Schmackofatz
„Du magst Igelbälle?“, fragte sie und stellte ihn, nackt wie er gewesen war, in seine Ecke. Mit dem Gesicht ihr zugewandt und stopfte ihm eine Socke aus ihrem Wäschekorb in seinen breiten Mund. Weil, sonst hätte er sie einerseits mit seinem linken Mundwinkel über seine verschiedenen Reflektionen des Alltäglichen todgequatscht, nur um (sich) von sich selbst abzulenken und ihr andererseits zur selben Zeit mit seinem rechten Mundwinkel allerlei Süßholz geraspelt und ihr so die Sinne vernebelt. Er ahnte, was jetzt kommen würde, und er fühlte sich dabei wie ein Flummi, der vor lauter überdrehten Gefühlsorkanen gar nicht wusste, was er da alles fühlte und auch gar nicht checkte, wie es seinem Gegenüber während seiner Redeflut erging.
Sie hatte ihn jedenfalls mittels Handschellen an die Sprossenwand gefesselt, und ihm vorher einen Ingwerschnitz ins Poloch geschoben und ihm aufgetragen, diesen bei sich zu behalten.
Er lächelte gequält. Sie hatte ihm ein großes Babytuch mit aufgedruckten blauen Elefanten vor die Brust gebunden, damit er sich nicht nass trielte. Denn das mochte sie nicht.
Als sie sein Handy auf laut stellte und seine Playlist „Alle meine Entchen“ in Dauerschleife abspielen ließ, erröteten seine Wangen und eine Schlange aus Wärme schlängelte sich durch seinen Unterbauch. Seine Yoni zuckte nervös, und als ihn das erste Igelballgeschoss unverhofft hart an der Männerbrust traf, überzog ihn eine Gänsehaut.
„Du sollst immer aufmerksam sein“, schob sich das Sprechbanner seines Gewissens mit roten Großbuchstaben vor sein inneres Auge und nahm ihm die Sicht auf die Grazilität seiner Madame.
Sie lächelte süffisant, als weitere Igelbälle auf ihn zuflogen und ihn in sein Hier und Jetzt zurückkatapultierten.
Die Schlange in seinem Unterbauch hatte sich zu einem hungrigen Feuerball im Gedärm verknäult, strahlte die Hitze in seine nervöse Yoni und seinen Kopf aus und fegte all seinen Gedankenballast hinfort und zu den Augen und Ohren, der Nase sowie dem geknebelten Mund hinaus.
Er schwitze wie ein Tier und fror gleichzeitig, obwohl die Fußbodenheizung den Raum auf angenehme 25 Grad Celsius temperierte. Ihm fiel ein, dass sie ihm immer wieder eingebläut hatte, mit rasiertem Gesicht und Lidstrich und dezentem Ruge auf den Wangen vor ihr zu erscheinen, und er hatte es dieses Mal wieder im Chaos seines Kopfes vergessen.
Ein Igelball nach dem anderen prasselte auf ihn hernieder und er war schon mit zahlreichen roten Stellen auf seiner blassen Haut übersät und sah wie ein weißer Fliegenpilz mit Masern aus, als die Madame plötzlich ihr Tun unterbrach und auf ihn zuschritt.
Sie zückte aus einer ihrer großen Rocktaschen einen schwarzen Edding.
Auf seine Brust schrieb sie, nachdem sie ihm das Babytuch abgenommen hatte, „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“. Auf dem Bauch notierte sie, „Tue, wie dir geheißen“, und auf die Oberarme schrieb sie jeweils, „Pflege eine aufmerksame Konversation“ und „Höre immer gut zu“. Wohingegen sie das Gesäß ihres Delinquenten, nachdem sie ihn von den Handschellen befreit und ihn geheißen hatte, sich mit dem Gesicht in die Ecke zu drehen, mit, „Sei immer hübsch authentisch“, verzierte.
Die letzte ihrer Maßgaben machte ihm schwer zu schaffen. Denn immer, wenn er sich in manchen Situationen selbst treu geblieben war, widersprach das aber allen anderen ihren Vorgaben, und das machte ihn sehr wütend.
Als seine Madame ihn fertig beschriftet hatte, schlug er ihr den Edding ungeduldig aus der Hand und schimpfte lautstark: „Fack ju Göhte“ in seine Unterhose hinein, als er auf einem Bein balancierend versuchte, sich anzukleiden und dabei zur Seite, in ihre Arme, kippte.
Sie lächelte, nahm sein unrasiertes Gesicht in ihre Hände und küsste ihn auf seine spröden Lippen …
© CRK, Le, 03/2020