Briefe an mich selbst
Mein liebes Gestirnenkind,ich sitze an meinem Schreibpult und käue mein Dasein wieder, wie ein braver Schüler sein auswendig gelerntes Wissen vor dem Lehrer.
Dabei vergehen eine Minute, zwei oder drei oder nein. Es sind sogar geschlagene fünfzehn Minuten, in denen mich die Monotonie des Kauens anekelt und ich die Erkenntnisse meinerseits hinunterwürge. Widerwillig zwar, aber dennoch schlucke ich sie, und mein Gedärm bekommt etwas zu tun, obwohl es momentan gar keinen Hunger hat.
Ich tue dies, weil es der Plan so vorsieht, und ich sonst die Gefahr verspüre in der Losigkeit der Struktur auszuufern, und das wäre gar nicht gut.
„Warum fragst du dich?“
„Nun … braucht nicht jeder Mensch eine vorgegebene Struktur, damit es ihm gut geht? Das habe ich doch gerade erst von dir gelernt.?“
„Nein? …“
„Ah, ach so. Du meintest, ich solle in mich hören, was ich justament benötige, damit es mir wohl ergeht.“
„Hm … Das ist schwierig. Weil ich habe immer noch deine Worte im Ohr, wie du sagtest, dass ich dieses oder jenes für mich machen solle und nicht, weil es die gesellschaftliche Norm vorgäbe, sondern damit es mir danach besser ginge. Etwas ganz allein für mich und nicht, weil jemand das von mir erwartet. Dann wird alles leichter, meintest du zu mir, und ich fände die Motivation.
Nur, was will ich heute von mir? Beziehungsweise was wird mir heute denn guttun? Weiter im Außen aufräumen und entrümpeln, so wie es mein Körper gerade im Inneren vollbringt oder lieber ein bisschen die Seele baumeln lassen und sie mit anderen Dingen pflegen?“
„Verrätst du es mir?“
„Nein? …“
„Ah, … du meinst, ich hätte mich ja schon entschieden, weil ich dir gerade in diesem Augenblick schreibe, um in mir selbst die Antwort aufzuklauben und das beste daraus zu machen.? Natürlich ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen.“
„Gut, dass du mir das heute so deutlich zu verstehen gibst. Mir geht es gleich viel besser, und ich lasse auch gar keine Gewissensbisse aufkommen, wenn ich heute mein Alter Ego in mir einen guten Mann sein lasse und nicht meiner inneren To-Do-Liste folge.“
„Was sagst du? Was soll ich? … „
„Ah, ach so, du meinst, ich solle meine Schmuse lieb von dir grüßen.“
„Ja, ja, … logisch.“
„Die hätte im Übrigen dazu gesagt, gut, dass dich selbst zur Sprache gebracht hast.“
P.S.
„Ja, ich weiß. Ich bin mir selbst mein größter Lehrmeister. Meine Antworten finden sich alle in mir verborgen. Ich weiß. Danke für diese lehrreiche Stunde.“
© CRK, Le, 05/2020