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Hat jemand hier Lust?

Hat jemand hier Lust?
Ich weiß, immer *lach*, sonst wären wir ja nicht hier. Nein, ich meine, mich mal so ein bisschen auseinanderzunehmen?
------------------

Ich liebe dich

Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Svensson, CChristjan Svensson und Sie wissen hier noch nichts über mich. Vielleicht ist das auch gut so, denn ich bin ein privater Ermittler, arbeite lieber im Verborgenen. Das ist ein Anachronismus, meinen Sie? Haben Sie eine Ahnung. Lassen sie mich Ihnen eine kleine Geschichte dazu erzählen und bitte – erzählen Sie sie nicht weiter, ja?

Es war ein Montagabend, nass und kalt rann mir der Novemberregen in den Kragen der Lederjacke und meine Laune war genauso mies wie das Wetter. Ein Schirm wäre gut gewesen, aber meine Hände krampften sich wütend um die Griffe von zwei großen Reisekoffern und meine Füße trugen mich bergab zur Endhaltestelle; in die gleiche Richtung, in der auch mein Familienleben marschiert war.

Ich bin ein Schnüffler und der Chef schickt mich zu Leuten, die ein Problem mit ihrem Computer haben, von dem nicht jeder wissen muss. Meine Diskretion garantiert, dass auch delikate Fälle keine bleibenden Schädigungen hinterlassen und wenn doch, dann zumindest nicht zu Ihnen zurückverfolgt werden können. Ihr Nachbar surft in ihrem WLAN und die Pornoseitenbetreiber schicken Ihnen die Rechnung? Sie müssen ihn nicht gleich erschießen, soll ich ihn nur aussperren oder noch einen Virus hinüberschicken, der ihnen seine Kontodaten besorgt? Ihre Frau hat die Filme mit den drei »X« auf ihrem Computer gelöscht und die Kontaktdaten ihrer drei Geliebten gleich mit? Ich hole sie zurück und ihre Herzensdamen auch. Das benötigt Zeit, spielt sich meistens in den Abendstunden ab und ist weder einem geordneten noch einem vertrauensvollen Familienleben förderlich. Nicht alle derartigen Probleme sind männlich. Die meisten sogar eher weiblich, wobei das dann schon ein Pleonasmus ist – Probleme sind immer weiblich. Aber ich schweife ab ...

"Du könntest auch mal früher von der Arbeit kommen!", hatte Heike vor einer Woche mit ihrer Veronastimme zu mir gesagt. Meine Ohren hatten das zwar auf empfangen, aber mein Hauptrechner hatte zwischen meinen Ohren zu diesem Zeitpunkt noch immer im roten Bereich an einem Problem gearbeitet, dass ich für die letzte Kundin nicht hatte lösen können.

So war Heikes Satz ganz hinten im Speicher gelandet, irgendwo bei den anderen Betriebssystem-Updates mit niedriger Priorität, wie Müll raus bringen, Schreibtisch aufräumen und Hinsetzen beim Pinkeln. Jetzt stand ich hier im nächtlichen Nieselregen mit zwei Koffern in den klammen Händen und in meinem Kopf rannte sich eine Endlosschleife einen Wolf, ohne jemals das Programmende zu erreichen.

Ich wünschte, Frauen wären wie Computer. Alles, was einen Mikrochip intern hat, liebt mich und ich gebe diese Liebe zurück. Digitale Logik kennt nur Einsen und Nullen, wahr oder falsch - zwei exakt definierte Zustände, glasklar und eineindeutig.

Frauen funktionieren noch analog. „Vielleicht“, „eventuell“, „könnte“, „ja, aber ...“, wären schon schwierig, wenn es sich um feststehende Definitionen handelte. Zusätzlich können Frauen aber die Bedeutung dieser Begriffe auch noch je nach Laune bitweise shiften und dann steht „könnte“ plötzlich für Nein. Welcher Mann soll noch verstehen?

Die gelb-blaue Bahn rollte in die Haltestelle. Ich wuchtete meine Koffer durch die Tür und versuchte in meinem Kopf einen Break aus dieser dämlichen Endlosschleife hinzukriegen.

Die Gegend hier heißt „Klein Moskau“. Der Name stammt noch aus der Zeit vor der Wende. Irgendwann war dem Volksmund aufgefallen, dass hier vergleichsweise viel Menschen wohnen, die in ihrer Muttersprache sechs verschiedene Möglichkeiten kennen, das deutsche „S“ auszusprechen und den Wodka nicht in Zentilitern, sonder in „Sto Gramm“ messen, wobei sich beides nicht wirklich gut miteinander verträgt. So wurde aus dem offiziellen „Großen Dreesch III“ in Schwerin im Volksmund „Klein Moskau“.

Die Linie 2 nimmt an der Hegelstraße ihren Anfang und sie ist eine von nur 4 Straßenbahnlinien der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern. Hier gibt es keine S-Bahn, keine Metro und für die zugelassenen Taxis würde ein halbes Fußballfeld als Parkplatz genügen. Schwerin ist eine, nach deutschen Maßstäben gemessen, kleine Stadt und wäre sie nicht Landeshauptstadt geworden, wäre ihr die Bezeichnung „Provinznest“ nicht erspart geblieben.

Man hätte ihr damit Unrecht getan, denn sie ist ein einmaliges Kleinod und die Menschen, die hier schon länger leben, sind etwas Besonderes mit ihrer unaufdringlichen, ruhigen Freundlichkeit. Wer auch nur einen Tag hier verbringt, verfällt dem Zauber der Stadt und das liegt nicht nur an dem wunderschönen Schloss inmitten des Schweriner Sees oder dem Schlosspark, der sich mit seiner Schönheit nicht hinter Sanssouci verstecken muss. Wenn alles Leben aus dem Wasser stammt, dann schwamm die Wiege des Lebens irgendwo in einem der sieben Seen in und um diese Stadt. Darum gibt es hier auch keine U-Bahn. Wenn es unbedingt ein „U“ sein muss, wäre eher eine U-Boot Linie das Richtige. Sie würde ihre Fahrgäste direkt ins Stadtzentrum, ins Museum, Theater oder in den alten Speicher zur Party bringen können.
Aber da Schwerin wie die meisten deutschen Städte kein Geld hat, gibt es diese U-Boot-Linie nicht, eben so wenig wie kostspielige Protzbauten zur Anfütterung von Finanzhaien und ein deutschlandwichtiges, milliardenschweres Prestigeobjekt ist auch nicht in Sicht. Nicht einmal, um es im Schweriner See zu versenken. Nix da, unser Wasser bleibt kristallklar!

So besteht kein Bedarf für mehr als die vierzehn Bus- und vier Straßenbahnlinien, zumal viele Menschen auch hier mit dem Auto unterwegs sind. Wer sich aber wie ich für die Straßenbahn entscheidet, bekommt für 1,50 Euro zu jeder Tages- und Nachtzeit eine faszinierende Sightseeing-Tour, egal, mit welcher der drei Hauptlinien er fährt. Weite Alleen wechseln sich ab mit herrlichen Seen mitten in der Stadt, renovierte und künstlerisch gestaltete Plattenbauten inmitten von Grünanlagen werden abgelöst von liebevoll restaurierten Häusern, die mehr als zweihundert Jahre alt sind.

Der Blick aus den stets sauberen Waggonfenstern ist ein Labsal für die Seele. Keine Linie führt durch Industrielandschaften oder Büroschluchten, denn so etwas gibt es in dieser Stadt nicht, genau so wenig wie Müll auf den Straßen oder verschmutzte Luft. In dieser Welt gibt es keine zweite Stadt wie Schwerin und so ist es gut zu wissen, dass hier der Weltuntergang fünfzig Jahre später kommt, zumindest, wenn man dem „Eisernen Kanzler“ glauben darf. Wenn in den Großstadtdschungeln der Kampf ums nackte Überleben tobt, die Megastädte in ihren Schulden, im Bauwahn, im Korruptions- und Drogensumpf und im Run um das ganz große Geld versinken, werde ich hier immer noch für 1,50 Euro Straßenbahn fahren und Hamburg, Berlin und München den Finger zeigen.

Die Bahn hielt am Marienplatz und eine Frau stieg ein. Mit einer schmalen, unberingten Hand an der Haltestange hielt sie sich an der Haltestange fest, schaute aus dem Fenster und drehte mir dabei den Rücken zu.

Ihr Haar war eine Wucht. Es hatte die blassrote Farbe eines Reisigfeuers und fiel in fast geometrisch exakten Wellen über die schmalen Schultern bis auf ihren hellen Regenmantel. Der enge Gürtel betonte ihre Fraulichkeit und ich fand, es war alles ausreichend vorhanden, was eine Frau zu einer solchen macht.

Waren es die rot lackierte Fingernägel an der weißen Haltestange oder die Art und Weise, wie sie auf kräftigen, aber langen Beinen in hauchzarten Strümpfen jede plötzliche Neigung des Wagens abfing oder der stolz erhobene Kopf - mein Kopf war schon wieder unterwegs in eine Endlosschleife – mit ihr. Es gibt diese Frauen wirklich, kein Catwalk-Guru muss es sie lehren und keine Heidi Klum kann ihnen noch etwas beibringen. Sie werden damit geboren und dann perfektionieren sie es, Jahr für Jahr, Mann für Mann und sie hören nie damit auf. Ich gab ihr fünfunddreißig Jahre und Hamburg oder eine andere Weltstadt als Herkunft, vielleicht auch den Mars oder wahrscheinlicher noch die Venus, den Planeten der Liebe.

Fünf Minuten später drückte sie mit ihrer gepflegten Hand den roten Ausstiegsknopf. Die Art, wie sie mit selbstbewusst erhobenem Kopf dastand, konnte nur der Stolz einer jungen und schönen Frau sein. Gerne hätte ich ihre Augen gesehen und ich hoffte, sie möge sich nur für einen winzigen Moment umdrehen zu mir.

Wir erreichten den Platz der Freiheit und die Bahn hielt. Die Türen öffneten sich und sie machte zwei kleine Schritte. Schon im Aussteigen, drehte sie tatsächlich ihren Kopf. Nachtdunkle Augen fingen meinen Blick, kirschrote Lippen verzogen sich zu einem schelmischen, fast provokanten Mädchenlächeln und dann warf sie mir eine Kusshand zu. Den Einschlag und mein verblüfftes Gesicht dabei quittierte sie mit einem lauten, herzhaften Lachen.

Für einen Moment hörte ich noch das Echo ihrer Schritte auf den Steinen des Gehwegs, dann schlossen sich die Türen der Bahn und ich war wieder allein mit meinen Gedanken. Ich würde sie nie wiedersehen und wenn doch, hätte sie keinen zweiten Blick für mich übrig. Frauen wie sie spielen in einer anderen Liga. Aber die Erinnerung an ihr Lachen würde mir bleiben.

Ich blickte aus dem Fenster, aber die Schwärze der Nacht dahinter zeigte mir nicht sie, sondern nur mein Spiegelbild. Ein Mann mit Dreitagebart und müden, ernüchterten Augen. Sie war keine fünfunddreißig und sie kam auch nicht vom Planeten der Liebe, eher von einer Bridge- oder Rommèrunde. Für den Preis ihre schönen Perlzähne hinter den kirschroten Lippen hätte ich mir einen Mittelklassewagen kaufen können und die Flecken in ihrem Gesicht waren keine Sommersprossen, sondern Altersflecken.

In dieser Welt war alles möglich. Alte Jungfern, erst dreißig und doch das Leben schon abgehakt; Frauen, die vergessen haben, dass sie einmal zwanzig waren. Ich war eben einer begegnet, die mindestens sechzig Jahre gelebt hatte, aber sie hatte mich mit den vor immer noch unbändiger Lebenslust und Witz sprühenden Augen einer Achtzehnjährigen angesehen.

Der Mann im reflektierenden Fensterglas lächelte. Er wusste, dass es nie die faltenlose Haut ist oder die makellose Figur. Es sind immer die Augen – der Spiegel der Seele.

Wie bei meiner einzigen großen Liebe. Sie besitzt diese Seelenspiegel siebenfach und in ihrer blauen, kristallklaren Tiefe könnte ich jedes Mal aufs Neue versinken.

Ihr Name ist Schwerin ...

---------------------------
Feuer frei ...
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Schwierig - Du schreibst so, wie ich es gern lese, da ist Kritik nicht leicht *g*
Zitat von *******jan:
Ich weiß, immer *lach*, sonst wären wir ja nicht hier. Nein, ich meine, mich mal so ein bisschen auseinanderzunehmen?

Pah, das ist eitles 'Fishing for Compliments', mein lieber @*******jan , gell?

Das ist gut geschrieben, berührt (selbst wenn man Schwerin nicht kennt, ich war aber schon einige Male dort und habe just nach der Lektüre größte Lust, die Hauptstadt des Landes meiner Väter erneut zu besuchen) und erreicht.

Und die paar Fehlerchen macht ein guter Lektor in wenigen Minuten weg...

Einfach klasse *bravo*

Ach ja:

Zitat von *******jan:
Die meisten sogar eher weiblich, wobei das dann schon ein Pleonasmus ist – Probleme sind immer weiblich. Aber ich schweife ab ...

Da würde ich anmerken, dass dieser Begriff 'Pleonasmus' vielleicht nicht der Mehrheit bekannt sein könnte - und eine pfiffige Umschreibung empfehlen (so unübliche Fremdwörter reißen mich persönlich immer aus dem Lesefluss).

Zitat von *******jan:
"Du könntest auch mal früher von der Arbeit kommen!", hatte Heike vor einer Woche mit ihrer Veronastimme zu mir gesagt. Meine Ohren hatten das zwar auf empfangen, aber mein Hauptrechner hatte zwischen meinen Ohren zu diesem Zeitpunkt noch immer im roten Bereich an einem Problem gearbeitet, dass ich für die letzte Kundin nicht hatte lösen können.

das (welches) ich für die letzte Kundin nicht hatte lösen können.

Zudem 'hatte', 'hatte', 'hatte' ... kriegst Du auch ein 'war' dazwischen? Vielleicht so:

"Du könntest auch mal früher von der Arbeit kommen!", hatte Heike vor einer Woche mit ihrer Veronastimme zu mir gesagt. Meine Ohren waren zwar auf Empfang gestellt gewesen, aber mein Hauptrechner hatte zwischen meinen Ohren zu diesem Zeitpunkt noch immer im roten Bereich an einem Problem gearbeitet, das ich für die letzte Kundin nicht hatte lösen können."

Zitat von *******jan:
Frauen funktionieren noch analog. „Vielleicht“, „eventuell“, „könnte“, „ja, aber ...“, wären schon schwierig, wenn es sich um feststehende Definitionen handelte.

Geschmeidiger klingt es mit Modalverb (und dem Folgesatz per Komma verbunden):

Frauen funktionieren noch analog. „Vielleicht“, „eventuell“, „könnte“, „ja, aber ...“, wären schon schwierig, wenn es sich um feststehende Definitionen handeln würde, aber zusätzlich können Frauen die Bedeutung dieser Begriffe auch noch je nach Laune bitweise shiften und dann steht „könnte“ plötzlich für Nein.

Zitat von *******jan:
Welcher Mann soll noch verstehen?

Welcher Mann soll das noch verstehen?

Zitat von *******jan:
dass hier vergleichsweise viel Menschen wohnen,

dass hier vergleichsweise viele Menschen wohnen,

Zitat von *******jan:
und den Wodka nicht in Zentilitern, sonder in „Sto Gramm“ messen

und den Wodka nicht in Zentilitern, sondern in "Sto Gramm" messen

(Was ist ‚Sto Gramm'?)

Ach ja: Ich habe mal gehört, nur wörtliche Rede setzt man in „ “ - für Eigennamen, Zitate u.ä. verwendet man ‚ ‘


So, und ab hier war ich so drin in dem Text, dass mir nichts weiter aufgefallen ist. Und das meiste sind Flüchtigkeitsfehler *zwinker*

Nix mit 'auseinandernehmen'. Ein klasse Text *top*
Zitat von **********henke:
Schwierig - Du schreibst so, wie ich es gern lese, da ist Kritik nicht leicht

Ja, da muss man sich halt ein wenig anstrengen *zwinker* *gg*
Lieber Freund, natürlich bin ich eitel - hey, bin ein Mann! Und ich fische auch gerne nach Komplimenten. Dummerweise bin ich mittlerweile auf einem Level - das ist eitel - wo mir fachliche Komplimente sehr wichtig werden. Nicht falsch verstehen - ein Danke von einem Leser ist etwas Wunderbares undich genieße wirklich jedes. Aber ich habe die Hoffnung auf ein Buch, an dem ein Verlag nicht mehr vorbeigehen KANN, immer noch nicht aufgegeben. Egal, wie gut die Gechichte ist, sie muss auch handwerklich PERFEKT sein. Dass ich da noch nicht bin, hast du gerade beweisen, mein Freund. so können wir vielleicht alle etwas hier mitnehmen - die Mitlesenden, die vielleicht sehen, dass man an jedem Text, auch dem den sie sich nicht trauen einzustellen, etwas tun kann.
Die, die hier Texte einstellen, dass auch arbeiten am text richtig Spaß machen kann. Das wäre mein Wunsch und deswegen habe ich diese Geschichte hier eingestellt.
Herzlich und Danke für Deine bisherige Mühe
Rainer
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Mir ist noch eine weitere Kleinigkeit aufgefallen:

Mit einer schmalen, unberingten Hand an der Haltestange hielt sie sich an der Haltestange fest ...

Schau dir diesen Satz einfach mal genau an, dann weißt du sicherlich, was ich meine. *zwinker*

(Der Antaghar)
2020_08_28: ich war shoppen. ; )
********elle Frau
3.310 Beiträge
Nun denn, Feuer frei. : )
Zuallererst:

Was für eine wunderbare Liebeserklärung. Schöner hätte niemand seine eigene Stadt beschreiben können, ganz gleich, woher er oder sie stammt.

Allerdings habe ich schon so einige Punkte, bei denen ich stolperte oder beinahe aussteigen wollte. Nicht aus der S-Bahn, wohlgemerkt. ; )

Fangen wir einfach mit den Punkten an, die mich sprachlich irritiert haben.


Ein Schirm wäre gut gewesen, aber meine Hände krampften sich wütend um die Griffe von zwei großen Reisekoffern und meine Füße trugen mich bergab zur Endhaltestelle; in die gleiche Richtung, in der auch mein Familienleben marschiert war.

Mich irritiert da im letzten Satzteil das "der". Müsste es nicht "in die auch mein Familienleben marschiert war" heißen?

Meine Ohren hatten das zwar auf empfangen, aber mein Hauptrechner hatte zwischen meinen Ohren zu diesem Zeitpunkt noch immer im roten Bereich an einem Problem gearbeitet, dass ich für die letzte Kundin nicht hatte lösen können.

Da stört mich im ersten Satzteil das "auf". Für mich ist das zuviel. Es stört.

Im zweiten Satzteil würde ich den Satz ein bisschen umbauen, es klingt sehr holperig. "Mein Hauptrechner hatte zwischen meinen Ohren" - wo ist Dein Hauptrechner denn sonst so? : )

Mein Vorschlag daher:

"Meine Ohren hatten das zwar empfangen, aber der Hauptrechner zwischen meinen Ohren hatte zu diesem Zeitpunkt noch immer...."

So war Heikes Satz ganz hinten im Speicher gelandet, irgendwo bei den anderen Betriebssystem-Updates mit niedriger Priorität, wie Müll raus bringen, Schreibtisch aufräumen und Hinsetzen beim Pinkeln.

"Rausbringen" wird meines Erachtens nicht getrennt und "hinsetzen" klein geschrieben. Bei Letzterem kann ich mich aber auch irren, da wären dann unsere Profis gefragt. : )

. Zusätzlich können Frauen aber die Bedeutung dieser Begriffe auch noch je nach Laune bitweise shiften und dann steht „könnte“ plötzlich für Nein. Welcher Mann soll noch verstehen?

Der letzte Satz wirkt irgendwie unfertig. "Welcher Mann soll da noch etwas verstehen?" oder etwas in dieser Richtung fände ich da wesentlich runder.

Wenn es unbedingt ein „U“ sein muss, wäre eher eine U-Boot Linie das Richtige. Sie würde ihre Fahrgäste direkt ins Stadtzentrum, ins Museum, Theater oder in den alten Speicher zur Party bringen können.

Bei der U-Boot Linie fehlt der Bindestrich, also U-Boot-Linie.

Im weiteren Verlauf bist Du nicht konsequent. Da fehlt was oder aber es ist etwas zuviel an "ins". Entweder Du lässt das "ins" beim Museum weg, was ich aber auch nicht als besonders gelungen betrachten würde, oder - das wäre mein Vorschlag:

"Sie würde ihre Fahrgäste direkt ins Stadtzentrum, in ein Museum, ein Theater oder in den alten Speicher zur Party bringen können."

Der enge Gürtel betonte ihre Fraulichkeit und ich fand, es war alles ausreichend vorhanden, was eine Frau zu einer solchen macht.


Das nun ist Geschmackssache, aber mich stört der Begriff "Fraulichkeit". Er klingt irgendwie eckig, zu wenig weich für das, was Du an der Protagonistin zu schätzen scheinst. Aber wie gesagt, das ist wirklich nur mein persönlicher Sprachgeschmack.

Hingegen bin ich hier richtiggehend gestolpert: "Es war alles ausreichend vorhanden, was eine Frau zu einer solchen macht" - Das klingt für mich doch wieder unrund. Ich wollte da lesen "Es war von allem ausreichend vorhanden" oder "Es war ausreichend von alldem vorhanden" - aber da stand dieses "alles" und ließ mich stutzen.

Waren es die rot lackierte Fingernägel an der weißen Haltestange oder die Art und Weise, wie sie auf kräftigen, aber langen Beinen in hauchzarten Strümpfen jede plötzliche Neigung des Wagens abfing oder der stolz erhobene Kopf - mein Kopf war schon wieder unterwegs in eine Endlosschleife – mit ihr.

Den ersten Gedankenstrich würde ich in einen Doppelpunkt ändern. So, wie es jetzt dasteht, sieht der Satz mit der Endlosschleife wie ein eingeschobener Gedanke aus, und dann passt der letzte Teil "mit ihr". überhaupt nicht.

. Sie war keine fünfunddreißig und sie kam auch nicht vom Planeten der Liebe, eher von einer Bridge- oder Rommèrunde.

Da ist der Accent falsch gesetzt: "Rommérunde".

Für den Preis ihre schönen Perlzähne hinter den kirschroten Lippen hätte ich mir einen Mittelklassewagen kaufen können und die Flecken in ihrem Gesicht waren keine Sommersprossen, sondern Altersflecken.

Da müsste es "Für den Preis ihrer schönen Perlzähne" heißen.

aber sie hatte mich mit den vor immer noch unbändiger Lebenslust und Witz sprühenden Augen einer Achtzehnjährigen angesehen.
Da habe ich lange überlegt, was mich rausriss. Aber dann kam ich drauf.

Entweder ist der Bezug zu den Augen einer Achtzehnjährigen falsch, denn die Augen einer Achtzehnjährigen strahlen doch nicht "immer noch" vor unbändiger Lebenslust. Oder aber das "immer noch" müsste raus, denn beides zusammen ist in meinem Sprachgefühl ein Widerspruch.

Also entweder: "sie hatte mich mit vor immer noch unbändiger Lebenslust und Witz sprühenden Augen angesehen" oder "sie hatte mich mit den vor unbändiger Lebenslust und Witz sprühenden Augen einer Achtzehnjährigen angesehen".

(Wobei mir persönlich letzteres besser gefällt. : ) )

So, das waren die sprachlichen und rechtschreiblichen Stolperer. Zwei Dinge habe ich aber noch, die mich ausgesprochen irritiert haben:

Die Gegend hier heißt „Klein Moskau“. Der Name stammt noch aus der Zeit vor der Wende. Irgendwann war dem Volksmund aufgefallen, dass hier vergleichsweise viel Menschen wohnen, die in ihrer Muttersprache sechs verschiedene Möglichkeiten kennen, das deutsche „S“ auszusprechen und den Wodka nicht in Zentilitern, sonder in „Sto Gramm“ messen, wobei sich beides nicht wirklich gut miteinander verträgt. So wurde aus dem offiziellen „Großen Dreesch III“ in Schwerin im Volksmund „Klein Moskau“.

Dieser Absatz stört mich, weil der Inhalt an dieser Stelle zuviel Information in zu zynischer Art hervorbringt, vor allem, weil direkt im Anschluss noch die Erklärung der gesamten Infrastruktur Schwerins folgt. Wenn Dir daran liegt, weil Du vielleicht damit aufzeigen willst, dass Du auch die Schattenseiten Schwerins kennst, würde ich ihn vorziehen, und zwar nach "... in die gleiche Richtung, in die auch mein Familienleben marschiert war".

Tja. Und nun springe ich noch einmal an den Anfang der Geschichte:

Das ist ein Anachronismus, meinen Sie? Haben Sie eine Ahnung. Lassen sie mich Ihnen eine kleine Geschichte dazu erzählen und bitte – erzählen Sie sie nicht weiter, ja?

Ich sehe den Zusammenhang zwischen dem Anachronismus und der Geschichte nicht. Erstens sehe ich schon gar keinen Anachronismus darin, dass ein privater Ermittler lieber im Verborgenen arbeitet. Ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass dieser Berufsstand von Diskretion und der Arbeit im Verborgenen lebt.

Zweitens: Wie passt diese Geschichte nun mit der Arbeit eines privaten Ermittlers zusammen, bis auf die Tatsache, dass sie nicht förderlich für das Eheleben des Protagonisten war? Wie passt die Liebeserklärung an Schwerin zu diesem scheinbaren Anachronismus?

Vielleicht begreife ich es ja nicht, weil ich den Anachronismus nicht sehe. Vielleicht denke ich aber auch nur zu analog. *zwinker*

Lass mich bitte abschließend noch einmal sagen: Es ist eine wunderbare Erzählung und genau deswegen habe ich sie so auseinandergepflückt. Denn sie verdient es, dass Du daran arbeitest.
Mit dem Gebrauch von Kommata stehst du auf Kriegsfuß. Ich werde nachher mehr dazu schreiben, bin aber jetzt zum Essen eingeladen.

Nur so viel: vor einem "und", das mit einem anderen Subjekt in Verbindung steht, muss ein Komma gesetzt werden.

Beispiel:
Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Svensson, CChristjan Svensson und Sie wissen hier noch nichts über mich.

Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Svensson, CChristjan Svensson, und Sie wissen hier noch nichts über mich.

Nach "CChristjan Svennsson" muss ein Komma stehen.

Das zieht sich durch deinen kompletten Text.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ich merke gerade, dass ich den Text beim ersten Lesen viel zu rasch und oberflächlich wahrgenommen habe. Da gibt es noch einiges anzumerken, das mir bisher nicht aufgefallen war (und anderen auch noch nicht). Hier erstmal nur zwei Punkte; später eventuell noch mehr:

... an einem Problem gearbeitet, dass ich für ...

Korrekt wäre: ... an einem Problem gearbeitet, das ich für ...


Waren es die rot lackierte Fingernägel ...

Das muss heißen: Waren es die rot lackierten Fingernägel ...


(Der Antaghar)
Wow! Bin mal wieder geplättet von Euch. Aber leider muss ich heute Abend noch etwas anderes erledigen, aber wir haben es nicht eilig, oder? Ich denke, ich komme morgen dazu, ein bisschen zu sortieren, weil ich es gerne kategoriesieren würde. Da sind Punkte, die thematisch zusammengehören, und dann arbeiten wir das ab, so das alle etwas davon haben. Wäre meine Idee.

Nochmal Danke und bis Morgen
Rainer
Moin.

Ihr habt hier sehr viel Mühe investiert, ich will versuchen, es euch heimzuzahlen. Beginnen will ich genau an dieser Stelle von Indi:
„Zweitens: Wie passt diese Geschichte nun mit der Arbeit eines privaten Ermittlers zusammen, bis auf die Tatsache, dass sie nicht förderlich für das Eheleben des Protagonisten war? Wie passt die Liebeserklärung an Schwerin zu diesem scheinbaren Anachronismus?“

Wo stehen wir also? Eine Geschichte wurde geschrieben. Sie ist herausgeflossen, dann kam irgendwann das Wort „Ende“. Dieses Ende ist aber eigentlich ein Anfang, nämlich der der Arbeit.

Stellt euch bitte einen Holzbildhauer vor. Er möchte den Kopf eines Menschen herausarbeiten. Er hat nicht die Falten, die Nasengröße, die Augenform etc. im Kopf, sondern: Zorn. Das, was sein Bild ausdrücken soll, ist Zorn. Das ist das, was man beim Schreiben eine Prämisse nennt. Es ist die Botschaft, die die Geschichte dem Leser mitgibt. Diese Botschaft muss nicht wahr sein. Es geht nur um die Botschaft an sich. Zum Beispiel kann die Botschaft der Heldin des Buches sein: Alle Männer sind doof.

Jede Geschichte, jeder Roman hat genau EINE Prämisse. Alle anderen Botschaften, Meinungen, Aussagen sind – und das ist extrem wichtig – dieser Prämisse untergeordnet. Denn wenn nicht, hat die Geschichte keine klare Aussage und lässt den Leser am Ende verständnislos im Regen stehen. Selbst wenn wir nur ein momentanes Gefühl ausdrücken, wie Charlie_Rose es oft tut, ist dieses Gefühl die Botschaft.

Oftmals haben wir nur diese Botschaft im Kopf, wenn wir schreiben, oftmals wissen wir sie gar nicht (sie hängt nur im Unterbewusstsein und drängt uns zum Schreiben). Oftmals brauchen wir das Wissen darum auch gar nicht. Aber wir brauchen sie auf jeden Fall, wenn ... wir die Geschichte überarbeiten.

Jeder Text, wirklich jeder Text ist ein Rohdiamant, der zu einem Brillanten werden kann. was braucht es dazu? Genau, Schleifen! Nichts anderes tun Juweliere. Aus einem dreckigen, stumpfen Stein schleifen sie einen Brillanten, weil sie sehen, was unter der Oberfläche verborgen ist. Sie entfernen alles Überflüssige, was den zukünftigen Glanz brechen könnte und das funktioniert auch für Texte. Danach polieren sie ihn und erst dann erstrahlt ein Brillant in vollem Glanz ...

Halten wir fest:
1. Alles raus, was überflüssig ist (das ist übrigens gar nicht so einfach, weil manchmal auch scheinbar Nebensächliches doch wichtig ist, für die Stimmung zum Beispiel. Warum packt eine Floristin um eine wunderschöne Rose noch Grünzeug? Weil das die Rose erst richtig hervorhebt ...)
Genau dafür brauchen wir die Prämisse. Wir müssen wissen, was die Aussage unserer Geschichte ist, damit wir das, was diese Aussage unterstützt, behalten und das, was sie nicht stützt, wegwerfen können. Das tut manchmal wirklich weh, aber ohne „kill your darlings“ wird aus einem Diamanten kein Brillant. Das ist in dieser Geschichte das obige Zitat von Indi. Es ist, so, wie es da steht, entweder überflüssig oder muss so formuliert werden, dass es der Prämisse dient. Die Prämisse meiner Geschichte ist, und das hat Inidi schön erkannt: Schwerin ist wunderschön

2. Wenn Punkt 1 klar ist, dann gilt es, dem geschliffenen Diamanten seinen brillantinischen Glanz zu verleihen und das geschieht durch polieren. Damit haben die meisten sich hier beschäftigt: Satzbau, Zeiten, Perspektiven, Rechtschreibung, Grammatik etc.

Es kann übrigens durchaus sein, dass nach dem Polieren noch ein Durchgang Schleifen und Polieren kommen muss, oder sogar mehrere. Das ist dann nachher Übungssache. Und keine Angst - keine Geschichte, wirklich keine, ist so gut, dass sie nicht noch besser gemacht werden könnte. Natürlich kann man sie auch verschlimmbessern, aber das übt *lach*. Was mir noch wichtig erscheint und was das Schleifen wirklich behindert: Gute, schöne Sätze, die man einfach nicht löschen will. Weil sie wirklich toll sind. Und dann fängt man an, seine Geschichte zu verbiegen, damit sie irgendwie um diese wunderbaren Sachen, die man geschrieben hat, herumpasst. Glaubt mir, das ist tödlich. Es bricht den Fluß im Kopf und am Ende kommt nichts Halbes und nicht Ganzes dabei heraus. Wenn ein Satz/Absatz nicht passt, haut ihn weg, egal, wie schön er ist. Nehmt ihn als Kern einer anderen Geschichte ...

Damit will ich erst einmal beenden. Ich würde gerne so verfahren, dass ich heute Abend etwas dazu sage, wo meiner Meinung nach geschliffen werden muss und dann eure Meinung abwarten, bevor wir zum Poliren kommen.

Dankeschön
Rainer
Moin.
Im ersten Teil hatten wir das Wegschleifen von Überflüssigem und das Polieren des restlichen Textes. Jetzt steigen wir etwas tiefer ein.

Wir lesen Prosa, weil wir unterhalten werden wollen. Am besten fühlen wir uns unterhalten, wenn der Text spannend ist. Spannend ist ein Text, wenn ein Konflikt vorhanden ist, mit dem der Held zu kämpfen hat. Die Lösung des Konflikts lässt uns lächeln. Fertig.

Kurz gesagt: Am Anfang steht ein Problem, der Weg zur Lösung ist die sog. „Heldenreise“, in der der Held noch weitere (Neben)Probleme löst und am Ende geht er als Sieger hervor oder scheitert. Das ist das Geheimnis eines jeden guten Textes. Hinzu kommen noch ein paar Zutaten wie zum Beispiel überraschende Wendungen. Übrigens ist die Lösung des Problems/Konflikts dann die Bestätigung der Prämisse(siehe erster Teil, also, dass der Möder immer der Gärtner ist *schmunzel*)

Kurzprosa wie die Kurzgeschichte macht da insofern eine Ausnahme, als dass die „Heldenreise“ nicht oder nur extrem verkürzt stattfindet, weil eine Kurzgeschichte erst auf dem Kulminationspunkt des finalen Konflikts oder minimal davor einsteigt, der Leser quasi mitten in den Knall hineingeworfen wird und den qualvollen Reifeprozess des Helden, seine Stählung im Feuer der Widerstände, nicht mitbekommt.

Das entbindet den Autor einer KG jedoch nicht davon – will er gelesen werden – Spannungaufzubauen und dafür braucht er die beiden wesentlichen Elemente: Den Konflikt und seine Lösung– das ist das HERZ einer guten Kurzgeschichte. Mir blutet Selbiges, wenn ich sehe, wie viel ungeschliffene Edelsteine hier schlummern, weil die Autoren sich darüber nicht im Klaren sind. Hier werden viele Momentaufnahmen von Gefühlen und Stimmungen gepostet. Ja und? Auch ein innerer Konflikt ist ein solcher und auch er, gerade er, will und muss gelöst werden.

Also noch einmal: Kurzgeschichte = Konflikt plus Lösung = glückliche und viele Leser

Ein weiteres typisches Merkmal eine Kurzgeschichte ist, dass der Autor keine Zeit für große Charaktervorstellungen und Settings hat. Hier wirkt extrem „Show, don’t tell“ – der Held definiert sich durch das, was er sagt, tut, denkt.

Der Autor einer KG hat also keine Zeit für Erklärungen (die nach meiner Meinung ohnehin der Tod jeder Spannung sind, auch im Roman). Das bedeutet, der erste Satz, allerhöchstens der erste Absatz, muss den Konflikt beinhalten, muss den Leser „einsaugen“, sonst ist der wieder weg und sagt sich: Da kann ich auch eine Reisebeschreibung von einer Wüstensafari lesen.

Wir haben jetzt drei wichtige Dinge für die Kurzgeschichte: Konflikt, die Art und Weise seiner Lösung und die überraschende Wendung. Mit diesem Wissen schauen wir einmal auf den Anfang meiner Kurzgeschichte und da greift wieder das, was Indi zum Schluß bemängelt hat (alle anderen: bitte keine Panik, Ihr bekommt auch noch Euer Fett ab für die Mühe, die Ihr euch gegeben habt *lach*):

Da, am Anfang, ist alles durcheinander, Hin- und Hergespringe. Ich als Leser würde fragen: Hä, was will der von mir? Worum geht es hier überhaupt? Selbstverliebter Schreiberling ...

Aua, denn der Leser hätte Recht. Steht der Konflikt im ersten Absatz? Nein! Welcher ist es überhaupt? Der Leser steht so im Regen wie der Held. Genau, das ist der Konflikt und es ist ein Innerer:

Konflikt: Der Held ist aus seinem inneren Gleichgewicht gebracht worden (durch eine Familientragödie), er ist unzufrieden mit sich und der Welt.
Lösung: Wiedererlangung der Selbstzufriedenheit
Der Weg dahin (die Heldenreise): Fahrt durch Schwerin, Nachdenken über sich selbst
Überraschende Wendung: die Frau in der Straßenbahn und was sie in ihm bewirkt – die Heimkehr zu sich selbst.

Hat das irgendetwas damit zu tun?
„Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Svensson, CChristjan Svensson und Sie wissen hier noch nichts über mich. Vielleicht ist das auch gut so, denn ich bin ein privater Ermittler, arbeite lieber im Verborgenen. Das ist ein Anachronismus, meinen Sie? Haben Sie eine Ahnung. Lassen sie mich Ihnen eine kleine Geschichte dazu erzählen und bitte – erzählen Sie sie nicht weiter, ja?“
Nein, also wegschleifen. Und Tschüss!

2. Absatz (jetzt erster): Enthält er den Konflikt? Im Prinzip ja, aber er ist nicht deutlich genug formuliert, vermutlich, weil er dem Autor zu dem Zeitpunkt noch nicht so richtig klar war *lach*. Wir haben ihn gerade ausformuliert, dann bauen wir ihn also ein:

Es war ein Montagabend, nass und kalt rann mir der Novemberregen in den Kragen der Lederjacke und meine Laune war genauso mies wie das Wetter. Ein Schirm wäre gut gewesen, aber meine Hände krampften sich wütend um die Griffe von zwei großen Reisekoffern und meine Füße trugen mich bergab zur Endhaltestelle; in die gleiche Richtung, in der auch mein Familienleben marschiert war. Ich war völlig aus dem Gleichgewicht gebracht und versuchte verzweifelt, mich wieder in den Griff zu bekommen.

Fertig. Nicht schön, einfach nur angeklatscht, aber das Schönmachen kommt dann beim Polieren.

Das war es. Wir lesen uns, hoffe ich ...
2020_08_28: ich war shoppen. ; )
********elle Frau
3.310 Beiträge
Zum zweiten, nun ersten Absatz: Ich für meinen Teil fand ihn auch ohne den Zusatz deutlich genug. Die wunderbaren Methaphern geben mir doch genug Hinweise um mir deutlich zu machen, in welcher Situation ich als Leser beim Helden "einsteige":

Er steht nicht nur wortwörtlich im Regen. Der Regen ist auch ein Symbol dafür, dass er sich in einer ziemlich schwierigen Situation befindet und allein damit zurechtkommen muss.

Seine ungewollte Passivität wird dadurch beschrieben, dass ihn seine Füße tragen. Nicht er geht, nicht er ist aktiv. Er wird getragen, und zwar bergab und zum Endhaltepunkt. Tiefer gehts nimmer, sollte man meinen, hm? Gleichzeitig sieht er sich nicht aktiv daran beteiligt, dass seine Familie auseinanderbricht. Er sieht zu, ist zur Untätigkeit verbannt, aus welchen Gründen auch immer.

Die verkrampften Hände, die Wut zeigen seine Plan- und Hilflosigkeit, ebenso wie die Gedanken von ihm:

Ein Schirm wäre gut gewesen, aber meine Hände krampften sich wütend um die Griffe von zwei großen Reisekoffern...


Die einzige Lösung, die ihm einfällt, kann er also gar nicht umsetzen.

Der nächste Satz wäre mir an dieser Stelle ehrlich gesagt zuviel. Ein Pleonasmus, sozusagen.

: )
Wenn wir kurz mal aus der reihe tanzen, dann ist das "wütend" irgendwie auch zu viel. "Das "krampfen" sagt schon genug aus, oder?

Ein Schirm wäre gut gewesen, aber meine Hände krampften sich um die Griffe von zwei großen Reisekoffern...

Nee, doch nicht. Liest sich nicht gut. Vielleicht so:

Ein Schirm wäre gut gewesen, aber ich krampfte voller Wut meine Hände um die Griffe von zwei großen Reisekoffern...
Hm, gefällt mir besser ...
2020_08_28: ich war shoppen. ; )
********elle Frau
3.310 Beiträge
Mir auch. : ))
Das wäre dann ein Tip am Rand, wenn man nach der passenden Formulierung sucht:
1. Mehrere Varianten aufschreiben
2. Laut vorlesen
Der Bauch wird euch sagen, welche passt ...
Schreibschule am lebenden Objekt... find ich gut *bravo*
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