Erkannt
Charleston hatte vollauf mit der quirligen Dackeldame, namens Böhnchen, zu tun, als die Haustüre aufging und ihm des Checkers Au-de-Toilette-Duft nach seinem Rasierwasser und Pfefferminze entgegenschwallte und ihm etwas den Atem verschlug.Der Checker tat etwas unbeholfen, weil er seine Motorik nicht im Griff hatte. Er hatte sich beim Rasieren geschnitten und ein Fitzelchen Tempo klebte auf dem verkrusteten Blutfleck an seinem Kinn. Er murmelte etwas davon, wann denn Charleston zur Mittagsrunde von Böhnchen wieder da sein würde.
„So wie aufgetragen“, nuschelte Charleston zurück und zog seine Schultern bis an die Ohrläppchen hoch. „Hätte ich lügen sollen?“, fragte er sich im Stillen. „Ich hasse es, auf Wunsch der beiden Gluckenzwillinge ungefragt des Checkers Gouvernante zu spielen, nur damit dieser sich nicht in Sicherheit wiegt und eventuell auf dumme Gedanken kommt“, schimpfte sich Charleston selbst.
Er trat sich selbst gegen das eigene Schienbein, als er unvorhergesehen über seine eigenen Füße stolperte und sich gerade noch so abfing. Unwohl fühlte er sich in dieser Situation und eine gewisse Negativdramatik beherrschte seine augenblicklichen Gedanken, weil seine Gluckenmutter eben die Tragweiter ihres Ansinnen mit ins Spiel gebracht hatte, anstatt ihn einfach vorher zu fragen, ob er sich ein bisschen um Böhnchen kümmern könne, wenn die Zwillinge den lieben langen Tag unterwegs sein würden.
Aber nein. Sie hatte ihm einfach einen Zettel mit den abgesprochenen Zeiten für Böhnchens Rundgänge auf die Tastatur seines alten Laptops gelegt und ihm dazu zwischen Tür und Angel geraten, dem Checker, falls dieser nachfragen würde, nicht zu verraten, wann genau er, Charleston, das Böhnchen drüben abholen würde …
„Kinderkacke! Das ist ein erwachsener und mündiger Mann“, dachte Charleston, als er wieder in der Wohnung seiner Gluckenmama angelangt und allein war. „Hätte man das damals mit mir gemacht, wäre ich ausgerastet und aggressiv geworden“, wurde es ihm bewusst, und er erinnerte sich an seine vergangenen Säufertage, deren öde Gräu(el)nis und Alleinsamkeit er in Eigenregie überwältigt hatte …
„Aber das war eben mein Ding und nicht ihres und auch nicht seines“, überlegte Charleston weiter. „Wenn ich das Meine zu ihrem Ding mache und umgekehrt, wird’s ungut“, erkannte er.
Geschäftig setzte er sich zurück an seinen Laptop, um so wie jeden Morgen, seit er in diesen Krisenzeiten unter den Fittichen seiner Gluckenmutter verweilte, die wenige freie Zeit für seine Arbeit zu nutzen und kreativ zu sein, bevor er sich wieder in die Hausarbeit, die hier immer anfiel, stürzen würde.
© CRK, BS, 04/2020