DANACH
DanachDer Sound war unglaublich ! Die Deckenleuchten des Tunnels bildeten verschwommene, orangerote Streifen, die vom Horizont auf ihn zugeschossen kamen. Die Fahrbahnmarkierung zischte, einer blauweißen Schlange gleich unter der Hightech Gummimischung seiner Rennreifen dahin. Die Brems und Abblendlichter der anderen Fahrzeuge, muteten an, wie feststehende Reklametafeln.
Mit jedem Zug am Gashahn stieg proportional die Menge des Adrenalin in seinem Blut. Sein Herzschlag raste, unter den Karbonverstärkten Rückenprotektoren seiner Kombijacke bedeckte ein feiner Schweißfilm seine Haut und die Härchen an seinen Unterarmen hatten sich aufgerichtet.
Eine langgezogene Rechtskurve zwang ihn, die Schräglage um ein paar weitere Grad zu verstärken. Trotz seines starr nach vorne gerichteten Blickes, konnte er den nahen Asphalt wahrnehmen, der mit ungeheurer Geschwindigkeit dicht unter seinen Kniescheiben vorbeizog.
Vor Erregung und unbändiger Lebensfreude hätte er am liebsten laut geschrien.
Das Gefühl der Macht und Kontrolle über das Japanische, stählerne Powerpaket unter ihm, machte ihn sogar etwas geil. Er grinste hinter seinem getönten Integralhelmvisier.
Das schwarze, rasch größer werdende Loch in seinem Sichtfeld, kündigte das Ende des Tunnels an. Dahinter erwartete ihn wieder der lauwarme Fahrtwind einer angenehmen Sommernacht und zwanzig Kilometer schnurgerader Autobahn. Er veränderte seine Position ein wenig und entspannte die verkrampften Muskeln, als ein winziges, orange blinkendes Licht von rechts in sein Sichtfeld geriet.
Jahrelange Erfahrung, Fahrsicherheitstraining und ungezählte Runden auf Europas Rennstrecken veranlassten seine Reflexe im Bruchteil von Millisekunden zu reagieren. Er war vorbei. Dann der flüchtige Eindruck von Warntafeln, rotweiß gestreifte Barken, gelbe Markierungen auf der Autobahn.
Er spürte einen sanften Schlag durch seinen Körper gehen. Erinnerungen an Gras, Erde, Steine, Metall. Verblassten.
Es musste schon im Morgengrauen sein, als er die Augen wieder öffnete, den ein seltsames Licht erhellte die Umgebung. Es schien keine Schatten zu werfen und die Dinge wirkten eher als würden sie von innen heraus leuchten, statt angestrahlt zu werden. Auch die Geräusche drangen dumpf, wie durch Watte an seine Ohren. Vielleicht war er verletzt ?! Hastig fuhr er sich mit den Händen über Gesicht und Schädel. Wann hatte er seinen Helm abgenommen ? Er fühlte keinen Schmerz. Kein Blut an seinen Händen. Er erhob sich langsam, vorsichtig, aber mühelos. Seine Maschine, wo....? Sein Fuß stieß an einen Gegenstand, der mit einem seltsamen Monoton davon schlitterte. Sein Blick folgte ihm und er nahm größere Teile wahr, die in der Nähe verstreut lagen. Er machte ein paar Schritte vorwärts und hob eines der größeren Stücke vom Boden auf“...amah.“ las er in vertrauter Schrift. Scheiße. Was zum Teufel......?
Dumm gelaufen, was? Er fuhr herum, wie von der Tarantel gestochen. Ein Typ den er noch nie gesehen hatte, stand lässig fünf Meter hinter ihm und schnitzte eine Kerbe in einen Besenstiel. Ungläubig glotzte er ihn an. Hast es noch nicht ganz geschnallt, was Mann ?
Oh doch , eigentlich hatte er es geahnt, in dem Moment als er die Augen öffnete. „Ich bin Tot, richtig ? Ich meine, schau dir diese Scheiße an. Die Teile meiner Karre liegen hier in `nem Kilometer Umkreis verteilt....aber halt, dass stimmte nicht ganz. Die Überreste seiner Maschine verschwammen, wurden durchsichtig und lösten sich auf. Er stand auch nicht mehr auf der Autobahn, feiner grauer Sand erstreckte sich, soweit das Auge reichte.
Er drehte sich um und ging auf den Fremden zu. Bist Du ein Engel, ein Dämon, Gott, der Teufel, oder was ? Und überhaupt....was war das für ne Scheiße ? Baustelle, mein Freund. Warst wohl zu schnell für die Schilder, hm ? Was mich angeht...ich bin die Grenze. Der Fährmann. Azrael. Freund Hein. Der Schnitter. Gevatter Tod. Such dir was aus.
Sein Zorn verflüchtigte sich und deine Familie viel ihm ein. Seine Frau, die Kinder, seine Freunde, die Kollegen, sein ganzes Leben.
Der Gedanke zwang ihn auf die Knie. Er hatte sie allein gelassen. Für immer. Nur für ein paar Stunden Spaß. Aber musste er deswegen Schuldgefühle haben ? Er hatte immer gut für sie gesorgt, war für seine Freunde da, half gerne wo er konnte und war im Grunde immer ein anständiger Mensch gewesen. Irgendwann erwischt es jeden. Arbeitsunfall, Herzinfarkt, Krebs, auf dem Zebrastreifen überfahren. Nein. Er bereute nichts. Aber er würde sie schrecklich vermissen. Und den Schmerz des Abschiedes hätte er ihnen gerne erspart, aber das lag nicht in seiner Macht.
Als er sich erhob, erntete er einen beifälligen Blick von dem Typ, der immer noch an seinem Stock rumschnitzte. Was treibst Du da eigentlich, fragte er. Eine Kerbe für jede Seele. Ist doch klar Mann, oder ?
Und was passiert jetzt, fragte er den Tod. Das liegt ganz bei Dir, Kumpel. Du hattest fast vierzig Jahre, aber den wenigsten reicht diese Zeit, um sich selber zu finden. Jetzt hast Du Gelegenheit dazu. Und wenn Du soweit bist, kommt der nächste Teil. Aber wohin soll ich gehen, wollte er fragen, lies es aber dann bleiben. Es war egal, wohin. Hier sah ohnehin alles gleich aus. Das Ziel seiner Reise lag tief in ihm selbst. Die Schritte im Sand waren nur symbolisch, für den Weg den er gehen musste.
Er ging los, an Tod vorbei und war schon einige Schritte gekommen, da drehte er sich noch mal um.“Bischen wenig Kerben, für all die Seelen mein ich. Nicht ?
Der Typ lächelte und sagte „jeden Tag ein neuer Stock, Kumpel. Jeden Tag.“
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