Dankbar nahm Anton die Weinflasche entgegen, die Zagreb ihm fachmännisch entkorkt hatte, und nahm ein paar tiefe Schlucke.
'So, des hats jetzt braucht!', merkte er erleichtert an und lehnte sich entspannt zurück. 'So ein Depp, der Xaver, echt. Tät mich der so ins Messer laufen lassen. Naja, verständlich isses ja, nach dem Ärger den er wegen uns hatte, aber der war doch versichert, oder ned?'
'Das ist doch unwichtig jetzt, Anton!' wies ihn Zagreb herrisch zurecht. 'Wir trinken seinen Wein und er wird hupfen wenn er merkt, daß da einiges weg ist! Das hat er davon. Man muß halt aufpassen wo man hinzieht, oder? Also. So - und nun merke auf - ich habe da einen Plan!'
Anton merkte auf, allerdings wenig begeistert, denn jeder der Zagreb kannte, wußte, daß dessen Pläne selten fruchteten und allen Beteiligten meist nur Ungemach einbrachten. Aber niemand widersprach Zagreb, auch das wußte jeder, es war ganz einfach ein ungeschriebenes Gesetz.
'Paß auf Anton, ich kenne da einen Schrotthändler, du erinnerst dich bestimmt, der Typ dem wir damals das Kupfer verkauft haben, das wir bei der Bahn geklaut hatten. Der ist zwar immer noch in Augsburg, in Lechhausen, aber mit meinem Raumschiff sind wir da in Nullkommanix drüben. Bei dem liegt nämlich grad wieder eine Ladung Kupfer umeinander, das holen wir uns und verkaufen es hier in München weiter, da kommt der NIE drauf.'
'Ja aber', wagte Anton einzuwenden, 'der hat doch sicher 'ne Alarmanlage oder sowas?'
'Hat er nicht, hat er nicht. Zu geizig. Hunde hat er. Gut, das sind sehr große Hunde, sehr bissig, sehr, sehr, sehr bissig, aber ich habe alles bedacht Anton, wir werden die Hunde mit Wurstsemmeln füttern, das mögen sie, und dann bellen sie auch nicht wenn wir dort hineinfliegen und uns das Kupfer holen.'
'Wurstsemmeln? Wäre Wurst ohne Semmeln nicht besser? Nicht, daß sie noch Bauchweh kriegen und dann werden sie erst recht grantig wenn sie uns wiedersehen', meinte Anton ängstlich.
'Anton, du bist wirklich alt geworden', meinte Zagreb kopfschüttelnd, Hunde werden nicht grantig, die werden höchstens gefährlich aber das werde ich zu verhindern wissen. Du weißt das, Anton!!! Du hast dich verändert! Warst immer ein kaiserlicher Prinz, aber nun bist du ein jammerndes Elend geworden, ich wiederhole mich ungern aber du bist wirklich alt.'
Ergeben nahm Anton einen weiteren Schluck aus seiner Flasche, besah sich das Etikett und meinte: 'Prima Wein, also Geschmack hat er ja nach wie vor, und so schlecht kann es ihm auch nicht gehen, wenn er sich so einen edlen Tropfen leisten kann, der alte Gauner. Na, das wenn Miranda wüßte! Wie wir es uns hier gutgehen lassen. Die trinkt ihren Wein nämlich am liebsten alleine, sie sagt ich trinke ihn zu schnell runter, das tut man nicht.'
'Wo sie nicht unrecht hat, mein lieber Anton, du weißt das. Wein trinkt man nicht einfach rein, den genießt man. Hast du denn garnichts von mir gelernt? Na, egal, nun bin ich ja wieder da. Miranda sagst du am besten nichts von unserem Vorhaben, ich habe den Verdacht, sie wäre nicht begeistert. Oder sie würde am Ende mitfahren wollen. Beides ungünstig.'
'Sag mal Anton', hub Zagreb leicht verlegen erneut an, 'hat Miranda eigentlich einen Freund momentan?' 'Pah!', machte Anton. 'Freund. Hah. Ja, also die trifft sich schon ab und zu mit so an Österreicher, irgendwie kennen die sich, aber der ißt Schokolinsen vom Boden! Vom dreckigen Autoboden! Also Leute kennt die, echt!!!'
'Naja Anton, du kennst den Spruch mit dem Glashaus? Egal. Morgen Abend hole ich dich ab, wir fahren rasch mal rüber, die Lage sondieren, und dann darfst du dich mal mit den Hunden ein bissl anfreunden. Zu lange brauchen wir nicht umeinanderzutun, sonst hat er das Zeug verkauft und wir können von vorne anfangen, oder der Käufer hat Alarm, dann haben wir verschissen. Eigentlich bräuchte ich das Geld ja nicht, aber du. Bis morgen Anton, paß auf beim Aussteigen, nicht daß du hinfällst!'
Beleidigt stapfte Anton von dannen und überlegte sich, ob es eine winzige Chance gab, sich aus Zagrebs neuestem Projekt auszuklinken, aber nachdem dieser ja nun wußte, wo er wohnte, sah er dahingehend wenig Chance.
Den Göttern sei Dank hatte Miranda nicht auf ihn gewartet, so daß er sich unbemerkt in sein Zimmer schleichen konnte. Diskussionen über seinen Alkoholgenuß hätte er jetzt grad auch noch gebraucht, nach den schmeichelhaften Worten des alten Freundes.
Ein bissl hatte Anton drauf gehofft, daß Zagreb auf seine Pläne vergessen hätte, war alles schon vorgekommen, aber leider kam am nächsten Tag, wie angekündigt, der Kessel bereits am Nachmittag auf den Balkon geflogen und heftiges Hämmern an der Balkontüre kündigte des Meisters Ankunft an.
'Oida!', schimpfte Miranda los, 'was ist denn bei dir drüben los? Hast du Blähungen oder was? Das ganze Haus wackelt!'
Herbeieilend sah sie jedoch Zagreb vor der Türe draußen stehen und seufzte genervt auf:'Der schon wieder. Mann echt, also jeden Tag brauch ich den fei ned daherinnen, gell! Daß des wieder losgeht wie früher, Tag und Nacht das Geklingel, und nun kommt er gar über den Balkon!'
'Naja, früher hatten wir ja keinen, da mußte er doch klingeln - jajajajaaaa, ich komm ja schon!'
Wurstsemmerln hatte Zagreb bereits mitgebracht, und so flogen sie direkt nach Lechhausen rüber, das Wetter war bezaubernd. Kleine weiße Wölkchen färbten sich im Sonnenuntergang rosarot, eine leichte Brise ließ das Raumschiff sanft dahinschaukeln, Anton wurde so unbeschwert und leicht ums Herz, wie schon lange nicht mehr. Wegen ihm hätte die Reise ewig dauern können, aber bereits nach einer Stunde gemütlichen Dahingondelns, es war inzwischen beinah schon gänzlich finster geworden, sahen sie den beleuchteten Hotelturm in der Ferne aufragen und wußten, daß sie bald am Ziel sein würden.
'Paß auf Anton, hier ist die Strickleiter, hier sind die Wurstsemmerln, ich hak die Leiter da am Rand ein und du kletterst runter, die Hunde füttern.'
'Runter???', keuchte Anton entsetzt? 'Ich hab dacht ich werf die Semmerln von hier oben und dann is gut!'
'Anton wirklich! Jetzt überleg doch mal, sie müssen doch riechen, daß die von DIR kommen, und wie soll das gehen von hier oben?'
'Können wir nicht wenigstens landen, damit ich das von draußen erledigen kann? Durch das Tor? Ohne Feindkontakt?'
'Ja eh, damit alle blöd schaun wenn ich mit dem Raumschiff auf der Straße lande oder was? Nix da, du kletterst jetzt da runter sonst mach ich dir Beine! Willst du eine Ohrfeige Anton?'
Anton wollte nicht, packte sich aufseufzend das Sackerl mit den Semmerln und bewegte sich langsam, gaaaaanz langsam, auf der schaukelnden Leiter in Richtung Boden. Wo die Hunde bereits im Schein von Zagrebs Taschenlampe aufgeregt bellend auf- und abliefen. So gegraust hatte es ihm schon lange nicht mehr. Nicht, daß er was gegen Hunde hätte. Als kleiner Bub hatte er auf dem Hof der Eltern sogar manchmal beim Hund draußen geschlafen, offenbar war er im Haus selten vermißt worden, aber seit er erwachsen war, hatte sich sein Verhältnis zu Hunden geändert. Zu oft waren sie in Begleitung der Polizei bei ihm erschienen und hatten ihn schnöde verraten. Und nun, nun sollte er sich diesen reißenden Bestien nähern, mit nichts als ein paar Wurstsemmerln bewaffnet?
Aus einer Höhe von etwa drei Metern warf er zaghaft die erste Semmel nach unten. Die Hunde schnupperten neugierig, wandten sich dann vom Semmerl ab und bellten ihm weiter lautstark entgegen. Klang die Bellerei jetzt deutlich feindseliger als vorher? Was war da los? Warum verschmähten sie seine Gaben? Anton wurde schwummerig zumute, dabei hatte er doch am Vorabend kaum was getrunken. Mit einer Hand hielt er das Papiersackl umklammert, die andere faßte nach der nächsten Sprosse, glitt schweißnaß vom Seil ab, er kam ins Rutschen ... und pardauz, landete mitten zwischen den Hunden.
Keine zwei Stunden später saß Anton wieder mit einem Bier zwischen seinen Pflanzen am Balkon, nähte seine Hose und ließ sich mit der aufgeregt quasselnden Miranda in keinerlei Diskussionen ein. Er war extrem verstimmt. Schöne Freunde, die ihn ständig für ihre Belange einzuspannen versuchten sobald sie einen Blöden brauchten. Würde sich das denn nie ändern?
Gut, Zagreb hatte rasch reagiert und ihn rechtzeitig vor den geifernden Zähnen der Untiere gerettet, lediglich die Hose hatte dran glauben müssen, er hatte ihm aber auch zwei gewaltige Ohrfeigen gegeben, sobald er ihn zurück an Bord gezogen hatte. Aber selbst er hatte einsehen müssen, daß er mit Wurst aus der Armenspeisung des Altstadtklosters keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken, geschweige denn sich zum ewigen Freunde machen konnte. Wie sie danach bei der Abschiedsrunde über dem Areal feststellten, lag das Kupfer sowieso nicht mehr hübsch zur Abholung bereit neben dem Schuppen, sondern war weg. Entweder bereits verkauft oder gut weggesperrt. Die ganze Aktion war also komplett für den Hugo gewesen.
Anton hatte es so gründlich satt! Wenigstens Zagreb war er nun - hoffentlich - wieder los. Dieser war, nachdem er Anton zuhause abgeliefert hatte, fluchend davongefahren, hatte zuvor irgendwas von einem ebenfalls bereits verstorbenen bayerischen Politiker gemurmelt, der ihm noch ein paar Millionen Mark schulde, und die würde er sich jetzt endlich holen ...