Der TraumMann (II) – Die Walküre
Vorbemerkung: Dies ist Teil zwei der TraumMann-Erlebnisse. Teil I: Kurzgeschichten: Der TraumMann (I) – Frau Leckels Offenbarung sollte sinnvollerweise zuerst gelesen werden .Ich wähle bewusst einen neuen Thread, weil diese Fortsetzung sonst möglicherweise in den Postings zum Teil I untergehen könnte. Wenn die Moderatoren beide zusammenführen wollen, dann bitte die Texte hintereinander platzieren und die Thread-Überschrift anpassen - ich kann das leider nicht - Merci.
sonntägliches Lesevergnügen wünscht
Buthidus
Der TraumMann (II) - Die Walküre
Seit der denkwürdigen Offenbarung seiner Fähigkeiten durch seine Kollegin Brigitte Leckel, war Karl-Dieter Bergmann auf der Suche nach träumenden Frauen. Aber es war unendlich schwer, sie in der hektischen Betriebsamkeit einer Großstadt aufzuspüren. Genauer gesagt: Es war ihm bislang – also über fast acht lange Monate – unmöglich gewesen. Seine Fähigkeit kam wohl nur dann zum Tragen, wenn er sich einer entspannt schlummernden Frau bis auf wenige Meter nähern konnte. Im Finanzamt IV herrschte angesichts der katastrophalen Haushaltslage ein immer rauerer Umgangston. Entspannung während der Arbeitszeit war da kaum noch möglich.
Karl-Dieter Bergmann zog daraus die Konsequenzen. Er begann sein sorgfältig strukturiertes Leben neu zu ordnen. Seiner Mutter zu vermitteln, dass er sie nun nicht mehr jedes Wochenende würde besuchen können, erwies sich als äußerst schwierig. Erst der mit Nachdruck vorgebrachte Hinweis, dass in diesen unsicheren Zeiten berufliche Weiterbildung praktisch unverzichtbar sei, ließ sie einlenken. Natürlich wolle sie seiner Karriere nicht im Wege stehen, hatte sie, sichtlich verdrossen ob ihrer Zurückstufung, eingelenkt. Karl-Dieter hasste sich für diese Lüge, aber er durfte seine Fähigkeiten nicht verkümmern lassen.
Damit hatte Karl-Dieter Bergmann (inzwischen 53) nun erstmals im Leben zwei Wochenenden im Monat oder – von jeweils Dienstschluss Freitagmittag bis Dienstbeginn Montagmorgen exakt berechnet – einen Zeitkorridor von 64 Stunden zur freien Verfügung
Als nächstes stellte er sein Haushaltsbudget um. In einem Anflug von Euphorie hatte er bereits unmittelbar nach Frau Leckels Offenbarung die Sterbegeldversicherung gekündigt. Wenn Mutter das erfuhr, würde sie wahrscheinlich noch mehr verzweifeln: „Ohne eine Versicherung hätten wir Vater nicht diesen schönen Sarg kaufen können“, betonte sie stets, wenn er sie auf den Friedhof begleitete. Sein Vater war sehr früh verstorben. Aber seit Frau Leckels Traum erschien es Karl-Dieter angebracht, ins Leben zu investieren und nicht in seine Beerdigung. Seit März hatte er so monatlich 23,38 € mehr in der Haushaltskasse, zuzüglich der eingesparten Kosten für die Bahnfahrkarten ins heimatliche Niederdorffelden (2 x 12,30 €).
Derart finanziell abgesichert, wagte er den nächsten Schritt. Er suchte systematisch nach einer geeigneten Örtlichkeit: In welchem öffentlichen Raum – außer in Behörden – schliefen Frauen tagsüber? Er fand zunächst keinen. Karl-Dieter stand – wie schon öfter in seinem Leben – kurz davor, sich ergeben in sein Schicksal zu fügen und die Offenbarung als einmaliges, nicht wiederholbares Erlebnis anzusehen, als er den geeigneten Ort doch noch identifizierte: Ein Freibad, genauer gesagt das Stadionbad.
Diese Einschätzung basierte auf den Bruchstücken eines Gespräches, welches ihm eines Montagmorgens im Amt in der Raucherecke des vierten Stockwerkes zu Ohren kam. Die männlichen Kollegen diskutierten darin die Ereignisse des Wochenendes. Soweit er das zuordnen konnte, ging es zusammengefasst darum, dass „… fitnessstudiogestählte Körper … offensichtlich arbeitsloser Männer mit Migrationshintergrund … am Beckenrand entlang stolzierten … die Blicke der Ehefrauen seiner Kollegen auf sich zogen…und sie ihnen damit praktisch „ entfremdeten“. Während andererseits ... blutjunge – und auch nicht mehr ganz so junge – „Dinger“ … mit einem Nichts von einem Bikini … in dem sich einfach alles abzeichne … und die sich mit geschlossenen Augen auf Strandlaken räkelten ... eine einzige Provokation für die Männerwelt seien“. Das war nicht ganz der exakte Wortlaut, aber Karl-Dieter brachte es nicht fertig, die verwendeten Fachbegriffe länger als nötig zu behalten, befürchtete er doch, dann in Gegenwart seiner Mutter ständig erröten zu müssen. Er zog aus alldem dennoch den Schluss, dass die eine oder andere Frau im Stadionbad durchaus in einen Traum verfallen könnte.
Nachdem Karl-Dieter Bergmann endlich einen geeigneten Ort gefunden zu haben glaubte, investierte er – beruhigt durch die gebildeten Rücklagen und seine damit erheblich verbesserte Liquiditätssituation – 28.- € in eine karierte Picknickdecke mit feuchtigkeitsisolierender Unterseite, die sich praktischerweise mittels eines umlaufenden Reißverschlusses gleich zu einer Tasche zusammenlegen ließ, sowie weitere 8,50 € in eine feuchtigkeitsspendende Sonnenlotion mit Lichtschutzfaktor 32. Eine Badehose erwarb Karl-Dieter nicht. Er wollte ja nicht schwimmen gehen, hätte auch gar nicht schwimmen gehen können, denn er hatte es nie erlernt. Für den Aufenthalt am Beckenrand schien ihm die kurze beige Hose aus dem letzten Wanderurlaub im Berchtesgadener Land ausreichend, auch wenn dieser 15 Jahre zurücklag.
Am nächsten sonnigen Sonnabend löste Karl-Dieter Bergmann gegen 14:12 Uhr eine Einzelkarte für Erwachsene (3.50 €) an der Kassenkanzel des Stadionbades. Dass er zuvor nahezu 28 Minuten anstehen musste, empörte ihn nicht – er wusste, dass die Personaldecke in kommunalen Betrieben kaum ausreichte einen reibungslosen täglichen Arbeitsablauf zu gewährleisten und es daher bei derart völlig überraschend auftretendem Andrang noch dazu an einem Wochenende unvermeidlicherweise zu Wartezeiten kommen musste. Dennoch ließ die Menschenschlange andere Sorgen in ihm aufsteigen. Diese stellten sich als berechtigt heraus: Das Problem schien auch hier im Stadionbad, wie in der ganzen Großstadt, die hektische Betriebsamkeit zu sein. Karl-Dieter schätzte an die tausend Besucher auf den weitläufigen Liegewiesen.
Erneut machte sich ein Anflug von Verzweifelung breit: Wie sollte er hier eine träumende Frau ausfindig machen. Aber Karl-Dieter Bergmann war es gewohnt, an einmal getroffenen Entscheidungen konsequent festzuhalten. Unverkennbar suchenden Blickes durchschritt er das Gewimmel der Leiber auf den Rasenflächen. Er betrachtete bevorzugt reifere Frauen mittleren Alters – die jungen Mädchen waren eindeutig zu unruhig und auch selten allein. Jedes Mal, wenn er eine solche Dame identifizierte, näherte er sich ihr und fragte galant, ob er seine Decke neben der ihren ausbreiten dürfe? Doch die empörten Blicke der Frauen schienen ihn ausnahmslos zu durchbohren. Ihr wortloses Abwenden interpretierte er dann folgerichtig als Ablehnung.
Dreimal konnte er sich von der erniedrigenden Erfahrung des Abgewiesenwerdens erholen. Dann gab Karl-Dieter auf und zog sich auf eine Kunststoffbank, welche nahe der Umkleidekabinen im Schatten stand, zurück, um – sozusagen in einer Feldstudie – die Gepflogenheiten des menschlichen Umgangs in einem Schwimmbad zu erlernen. Schnell setzte sich die Erkenntnis durch: Man fragte nicht, ob noch Platz sei. Man besetzte einfach den freien Raum durch Ausbreiten seiner Decke. Und solange man einen gewissen Respektabstand von – überschlägig betrachtet etwa 1,80 Meter – einhielt, wurde dem nicht widersprochen. Außerdem vermied man es, einander direkt das Gesicht zuzuwenden – es sei denn, man trug eine dieser dunkel, nahezu schwarz getönten Brillen. Karl-Dieter notierte sorgenvoll „Sonnenbrille“ unter der Rubrik „Anschaffungen“ in sein Notizbuch. Angesichts seiner Sehschwäche würde dies eine erhebliche Belastung für seinen Etat bedeuten. Und aller Voraussicht nach würde – obwohl er beihilfeberechtigt war – die Beamtenversorgungskasse die Kosten nicht vollständig übernehmen.
Des Weiteren fand Karl-Dieter die wesentlichen Beobachtungen seiner Kollegen bestätigt. Er musste mehrmals seinen Blick senken, angesichts der Dinge, die sich abzeichneten, wenn die Frauen aus den Umkleidekabinen heraustraten. Und erst recht, wenn sie sich an den verchromten Haltestangen aus dem Wasser zogen (Wassertemperatur an diesem Tag 25,5 Grad) und die Tropfen von ihren Körpern abperlten.
Verwirrt nahm er zur Kenntnis, dass viele der Frauen – in der Mehrheit wiederum die mittleren Alters – ein gespaltenes Verhältnis zu ihren Badetextilien zu haben schienen. Auf dem Weg von der Liegewiese zum Beckenrand – und besonders auf dem Rückweg – zupften sie nahezu unablässig an den Säumen, um wogende Rundungen zu bedecken, die sich nach wenigen wiegenden Schritten sogleich wieder befreiten und entweder dem Stoff zu entkommen suchten, oder ihn sogar verschlangen. Lagen Sie aber erst einmal auf ihrem Strandtuch und hatten die dunklen Brillen wie ein schützendes Visier vor die Augen geschoben, schien es sogar nötig zu sein, den eben noch möglichst breitgezogenen Stoff wieder soweit wie möglich zusammenzuschieben – ohne dabei überdeutlich ein öffentliches Ärgernis zu erregen. Auf dem Bauch liegend wurden dabei selbst Ösen geöffnet, Schleifen gelöst und Träger gewagt über die Schultern herabgestreift. Karl-Dieter erinnerte sich an eine Wortfolge aus einer der Teeküchen im Finanzamt IV – diesmal von Kolleginnen gesprochen –, die nach „… möglichst nahtlos braun werden …“ geklungen hatte. „Nahtlos braun werden“ galt demnach wohl als Legitimation für derartiges Verhalten.
In einigen Fällen sah Karl-Dieter sich sogar fast genötigt einzuschreiten – sozusagen zum Schutze der Frauen. Als ein kleiner Junge nämlich einer üppigen Mitvierzigerin – die sich mit geöffnetem Oberteil etwa zehn Meter von Karl-Dieters Bank entfernt, bäuchlings liegend entspannt sonnte und bei deren Anblick er schon eine leise Hoffnung auf einen Traum gehegt hatte, wobei aber seine Bank für eine Wahrnehmung leider nicht nahe genug bei ihr stand – dieser üppigen Mitvierzigerin also ließ der etwa Fünfjährige einen Brocken seines matschigen Fruchteises auf den Rücken fallen. Sie schreckte verstört kreischend senkrecht hoch und Karl-Dieter musste sich eingestehen, dass er den Blick diesmal nicht von den hellrosa abgesetzten Knospen an der Spitze der baumelnden Brüste abwenden konnte – obwohl er es schicklicherweise hätte tun müssen.
Er konnte auch dann nicht einschreiten, als er bemerkte, dass der kleine Junge sein unziemliches Verhalten mit angemessenem zeitlichem Abstand etwas weiter entfernt wiederholte. Selbst als ihm klar wurde, dass der kleine Junge offensichtlich von einer Gruppe pubertierender männlicher Jugendlicher immer aufs Neue mit Eisnachschub versorgt wurde, wagte er es nicht, sich zu erheben. Stattdessen presste er die praktische Picknickdecke auf seinen Schritt und versuchte den Jungen, indem er ihn unaufhörlich beobachtete, sozusagen mit strengem Blick von seinem Tun abzuhalten – was ihm nicht gelang.
Erschöpft von den vielfältigen Eindrücken, die auf ihn einströmten, musste Karl-Dieter Bergmann auf der Plastikbank nahe den Umkleidekabinen schließlich eingenickt sein. Ein unschöner Knuff an die Schulter und ein ruppiges „Wir schließen gleich“ weckte ihn. Karl-Dieter verließ das Stadionbad gegen 20:30 Uhr keineswegs enttäuscht.
Nachdem er sich zum Abendbrot eine kräftigende Tasse Rinderbrühe ohne Einlage gekocht hatte, zog er seine umfangreichen Notizen zu Rate und versuchte, aus den Beobachtungen seiner Feldstudie konkrete Handlungsregeln für sein weiteres Vorgehen abzuleiten. Zunächst ließ sich der öffentliche Raum des Schwimmbades in unterschiedliche Zonen einteilen, in denen sich wiederum bestimmte Personengruppen bevorzugt aufhielten. Eine hilfreiche Erkenntnis für das Aufspüren träumender Frauen.
Der Bereich zwischen den Plansch- und dem so genannten Spaßbecken schied aus, da er überwiegend von Müttern mit Kindern oder von ganzen Familien besetzt wurde. Am Spaßbecken selbst versuchten die Schwimmmeister mit immer wiederkehrenden Trillerpfeifenstößen dem Gejuchze, Geplantsche und Gegrabsche der ungestümen Jugend vergeblich Herr zu werden. Diese hielt sich mehrheitlich auch in der Nähe der Sprungtürme auf. Dies waren die Zonen, in denen es die meisten der sich sehr unanständig abzeichnenden Dinge zu sehen gab. Aber diese interessierten Karl-Dieter Bergmann nur nachrangig. Er war auf der Suche nach wagemutigen Träumen.
Der geeignetste Ort dafür schien eine terrassenförmig angelegte Liegefläche zu sein, weit entfernt vom Spaßbecken, dafür näher an dem großen Schwimmerbecken gelegen, in dem seriöse Freizeitsportler – so gut es an einem warmen Frühsommerwochenende eben ging – ihre Bahnen zogen. Hier fand sich auch – relativ betrachtet – die größte Anzahl alleinliegender Frauen.
Bestätigt wurde dies durch eine weitere Notiz. Rund um das Schwimmerbecken, so hatte er festgehalten, säßen breitbeinig offensichtlich einige der von den Kollegen aus dem Amt beschriebenen ‚gestählten Männerkörper’ auf den Bänken, die die Blicke der unbedarften Ehefrauen anlockten. Immer mal wieder sei einer dieser Körper aufgestanden und am Beckenrand entlang geschritten – wobei ihm eine Hand über den flachen Bauch gestrichen habe, oder die breite Brust mit etwas Wasser benetzte hätte. Zurück an der Bank, hätten die Körper meist versucht, eine möglichst gerade Linie zwischen den Zehenspitzen über die weit ausgestreckten, leicht geöffneten Beine und den Bauch bis zur Brust zu bilden. Dabei wurde dem Gesäß gerade eben noch die Vorderkante der Sitzfläche zur Stütze geboten. Obwohl die Position ihm unbequem erschien, was Karl-Dieter sogar extra unterstrichen hatte, sei dabei in der Körpermitte der so genannte „sixpack“ gut zur Geltung gekommen. Den Begriff und was man darunter verstehen musste hatte Karl-Dieter in diversen Frauenzeitschriften wiederholt gelesen. Er hatte versucht beim Friseurbesuch – dort waren diese Magazine praktischerweise im dezenten Einheitsumschlag eines Lesezirkelanbieters verborgen, so dass er sich keinerlei Rechtfertigungsdruck für sein unmännliches Verhalten ausgesetzt sah – er hatte also versucht mit Hilfe dieser Lektüre mehr über mögliche Träume der Damen zu erfahren. Er selbst musste vor dem Spiegel an der Innenseite seiner Wohnungseingangstür feststellen, dass dieser „sixpack“ nicht einmal rudimentär bei ihm vorhanden zu sein schien.
Gegen Mitternacht klappte Karl-Dieter Bergmann seine Notizen zu. Mit dem beruhigenden Gefühl alles ihm mögliche für eine erfolgreiche Traumsuche getan zu haben, begab er sich zu Bett. Den Wecker stellte er auf Sonntagmorgen 6:30 Uhr.
Bereits um 7:30 Uhr stand Karl-Dieter Bergmann am folgen Tag an der Schwimmbadkasse. Etwas verfrüht wie sich herausstellen sollte, aber nicht vergebens. Mithilfe eines mitgebrachten Kompass und seiner Armbanduhr, berechnete er, welches Rasenstück auf der obersten Terrasse über den Tagsverlauf am meisten Schatten bieten würde – und besetzte es: eine kleine Nische zwischen zwei Büschen. Was nicht weiter schwierig war, da außer ihm niemand das Bedürfnis hatte gegen 8:00 Uhr am Sonntagmorgen im Schatten zu liegen.
Dann begann die lange Zeit des Wartens und Karl-Dieter überlegte zwischenzeitig, ob er nicht doch etwas voreilig, diesen Platz eingenommen hätte, denn die überwiegende Mehrheit der Schwimmbadbesucher – selbst die alleine gekommenen weiblichen – lagerten zunächst nahe der Schwimmbecken. Die oberste Terrasse blieb verwaist. Er kam dennoch zu dem Schluss, richtig gehandelt zu haben, denn so konnte ihn niemand mehr abweisen. Erst gegen Mittag füllten sich auch die Rasenflächen in seinem näherem Umkreis mit Badegästen, darunter erfreulicherweise auch eine erkleckliche Zahl Frauen. Die Bänke unmittelbar am Beckenrand waren bereits etwas früher von muskulösen Körpern in Besitz genommen worden.
Ein Schatten legte sich gegen 14:00 Uhr über Karl-Dieters Nische. Er beugte sich vor, um den Verursacher auszumachen. Sie hatte nichts von der weichen Fülle seiner Kollegin Brigitte Leckel. Im Gegenteil. Sie war mindestens 1,78 Meter groß, obwohl sie im Gegenlicht der Sonne sogar noch etwas größer erschien – aber Karl-Dieter kannte sich bei Körpergrößen aus. Sie war kräftig gebaut, dabei wohlproportioniert – soweit er sich darüber ein Urteil erlauben durfte. Außerdem schien sie sehr sportlich zu sein, denn sie trug in der einen Hand einen sehr schmalen Fahrradsattel, wie er gewöhnlich bei Rennrädern verwendet wird, sowie eine metallisch glänzende Luftpumpe.
Karl-Dieter Bergmann war sofort klar, dass diese … Frau … – er entschied in Gedanken angesichts ihrer stattlichen Erscheinung den Begriff Walküre zu benutzen – dass diese Walküre eine derart erfahrene Freibadbesucherin war, dass sie es sicher auch wagen würde zu träumen. Sein Herz schlug in Erwartung des so lange herbeigesehnten Momentes ungesund schnell.
Ganz selbstverständlich – und natürlich ohne ihn anzusehen – besetzet die Walküre die freie Rasenfläche schräg vor ihm, indem sie ein schneeweißes Handtuch ausbreitete. Selbstverständlich trug sie eine tiefschwarze Sonnenbrille und anhand der Kopfbewegungen glaubte er ausmachen zu können, wie sie die Personen auf den umliegenden Badelaken kurz betrachtete. Die Brille stoppte dann mit Blickrichtung zu der Stelle am Beckenrand, an der eine, von einem besonders muskulösen Körper besetzte Bank stand. Zu Karl-Dieters Erleichterung war das Sichtfeld Brille so nicht mehr bis zu seiner im Schatten ausgebreiteten karierten Picknickdecke gelangt. Er zog es vor im Hintergrund zu bleiben.
Ohne den Blickwinkel zur Bank zu verändern, stellte die Walküre einen dieser seltsam unpraktischen Rucksäcke mit nur einem diagonalem Tragegurt neben die Decke, knickte kurz in den Hüften ein, zog mit gezieltem Griff zwei Stücke roten Stoffs daraus hervor und legte diese obenauf. Dann ließ sie mit einer fließenden Bewegung den sehr kurzen schwarzen Rock im Stand zu Boden gleiten, streifte mit beiden Händen schnell, aber nicht übermäßig hektisch, auch noch ein ebenso schwarzes Höschen von den Hüften, welches sich zu ihren Füssen zu einer kleinen Wurst zusammenkringelte. Mit einem Seitwärtsschritt entstieg sie dem Stoffknäuel.
Karl-Dieter sah im Gegenlicht zwischen ihren Beinen erstmals etwas. Was genau, konnte er nicht beschreiben, aber sein bislang immer wieder stockender Atem setzte endgültig aus.
Sie beugte sich vor – das Etwas nahm weiche, wulstige Formen an; der Vergleich mit einem im Alltag lilafarbenen Kernobst drängte sich vor Karl-Dieters inneres Auge – und er errötete, ob der obszönen Gedanken, die er sich gestattete. Sie ergriff eines der roten Stoffstücke, stieg hinein und zog es mit ein, zwei tänzelnden Schritten und seitwärts schwenkenden Hüftbewegungen hoch. Der Blick hinter der Sonnenbrille schien an der nicht allzu weit entfernten Bank Halt zu suchen. Dort wiederum rotierte eine Hand beinahe aufgeregt auf den Bauchmuskeln. Die Walküre hatte es nicht nötig, an Säumen zu zupfen, um den Stoff passend zurechtzurücken, denn es gab keinen Saum an dem sie – zumindest aus Karl-Dieters Perspektive – überhaupt hätte zupfen können. Nur ein rotes Bändchen teilte zwei pralle Wölbungen.
In Karl-Dieter Bergmanns Kopf setzte das ersehnte Rauschen ein – wie er wusste sicheres Anzeichen eines herannahenden Traumes. Seine Atmung blieb gleichwohl weiter ausgesetzt. Zugleich drang durch das Rauschen eine bittere Erkenntnis in Karl-Dieters Gehirn: Es konnte doch unmöglich sein, dass diese Frau bereits träumte? Sie schlief doch keineswegs. Sie stand sogar noch. Ein ungewohnter Schmerz durchzuckte Karl-Dieters Lenden.
Der ganze Vorgang des Entkleidens und Überstreifens mochte höchstens 15 Sekunden gedauert haben – schien aber noch nicht beendet. Im Stehen zog die Walküre nun das gerippte ärmellose Lycra-Topp über den Kopf. Es schien sich in ihren langen braunen Haaren zu verheddern, zumindest deuteten das die ungelenken Bewegungen der hochgereckten Arme an. Und noch etwas anderes geriet in Bewegung. Je mehr sie zerrte, desto wilder erbebten ihre runden Brüste, die – Karl-Dieter wäre sicherlich die Luft weggeblieben, hätte er in diesem Moment noch geatmet – nicht von einem Büstenhalter gestützt wurden. Orientierungslos schienen die brombeergroßen Perlen, die interessanterweise sehr weit aus einer unmittelbar um sie herum dunkel gefärbten Hautpartie hervorstachen, durch die Luft zu irren – paradoxerweise aber immer ausgerichtet auf den muskulösen Körper auf der Bank am Beckenrand. Dort sortierte eine Hand so unauffällig wie möglich den Inhalt einer Badehose. Das Topp fiel schließlich doch noch zu Rock und Höschen. Die Walküre setzte sich im Schneidersitz auf ihr weißes Handtuch und angelte barbusig eine Flasche Kokusnussöl aus dem Rücksack.
Karl-Dieter sog mit einem – wie er glaubte unerträglich lauten – tiefen Atemzug endlich wieder Luft in seine malträtierten Lungen. Mit einem Schlag endete das undeutliche Rauschen – und auch der Schmerz in seinen Lenden wich, da sich seine linke Hand, die sich scheinbar unbewusst in seine Weichteile gekrampft hatte, lockerte. Mit ihr entspannte sich Karl-Dieter. Er schloss die Augen und genoss eine weitere Offenbarung und die plötzlich klarer werdenden Bilder: Die Walküre präsentierte sich ganz offensichtlich dem muskulösen Körper auf der Bank am Beckenrand. Sie tagträumte von diesem Mann. Eine Frau musste überhaupt nicht schlafen, um „träumen“ zu können!
Karl Dieter tauchte gierig ein in diesen Traum. Es waren nicht ihre Finger, die die Innenseite der leicht geöffneten Schenkel hinaufglitten und das Sonnenöl sanft verteilten. Es waren nicht ihre Fingerspitzen, die sich dabei kurz unter das Stückchen roten Stoffs im Schritt verirrten und unanständig nahe an das ihm so unbekannte Etwas herankrochen, welches – obwohl die Walküre noch überhaupt nicht im Wasser gewesen war – im Zentrum etwas feucht zu sein schien. Es waren nicht ihre cremigen Hände, die sich beinahe fordernd um die Halbkugeln schlossen und das Öl nachdrücklich einmassierten.
Alles Dinge, die Karl-Dieter Bergmann aus seiner Position zwischen den Büschen mit Blick auf den blanken Rücken der Walküre keinesfalls sehen, sondern anhand der Armbewegungen höchstens hätte erahnen können – und doch spürte er sie beinahe körperlich, diese männlichen Hände, denn er war in ihrem Traum. Es waren die Hände dieses einen muskulösen Körpers. Karl-Dieter genoss mit ihr gemeinsam die immer eindringlicher werdenden Berührungen, lauschte dem sich langsam steigernden Herzschlag, verfolgte die kürzer werdenden Atemzüge und wartete auf seine sich bereits ankündigenden, erlösenden Zuckungen – als der Kopf der Walküre plötzlich zu ihm herumschnellte.
Ihr Mund sprach lächelnd: „Könnten Sie mir vielleicht helfen, den Rücken einzucremen?“ Karl-Dieter Bergmann (53), der es in diesem Moment zutiefst bedauerte, dass er noch keine tiefschwarz getönte Brille besaß, die ihm als schützendes Visier hätte dienen können … zuckte … zuckte im Bemühen, ihrem wissenden Blick zu entkommen, mit verdreht starrenden, weit aufgerissenen Augen zurück und schlug mit dem Hinterkopf hart auf den überwucherten Kantstein, der sein kleines schattiges Rasenstück vom Buschwerk trennte. Der wunderbar eindeutige Traum zerfloss abrupt zu einem unklaren Rauschen – und verstarb.
© by Buthidus (2005/2009)