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Die Steine der Ewigkeit

****ra Frau
2.917 Beiträge
Themenersteller 
Die Steine der Ewigkeit
Mwellyn legte seinen Kopf in den Nacken und blickte in die silbrige Scheibe des perfekten Vollmondes. Schritt für Schritt kam er dem Steinkreis näher. Andächtig schweifte sein Blick über diese erhabene Ansammlung der Megalithen. Für die Nicht-Eingeweihten waren nur undeutbare Formen zu erkennen, doch der Sinn entzog sich ihnen und würde es auch für immer bleiben. Für sie war es nur ein steinzeitliches Observatorium, mit dem der Sonnenstand berechnet werden konnte, eine Art Kalender.

Obwohl der Weg kaum bergauf führte, spürte Mwellyn Schweiß zwischen seinen Schulterblättern hinab rinnen. Sein Atem war flacher als sonst, sein Herz raste. Er wusste um die Bedeutung des heutigen Tages. Er würde sein ganzes bisheriges Leben hinter sich lassen, für den heutigen Tag wurde er geboren.

Mwellyn wandelte inzwischen bereits einige Jahrhunderte auf dieser Erde, hatte vieles erlebt, viele Kriege, Geburten und Tode. Der Höhepunkt für ihn war jedoch, König Artus dienen zu dürfen. Als Berater, Vertrauter und Freund. Nicht nur in astrologischen Dingen befragte ihn der König, auch in militärischen und persönlichen Angelegenheiten weihte Artus Mwellyn ein.

Artus’ Tod schien damals das Ende von Mwellyns Leben zu sein. Ohne diesen Träger der Hoffnung aller Menschen, wollte Mwellyn nicht mehr auf dieser Erde bleiben. Doch in unzähligen Anrufungen seiner Vorfahren, von denen er Antworten erhoffte, wurde ihm Geduld abverlangt, seine Zeit würde noch kommen.

Die letzte Anrufung, die er ausführte, führte ihn nun zum heutigen Ereignis. Mwellyns Schritte wurden langsamer, sein Blick konzentrierte sich.
Scharf sog er die kühle Nachtluft in seine Lungen, während feine Nebelschwaden sich bildeten, die die Steine wie Spinnweben einhüllten. Beleuchtet vom Mondlicht begann der Zauber der vergangen Jahrhunderte zu wirken. Die Stimmen der Ahnen, deren Gesänge, all dies schien im Inneren des Kreises vernehmbar zu sein. Greifbar, weil es noch immer vorhanden war. Nichts, das einmal in diesem magischen Kreis geschah, löste sich jemals ganz aus dieser Magie. Der Speicher, das Gedächtnis der Welt.

Mwellyn kam zum Stehen. Ihm war freigestellt, ob er heute sein menschliches Leben aufgeben wollte. Sein irdisches Leben endete mit dem heutigen Tage. Er wusste, würde er nun umkehren, zurück in sein Dorf gehen, begänne das endgültige Altern seines bisher unsterblichen Körpers. Er wäre nur noch ein ganz normaler alter Mann, der den nächsten Tag nicht mehr erleben würde.

Erinnerungen kamen in ihm auf. Seine geliebte Frau – gestorben schon seit scheinbar unendlichen Dekaden. Nie wieder fand er ein Weib, das ihm so nahe stand, wie diese Eine, daher begann mit ihrem Tod seine Askese, sein Rückzug.
Widmete sich ganz der Heilkunst, wurde zum Schamanen und weisen Oberhaupt seines Dorfes. Doch er wurde müde in den letzten Jahrzehnten. Müde unter der Last des ewigen Lebens ohne Freude, ohne Liebe.
Nein – sein Entschluss stand fest – er würde heute dem Ruf seiner Ahnen folgen. Entschlossen setzte er sich erneut in Gang und folgte dem Weg, der direkt in das Zentrum der Kreise führte.

Sein noch immer dichtes, silbern schimmerndes Haar, welches in weichen Wellen auf seinen Schultern lag, wurde von einem eisigen Lufthauch angehoben, nur um fast schwerelos wieder auf seinem Körper zum Liegen zu kommen.
Mwellyn blickte nun gebannt auf die Mitte der Kreise, die sich mit jedem weiteren seiner Schritte zu verwandeln schienen. In seinen Augenwinkeln nahm er Bewegungen wahr, doch war er nicht mehr in der Lage, seinen Blick abzuwenden. Fixiert auf das, was sich dort vorne abspielte, lief er gebannt weiter. Flackerndes Licht begann zu glimmen, warm und weich erhellte es das Innere des Kreises, doch die Quelle der Helligkeit war nicht auszumachen. Auch wich die nächtliche Kälte einer Wärme, die Mwellyn völlig umhüllte, seinen Körper schweben ließ.

Nur noch schemenhaft wurde ihm bewusst, daß er bereits angekommen war. Genau im Zentrum befand sich Mwellyn und noch immer unfähig zu jeglicher Bewegung. Ein strahlenweißer Altartisch erschien auf einem goldenen, konisch geformten Podest stehend. Dahinter formierten sich helle Nebelschwaden, konzentrierten sich vertikal und Mwellyn konnte kaum begreifen, was sich vor ihm abspielte. Der Nebel verdichtete sich weiter bis sich ein Gesicht, Schultern, ein Oberkörper herauslösten, und einer der Ur-Druiden stand vor ihm. Mwellyn kannte bisher von seinen Anrufungen nur deren Stimmen, doch nun würde er sie persönlich kennenlernen. Mwellyn ahnte es mehr, als er es sah, doch überall geschah das gleiche Schauspiel, der Nebel, der sich um die einzelnen Steine gelegt hatte, zog sich zusammen, heraus traten immer mehr dieser hochgewachsenen Druiden. Seidigweiße Gewänder, goldgewirkte, geflochtene Gürtel hielten sie geschmackvoll zusammen. Der Ur-Druide vor ihm zeichnete sich durch seinen langen, weißen Bart ab, der ihm bis zur Hüfte reichte.

„Nun, Du hast Dich entschieden“ hörte Mwellyn eine klare, deutliche Stimme in seinem Kopf sagen. „Mwellyn, Du wirst nun einer der Unseren, bist bereit Dein Leben der Unendlichkeit zu übergeben, bist bereit, länger als die Zeit zu existieren?“
Mwellyns Mund schien ausgetrocknet, keinerlei Sprache mehr fähig zu sein. Hatte er doch die ganze Zeit das Gesicht des Ur-Druiden beobachtet. Dieser hatte seine Lippen keine Sekunde bewegt und doch zu ihm gesprochen. Noch bevor Mwellyn antworten wollte, klang erneut die Stimme in seinem Kopf. „Du wirst dieses Instrument der Sprache nie mehr benötigen, Du wirst lernen, mit Deinen Gedanken zu kommunizieren. Nun, antworte mir, Mwellyn, bist Du bereit?“
Mwellyn versuchte zu nicken, reflexartig seinen Mund zu bewegen, doch schien er wie versteinert. So strengte er sich an, dachte an das, was er sagen wollte und blickte dem Ur-Druiden fest in die Augen. Dann spürte Mwellyn, wie sich seine Worte den Weg in die Köpfe aller Anwesenden bahnten. Alle konnten ihn verstehen.
„Ja, ich bin bereit. Bin bereit mein altes Leben aufzugeben, einer der Euren zu werden.“

„Mwellyn, Du wirst Dein Leben nicht aufgeben, im Gegenteil, ab jetzt beginnt für Dich der Anfang der Ewigkeit.“
Mit einer gleitenden Bewegung entfernte sich der Ur-Druide, der hinter dem Altar stand und reihte sich in den Kreis der anderen Druiden ein. Endlich konnte Mwellyn sich wieder bewegen, blickte langsam um sich, und traute seinen Augen kaum. Unzählige Druiden füllten das Innere der Steinkreise, sogar noch die äußeren Kreise wurden von ihnen umrahmt. Über allem lag dieses pulsierende, silbrige Licht und eine unsägliche Ruhe und Leichtigkeit.
Gesang schwoll an. Helle, klingende Töne begannen sich aus dem Altar zu erheben. Mwellyns Blick fiel erneut auf dieses wunderbare Gebilde. Eine große Schale stand mitten auf der Tischplatte, eine schimmernde Flüssigkeit befand sich in der Schale. „Mwellyn, geh zum Altar, blicke in die Schale des Schicksals“ wurde er stimmenlos aufgefordert, und Mwellyn folgte.

Geblendet von dem gleißenden Weiß der Altarplatte, kniff er die Augen ein wenig zusammen, bis sich seine Augen daran gewöhnt hatten. Die Schale – aus poliertem, schwarzem Obsidian – schien nur für ihn hier zu stehen. Die Flüssigkeit begann in dem Moment, in dem er hineinblickte, kleine Wellen aufzuwerfen und formte daraufhin ein Bild. Immer mehr Bilder konnte Mwellyn erkennen, seine eigene Vergangenheit lief dort für ihn nochmals sichtbar ab. Schmerzhaft krampfte sich sein Herz, als er seine Frau erblickte, glücklich lachend am Tage ihrer Vermählung, dann ihr trauriges Gesicht, umrahmt von ihrem kastanienbraunen Haar, auf dem Totenbett, als sie den Tod kommen spürte, ihre perlenden Tränen, daß sie ihren geliebten Mann nun verlassen musste.
Mwellyn erschrak, als sich dieses Bild verzerrte. Eine seiner, von ihm unbemerkt geweinten Tränen, fand ihren Weg in die Flüssigkeit. Diese veränderte plötzlich ihre Farbe, begann von klarer Transparenz sich in purpurn schimmerndes Öl zu wandeln. Die Bilder die er nun erblickte, konnte Mwellyn nicht zuordnen. Es war die Zukunft, eine unendliche Zeit. Doch Angst verspürte er nicht. Nur noch eine innere Zufriedenheit, daß seine Entscheidung die richtige war.

„Gut, Mwellyn, sehr gut. Wir haben Deine Entscheidung akzeptiert, nun wirst Du in unseren Kreis aufgenommen. Komm zu uns!“ forderte der Ur-Druide.
Mwellyn setzte seine nackten Füße, die vorher noch in Ledersandalen steckten auf den polierten Marmorboden und lief geräuschlos zum Rand des inneren Kreises. Ein leichter Windhauch brachte ihn dazu, an sich herabzublicken. Seine ursprünglich grobe Leinenbekleidung war einem weißen, weich fließenden Gewand gewichen, der goldene geflochten Gürtel umspannte nun seine Hüfte.
Alle Blicke waren ihm zugewandt. Sanfte Augen, weises Lächeln, dies begleitete ihn auf seinem Weg in den Kreis der Auserwählten.

Es wurde still, der Gesang verebbte, bis nichts mehr zu hören war.
Mwellyns Blick glitt noch einmal zurück. Der Altar war verschwunden, die Druiden begannen zu verschwimmen, Nebelschwaden bildeten sich erneut, es wurde dunkler und kälter.
Doch bevor Mwellyn ein flaues Gefühl verspüren konnte, bemerkte er zwei warme Hände, die ihn an seinen Ellbogen berührten. Zwei der Druiden lächelten ihm schweigend zu. „Komm mit, vertrau uns“ vernahm Mwellyn wieder in seinem Kopf und ließ sich, eingerahmt von ihnen, führen. Direkt auf zwei riesige, eng nebeneinander stehende Steine zu, die mit einem waagerechten Deckstein belegt waren.
Kurz zögerte er, er wollte vor dem Stein zum Stehen kommen, nicht mit ihm zusammenstoßen, doch war es ihm nicht möglich stehenzubleiben, er wurde weiter gezogen. Mwellyn schloß die Augen, spürte beim nächsten Schritt, der ihn hätte gegen den Stein prallen lassen müssen, einen Hauch, als würde ihm ein Stück kühle Seide über den Körper gezogen, und verschwand im Stein.

Dies war nun sein Platz. Sein Platz für die Ewigkeit. Er wusste, er würde hier sein Glück finden, für den Rest aller Gezeiten, denn diese beiden Steine, beschützt durch das schwere Dach, waren der Ort der erneuten Zusammenkunft für ihn, für ihn und seine über alles geliebte Frau, die leichtfüßig und strahlend lächelnd, mit ausgestreckten Armen auf ihn zugelaufen kam.
@ lysie
Du hast so eine packende Art zu schreiben. Jedes Mal ein kleines Juwel.
Ob Du den Maurice jetzt erlöst oder seinen Pc arbeitslos gemacht hast?
Und mit wem soll sein Wolfsbruder jetzt jaulen?
Drewignarrolaf
****ra Frau
2.917 Beiträge
Themenersteller 
Olafjuwel
ein Versuch, Maurice würdevoll zu vertreten, während er weg ist *gg*
neeee, das geht gar nicht, will ich auch gar nicht..


uuhh, Wolfsbruder bleibt schön brav bei Merlin *ja*



*blume* für Olaf



schonwiederimschreibflash

Lys
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Nee, das ist aus meiner Sicht schon was anderes als das, was unser allseits geschätzter Maurice schreibt. Ich kann und mag das nicht miteinander vergleichen.

Aber es ist eine großartige Geschichte, so ganz nach meinem Geschmack und auf meiner Wellenlänge. Und sie hat ein dickes Kompliment verdient, finde ich.

Übrigens ist mein Schutztier ein Wolf (hat mir mal ein Indianer gesagt bzw. rausgefunden), und es gibt so manchen, der mich sogar Wolf nennt. Also hätte Maurice notfalls auch in mir einen "Wolfsbruder" ...

(Der Antaghar)
Liebe Lys.
Das Schöne an uns Schreibern ist doch, dass wir alle unseren eigenen Erzählstil haben.
So auch Deine Geschichte. die Du kraftvoll und kenntnisreich erzählst.
Beim Lesen war mir, als würde ich in einen Traum hinein gezogen.

Schön, wie Du schreibst.

...

Olaf: Wer sagt denn, dass ich am PC schreibe? Und jaulen Wölfe? Nein, sie heulen *zwinker*

...

Antaghar, seit dem letzten Samstag ist es mir klar, dass Du mein Wolfsbruder bist, so wie Lys meine Wolfsschwester ist.

Komisch, ganz früher in den Anfangszeiten des Internets hatte ich einen Nick namens Isegrim. Kein Zufall *zwinker*
Auch kein Zufall ist, dass ich in meinem Leben viele Wölfe bzw. Wolfsmenschen gemalt habe.
Wölfe sind uns so ähnlich, ähnlicher, als manche glauben möchten.

Sogar mein allererster Hund war mehr Wolf als Hund, nicht nur vom Aussehen her.

So, es ist nun 5.36 Uhr, die Comanchenzeit längst vorüber und ich lege mich noch einmal aufs Ohr.

Mo.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
@ mauricedewinter
Hey, ich fühle mich geehrt - und heule einmal mehr den Mond an: diesmal nur für Dich!

Ich liebe übrigens echte Wölfe. Ein Paar aus dem Nachbarort engagiert sich seit langem für Wölfe im Ural - und für die Einbürgerung der Wölfe in unseren Wäldern.

Und schon so manches Mal saß ich mitten in einem Wolfsrudel und hab mich wohler gefühlt als unter Menschen.

Und ich hatte schon mal einen echten Wolf zum Freund - Wahnsinn! Einfach der Hammer! Ich werde ihn niemals vergessen (übrigens hieß er "Demian").

Nicht umsonst sind Verhaltensforscher mittlerweile überzeugt, dass unser Sozialverhalten nicht von Affen oder Bären, sondern von Wölfen beeinflusst wurde ...

Der Antaghar
(der in Dir ebenfalls einen Wolfsbruder zu erkennen glaubt: feiern wir die Rückkehr der Wölfe!)

****ra Frau
2.917 Beiträge
Themenersteller 
Meine Hommage
Ans Wolfsrudel. . . . Vollmond ist wieder vorbei, doch der nächste kommt bestimmt. Als ich die Story schrieb war tatsächlich Vollmond. . Naja, nur wieder die Bestätigung, daß dieser Erdtrabant mich alle 4 Wochen in seinen Bann zieht. - - - Ein leises Alpha-Heulen aus meinem Büro ins JC . *g* Lys
Off topic *zwinker*

Mein allererster Hund war eine Mischung aus einem Wolfspitz (Spitz wegen dem gebogenen Schwanz, die sind größer als Bernadiner) und einem belgischen Schäferhund. Der sah aus wie ein Wolf, nur kräftiger (80 kg) und hieß auch Wolf.

Er war 12 Jahre lang mein treuer Begleiter.

LG
Mo.
*******day Frau
14.271 Beiträge
off topic, die zweite *g*

ich durfte 17 Jahre mit einem pechschwarzen, spitzgeschäferten Collie zusamme leben. Er hieß Bronco
********enta Frau
17.719 Beiträge
*hand* Die Dritte *lach*

17,5 Jahre - senfgelb - spitzgedackeltes Tierchen - seeeeehr lieb *ja*
die vierte! 12 jahre, samtweiche haut, wunderschöne ohren: marianne.
Klar, wir sind hier in der Plauderecke.

Off topic aus.
*******old Mann
317 Beiträge
Dickes Lob
Diese Geschichte hat mich fasziniert. Ich denke an die klar hervorgearbeiteten Gedanken und Gefühle. Fast war mir, als könnte ich den Luftzug spüren, der um seine Beine wehte, als er den Stein betrat.

Eine Fortsetzung, die restrospektiv erzählt, wäre schön....nur eine kurze Zeit, so die letzten 500 Jahre.....

A.
****ra Frau
2.917 Beiträge
Themenersteller 
500 Jahre
doch nur so wenig? *gg*

für Euch tu ich doch fast alles...

hier also eine sehr kurze Zeitspanne in der Retrospektive - meine eigene Version dieser magischen Geschichte:

--------------------------------------------------------------------------------

Mwellyns Blick in die Schale des Schicksals

Mwellyn hatte es kommen sehen. Nicht, dass ihm Lancelot unsympathisch war, nein, eher das Gegenteil. Dieser charismatische Ritter der Tafelrunde, der jeden in seinen Bann zog, sei es nun ein gestandener Kämpfer oder ein holdes Weib – er nahm jeden für sich ein.

Daher war es nur eine Frage der Zeit, wann die Königin Guinevere ihm verfallen würde. Obwohl Artus sie abgöttisch liebte, verehrte, schien sie, die um einige Jahre jüngere Gemahlin, eine Unrast zu verspüren, die allerdings mit dem Tage schwand, als Lancelot bei Hofe erschien.

Ab da wurde Mwellyn klar, dass das Ende von Camelot eingeläutet war. Er sah es ganz deutlich vor sich. Der Tag war ungewöhnlich mild für einen Apriltag, vor allem in der Gegend um Camelot, wo der Nebel scheinbar geboren wurde. Nie schien es ganz aufzuklaren, immer schwebten feinste Nebelschwaden um die Wälder, die die Burg umgaben, Gespinste, die sich des Nachts der trutzigen Burg näherten und sie in eine Art Schutzschild einhüllten, sie unsichtbar in den wenigen Stunden der Dunkelheit machten.
Doch heute war alles anders. Mwellyn stand unruhig auf dem höchsten Turm der Festung, sein wallendes Haar wehte im Blütenduftgeschwängerten Wind, der sich sanft an den steinernen Wänden empor klomm. Mwellyn stützte beide Hände auf die schmale Schartenöffnung, spürte das raue Gestein in seinen Handflächen und beugte sich etwas vor. Weit am Horizont, dort wo die Sonne anfing aufzugehen, schien sich ein winziger Punkt zu bewegen. Oder war es nur eine Illusion? Mwellyn kniff seine Augen zusammen und gab es leise seufzend auf, es zu fixieren. Er lehnte sich mit seiner rechten Schulter an das Gemäuer, verschränkte seine Arme vor der Brust und übte sich in Geduld. Wenn es so wäre, würde er in kurzer Zeit genauer erkennen können, was oder wer sich dort Camelot näherte. Seine Gedanken schweiften ab.
Sah Guinevere vor sich. Gestern Abend, beim Festmahl, zum Geburtstage von Galahad. Unzählige Kerzen beleuchteten die Gesellschaft. Lange Bänke und Tische waren angerichtet, Wein stand in irdenen Karaffen zum Ausschank bereit. Es wurde gelacht, gesungen, der Minnesänger war eine willkommene Abwechslung zum üblichen Gesang, der große Festsaal duftete nach den erlesensten Speisen. Frisch gebackenes Brot lag in geflochtenen Körben überall auf dem Tisch, in Silberschalen präsentierten sich Obstsorten, Terrinen, in denen gefüllte Wachteln auf den Verzehr warteten, standen verteilt vor den Gästen. Gegrillte Fische, aufgespießt auf langen Ästen wurden von Dienern nach Wunsch vom Holz abgelöst und das zarte Fleisch konnte sofort auf der Zunge zergehen.
Ganze Schweine drehten sich mit herrlich knuspriger Schwarte über den offenen Spießen, jeder der Hunger verspürte, brauchte nur heranzutreten und sich mit seinem Messer ein großes Stück Fleisch herauszuschneiden. Im Laufe des Abends glänzten immer mehr Gesichter der Gäste nach dem fettigen Genuss, und sprachen umso mehr dem Wein zu. Guinevere schien in ihren eigenen Gedanken versunken zu sein. Artus, neben ihr auf den, ihnen beiden vorbehaltenen, hochlehnigen Stühlen sitzend, amüsierte sich ausgiebig, beugte sich oft laut lachend zu seiner Gemahlin hinüber, küsste sie kauend etwas rau auf ihre zarten Lippen und widmete sich wieder seinem Gesprächspartner, oder lauschte der Musik. Guinevere quittierte diese Aufmerksamkeit stets mit einem höflichen Lächeln und gab vor, sich ebenfalls prächtig zu amüsieren. Doch fühlte sie sich unbeobachtet, kehrte dieser traurige Ausdruck in ihr Gesicht zurück. Mwellyn stand wie immer abseits, hinter den Säulen im Halbdunkel. Er betrachtete diese Gesellschaft, sah ihren Verfall mit jeder Stunde, die fortschritt. Niemand schien ihn zu bemerken, als er mit seinen weichen Lederschuhen und im groben Leinengewand durch die Gänge wanderte. Er besaß zwar die Gabe, sich vor anderen zu verbergen, seine Tarnkappe zu benutzen, doch hier, in diesem Weingeschwängerten Raum war dies nicht nötig.
Einzig die Königin schien nüchtern geblieben zu sein, während die restlichen Gäste einer nach dem anderen von den Holzbänken kippten, sie dann von ihren Dienern aufgehoben und in ihre Räume getragen wurden. Langsam leerte sich der Saal, emsig mühten sich die Diener, Ordnung in diese Ausschweifungen zu bringen. Schweigend erledigten sie diese Arbeiten, nur hier und da ein leises Klappern war zu hören. Alle Gäste und das Königspaar hatten sich zurückgezogen und lagen vermutlich im Schlaf der alkoholischen Glückseeligkeit. Die Kerzen wurden gelöscht, Mwellyn begab sich gedankenvoll in seine Kammer. Das Gesicht, das Verhalten der Königin in den letzten Wochen ließ ihm keine Ruhe mehr.

Mit einem Ruck fuhr Mwellyn zusammen, ein Rabe schrie erbost über seinem Kopf, flatterte noch einmal kurz mit seinen weiten Schwingen und verschwand über den Wipfeln des nahen Waldes. Da – jetzt konnte er genauer erkennen, was sich dem Schloss näherte. Über den sanften Hügeln, deren Gras Mwellyn immer wieder verzauberte, da es wie dunkelgrüner Samt schimmerte, formte sich nun ein genaueres Bild. Es war ein Reiter, geschmückt mit einem glänzenden Brustschild, dessen Wappen Mwellyn nicht kannte. Dabei glaubte er doch, sämtliche Wappen im Königreich zu kennen. Neben dem hohen Ross des Ritters trotte ein kleineres Pferd daher, auf dem ein kleiner, fetter Kerl saß. Dies konnte nur der Diener sein, auch aufgrund der schäbigen Kleidung. Hinter dem Sattel des Kerls waren unzählige Ledertaschen zu erkennen, in denen wohl Proviant und Habseeligkeiten der beiden verstaut waren.

Mwellyn spürte ein unangenehmes Kribbeln über seinen Körper huschen. Das war kein gutes Zeichen. Diesmal wand er seinen Blick nicht mehr ab, spürte wie sich seine Schultern anspannten, während seine Arme gegen die Mauern drückten. Mwellyn spürte den Schmerz erst, als sich kleine Steine tief in sein Fleisch der Handflächen bohrten. Leise zischend nahm er sein Gewicht zurück, rieb sich die Hände und entschloss sich, langsam hinunter zu gehen, zur Zugbrücke, die nur auf Befehl weniger Autoritäten heruntergelassen wurde.

Lautlos schien er die Wendeltreppe hinunterzugleiten. Je tiefer er kam, umso dunkler wurde es und modriger Geruch stieg in seine Nase. Diese Gemäuer schienen die Feuchtigkeit des Nebels in sich aufgesogen zu haben und nach innen abzuleiten. In der Höhe des Burgtores schien der Geruch am intensivsten zu sein. Mwellyn trat aus dem Dunkel des runden Turmes heraus, beugte sich ein wenig um durch den niedrigen Türsturz in den sonnendurchfluteten Burghof zu kommen. Jetzt knirschten seine Schuhe, jeder Schritt auf den groben Steinen hallte von den trutzigen Wänden zurück, bis er auf das Stroh trat, das am Eingang verstreut den Boden bedeckte. „Lasst das Tor herab, wir erhalten Besuch“ rief Mwellyn den Wachen zu, die auf der Burgmauer ihren Dienst verrichteten. Mit einem Nicken gaben sie zu verstehen, dass sie ihn gehört hatten und kurz darauf war ohrenbetäubendes Rasseln zu hören, als sich zwei wuchtige Ketten über die Holzwinden abrollten und das schwere, schwarz gefärbte Eichentor langsam herabsenkten. Die Eisenbeschläge kamen mit einem lauten metallischen Kratzen auf den Steinen des gegenüberliegenden Ufers zu liegen. Mwellyn trat unter dem Eisengitter hindurch, dass nur in Kriegszeiten herabgelassen wurde, und seit langem nicht mehr benutzt werden musste, Artus hervorragender Politik sei dank. Während er den Schutz der Mauern verließ, auf die Mitte des nun waagerecht liegenden Tores stand, fiel sein Blick kurz in den tiefen Burggraben. Sonst war das Wasser dunkel, fast schwarz. Doch heute schimmerte es in einem zarten Blau, die Wolken, die sich darin spiegelten, schienen wie kleine Schaumkronen auf den sanften Wellen zu tanzen. Mwellyn musste seinen Blick regelrecht von diesem Bild reißen und bemerkte, dass er dem Ritter bereits ins Gesicht blicken konnte.
Für einen kurzen Moment schob sie eine Vision vor Mwellyns Augen. Trauer sah er, endlose Trauer und Tod. Die Worte des Reiters holten ihn aus dieser schaurigen Vision: „seid gegrüßt, weiser Mann. Hättet ihr die Güte, mich zu eurem Herrn zu führen? Ich habe von seinen sagenhaften Taten gehört und möchte ihm meine Dienste anbieten.“
Dieser angenehmen Stimme konnte man kaum widerstehen, Mwellyn schluckte kurz und antwortete: „edler Ritter, gerne führe ich euch zum König, doch seid so geneigt, mir euren Namen zu nennen.“
„Lancelot, ist mein Name. Lancelot vom See“ und mit dieser Antwort spürte Mwellyn einen harten Schlag in die Magengrube. Wortlos drehte er sich um, wollte nicht unhöflich dem Gast gegenüber erscheinen. Doch er brauchte diesen kurzen Moment des Sammelns. ‚Die Prophezeiung – sie tritt nun ein. Viel zu schnell.’ Mwellyn eilte durch die Säulengänge, bis er den Thronsaal erreichte. Artus verrichtete mit seinen Rittern die üblichen Arbeiten, Fragen der Bauern in Rechtsstreitigkeiten, Abgaben und Heeresangelegenheiten. Zwei Wachen öffneten die schweren Flügel der großen Tür, Mwellyn trat in diesen erfurchtsgebietenden Saal. Alle Anwesenden hoben den Kopf, Artus reagierte als erster, mit ausgestreckten Armen lief er auf Mwellyn zu. „Mein geschätzter Freund, mein Berater, welch unerwarteter Besuch. Was führt euch her?“
Mwellyn holte kurz tief Luft bevor er die Ankunft des Ritters ankündigte. Artus blickte in die Runde, und meinte: „Wir können immer einen guten Ritter und Kämpfer in unserer Runde gebrauchen. Er wird sich im Kampfe zwar erst beweisen müssen, doch eine Chance hat er verdient. Also, führt ihn herein, kümmert euch um sein Pferd, seine Habseeligkeiten und zeigt ihm danach die Räume, die für ihn gerichtet wurden.“

Damit begann es. Artus ließ das Ende somit nach Camelot hinein. Guinevere schien wie vom Blitz getroffen, als ihr Lancelot vorgestellt wurde. Auch ihn schien diese Begegnung nicht kalt zu lassen. Die Art, wie er ihre zarte, schmale Hand ergriff, sich verbeugte um diese zu küssen – der Raum schien von Gefühlen aufgeladen zu sein.
Lancelot gewann schnell das Vertrauen des Königs, wurde der erste Ritter neben Artus, der ihm sein Leben anvertraute. Die jungen Frauen, aber auch die Alten, alle schmachteten hinter Lancelot her, warfen sich ihm regelrecht an den Hals, buhlten um seine Aufmerksamkeit, doch nie hörte man, dass auch nur eine von ihnen Erfolg gehabt hätte. Lancelot hatte seit dem ersten Tag seiner Ankunft nur noch Augen für die Königin. Mwellyn war verzweifelt, wollte der Prophezeiung nicht folgen, versuchte gegen das Schicksal anzukämpfen, doch war er machtlos. Es kam, wie es kommen musste. Guinevere und Lancelot fanden zusammen. Wurden entdeckt beim gemeinsamen Liebesspiel und von einem Tag zum anderen stürzte die Welt in Camelot zusammen. Mwellyn wusste, dass er in diesem einen Fall keinerlei Macht hatte, etwas zu ändern. War doch die Liebe selbst, die stärkste Macht auf Erden. Den Gesetzen zu folge wurden die beiden verbannt. Guinevere in ein Inselkloster, unerreichbar für die restliche Menschheit, in trostloser Abgeschiedenheit. Lancelot wurde, aufgrund seiner Heldentaten, die Ehre erwiesen, mit drei Tagen Vorsprung vor seinen Häschern zu fliehen.

Ob diese Jagd Erfolg hatte, kam nie mehr zu Tage. Darüber wurde kein Wort mehr verloren. Artus hingegen verfiel in trübsinniges Schweigen. Über Nacht ergrauten seinen vorher leuchtend blonden Haare, tiefe Furchen waren in sein Gesicht gegraben, sein Körper gebeugt vor Gram. Mwellyn fühlte das Ende nahen. All seine Macht schien nutzlos. Jeden Trank, den er Artus anbot, zum Heilen seiner Seelenwunden, schlug dieser aus. Artus hatte sich bereits aufgegeben. Nichts und niemand würde ihn mehr ins Leben zurückführen können.


Mwellyn beugte sich über den sterbenden Artus. Sein Herz war schwer von Trauer. Hart klopfte es gegen seinen Brustkorb, als er versuchte, den letzten Worten seines geliebten Königs zu lauschen. „Wir haben Mordred besiegt, die Schlacht gewonnen, und doch alles verloren“ hustete Artus röchelnd. Die tiefe Fleischwunde in seiner Brust ließ keinen Zweifel zu. „Sag es mir Mwellyn, hat sie mich geliebt? Hat sie mich jemals wirklich geliebt?“ Tränen glitzerten in seinen Augen als er seinen Kopf ein wenig mehr zu Mwellyns Gesicht drehte. „Ich habe sie so sehr geliebt, sie hat mir alles bedeutet und sie war die einzige, die mein Herz zerstören konnte. Hat sie mich je geliebt, Mwellyn?“ kurz bäumte sich sein geschundener Körper auf und sank schlaff in sich zusammen. Das helle Glimmen in seinen Augen erlosch. In Mwellyn zerbrach laut berstend der Rest seines Herzens. Er starb ein zweites Mal. Mwellyns Hände glitten über Artus Körper, ein helles Glimmen umhüllte den großen König, der Leib begann zu schweben, Mwellyn führte ihn durch seine Kraft hinab zum See, an dem er wusste, die Barke nach Avalon würde bereitstehen.

Allein, Mwellyn fühlte sich allein. Jeglicher Sinn seines Lebens schien verloren. Er kehrte nie mehr nach Camelot zurück. Mwellyn lief tage- und nächtelang durch sein geliebtes England, dessen Schicksal nun offen war. Seine Schuhe zerschlissen auf seinem Weg, seine Kleidung zerfetzte an den Dornen der Büsche, durch die er sich schlug, um sein Ziel zu erreichen. Und wieder war es einer der seltenen sonnigen Tage. Die Sonne begann eben erst über dem Horizont aufzugehen. Mwellyn stützte sich auf den langen Holzstab, den er mit sich führte und genoss für wenige Augenblicke dieses Schauspiel. Dunkelrot, dann immer heller werdend stieg der Feuerball über den Rand der Hügel hinauf. Warm berührten die ersten Strahlen Mwellyns Gesicht, der seine Augen schloss, um diese Wärme in sich aufzunehmen. Als er sie öffnete, senkte er seinen Kopf, um nicht geblendet zu werden. Seine zerzausten Haare fielen ihm an den Seiten über die Schultern, er sah so aus, wie er sich fühlte. Dennoch setzte er einen Fuß vor den anderen, es waren nur noch wenige Meter, die ihn von seinem Ziel trennten. Nur er kannte diesen Ort, niemand würde jemals hier her kommen. Er selbst hat diese Stelle für seine Frau gewählt. Als sie ihn verlassen musste, als ihr menschlicher Körper nicht mehr in der Lage war, weiterhin auf der Erde an seiner Seite zu weilen. Ein großer Stein bedeckte das Grab seiner Frau. Niemand würde jemals diesen Stein bewegen können. Mwellyn selbst hatte diesen Stein ausgewählt, als Schutz für sein geliebtes Weib.

Tränenüberströmt sank Mwellyn vor diesem Stein zu Boden, legte seine Hand auf die raue Kühle, schmiegte seine Wange an diesen uralten Zeugen der Zeit. Leises Flüstern, das der Stimme seiner Geliebten glich, vom Wind getragen, drang in sein Ohr: ‚Mein geliebter Mwellyn, trauere nicht, nichts endet für immer, glaube an die Macht der Steine, glaube an die Steine der Ewigkeit“.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Einfach nur ein schlichtes: JA!

(Bitte noch mehr Stoff ....)

Der Antaghar
Orange Session
*********katze Frau
8.077 Beiträge
Liebe Lysira,
mir scheint, Du hast zwar die Party des Jahres verpasst (HoB), aber währenddessen irgendwelche mysteriösen Schreib-Perlen gelutscht! Wunderbar, die wahre Flut von Deinen Geschichten, die die Gruppe ungemein bereichern.

Ich muss gestehen, das Vergnügen des Lesens werde ich erst in den nächsten Tagen haben, da Zeitmangel mich zum Überfliegen zwingen würde. Und das will ich nicht.

Ich freue mich darauf! *ggg*

Liebe Grüße
Christine

PS: Gibts die Schreib-Perlen rezeptfrei oder hast Du ´nen local dealer? Auch haben will!!!
Da hats Katzerl völlig Recht!
es ist, als ob Du die Handbremse gelöst und den Turbo eingeschaltet hättest. Auch im Stil und den Formulierungen, die mich wie magisch mitten ins Erleben ziehen.
Wenns die Pillen gibt, will ich auch welche. So langsam wirds mir nämlich hier unheimlich bei der Dichte von ChampionsLegue Autoren hier.
Freu mich über deinen Quantensprung Olaf
****ra Frau
2.917 Beiträge
Themenersteller 
Inspiration
Ihr seid doch meine Schreib-Perlen und Handbremsenlöser *g* die Anregungen hier durch Storys, die ich lese sind Futter für meine Hirnwindungen. . Trotzdem mal in meiner Zuckerdose nachschau ob vielleicht doch ein Kreativzusatz reingeschmuggelt wurde *g* Lys
****ra Frau
2.917 Beiträge
Themenersteller 
Die nächste Vision Mwellyns in der Schicksalsschale
Joana…. ihr zartes, blasses Gesicht tauchte auf in der schimmernden Flüssigkeit.. Sie war die Trägerin all seiner Hoffnungen. Er nahm sie unter seine Fittiche, als Mündel. Ihre Eltern baten ihn darum, als sie spürten, dass sie zu alt wurden, um ihre lebhafte Tochter aufzuziehen und bilden zu können. Joana lernte ihre Eltern nie richtig kennen, diese starben bereits, als Joana 6 Jahre alt war. Nach 15 Geburten, war ihre Mutter ausgelaugt, der Vater geschwächt von jahrzehntelanger, harter Arbeit auf den Feldern.

Joana ging es gut bei Mwellyn. Selbst wenn die Nahrung karg war, gedieh sie prächtig und wuchs zu einem schlanken Wesen heran, das die Leichtigkeit eines Luftwesens zu besitzen schien.
Mwellyn brachte ihr schon ganz früh das Lesen und Schreiben bei, bis sie jedes seiner Bücher verschlungen hatte und sich viel Wissen angeeignet hatte. Joana spürte, dass sie als Hebamme ihre Erfüllung finden würde. Sie zeigte bereits viel Geschick und Gespür, wenn es darum ging, den Zicklein auf die Welt zu helfen. Die zwei Ziegen in ihrem Besitz, die für ständig frische Milch sorgten, waren oft tragend und sorgten für kräftigen Nachwuchs.

Begeistert und fasziniert lugte sie in die Töpfe und Tiegel, wenn Mwellyn wieder einmal in Gedanken vertieft eine neue Mixtur ansetzte. Andächtig ging sie in die Hocke, saß stundenlang auf ihren Fersen und blickte Mwellyn bewundernd an, sobald er daran ging, die magischen Formeln über dem köchelnden Sud zu murmeln. Ihre langen Haare, die sie immer offen trug, weil sie weder sich noch ihre Haarflut zähmen wollte, lagen wie eine Cape über ihren Schultern, leuchteten in hellem, fast silbrigem Blond. Mwellyn war fasziniert von diesen großen, blauen Augen unter langen, gebogenen Wimpern, die ihn fixierten, sobald er seinen Blick von den Tiegeln zu ihr wandte. Eine Weisheit schien darin zu liegen, die sogar Mwellyn erschauern ließ. All sein Wissen wollte sie aufsaugen. Bei ihren gemeinsamen Streifzügen durch die nächtlichen Wälder, besonders in Vollmondnächten, schien Joana in einen anderen Zustand zu gleiten. Ihr Körper schimmerte umgeben von einer Aura, die sich wie eine Schutzschicht um ihren elfengleichen Körper geschmiegt hatte. Die Kräuter, Wurzeln oder Beeren, die sie dann sammelte, hatten die größten Heilkräfte.
Seufzend stapfte Mwellyn über knacksende Reisig-Äste, während Joana ihm fast lautlos folgte. Er bedauerte es oft, dass sie die Kleidung eines Jungen tragen musste, hatte er doch Angst, dass sie ihre Weiblichkeit nie entwickeln würde, wenn sie sich nur an ihm orientieren konnte. Ihre natürliche, unzähmbare Schönheit schien keinem Manne würdig zu sein. Sie wirkte äußerlich so zerbrechlich, doch ihre innere Stärke war unbezwingbar. Zielstrebig folgte sie ihren Vorstellungen und zeigte Mwellyn sogar noch oft neue Wege auf, die ihm verborgen gewesen zu schienen, bevor Joana sie ihm eröffnete.

An ihrem sechzehnten Geburtstag war Joana bereits früh morgens wach. Wie eigentlich jeden Tag. Doch heute schien sie von einer Unruhe erfüllt, die sie rastlos in der kleinen Hütte umherschweifen ließ. Ihr trauriger Blick glitt über die kleinen Kräutertöpfchen, die nah am Fenster standen, um genug Licht zu erhaschen, ihre Finger strichen über die groben Bücherrücken, die auf dem kleinen Regal neben der Feuerstelle standen. Seit sie denken konnte, hing es leicht schräg und sie wunderte sich, weshalb niemals ein Buch hinunterfiel. „Mwellyn, guten Morgen“ empfing sie ihn, als er die gemütliche Küche betrat. Er sah ihr sofort an, wie es um sie stand und wusste, dass der Abschied nun kurz bevor stand. Er konnte ihr nichts mehr beibringen, sie musste raus in die Welt. „Guten Morgen meine liebe Joana“ antwortete er leicht betrübt. „ich habe ein besonderes Geschenk für dich, mein Kind. Eine bekannte Heilerin hat mir versprochen, wenn ich dir nichts mehr beibringen kann, dass sie dich in ihre Obhut nehmen wird. Bei ihr wirst du eingeweiht in die Geheimnisse der weisen Frauen, du wirst endlich lernen, Gebärenden ihre Schmerzen zu lindern, das Wunder der Geburt eines Menschen erleben dürfen.“
Mit diesen unglaublichen Augen, die plötzlich strahlten wie der hellste Stern am Himmel, warf sich Joana Mwellyn an den Hals und brachte nur ein leises „danke Mwellyn“ hervor, welches er warm und feucht in seinem Haar verwehen spürte.

Noch am selben Tag packte Joana ihre wenigen Utensilien zusammen. Die kleine Sichel, die sie von Mwellyn zu ihrem zehnten Geburtstag überreicht bekam, um Kräuter zu schneiden, steckte sie andächtig in ihren Gürtel, so dass sie seitlich frei schwingen konnte, ohne dass Gefahr bestand, sich daran zu schneiden. Ihr Kopf hob sich langsam, der leuchtende Vorhang ihrer Haare teilte sich vor ihrem Gesicht und ohne ein weiteres Wort nickte sie Mwellyn zu, der sich mit klopfendem Herzen umdrehte, die niedrige Tür seiner Hütte öffnete und hinaustrat. Joana folgte ihm nur wenige Augenblicke später. Nie, nie würde er den Duft des Mooses vergessen, das an diesem Tag besonders intensiv zu riechen war. Es hatte kurz vorher noch geregnet, der Wald dampfte und schien seine Gerüche den Menschen regelrecht aufzudrängen. Mwellyn schloss kurz seine Augen, tauchte ein in dieses Bild, das in seinem Kopf lebte – frei zu sein, frei durch die Wälder streifen, die Vögel musizieren zu hören, die Sonnenstrahlen wie gläserne Speere durch die Wipfeldächer stoßen sehen, bis sie sich in den weichen Waldboden bohrten.
„Mwellyn?“ hörte er Joana fragend flüstern. Langsam öffnete er seine Augen und sah in ihr weiches Gesicht. Oh wie schwer es ihm fallen würde, sie gehen zu lassen. Doch er liebte sie viel zu sehr, als sie nur für sich behalten zu wollen. „Komm, Joana, folge mir, wir haben einen weiten Weg vor uns“. Mwellyn griff nach seinem langen Wanderstab, legte sich den Lederbeutel in dem sich ihr Proviant befand, über die Schulter und lief in den Wald hinein. Auch Joana schien es zu spüren, dass der Wald heute eine andere Aura ausstrahlte, als sie es gewohnt waren. Mwellyns Schritt blieb stets gleich, doch Joana war ungeduldig, aufgeregt und voll Energie, so dass sie ihn oft überholte und sich vor ihm einen Weg suchte. Nur selten musste Mwellyn sie korrigieren, sie schien den Weg zu kennen. Sobald ein Sonnenstrahl auf Joanas Körper traf, schien sie zu glühen, war getaucht im gleißenden Schimmer eines mystischen Lichtes. Immer wieder ihr Blick zurück zu Mwellyn. Voller Hoffnung, Glück und Freude. Es schnitt Mwellyn jedes Mal ins Herz, doch ihr zuliebe lächelte er zurück. Ihr Haar fiel über ihren Rücken, bedeckte ihren schlanken Körper und sie schien eher zu schweben, als zu laufen.

Auf einem umgestürzten Baum nahmen sie eine Mahlzeit ein. Mwellyn brach das Brot, während Joana einen kleinen verschließbaren Krug mit noch immer kühler Ziegenmilch öffnete und sich einen großen Schluck genehmigte. Nach diesem Mahl lehnte sich Mwellyn an einen Ast, der senkrecht aus dem Stamm ragte und schloss die Augen, während Joana herumstreunerte und ein paar Beeren fand, die sie sorgfältig in einen kleinen Lederbeutel verstaute, der an ihrem Gürtel befestigt war. Mwellyn fühlte sich erfrischt, als sie sich erneut auf den Weg machten, es würde nun nicht mehr lange dauern und sie hätten ihr Ziel erreicht.

Noch vor Einbruch der Dunkelheit standen sie vor einer winzigen Hütte, die fast unsichtbar im Wald versteckt war. Sie passte sich hervorragend an die Umgebung an. Als hätte sie es gespürt, trat aus der Tür der Hütte eine kleine Frau hervor, die sie bereits zu erwarten schien. Ihr sanftes Gesicht, die weichen rundlichen Formen waren das Abbild einer gutmütigen Mutter, zu der man sofort Vertrauen fasste. So erging es auch Joana. War sie etwas nervös, was sie wohl erwarten würde, verlor sie augenblicklich jegliche Scheu. Sie atmete tief durch und lief auf die Frau zu. „ Hallo, ich bin Joana, Mwellyn hat mich zu dir geführt, er hat mir erzählt, dass du mich nun unterrichten wirst“ sprudelte es aus Joana hervor. Als Mwellyn und die Frau zu lachen begannen, spürte Joana, wie sie errötete, doch schlich sich dann ebenfalls ein Lächeln über ihr Gesicht.
„Fyandra, ich freue mich, dich zu sehen und dass es dir gut geht. Joana, den Wirbelwind, hast du ja nun bereits kennengelernt und wie es scheint, mögt ihr euch. Das freut und beruhigt mich“. „ja, Mwellyn, so ist es. Aber, nun kommt doch erst mal in meine Hütte, es beginnt zu dämmern“ sprach sie mit einer der sanftesten Stimmen, die Joana jemals gehört hatte.

Auch hier, in dieser niedrigen Behausung, fühlte sich Joana sofort heimisch. Während sich die zwei Alten leise unterhielten, konnte Joana nicht anders, als sich neugierig umzusehen. Unzählige Töpfchen, Bücher, Phiolen, Glasbehälter in denen schaurige Dinge zu schwimmen schienen. In einem glaubte Joana einen Frosch auszumachen, der sie mit bösem Blick zu fixieren schien. Angewidert drehte sie sich schnell um und bewunderte die getrockneten und geflochtenen Blumenkränze, die an der niedrigen Decke hingen. Sie wurden wohl oft benutzt, denn an manchen Stellen waren nur noch kahle Ästchen zu sehen, ohne Blüten oder Blätter. „komm Joana, setz dich“ rief Fyandra während sie eine kleine Teekanne auf den Tisch abstellte, der aussah als wäre er eine unglaublich große Scheibe eines Baumes. Jedenfalls konnte Joana Jahresringe ausmachen unter der dunklen Oberfläche. Jeder hielt nun einen köstlich duftenden Tee in ihren Händen und Joana verbrannte sich die Zunge, da sie sich nicht bremsen konnte, diese dampfende Flüssigkeit zu probieren. Mwellyn grinste Fyandra an und meinte: „du wirst noch viel Spaß mit ihr haben“ und zwinkerte ihr dabei verschwörerisch zu.

Die Zeit des Abschieds für immer war gekommen. Am liebsten wäre Mwellyn wortlos davongeschlichen, doch musste er die Tränen, die Joana für ihn vergoss, auf seinem Gewand mit nach Hause tragen. „Danke Mwellyn, danke dir für alles, was du für mich getan hast. Ich werde dich niemals vergessen“ weinte sie leise. Mwellyn nickte nur, der Klumpen in seinem Hals, ließ ihn schweigen. Andächtig strich er noch einmal über Joanas seidenweiches Haar, küsste sie auf die Stirn und verließ Fyndras Hütte.
‚ja, meine Joana, du wirst mich nie vergessen, ich werde bis zu deinem letzten Atemzug bei dir sein’ und bei diesen Gedanken wischte sich Mwellyn eine Träne aus seinen Augenwinkeln. Um nach Hause zu finden, durch den inzwischen finsteren Wald, brauchte Mwellyn sein Augenlicht nicht. Seine Sinne führten ihn sicher und schnell zurück zu seiner Hütte. Nun würde eine neue Zeit beginnen.

Noch oft hörte Mwellyn von Joanas Lernerfolgen und vielen glücklichen Geburten. Er hatte Fyndra gebeten, ihm regelmäßig einen Boten zu senden, der ihm mitteilte, wie es den beiden erginge. Joana ließ ihm jedes Mal durch den Boten einen ihrer neuen Tränke überreichen. Köstliche Teemischungen, die immer wieder eine neue Wirkung hatten. Beruhigend, anregend, schmerzlindernd oder aufheiternd. Salben, die gegen jegliche Art von Wunden halfen und Beerenmus, das einfach nur himmlisch schmeckte.
Stolz ließ Joana ihm nach einiger Zeit mitteilen, dass sie nun in die nächste größere Stadt ziehen wolle, um dort ihre Dienste den Kranken und vor allem den Schwangeren anzubieten. Ihr größter Traum würde nun in Erfüllung gehen.
Und Mwellyn weinte.



„MWELLLYYYYYYYYYYYYYYYYYYN – hilf mir!“ flehend und schmerzerfüllt drang dieser Schrei in Mwellyns Bewusstsein. Er schreckte sofort von seinem Nachtlager auf und saß senkrecht wie versteinert.
‚oh nein, meine Joana, bitte lass es nicht wahr sein – nicht jetzt, nicht so schnell’ waren die ersten Gedanken, die sich in seinem aufgewühlten Kopf formierten. „MWELLYYYYYNNNNN – es tut so weh………..“ wieder Joanas Schreien, das ihm bis ins Mark fuhr.

Mwellyn sammelte sich, erhob sich hastig und öffnete eine kleine Tür, die stets verborgen vor den neugierigen Blicken eventueller Besucher hinter einem Wandbehang lag. Nur schwer ließ sich das verwitterte Holz nach innen schieben, staubig war die Luft dahinter. Schnell trat Mwellyn in den kreisrunden Raum, der vor ihm lag und schloss die Tür sorgfältig hinter sich. Die Kerzen, die in einem großen Kreis auf dem Boden aufgestellt waren, begannen durch eine leichte Handbewegung, die er im vorbeigehen vollführte, zu glimmen und kurz darauf flackerten die Flammen sicher und erhellten den Raum. Tauchten ihn in ein Licht, das die Wände leben und pulsieren ließ. „OOhhh, Mwellyn, ich kann nicht mehr……. Ich sterbe…..“ ‚nein, meine kleine Joana, ich bin bei dir, immer’ schickte Mwellyn in Gedanken zu Joana, dann betrat er den Kreis der Kerzen und legte sich flach auf den Rücken. Verschränkte seine Arme vor der Brust und begann seinen Herzschlag zu senken. Sein Atem schien fast ganz auszusetzen, als er endlich spürte, wie sich sein Geist aus seinem Körper löste. Zeit und Raum verloren sich und er folgte dem Rufen Joanas.

Rauch schlug ihm entgegen, eine johlende und tosende Meute umringte den riesigen Scheiterhaufen, der bereits kräftig lodernd brannte. Joana – angebunden an einen Pfahl im Zentrum des aufgetürmten Holzes, der Mittelpunkt des Hasses der Menschen – seine Joana. Ihr Kopf war kahlgeschoren, ihr Gesicht zerschunden und zerkratzt, ihr zarter Körper in Lumpen gehüllt, hager und abgemagert weinte Joana mit verdecktem Gesicht. ‚Joana- ich bin hier’ flüsterte Mwellyn und Joana hob ihren Kopf. Nur sie konnte ihn sehen, wie er über all den Köpfen ihrer Peiniger schwebte und ein Lächeln glitt über ihr tränennasses Gesicht. „oooh Mwellyn, endlich…. Ich wollte doch nur helfen, wollte doch nur Heilung und weniger Schmerzen den Menschen bringen und nun, sieh was geschehen ist“ hörte Mwellyn sie sagen. Ihre Augen hielten durchgehend Kontakt, Joana schien für die umstehenden Menschen bereits dem Wahnsinn nahe zu sein, denn sie lächelte und ihre Lippen bewegten sich sanft, als würde sie singen. Die Flammen näherten sich jetzt dem Pfahl, ergriffen bereits die Lumpen, in die Joana gehüllt war und fraßen sich gierig an ihrem Körper empor. ‚Joana, ich kann dir nicht helfen, ich kann nur bei dir sein, wie ich es dir versprochen habe, vor langer Zeit: ich werde bis zu deinem letzten Atemzug bei dir sein’, weinte Mwellyn und Joana lächelte und ihre Augen strahlten noch ein einziges Mal nur für ihn, bevor die Flammen sie ganz verhüllten.
eintauchen in die Welt
der Mythen.

magisch, geheimnisvoll, rätselhaft, dunkel, okkult und einfühlsam.

Ich freue mich schon auf die Fortführung dieser Gedanken.

Denn so bodenständig und so sehr ich auch Realist bin, das Unbeschreibliche hat seinen ganz besonderen Reiz.

Ganz liebe Grüße

Günter
Lieber Günter *zwinker*

Wie recht Du hast. Es ergeht mir genauso. Mit beiden Beinen fest im realen Leben verwurzelt, genieße ich diese Ausflüge.

Mit der Fanatsie ist es wie mit unseren Träumen: Beides können wir nicht kontrollieren, aber annehmen und Erkenntnisse daraus ziehen.

...

Lys. Was soll ich sagen? Schreibe weiter.

LG
Mo.
****ra Frau
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Themenersteller 
ein schweres Schicksal
Schreiend richtete sich Mwellyn auf. Sein trüber Blick durch unzählige Tränen wanderte umher um sich klar zu machen, wo er sich befand. Im Kreis der Kerzen, in der kleinen Kammer seiner Hütte. Sein Geist hat sich aufgrund des Bildes, seine Joana in Flammen aufgehend, blitzartig zurück in seinen Körper geflüchtet. Sein Atem raste, sein Herz schien seinen Brustkorb zu sprengen und dann stieß er einen Schrei aus, der die Urgewalten erschütterte. Tiefe Risse begannen sich in den Wänden des Raumes knisternd von der Decke bis zum Boden zu bilden. Diese würden ihn für den Rest aller Zeiten an diesen Tag erinnern. Flackernd stoben die kleinen Flammen der Kerzen in die Luft, schwebten wie eine kleine Krone über seinem Haupt. Doch Mwellyn schrie weiter, all sein Leid, seinen Kummer musste er aus sich befreien. Die Flammen erloschen alle gleichzeitig und Mwellyn befand sich in absoluter Finsternis. Mit diesen Flammen, dem Feuer, das ihn an Joana erinnerte, begrub er den Glauben an das Gute auf dieser Welt.

Mwellyn spürte den Fluch der Unsterblichkeit mit aller Härte. Jeden Menschen, der er liebte, verlor er, musste allen beim Sterben zusehen. Nur er würde wohl ewig diese Schmerzen der Trauer in sich tragen müssen. Niemals würde er Erlösung finden, die Leichtigkeit des Todes erleben dürfen. Joana beim Sterben zusehen zu müssen, war für ihn die schlimmste Strafe, die ihm aufgebürdet wurde. Dachte er, doch nur wenige Jahrzehnte später glaubte er, gestraft für alle Sünden der Welt zu sein.

Seine Frau, seine geliebte Aiwen, die Frau, die sein Innerstes berührte. Sie war der einzige Mensch, gegen den sich Mwellyn nicht wehren konnte. Sie drang mit ihrem sanften Wesen, ihrer Unschuld und Liebe ungebremst in sein Herz. Dort lebte sie seit der ersten Sekunde ihres Zusammentreffens. Unsterblich diese Liebe, unvergänglich eingebrannt in sein vernarbtes, schweres Herz.

Hellbraune Augen lächelten ihn an. Mit jedem ihrer Blicke, kleine Sterne schienen in ihnen zu wohnen, golden blitzten sie auf, wenn sie Mwellyn ansah, kurz bevor sie ihn küsste, sich in seine Arme schmiegen durfte. Die Hochzeit war ein rauschendes Fest. Das ganze Dorf richtete für seinen Weisen eine Feier aus, die es in einem solchen Ausmaß noch nie gegeben hatte. Mitten auf dem Dorfplatz standen aus halben Baumstämmen behauene Bänke, und lange Tische, die eine Tafel bildeten, kreisrund. Kurz erinnerte sich Mwellyn an die Tafelrunde, doch drängte er diese Gedanken wieder zurück, tief in seine Seele, an diesem Tage wollte er keinen Schmerz spüren. Er wollte glücklich sein, mit seinem Weib. Eine neue Zeit sollte für ihn beginnen. Vergessen das Vergangene, leben im Jetzt. Aiwen machte es ihm so leicht, sich gut zu fühlen, ihr ungestüm sein, mit dem sie an das Leben heranging, war erfrischend und mitreißend.

Es war im Sommer, im Jahr nach ihrer Vermählung. Mwellyn war für einige Wochen im Land unterwegs. Er verspürte endlich wieder Glück und Freude, wenn er durch die Landschaften wanderte. Zwar hielt er sich oft fern von Dörfern oder größeren Städten, doch ganz ohne Kontakte ging es nicht. Noch immer herrschte große Armut im Land, Krankheiten rafften teilweise ganze Landstriche dahin, rotteten Familien für immer aus. Er versuchte mit seinen Heilkräften zu helfen, so gut es ging. Schmerzlich vermisste er Joana, die ganz sicher eifrig all ihr Wissen eingebracht hätte, und ihm zur Seite hätte stehen können. Mwellyn trauerte über ihr Schicksal, verdammte die Dummheit und Ignoranz der Menschen, wusste aber, dass noch viele Jahrhunderte ins Land gehen müssen, bis dies nachlassen würde.

Vollmond – so groß wie heute, schien der silberne Erdtrabant noch nie am Himmel gestanden zu haben. Mwellyn saß im Gras, das bereits leicht feucht durch die Kühle der Nacht war, und blickte hinauf zur leuchtenden Himmelsscheibe. Im nahegelegenen Wald heulte ein Wolf. Immer wieder schwang dieses Rufen zu Mwellyn hinüber. Fordernd, bezwingend, ungeduldig kam ihm dieses Heulen vor. Noch ein letztes langgezogenes verzweifeltes Rufen und Mwellyn wurde von einer Unruhe gepackt, die ihm nur allzu bekannt vorkam. Sofort erhob sich Mwellyn, wusste, er musste nach Hause. Er ließ sich in seinen schwebenden Zustand fallen, unsichtbar für die Menschen, begann er durch die Landschaften zu eilen, wie der Wind, der sich durch nichts aufhalten und bremsen lässt. Hindernisse werden umgangen, weich und fließend, unaufhaltsam zog es ihn weiter.

Brauchte er Monate, um durch das Land zu ziehen, benötigte er nun für den Heimweg nur wenige Stunden der Nacht. Noch immer stand der Vollmond am Himmel, senkte sich nahe dem Horizont, im Osten begann die Dämmerung bereits, den Himmel aufzuhellen mit den ersten Schichten Grau, die sich schnell in Rot und dann gleißendes Licht wandeln würden. Doch dafür hatte er keinen Blick. Zu sehr wühlte diese Unsicherheit in seinem Inneren.
Der letzte Wald kurz vor seinem Heimatdorf, nur Sekunden brauchte er, um durch das dunkle Unterholz zu kommen, dann betrat er, wieder sichtbar und normalen Schrittes, den Weg, der ihn zu seinem Haus führen würde. Noch bevor er die Tür öffnete, spürte er die Anwesenheit des Todes. Mwellyns Herz krampfte. Er schloss seine Augen, wollte der Wahrheit für nur wenige Augenblicke nicht mehr ins Gesicht sehen müssen. Nicht wieder jemanden verlieren, den er liebte.
Entschlossen öffnete Mwellyn die Tür, trat in den dunklen stickigen Raum, der verlassen vor ihm lag. Unter der Tür, die zur Schlafkammer führte, schimmerte flackerndes Licht, leise Stimmen drangen zu ihm. Sofort stieß er die Tür auf, erblickte die Gesichter der Dorfweiber, der uralten Hebamme, alle schweißgebadet und voller Angst. Die Hebamme kam mit traurigem Blick auf ihn zu, während sie sich ihre alten, faltigen Hände an der Schürze, die sie um ihren Rock gebunden hatte, abwischte. „Mwellyn, seid willkommen, weiser Heiler“ raunte sie ihm zu. „jetzt könnt vielleicht nur noch Ihr Eurer Frau helfen“. Da sie Mwellyns erstauntes Gesicht richtig zu deuten wusste, klärte sie Mwellyn weiter auf: „Euer Weib trägt ein Kind unter ihrem Herzen. Bereits ein paar Monate. Die Geburt stünde eigentlich erst in drei Monaten bevor, doch scheinbar drängt es dieses Kind viel zu früh nach draußen.“
Mwellyn konnte die Gefühle, die in ihm aufwallten nicht mehr unter Kontrolle halten. Er stürzte an das Bett seiner Frau, die mit rotem, heißen Gesicht versuchte, ihm zuzulächeln. Ihr geschwollener Leib krampfte immer wieder, das konnte er an ihrer schmerzverzerrten Miene erkennen, wann es erneut so weit war.
„oh Aiwen, warum hast du mir nichts gesagt? Wie konnte ich dich nur verlassen, obwohl du bereits mit unserem Kinde schwanger gingst? Nie werde ich mir dies verzeihen können.“ Flüsterte Mwellyn in Aiwens Gesicht, das er vorsichtig, wie zerbrechliches Glas in seinen großen Händen hielt. Er küsste Aiwen leicht auf die Lippen. Eiskalt fühlten sie sich an, obwohl ihr Gesicht glühte. Erschreckt zog Mwellyn seine Hände von Aiwen zurück, sie konnte nicht protestieren, überrollte sie doch bereits die nächste Welle des Schmerzes. Ihre Hände suchten nach seinen, Mwellyn trat an sie heran, spürte ihre Kraft, mit der sie ihn an sich zog, bis der Schmerz in ihr verebbte.
„Aiwen, laß mich dir helfen, ich werde in meiner Kammer einen Trank für dich bereiten, der die Schmerzen lindern wird.“ Sprach Mwellyn und ließ die nickende Aiwen zurück, die bereits gegen die nächste Wehe ankämpfte.
‚Joana, jetzt werde ich deine Künste in Anspruch nehmen. Nie brauchte ich diese Medizin für Notfälle, doch jetzt, bei meiner eigenen Frau, bei der Geburt unseres Kindes, muss ich sie anwenden.’ Mit sicherem Griff packte Mwellyn zwei winzige Krüge, öffnete sie vorsichtig und ließ nur wenige Tropfen aus beiden in einen Becher fallen, vermischte diese mit Wasser und schüttelte sie sorgfältig. Ein kurzes Glimmen in der jetzt grünen Flüssigkeit verriet ihm, dass der Trank nun seine Kräfte entfalten würde. Als er wieder in den Geburtsraum zurückkehrte, bot sich ihm ein schreckliches Bild. Die Hebamme, blutüberströmt sitzend und heftig schnaufend, zwischen den geöffneten Schenkeln seiner Frau. Diese presste aus Leibeskräften, obwohl die Hebamme versuchte sie immer wieder zu bremsen, sie dürfe auf keinen Fall pressen. Die anderen Weiber redeten auf die verzweifelte Aiwen ein, sprachen ihr Mut zu, doch Aiwen starrte mit fiebrigen Blick auf Mwellyn. Er eilte sofort zu ihr, hob den Becher an ihre Lippen und goss die Flüssigkeit über ihre ausgedörrten Lippen. Aiwen hatten Schwierigkeiten, zu schlucken, viele Tropfen des kostbaren Trankes rannen über ihr Kinn hinab, ungenutzt. Doch hoffte Mwellyn, auch die geringe Menge, die sie zu sich nahm, würde ihre Wirkung entfalten.
Es schien auch für wenige Momente der Fall zu sein, denn aus Aiwens Gesicht verschwand diese glühende Röte, ihr verkrampfter Körper lockerte sich, die Hebamme blickte Mwellyn dankbar an. Ihr Gesicht zeigte Spuren des Blutes seiner Frau, denn geistesabwesend hatte sie sich mit den blutigen Händen den Schweiß aus dem Gesicht gewischt. Ein unheimlicher Anblick, Mwellyn wollte ihn nicht deuten.

Aiwen schloss ihre Augen, schien völlig ruhig, jeder der Anwesenden holte tief Luft, wollte diese Pause nutzen, um sich zu erholen. Nur wenige Minuten waren ihnen vergönnt, dann riss ein kehliger Schrei Aiwens alle aus ihrer Lethargie. Aiwens Atem ging viel zu flach, sie hatte ihre Beine so weit angezogen, dass die Hebamme Mühe hatte, sie zu öffnen. Aiwen jammerte und dieses Jammern steigerte sich in ein Schreien, das das Blut in den Adern gefrieren ließ. Für einen kurzen Moment klinkte sich Mwellyns Geist aus. Versuchte aus dieser Situation zu fliehen, doch ein Ruf der Hebamme holte ihn wieder zurück. „Mwellyn, Eure Frau darf nicht pressen, redet mit ihr“ keuchte sie, ihre Hände verschwanden bereits wieder in der Geburtsöffnung Aiwens. Mwellyn beugte sich über Aiwen, die versuchte, seinen Blick zu halten. Ihre Augen schlossen sich jedoch immer wieder und Mwellyn sah wie sie ihm entglitt. Sah in ihren Augen, das goldene Glimmen erlöschen. „AIWEN –NEIN“ rief Mwellyn. „Bleib hier, geh nicht“. Doch Aiwen nahm seine Worte nicht mehr auf. Hektisches Treiben der anderen Weiber, die Hebamme die immer wieder Befehle ausstieß, ihre Hände die versuchten, das sprudelnde Blut zu stoppen.

Mit einem tiefen Atemzug richtete Aiwen ihren Oberkörper auf, zog ihre Beine ruckartig an und presste ein letztes Mal mit der Urgewalt aller Gebärenden. Ein reißendes Geräusch, wie Stoff der in der Länge nach geteilt wurde, drang durch den Raum, Aiwens verzweifelter Schrei und dann Stille. – Totenstille. Die Hebamme rührte sich als erste, erhob sich mit einem winzigen Bündel Mensch und kam langsam auf Mwellyn zu. Ausgelaugt, völlig erschöpft blickte die Hebamme Mwellyn an, reichte ihm sein blutverschmiertes Kind und widmete sich sofort wieder der Mutter. Wie vom Donner gerührt betrachtete Mwellyn das kleine Wesen in seinen Armen. Es schien zu schlafen, kaum spürbarer Atem hob und senkte seine Brust.
Mwellyns Blick flog nun hin und her, zwischen Mutter und Kind, das erste Mal, dass er sich vollkommen hilflos fühlte. Versteinert beobachtete er, wie die Hebamme seine Frau wusch, doch gegen das Blut nicht ankam, wie sie die Weiber scheuchte, ihre Tränke und Mixturen beizuholen, bis sie kopfschüttelnd aufgab. Nur ein Blick von ihr zu Mwellyn genügte – er wusste Bescheid.
Aiwen hob geschwächt ihren Kopf, öffnete die Augen, die tief in ihren Höhlen versunken waren, ein letztes Leuchten erschien, ein Lächeln entspannte ihre Lippen.
Noch bevor sie auf ihr Lager zurücksank starb sie. Ihr kastanienbraunes Haar umrahmte ihr Gesicht, weich und wellig, so wie Mwellyn es immer geliebt hatte.

Dieser Anblick war zuviel für Mwellyn. Wollte aus sich fliehen, weg von diesem Ort, weg von diesem Schmerz, weg von der Wahrheit, die jedes Mal mehr schmerzte.
Doch in seinen Armen lag ein hilfloses Kind. Sein Kind. Aiwens Kind. Mwellyn wollte eine Hand heben, das zarte Gesicht berühren, als sich die Augen des Winzlings öffneten. Pures Gold schimmerte ihm entgegen. Noch nie hatte Mwellyn eine derartige Augenfarbe gesehen. Das gleiche Leuchten funkelte ihn an, wie in den Augen Aiwens und Mwellyns Hoffnung glühte wieder auf. Ein zartes Lächeln huschte über den winzigen, blassen Mund des Kindes und Mwellyn spürte das Gewicht des Kindes in seinen Armen zusammensacken. Mwellyn riss seinen Kopf nach oben, sah sich hilfesuchend nach der Hebamme um. Diese nahm ihm sofort das Bündel aus den Armen, drehte sich um, beugte sich über das Kind und begann mit ihren Künsten. Der Kampf dauerte nicht lange, dann gab sie auch hier auf. Es war zu spät.


Mwellyn blickte nicht mehr zurück. Er verließ schweigend den Raum. Trat vor sein Haus und blickte in den ersten Streifen der Dämmerung am Morgenhimmel. Ein neuer Tag, der beginnen und enden würde, wie jeder bisherige und wie jene, die noch folgen würden. Doch hier schien die Zeit stehengeblieben zu sein. Hier, in seinem Haus, in seinem Herzen, in seinem Leben. Mwellyns Augen waren trocken. Er hatte keine Tränen mehr, um für seine Frau und sein Kind zu weinen. Mit versteinerter Miene lief er los. Seine Beine gehorchten einem anderen Willen.

Er nahm ihn erst wahr, als er bereits den Wald erreicht hatte. Ein großer Wolf saß unter den Bäumen, die den Eingang des Waldes bildeten. Mwellyn blieb abrupt stehen. Der Wolf hatte den Kopf in den Nacken gelegt und stimmte ein Heulen an, das man viele Meilen weit noch hören konnte. Mwellyn ging auf den Wolf zu, dieser zeigte keinerlei Anzeichen, dass er flüchten würde, schien Mwellyn sogar zu erwarten. Nun stand Mwellyn direkt vor diesem Tier, das seinen Kopf wieder gesenkt hatte. Nicht unterwürfig, nur wartend. „Wer bist Du?“ flüsterte Mwellyn fragend und streckte seine Hand aus, um das silbrige Fell des Tieres zu berühren. Doch bevor seine Hand sich auf den warmen Körper des Wolfes legen konnte, hob dieser seinen Kopf und blickte Mwellyn an. Zwei Augen aus Gold….
Was kann
stärker, schmerzvoller und erbarmungsloser sein als der Verlust eines Menschen oder gar zwei, den oder die man liebt.

Ganz schön harter Tobak in einer Geschichte, toll beschrieben und eindrucksvoll dargestellt.

Ich habe mich durch all deine Fortsetzungen hindurch gelesen, habe Mwellyn geprägt durch Schmerz und Verlust erlebt.
Ich würde mich sehr über ein gutes Erleben dieses unsterblichen und befähigten Menschen freuen.
Da dieses Epos ein wenig im düsteren versinkt.

Mach weiter so, dein Stil und deine Wortkraft ist wie immer gewaltig.

Liebe Grüße *herz*

Günter
Herbst 2018
***to Mann
4.270 Beiträge
Dam achst du doch mehr drauß?
Einfach super.
Hmmm, mein lieber Heinrich.
Dam achst du doch mehr drauß?

Welcher Dialekt? Welcher Wein?

Na gut.

Zwei Augen aus Gold, bernsteinfarben schimmernd.
Hey, hier entsteht ein Roman.

Das bedeutet: Viel Arbeit, viel Herzblut.

Und deswegen hat die Autorin Respekt verdient.

Das übliche Blabla kann man sich bei einer Romanentstehung durchaus verkneifen.

So eine Geschichte aus der Sicht einer Frau? Spannend.

LG
Mo.
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