Sehr schöne Idee, Mario.
Ich erzähle kurz eine Traumsequenz aus einem Traum, den ich letztes Jahr hatte. Dann wurde ich wach und konnte mich tatsächlich an alles erinnern, also schrieb ich den Traum auf. Später habe ich den Text überarbeitet und in meinem Buch "Ich, Merlin" eingebaut.
Hier der noch unkorrigierte Text von damals:
...
Genau in diesem Moment verdunkelte sich der Himmel, um mich herum löste sich alles auf und es gab einen furchtbar lauten Knall. Im Eiltempo rauschten die Jahrtausende durch meinen Kopf, die Zeit schoss kalt durch meine Adern. Mein Zeitmaschinchen! Mist, sicher ein Defekt, ausgerechnet bei so einem wichtigen Date. Vergebens versuchte ich klar zu denken. Unmöglich, die Zeit raste und nahm mich mit. Mir war schwindelig. Keine Kontrolle über nichts. Und das mir.
Wieder ein ohrenbetäubender Knall. Die Zeitgeschwindigkeit verlangsamte sich auf Normalzustand. Ich landete. Inmitten einer selbst mir vollkommen unbekannten Epoche. Ich sah mich um.
Die Umgebung wirkte mir seltsam vertraut, nur verhaltener, bunter, verzerrter. Alles um mich herum wirkte gezwungen ruhig, so als wenn jeden Augenblick ein Chaos losbrechen könnte. Die ganze Atmosphäre, die Menschen, Häuser, alles schien einem Roman von Jules Verne entsprungen, nur 5000 Jahre später.
Ich sah genauer hin. Jedes Ding, jedes Lebewesen könnte aus dem ausgehenden neunzehnten Jahrhundert stammen, Bärte, Kleidung, Architektur, alles detailgetreu und alles wie mit Leben durchhauchtes Pappmachée. Wenn nur nicht der Himmel voller fliegender Schiffe wäre. Mir wurde schlecht. Die Zeit bewegte sich einen Tick schneller, die Bewegungen waren nervöser und die Luft wurde rosa und dick.
Dann war ich mir sicher, dass das Chaos nicht erst losbrechen würde, sondern längst wütete. Das Gelb der Straßenbahnhaltestelle links neben mir glühte förmlich und wollte mich mit bösblutigen Fangzähnen beißen. Keiner der vielen Leute nahm Notiz davon, sie standen in Reih und Glied, bereit, in die auf uns zufahrende Straßenbahn einzusteigen. Warum kam mir dieser Ort so bekannt vor? Wo war ich? Instinktiv entfernte ich mich von der Haltestelle und versteckte mich hinter einem nahe gelegenen Gebäude. Die Straßenbahn fuhr ein, wuchs um ein hundertfaches, blähte sich auf. Sie zerquetsche den ganzen Platz, die Häuser und diese seltsamen Menschen. Sie brüllten lautlos und erbrachen Gehirn. Dann zerplatzte die Bahn und spie Fahrgäste aus, die daraufhin kurz durch die Luft segelten und zerbarsten. Alles, die Häuser, die Leute, sie zerbröselten vor meinen Augen wie Krümelkuchen. Und irgendwie drückte der Himmel plötzlich, er kam näher, wurde schwerer. Und orange.
Eine Hand ergriff die meine und zog mich fort. Wir überquerten Straßen, gingen durch Häuser, Gassen, kleine Parks, durch die Stadt. Hinter uns löste sich alles auf, das Nichts verfolgte uns. Der Himmel war mittlerweile blutrot. Die Hand führte mich auf den Hinterhof einer scheinbar stillgelegten Fabrik. Dort schaute ich mir die Hand genauer an, den dazu gehörigen Arm, den ganzen Körper, das Gesicht. Ein Mädchen oder eine junge Frau, mit schwarzen kurzen Haaren und glutroten Lippen blickte mich traurig an. Schön traurig. Pappmachéeschöntraurig. Sie sprach zu mir, aber ich hörte keinen Laut. Und auch traute ich mich nicht, sie fester anzufassen. In dieser Welt, in der sich alles verpulverisierte. Das Mädchen war so klein, so dünn, so schwebend. Wenn ich sie nur verstehen könnte. Ich war so ratlos wie nie zuvor.
LG
Mo.