert sich.
"Über die Ergebnisse, die Myth, Mila und Alb schon gestern mitbrachten, werden wir Sie nach Ihrem Bericht informieren. Nehmen Sie Platz und berichten. Wir platzen fast vor Neugier!"
Der nun schon fast jungenhafte Ausdruck und das schelmische Lächeln des Oberst konterkarierten seine ansonsten steife Haltung. Man braucht nicht zu erwähnen, dass alle Anwesenden froh sind, so einen tiefsinnigen und menschenfreundlichen Mann zum Vorgesetzten zu haben. Dieses Glück haben beileibe nicht alle als Agenten einesetzten Mutanten. Man denke da nur an die bisherigen Auftraggeber von Letuchmysh.
"Fangen Sie an!"
Ponton nickt und beginnt.
" Mein Teil war die Absicherung Loups, falls es zu Schwierigkeiten kommen würde. Allerdings hatten wir nicht bedacht, dass meine Kräfte schwinden bei längerem Aufenthalt außerhalb meines Elements. Albs Chamäleonfähigkeiten und seine Geschwindigkeit beim Überwinden von Distanzen hätten ihn für diese Aufgabe geeigneter gemacht. Deshalb hätte ich eine Bitte an Sie, Oberst: Ich beantrage einen wasserspeichernden Anzug. Er würde mir ermöglichen, meine Kräfte auch außerhalb des Wassers länger aufrecht zu erhalten. Doch nun zurück zu unserem Einsatz!"
Wie zur Bestätigung reicht Mila Ponton ein frisches und nasses Badetuch.
"Bevor ich an Loup weitergebe, der für die inhaltlichen Aspekte dieses Auftrags verantwortlich war, muss ich noch sagen, dass ich noch keinen beängstigerenden und gleichzeitig erfreulicheren Einsatz erleben durfte. Und ich kann behaupten , dass dieses Erlebnis in mir eine tiefe Ehrfurcht freigesetzt hat, die mich einerseits in der Sinnhaftigkeit unserer Tätigkeit bestärkt und gleichzeitig hoffen lässt, dass wir, die Mutanten, unsere Fähigkeiten nie in militärisch gewalttätigem Sinne gegeneinander einsetzen müssen. Denn das, was wir drüben erlebt haben, hat mir gezeigt, dass wir der Menschheit als Verbündete, die gemeinsam statt gegeneinander agieren, viel mehr nützen können. In Kurzform: Wir sind dort keinen Gegnern sondern Freunden begegnet!"
Loup schaut ernst in die Runde und nickt.
" Da auch ich mehr beeindruckt bin, als ich es zu erklären vermöchte, kehre ich zurück zu den Fakten, dem zeitlichen Ablauf der Operation. Nach unserer Ankunft beobachtete ich wie vorgesehen den vor der Lagerhalle sitzenden Soldaten und Ponton versuchte dem beim letzten Einsatz gespürten mentalen Tasten eines der dort ansässigen Biber auf die Spur zu kommen.
Während er anfangs erfolglos mit seinem sensorischen Radar versuchte, diese Entität wiederzufinden, schlich ich mich zur persönlichen Unterkunft des Soldaten, um dort nützliche Informationen zu finden, die mir ein sichereres Eindringen in die von ihm bewachte Lagerhalle ermöglichen sollten.
Dies ging jämmerlich schief!
Kurz bevor ich dort ankam und mit der Observation seiner Unterkunft beginnen konnte, war ich urplötzlich mit einem vor mir auftauchenden Bienenschwarm konfrontiert. Er hatte die Form eines Segels und teilte mir mittels einer Stimme in meinem Kopf mit, dass ich entdeckt sei und mich erst nach Anbrechen der Dunkelheit am waldseitigen Fenster der Unterkunft einfinden solle. Trotz der beängstigend wirkenden Art der Kontaktaufnahme barg diese Nachricht jedoch keine Drohung oder Kritik an meinem unbefugten Eindringen, sondern wirkte wie eine interessierte Einladung und gleichzeitig verständlicher Vorsichtsmaßnahme. Als was es sich dann tatsächlich auch herausstellte."
Regungslos und gebannt hören die Anderen zu. Man könnte eine Stecknaden fallen hören, so still ist es im Raum.
"Als ich am folgenden Abend ankam, wurde ich sogleich mit selbiger Stimme wie am Nachmittag in meinem Kopf aufgefordert, über das Fenster hineinzuklettern und sah mich drin gleich zwei Wesen gegenüber. Eines davon besagter Soldat, das andere der schon erwähnte Biber. Die Begrüßung war wider Erwarten äußerst freundlich und wie ihr wahrscheinlich ahnt, stellten sich beide auf die gleiche telepathische Art vor, wie zuvor schon die Bienen zu mir sprachen. Ponton, der draußen wartete, wurde auch eingeladen und dies, ohne dass ich ihn, beziehungsweise seine Anwesenheit überhaupt erwähnt hatte. Insofern besonders erstaunlich, da ich hier gelernt habe, meine Gedanken durchaus wirkungsvoll abzuschirmen. Es ist wirklich als Glück anzusehen, diesen Mann, der sich mir als Ulubek vorstellte, nicht zum Feind zu haben. Meinen zuerst äußerst alarmierten Freund Ponton beruhigten er und der Biber in erstaunlich kurzer Zeit mit ihren beachlichen mentalen Fähigkeiten. Sie lehrten ihn in Minutenschnelle Gedankenkontrolle, dass er mit ihnen telepathisch kommunizieren kannn und gaben ihm sogar einen Platz an einem Zimmerbrunnen, damit er Kräfte und Konzentration nicht verliert. Wir waren von diesem Empfang natürlich völlig überrascht."
Nun dreht sich Loup zum Oberst um.
" Was Sie mehr interressieren wird: Noch erstaunlicher wurde es, als Ulubek mir ohne Nachfragen mitteilte, was er bewacht und welch ungeheure Bedeutung es hat, dieses Artefakt nicht in falsche Hände fallen zu lassen. Das ist umso erstaunlicher, als wir ja eigentlich Agenten aus dem feindlichen Lager sind. Erlebt man allerdings die Präsenz dieses Mannes, wird klar, dass er in Dimensionen denkt und fühlt, die jenseits von Feindschaft oder Konkurrenz sind. Er selbst spricht von reinem Herzen und Absicht. Da er dies bei uns zu erkennen glaubt, war es für ihn sofort klar, dass wir Zugang zu allen seinem Wissen haben dürfen.
Das Artefakt in der Lagerhalle ist eine Waffe, die während des zweiten Weltkriegs von einem ebenso kranken wie genialen Geist in Berlin, der Hauptstadt des damligen Deutschen Reiches ersonnen wurde. Es kam, warum auch immer und zum Glück nicht zum Einsatz, da der Erfinder sich zuvor das Leben nahm. Und es strandete, wie auch immer an diesem verlassenen Ort. Versteckt im Motor eines Lastwagens, strandete es in dieser Lagerhalle und scheint seither dort auf jemanden zu warten, der es zu nutzen weiß. Genauere technische Spezifikationen sind unbekannt. Wir durfte den Motor am nächsten Morgen tatsächlich untersuchen und konnten keinerlei Unterschied zu dieselbetriebenen Motoren aus dieser vergangenen Zeit erkennen. Zumindest, wie es unser beider Technikverstand zuließ. Uluk meint, dass es auch für unsere besten Techniker keinen erkennbaren gäbe. Die weltzerstörende Kraft enstünde seines Ermessens erst im Zusammenspiel mit einigen geheimnisvollen Treibstoffzusätzen und der Drehzahl, beziehungsweise der Frequenz, die durch diese erreicht würde. Welche Zusätze und Drehzahl dies wären, hätte der Erfinder allerdings mit ins Grab genommen. Uluk ist sicher, dass diese Zusätze nur durch übersinnlich begabte Wesen erkannt werden können. Da im dritten Reich die Beschäftigung mit solchen Dingen durchaus zum Mainstream gehörte, ist es gut möglich, dass dort intensiv an solchen Para-Waffen geforscht wurde.
Das klingt zugegebenermaßen ziemlich abstrus und erst einmal weit hergeholt. Da wir aber, wie vorhin schon erwähnt, die Tiefe und erstaunlichen Kräfte dieses sich als Schamanen bezeichnenden Menschen erleben durften, haben zumindest Ponton und ich keinerlei Veranlassung, seine Beurteilung anzuzweifeln.
Er selbst sagt, dass er bisher und mit seinen Möglichkeiten nicht die geringste Chance sieht, die Waffe zu vernichten.Er hat seit dem Abzug der anderen Truppen mehrfach versucht, den Motor zu demontieren und die Teile zu zerstören, doch ohne Erfolg. Sie waren am Tag danach immer wieder völlig intakt an ihrem angestammten Platz. Der Wagen ließ sich auch nicht bewegen. Selbst wenn man ihn ans andere Ende der Halle geschoben hatte, stand er am folgenden Morgen wieder am Platz des Vortages.
Dieses Phänomen hat ursprünglich sicher dazu geführt, den Wagen mittels der dort stationierten Soldaten solange zu bewachen, bis man Antworten auf dieses Rätsel findet. Der Abzug ist wohl ein Hinweis, dass !angels Erfolg derzeit niemand mehr daran interessiert ist. Doch Ulubek, dem die Gefahr bewusst ist, hat beim Abzug der anderen Soldaten seine mentalen Fähigkeiten eingesetzt, um dieses grausige und überaus Ding weiter bewachen zu können.
Was mich zu seiner und unserer Bitte führt, Oberst: Er drängt darauf, dieses Wissen unbedingt geheim zu halten und ihn möglichst in seinem Ansinnen zu unterstützen, es zu zerstören, bevor es in falsche Hände fällt. Würde irgendjemand das Rätsel lösen, könnte er damit einen furchtbaren, alles zerstörenden Flächenbrand auslösen!
Ich für meinen Teil und auch Ponton stehen voll hinter seiner Bitte!"
Loup endet und schaut erwartungsvoll zu Oberst Karhupatja.
Dieser schaut in die Runde. Einer nach dem Anderen nickt Zustimmung. Er schluckt und räuspert sich.
" Starker Tobak, den Sie mir da auftischen! Lassen Sie mich ein paar Tage darüber nachdenken. Ich bin schließlich in eine militärische Organisation eingebunden und meinen Vorgesetzten Rechenschaft schuldig. Was ich Ihnen allerdings hier und jetzt verspreche, ist, dass ich vor einer Entscheidung keinerlei Informationen weitergebe. Und kündigen Sie mich umgehend bei diesem Soldaten an. Es ist zwar nicht Usus, dass militärische Entscheidungsträger Exkursionen in Feindesgebiet machen, doch angesichts der von Ihnen so überzeugend geschilderten Fakten bin ich gezwungen, mir mit Ihrer Hilfe selbst ein Bild zu machen. Es wird sowieso Zeit, Ihnen als meinen Untergebenen mein vollstes Vertrauen zu zeigen, indem ich mich bei meinem Einsatz Ihrer Fähigkeiten bediene. Auch wenn ich zugegebenermaßen Mut dafür brauche. Ich denke außerdem, dass es sinnvoll wäre, allen von uns im nächster Zukunft die Möglichkeit zu geben, mit dem Soldaten und auch dem Biberweibchen Kontakt aufzunehmen. Egal welche Entscheidung ich dann zu treffen haben, werden wir mit den Beiden zusammen an geeigneten Notfallstrategien arbeiten müssen."
Sodo 24 Abend
Als Mila und Loup später im Bett liegen und der Hitze ihrer ersten Nacht nach nahezu einer Woche Trennung nachspüren, sagt er plötzlich: "Pink!"
Mila schaut ihn erstaunt an: "Wie bitte?"
Loup wendet sich ihr zu, streichelt zart über ihren Kamm und lächelt verschmitzt.
"Ich liebe deinen roten Federschmuck! Schaue ich ihn nur an, zieht es mir schon bis in die Lenden. Selbst jetzt noch, obwohl ich schon fast wund bin."
Er küsst sie auf den Hals und fährt fort, als er ihren fragenden Blick sieht:
" Ich habe mich gerade gefragt, was es war, das Uluk und BibaNell ausstrahlten. Das sonderbare Etwas, das Ponton und auch mich so berührt hat, dass wir sämtliche Ängste und alles Misstrauen einfach loslassen konnten und gar nichts mehr außer Vertrauen und Frieden in uns war. Ich kann es noch nicht wirklich in Worte fassen.
Doch wenn ich es benennen müßte, wäre es am ehesten eine Farbe. Rosa! Nicht Rot, wie das Feuer auf deinem Kopf, das mich so anmacht. Nein. Rosa. Zwingend - aber zart und unschuldig. Rot mit Weiß."
"Und wenn sie die Krallen ausfahren müssten, die Zwei oder Einer von beiden?" Sie piekst ihn in den sich sofort anspannenden Pomuskel.
" Du! Lass das, du ...!" Er beißt ihr spielerisch ins Ohrläppchen. " Hm - ich glaube, das wäre keine Farbe mehr. Das wäre - warte - es wäre süßsauer und - " hier fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen," es wäre ein Zwerg - oder nein: Ein Frosch! Warum auch immer - "
Seine Nase und Stirn kräuseln sich und er zieht fröstelnd die Decke über ihre eben noch dampfenden und nun fast trockenen Leiber. Mila wartet geduldig mit dem Kopf auf seiner Brust und lauscht seinem bald die Rippen sprengendem Herzschlag. Sie spürt an seiner Spannung, dass er in sich auf der Suche nach einer genaueren Beschreibung, einem einfacheren Bild ist. Als er weich wird, schaut sie zu ihm hoch.
" Das Seltsame daran ist, dass es als Bild total harmlos wirkt. Doch das ist es eben nicht. Es hat trotzdem die Wucht einer Autobombe. Das Grauen danach ist genauso schon spürbar, wie eben das Zwingende im Friedlichen. Aber es ist nicht leidenschaftlich - nicht rot. Trotz des vielen Blutes, das dabei fließen würde. Nein- es hat eher etwas von der spitzen Mine eines Bleistifts. Grau wie das Grauen, unbeweglich und kalt. Dein Rot pulsiert, ist heiß. Das Rosa beruhigt, ist warm, schwingt langsam. Das süßsaure Froschgrauen, -" er nickt bekräftigend, obwohl ihm das Bild befremdlich erscheint, " - das Grauen hängt unbeweglich, wie ein in der Zeit eingefrorenes Senkblei - ein unerbittliches Ausrufezeichen. Fraglos. Unausweichlich und unüberwindlich!" Er nickt.
" Das will keiner erleben!"
Fast zittert er jetzt, doch Mila schmiegt sich fester an ihn und sein Herzschlag wird deutlich langsamer.
"Ich glaube nicht, dass es für uns bedrohlich ist. Wahrscheinlich schwingt dabei nur die Bedrohung der Waffe und Uluks unerbittliche Entschlossenheit mit. Ich bin froh, dass der Oberst kein kleingeistiger Befehlsempfänger ist. Und fast sicher, dass er mit uns an einem Strick zieht. Alles Andere wäre auch reiner Wahnwitz!"
Mila nickt und gähnt.
"Lass uns jetzt schlafen, Schatz! Mein Rot wird sonst morgen schnell zu einem schmutzigen Rostbraun - und dein Pendel bleibt am Abend froschweich. Das wäre doch auch eine Katastrophe ... "
Sagt es und ihr ruhiger Atem zeigt Loup, dass sie schon schläft. Er selbst findet erst Ruhe, als er sich erneut an die wundersame Beruhigung Pontons und an das Plätschern des Zimmerbrunnens erinnert.
Sodo 25 Besprechung
Als Mila und Loup am nächsten Morgen pünktlich in den Besprechungsraum kommen, werden sie von Oberst Karhupatja`s Lächeln begrüßt.
" Nehmen sie Platz, holen sich noch einen Kaffee - es geht noch einen Moment, bis ihre Kollegen auftauchen. Manchmal glaube ich, dass es helfen könnte, hier einen altmodischen Glockenturm aufzustellen, damit meine Mutantenstars rechtzeitig zu den Meetings losgehen und Straßenlaternen, dass sie sich unterwegs nicht verlaufen."
Er schlägt mit der flachen Hand auf die Seite des Hologrammprojektors und tatsächlich springt das Teil an. Eine Mikeymaus steppt jetzt in der Mitte des Raums.
Nun ist es an Mila und Loup, Mund- und Schnabelwinkel weit nach oben und Richtung Ohren zu ziehen. Ihr Oberst ist schon ein ganz spezieller Fall. Immer wieder verblüfft er sie mit neuen Varianten seines Humors und zaubert göttliche Dinge vom unergründlichen Schrottpatz der Geschichte in ihre Gegenwart. Jeder Besprechungstermin mit ihm ist ein Erlebnis!
Als Jade, Miez, Tetra und Ponton eingetroffen sind und Mysh mit ausgiebigem Flügeldehnen gezeigt hat, dass er nicht schlafend am Balken hängt, stoppt der Oberst die steppende Mikeymaus.
Trotz der spürbaren Spannung, die Raum liegt, wirkt er gelassen. Er schaut konzentriert in die erwartungsvollen Gesichter; wie ein Richter, der sich anschickt ein Urteil zu verkünden. Seine Haltung strahlt Würde und Sicherheit aus. Wäre da nicht sein Lächeln, könnte man wirklich meinen, man säße im Gerichtssaal. Allerdings folgen aus seiner Richtung keine paragraphenschwangeren Wortgirlanden, sondern Karhaputra räuspert sich und drückt vorerst auf einen Knopf am altertümlichen Holoprojektor:
" Guten Abend, liebe Zuschauer!
Aufgrund neuer Spannungen zwischen afroindischer und chinorussischer Föderation an der Grenze der pakistanischen zur afghanischen Provinz, bei der die seit dem letzten Jahrhundert geächteten Biogenmanipulatoren zum Einsatz kamen, unterbrechen wir unser Abendprogramm und informieren sie in den Sondernews über die neuesten Entwicklungen.
Die für heute Abend angekündigte Sendung "Ethnoswinger Live" wird etwa eine Stunde später gesendet. Sollten sie den Paystream dafür schon eingeloggt haben und ihren Virtualpartner aktiviert, können sie ihre Kosten in den nächsten zehn Minuten zurück erstattet bekommen. Geben sie dazu einfach ihre Abonnementnummer und einen akustischen Resetbefehl ein.
Für die folgenden Holoübertragungen empfiehlt es sich, die auditiven und ofaktorischen Filter auf Maximum zu stellen. Der Sender haftet nicht bei eventuellen Schäden an ihrer Psyche. Empfindsamen Personen wird vom Konsum der Übertragung dringend abgeraten ......"
Bei diesen Worten stellt der Oberst den Projektor aus und verzieht angewidert das Gesicht.
"Sie kennen meine Meinung zu solcherart abscheulicher Kriegsführung!
Obwohl, beziehungsweise gerade weil wir hier auch in einem militärischen Kontext handeln und damit einer Befehlshierarchie unterstehen, kann uns diese Entwicklung in den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Machtblöcken nicht egal sein. Zwar sind wir hier momentan weit weg vom aktuellen Geschehen, doch könnte eine unbedachte Weitergabe unserer Informationen über eine potenziell mächtige Waffe im Grenzgebiet dies schnell ändern. Es würde höchstwahrscheinlich angesichts der prekären Weltlage dazu führen, dass wir im Handumdrehen Dinge tun müssten, die unseren ethischen Anprüchen diametral entgegenständen.
Deshalb bin ich zu der Überzeugung gelangt, - und ich denke, ich spreche ihnen allen damit aus dem Herzen - dass wir richtig handeln, wenn wir nur gesicherte Ergebnisse zur Abwendung einer potenziellen Gefahr an unsere Vorgesetzten weiterleiten. Dies wird unverzüglich geschehen, wenn wir den Einsatz positiv abgeschlossen haben.
Dass uns bei dieser Aufgabe gegenerisches Personal nicht etwa behindert, sondern sogar unterstützt hat, wird uns sicherlich auch erst nach erfolgreicher Abwehr der Gefahr positiv angerechnet werden. Die von mir damit angesprochenen Personen und Wesen sind während der Dauer der Untersuchungen als vollwertige Einsatzkräfte zu behandeln - natürlich nur, so sie sich uns in dieser Sache anschließen.
Ich befehle ihnen hiermit absolutes Stillschweigen nach Außen über alles, was ihnen im Verlauf der dieser Untersuchungen zur Kenntnis gelangt! Der Befehl kann nur von mir persönlich wieder aufgehoben werden.
Ponton und Loup werden morgen zum See zurückkehren und unsere dortigen Mitstreiter informieren, beziehungsweise sie um deren Zustimmung und Vorschlägen zur weiteren Vorgehensweise zu bitten. Alle Anderen sollen sich natürlich auch Gedanken machen und ansonsten ausruhen und Kräfte sammeln. Es steht uns sicher eine umtriebige und anstrengende Zeit bevor!
Wie ich sehe, brauche ich sie nicht zum Rühren auffordern. "
Sodo 26 Pontons Traum
Nach der Besprechung als der Oberst und die Anderen schon längst gegangen sind, sitzen Ponton und Loup noch da und sinnieren.
"Ich habe das seltsame Gefühl - ach was: Ich weiß, dass Biba und Uluk einverstanden sind!" Ponton schaut seinen Kollegen und Freund fragend an. "Werde ich jetzt auch zum Telepathen? Bisher habe ich mich noch an keinem Mutanten angesteckt."
"Mir geht es ähnlich. Es ist bei mir so, als ob mir BibaNell im Nacken sitzt und seine Gefühle die meinigen in eine bestimmte Richtung lenken! Auch ich habe das Gefühl, dass wir nicht körperlich zu ihnen reisen müssen , um ihre Zustimmung einzuholen."
Ponton nickt. " Mich erreichen die Beiden im Traum. Dort tauchen sie immer wieder auf, seit wir in Uluks Hütte waren Und was noch seltsamer ist, weil wir erst heute diese Entscheidung vom Oberst erhalten haben: Ich bekam die Zustimmung schon heute Nacht!"
"Erzähl!" Loup schenkt sich und Ponton noch ein Glas Wasser ein. Er legt seinem Freund ein frisches nasses Handtuch um den Hals und über die Schultern, dass er wach bleibt. Wird Ponton zu trocken, schläft er augenblicklich ein.
" Heute Nacht, es war so etwa gegen Drei, bin ich gerade aufgewacht. Denke ich zumindest. Doch ich bin in einem Traum. Irgendwas hat laut geklappert, ein Fensterladen der Bretterbude, in der wir unsere Zimmer haben oder ein Stuhl, der gerade umgefallen ist und ich sitze vor Schreck senkrecht im Bett. Doch das Bett wird ohne Übergang zu einer Schaukel, die ganz oben im Gewölbe vom Taj Majal festgemacht ist und ich schwinge in Zeitlupe hin und her über einer riesen Melkmaschine. Nur dass diese keine Kühe melkt, sondern Menschenhirne.
Die durchsichtigen Saugnäpfe sitzen wie Zipfelmützen auf den Köpfen und vor Gedanken glühende Schläuche laufen zur Maschine. In der Mitte der Apparatur sitzt Uluk und dirigiert von dort aus Biba. Der schaltet die Saugnäpfe auf den Köpfen an- und aus. Je nachdem, mit wem Uluk Verbindung aufnehmen will. Ich konzentriere mich und erkenne neben vielen Schlitzaugen einige russische Uniformierte, und zum Schluss Dich und auch mich. Als ich deshalb zusammenzucke und fast vom Schaukelbrett falle, höre ich Uluks Stimme, die mir leise zuflüstert, dass ich keine Angst zu haben brauche und mich gerne entspannen darf.
Augenblicklich bin ich ruhig und die Melkmaschine verwandelt sich in das Artefakt, das Uluk in Wirklichkeit bewacht. Uluk hat die Klappe des Trekol - so heißt wohl der sechsrädrige Transporter - also er hat die Klappe aufgemacht und versucht das Teil runterzuziehen. Allerdings schafft er es nicht, obwohl der ganze Wagen, ja sogar die Blechhalle wackelt und droht wegzurollen, wie eine umgekippte Keksdose. Alles ist voller Energie und plötzlich ist da ein Tieflader und eine Panzerwinde. Ein Motor heult auf, es klingt, als ob ein Riemen überdreht und ich rieche verbranntes Gummi und trotzdem bewegt sich das störrische Teil immer noch keinen Millimeter vom Platz. Jetzt flucht auch Uluk und in mir bilden sich Wellen aus Zorn, die zum Tsunami werden und auf das Gerät zurollen. Doch auch sie bewirken nichts.
Nur - und nun wird Uluk ängstlich, er fängt an zu zittern, was sich wieder auf mich überträgt - pulsiert plötzlich ein grellrotes Licht am Apparat und eine Sirene ertönt, die mir durch Mark und Bein geht. Das Letzte, was ich wahrnehme, bevor ich wirklich erwache und zitternd in meinem Bett liege, ist wieder die Stimme von Uluk:
Ich brauche eure Hilfe! Von euch allen. Nur zusammen können wir die Katastrophe noch verhindern!"
Ponton verstummt, streicht sich mit einer Hand übers Gesicht und steckt mit der anderen Hand den Kaffeelöffel in eine Dose.
Loup lacht auf: " Hey! Pass auf - du löffelst dir gerade die Brennpaste fürs Stöfchen in den Kaffee!
Ich glaube übrigens, das sollten wir Karhupatja sofort mitteilen. Trink aus und lass uns gleich zu ihm gehen!"
Sodo 27 BibaNell im Camp
BibaNell zuckt noch einmal mit ihren Ohren, fährt sich mit den Pfoten über´s Gesicht und erwacht. Irgendetwas ist seltsam.
Richtig. Es ist trocken. Und viel zu warm! Jetzt erinnert sie sich. Ponton, der Bibermensch ohne Fell, Zähne und Schwanz hat sie mit sich genommen. Zu Loup, dem Wolfsmensch und den anderen seltsamen Mutantenwesen. Uluk wollte das, damit sie für ihn die Verbindung herstellen kann. Zu diesem etwas trocken hölzernen Oberst. Wenn Uluk mit jemandem sprechen will, der nicht da ist, kann Biba mit ihren Farben die Verbindung herstellen.
Sie hebt die Nase, denn sie hat ein Nass gewittert. Mit zarter Rinde. Weide. Lecker!
Die neuen Freunde sind aufmerksam und nett. Ganz wie Biba es fühlen und sehen kann. Sie leuchten für sie sogar noch in hellen freundlichen Farben, wenn sie in einem anderen Gebäude sind. Ohne dass Biba sich besonders darauf konzentrieren muss. Wie zum Beispiel jetzt , um Uluk zu sehen zu können.
Biba entdeckt die Wanne mit den Zweigen. Sie ist groß genug, um hinein zu gleiten und drinnen zu fressen. So verschwindet auch die Unschärfe in Biba´s innerem Blickfeld. Uluk wird schärfer, das matte Gelb wechselt nun zu leuchtendem Orange. Er lächelt. Biba bleckt ihre Zähne und lächelt auch.
"Guten Morgen, meine Liebe! Ich fühle, dass es Dir bei den Finnen bestens ergeht! Sicher haben sie Dir Weidenzweige kredenzt."
Biba zischt zustimmend und lächelt noch breiter. Fast so breit, dass sie die Zweige nicht mehr durchbeißen kann. Nun hört sie ihren Freund sogar lachen und kleine Blitze zucken durch das Orange.
" Sei mir bloß nicht zu blauäugig, kleiner Nagezahn! Ich kann zwar auch keine dunklen Verfärbungen bei ihnen entdecken, doch es sind Soldaten, die einer Hierarchie und damit Befehlen unterstehen. Etwas Vorsicht ist trotz der Freundlichkeit und ihren lauteren Absichten immer noch geboten!"
Biba nickt. Sie wird nicht so blauäugig sein, wie ihre Großmutter und sich ihre Urteilsfähigkeit durch ein paar Leuchtfarben verwässern lassen. Die hatte damals an dem verfluchten Sommertag dem frechen Fuchs wegen seinem schönen roten Fell erlaubt, die Burg zu betreten. Dieser Mörder hat es ihr gedankt, indem er noch am gleichen Tag Biba´s Tante gefressen hat.
Es wird sich zeigen, ob die Freundschaft der Mutanten nur schnell verschwindender Morgentau ist oder ein stets offener Wasserhahn bleibt. Einer, der den klaren Fluss zwischen ihnen am Fließen hält. Oder ob sie so oft die Nester wechseln wie die promiskuitiven Blaumeisen. Die leuchten auch immer in sauberen Farben.
In diesem Moment geht die Türe auf und Biba hört Loup´s Stimme:
"Gib acht, Zigarrenrauch könnte den Geruchsinn unseres Biberfräuleins stören. Lass sie lieber draußen, Dragon!
Sodo 28 Konferenz
Oberst Karhapatja lässt auf sich warten. Irgendeine Nachricht aus Smolensk von einem ihrer Agenten hat ihn aufgehalten. Es muß wohl etwas Ernstes sein, denn der Oberst ist ein ansonsten eher überpünktlicher Mann und würde einen Gast wegen etwas Alltäglichen niemals warten lassen. Die Gastfreundschaft ist dort, wo er herkommt nicht nur Ehrensache, sondern fast schon ein heiliges Gut.
Als er endlich eintritt, fährt Dragon aus einem Nickerchen erschrocken hoch und will den Eindringling scharf anblicken. Zum Glück erinnert er sich noch rechtzeitig, was er damit anrichten würde und senkt die Augen.
" Ich sollte meine Sonnenbrille immer bei mir haben, wenn Dragon im Camp ist. Entschuldigt meine Verspätung. Doch was ich soeben von unserem Kontaktmann erfahren habe, ist äußerst brisant und bedrohlich! Und es wird auch unseren Gast, beziehungsweise den Empfänger seiner Übertragung mehr als interessieren. In gewissem Sinneist es sogar ein glücklicher Zufall, dass wir die Nachricht schon vor unserem Austausch bekommen haben, denn nur deshalb haben wir noch eine reelle Chance Schlimmeres zu verhindern!"
BibaNell bleckt die Vorderzähne und schlägt einmal mit dem Schwanz auf die Wasseroberfläche, um den Oberst zu begrüßen und zu signalisieren, dass er die Verbindung zu Ulukbek hergestellt hat. Da der Biber nicht selbst sprechen kann, konzentrieren sich Letuchmish, die konvertierte Fledermaus und wiederum auf sie Miez, die Mutantin mit den Katzengenen und den Flughäuten.
Die Situation mutet selbst für die im Raum befindlichen Mutanten skuril an. Sicher hat jeder Veränderungen, die Normalhumanoiden befremden und meist auch ängstigen, doch diese Art der Kommunikation ist auch für sie gewöhnungsbedürftig.
Kurz bevor Miez den Mund aufmacht, um die empfangenen Impulse in menschliche Sprache zu übersetzen, reißt sie kurz die Arme nach oben und flattert kurz mit den Flughäuten. Meist gleichzeitig oder knapp versetzt zum Flügelschlag Letuchmishs und einem durchdringenden Zischen des Biberweibchens. Ein uneingeweihter Zuschauer würde sich verwundert die Augen reiben und hoch und heilig schwören, nie wieder im Leben Alkohol zu sich zu nehmen.
Die Anwesenden aber haben alle die Augen geschlossen, um neben der sprachlichen Information auch noch die emotionalen Bewertungen einfangen zu können. Alb schillert wunderschön in allen Farben und verschwindet sogar machmal für Sekundenbruchteile. Ponton krault mit seinen Zehen den Bauchpelz vom Biber in der Wanne. Jade hält einen großen Bergkristall in seinen Händen, der in unregelmäßigen Abständen von Mikroblitzen duchzogen wird und Tetra riecht versonnen an einem Glas tiefroten Weins. Wären da nicht die roten Federn und der Wolfspelz im Nacken, erscheinen Mira und Loup als einizger menschlich vertrauter Anblick im Raum. Eng umschlungen sitzen sie auf dem Sofa lauschen und beobachten gespannt die Reaktionen ihres Vorgesetzten auf das Gesagte.
" Zuertst einmal, begrüße ich sie und bitte darum, mir zu sagen, wie ich sie nennen darf. Bitte nennen sie mich trotz unserer beider militärischen Funktion einfach Micha. Mithörer haben wir zwar höchstwahrscheinlich nicht zu fürchten. Doch gerade wir sollten das Unmögliche nicht ausschließen. Wir sind schließlich der beste Beweis, dass es möglich ist. Bevor sie antworten: Ich bin froh, dass wir schon eine grundsätzliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit formuliert haben, denn meine letzten Informationen zeigen, dass schnelles Handeln notwendig sein wird. Das Artefakt ist in das Blickfeld ihrer Vorgesetzten geraten und deren Pläne damit, lassen mich nichts Gutes für das Fortbestehen der Menschheit hoffen."
BibaNell schüttelt sich und spritzt alle Anwesenden nass, die allerdings so ins Mithören vertieft sind, dass außer Ponton niemand darauf reagiert. Der greift zur Gießkanne neben seinem Stuhl und füllt die Wanne des Bibers wieder auf.
" Ich grüße dich auch, Micha! Nenne mich Uluk. Der Name ist meinen russischen Vorgesetzten nicht bekannt. Über Bibanell habe ich deine berechtigten Befürchtungen schon wahrgenommen und muss sagen, dass diese auch in mir Ängste auslösen. Ich werde ihnen jetzt das übermitteln, was mir über das mir anvertraute Gerät auf dem Wagen schon bekannt ist. Wobei eben leider ein wichtiges Bauteil daran fehlt, anhand deren sich mir die wahre Funktion und Macht erschließen würde. Ich sehe, dass auch deine Mutanten, wie ihr sie nennt, an unseren Austausch angeschlossen sind. Das freut mich, denn es zeigt, dass die für unserer aller Zusammenarbeit nötige Vertrauensbasis da ist. Ich für meinen Teil habe nun alle Informationen, um damit heute Nacht das Artefakt noch einmal zu untersuchen und meine mentalen Fühler nach dem fehlenden Teil auszustrecken. Ich würde vorschlagen, dass wir uns morgen um die gleiche Zeit noch einmal kurzschließen und unser weiteres Vorgehen diskutieren."
Aus Richtung Alb und Jade strömen nun immer stärker werdende Blitze und Farbenspiele in die Unterhaltung mit ein. Bibanell schlägt wie wild mit seinem Schwanz ins Becken und alle Anwesenden außer Ponton bringen sich lachend in Sicherheit.
Letuchmish funkt wie wild und Miez stöhnt auf: "Hey! Jade, Alb hört auf damit! BibaNell und Letuchmish halten euren Energieausbruch nicht länger aus. "
Die Angesprochenen erwachen beide wie aus einer Trance und entschuldigen sich sogleich.
" Sorry, ich habe da etwas am Rande meiner Aufmerksamkeit entdeckt und glaubte, dass es das fehlende Teil ist. Doch je mehr ich mich anstrengte, ihm näherzukommen, desto weiter schien es wegzudriften," meint Jade und Alb ergänzt:
"Ich habe Jades Funkenspur gesehen und wollte mich auf die Reise machen. Bei mir war es nicht die Entfernung, die mir ja sonst auch keinerlei Probleme bereitet, sondern die Nähe. Je näher ich dem Teil kam, desto verschwommenenr wurde es. Und wenn ich danach griff, fiel es in tausend Funken auseinander."
Letuchmish funkt: " Ich habe plötzlich an einer Eiche gehangen. Unten lief ein alter Bartträger mit einem Dreispitz auf dem Helm und als er genau unter mir war, schlugen von ihm Blitze in mich ein. Ich wäre fast abgestürzt!"
Ponton nickt. " Auch ich habe Eichen gesehen. Und gleich mehrere Typen mit Helmen und Spitze. Die haben irgendwie seltsam gesprochen - so abgehackt. Ich glaube, mich zu erinnern, dass ich einmal eine Psybrainlession hatte, in der es um ein Deutsches Reich ging. Da hatten die Leute auch solche seltsamen Helme auf. Sie saßen auf Pferden. Ziemlich fetten. Mit Riesenärschen."
Oberst Karhapatja streckt und schaut um sich, bis er die Aufmerksamkeit aller hat: " Das war eine echt erstaunliche Erfahrung! Ich habe das Gefühl, mit Informationen regelrecht geflutet worden zu sein. deshalb schlage ich vor, wir nutzen die Zeit bis morgen Nachmittag uns zu fassen und zu sortieren und treffen uns zwei Stunden vor dem nächsten Kontakt mit Ulubek. Gehen sie etwas essen, versorgen unseren Gast vorzüglich und schlafen dann erst einmal darüber! Zumindest werde ich das tun. Gute Nacht!"
Sodo 29 Verdacht
Als alle anderen gegangen sind, sitzen Mila und Loup immer noch aneinandergekuschelt auf dem Sofa. Mila räuspert sich.
"Einerseits finde ich es klasse, dass es spannend wird und wir sogar mit dem Feind zusammenarbeiten." Sie zieht das Wort Feind etwas in die Länge. " Andererseits ist mir das Ganze unheimlich. Na ja - irgendwie bin ich auch etwas eifersüchtig auf die Wahrnehmungen der Anderen. Ich habe nämlich rein gar nichts empfangen. Nicht ein kleines Bisschen."
Loup nickt.
" Mir geht es ähnlich. Ich habe zwar ein Gefühl, aber mehr als die Farbe Ultramarinblau fällt mir dazu nicht ein. Und damit kann nicht einmal ich sofort etwas anfangen. Doch halt - als ich direkt bei Ulubek im Raum saß, hatte ich schon eine vage Vision. Nur war die nicht blau, sondern eher dunkel und funzelig. Es war ein Raum mit lauter Statuen. Wie diese chinesischen Tonkrieger. Nur eben tiefschwarz. Und ewig viele davon. Alle gleich. Wie geklont.
Stimmt: Klonkrieger wäre die passende Bezeichnung. wie in diesem alten ZweiD- Film vom Oberst. Und solche Wesen herzustellen, braucht es eine Blaupause. Das könnte ein Zusammenhang sein!"
Er runzelt die Stirne und seine Haare stellen sich auf. Mila lächelt und krault ihm den Nacken, worauf sie sich sofort wieder legen.
"Du hast Recht, es ist unheimlich!"
"Ja! Das Artefakt könnte eine zwar primitive aber doch funktionsfähige Kopiermaschine sein. Eine, der zum Glück noch ein Teil fehlt." Wieder stellen sich seine Nackenhaare.
" Ich habe eine schreckliche Vermutung. Stell dir vor, wir sind das fehlende Glied. Die nötige Blaupause. Schließlich gab es so Mutanten wie uns zu der Pickelhaubenzeit noch gar nicht. Und Klonkrieger konnten deshalb auch noch nicht mit solchen Fähigkeiten ausgestattet werden, wären nur willenlose, dumpfe Sturmgewehrbediener gewesen."
Jetzt stehen Milas Federn senkrecht. "Scheiße, ja! Diese Vermutung ist in der Tat gruselig! Vor allen Dingen besteht auch die Möglichkeit, dass die Zusammenarbeit mit Letuchmish, Bibanell und Uluk eine bewusst geplante, genial eingefädelte, abgekaterte Sache ist. Wem könnten wir dann noch trauen?"
Loup nickt. "Was die Drei angeht, bin ich sicher, dass sie es zumindest nicht wissen. Da traue ich meinen Nackenhaaren absolut!"
Jetzt grinsen beide und Mila fährt beim Kraulen ihre Krallen etwas aus, worauf Loup ein wohliger Schauer durchläuft.
"Unseren Leuten können wir auch trauen. Selbst Oberst Karhapatja. Der würde sich eher opfern, als seine Prinzipien verraten. Befehl hin oder her. Lass uns morgen früh mit jedem einzelnen unserer Leute sprechen. Irgendwo draußen. Oder direkt neben dem Stromgenerator. Dort überlagert die Spannung und das Getöse sämtliche Kommunikationsfrequenzen. Selbst unsere mentalen.
Vorsichtig wäre ich nur bei Mysh. Bei ihr spüre ich keinerlei emotionale Schwingungen. Beziehungsweise kann ich sie nicht eindeutig zuordnen. Ponton würde sagen, es ist ein bisschen wie Schlammbaden. Man schwimmt und wird total ausgebremst."
" Ich finde Mysh vertrauenswürdig. Aber wir können morgen früh die Anderen ja noch einmal nach ihren Wahrnehmungen fragen." Mila putzt ihren Kopfschmuck. Das tut sie immer, wenn sie am Überlegen oder unsicher ist.
Loup stimmt ihr zu.
"So machen wir es. Wir sprechen mit unseren Leuten zuerst. Dann informierst du den Oberst und ich lasse mich von Alb, unserem Chamäleon direkt zu Ulubek transportieren. Danach ist er zwar für Stunden platt unfähig zur Reise mit mir, doch wir können sicher sein, dass sich dann niemand dazwischenschaltet und mithört. Wenn ihr hier zum Ergebnis kommt, dass Mysh und BibaNell vertrauenswürdig sind, können wir die Konferenz wie geplant abhalten. Auf alle Fälle sollten wir Vorkehrungen treffen, dass unsere Aktionen nicht verfrüht bekannt werden."
"Und wenn wir Mithörer vermuten, können wir immer noch Fehlinformationen streuen!" meint Mila. "Müssen wir sogar, um sie in Sicherheit zu wiegen."
Mila streckt sich, fährt mit einem kurzen Ruck ihre Flügel aus und legt sie um Loup, um danach mit dem Schnabel zärtlich an seinen Lauschern zu knabbern.
"Ich sehe es schon vor mir: Ein Herzhäuschen. Aus dem stinkenden Loch darinnen kommen die beschissenen Klonkrieger gekrochen. Auf Fließbändern ratternd fabriziert in der höllischen Scheiße darunter. Verzweifelt stauen sie sich hinter der von uns zugenagelten, mit Zaubersprüchen versiegelten Holztüre und schauen mit ihren roten Augen sehnsüchtig, verzweifelt und wütend aus dem rotumrandeten Herzchen. Dazu schlägt irgendwer in ewigem Stakato eine scheppernde E-Seite an. Wir öffnen Tetra eine Ultra-Riesenpulle Schampus, der Kronkorken fliegt pfeifend in eine stabile Umlaufbahn und der Inhalt der Flasche läuft gluckernd durch unseres Superhelden Kehle. Dann - ein kurzer Schlag von Tetras Hammerfaust und das gesamte Häuschen mit seinem beschissenen Inhalt fährt wie ein altertümlicher Fahrstuhl zum Mittelpunkt der Erde. Verglüht dort mit all seiner Bosheit restlos. Punkt. Ende der Vorstellung. Im Abspann ein Gewitter, Blitze, schließlich Regen und dann unsere Namen von hinten angestrahlt von der hinter den Wolken vorkommenden Sonne."
Loup lacht. "Ich wiederum sehe danach mich, wie ich Tetras Kopf über einem anderen porzellanenem Loch stütze, höre unendlich grausame Würggeräusche und als es endlich vorbei ist, sehe ich meine rotgefederte Geliebte, ihm Äonen am Krankenbett beim Stöhnen zuhören und die wachsweiße, schlaffe Hand halten. Prost!"