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Dirtytalk & Kopfkino
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Briefe an mich selbst - in der dazugehörigen Rubrik

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**SK
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Briefe an mich selbst - in der dazugehörigen Rubrik
ja, die gehören tatsächlich hier her. Danke für die neue Rubrik. *sonne*

Hier der Link zu den ersten Briefen:

Kurzgeschichten: Briefe an mich selbst

Weitere werden ganz gewiss noch folgen. ^^
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**SK
7.791 Beiträge
Themenersteller 
Über das Müssen, sich erklären zu müssen ^^
Mein lieber Charleston,

ich frage mich, warum wir uns gegenüber anderen Menschen erklären (müssen?), wenn sie etwas oder vielmehr uns und unser Handeln nicht verstehen (wollen?). Denn ich spüre, genauso wie du und alle anderen in uns, dass das etwas mit mir und dir und den anderen in uns macht. Eher etwas Negatives, glaube ich, und das macht uns müde …
Müde des Müssens(?). Müde des Gefühls, dass etwas mit uns nicht stimmt, weil wir mal wieder anders sind als andere. Anders denken. Anders fühlen. Anders handeln. Und wir finden alle miteinander, dass dieses Anderssein manchmal ganz schön anstrengend sein kann, weil es mich und dich und die anderen auf Dauer zermürbt, wenn wir uns selbst (noch) nicht mit der dafür nötigen Liebe und Akzeptanz begegnen (wollen?) oder vielmehr können. Denn wie soll uns das jeweilige Gegenüber verständnisvoll entgegen kommen, wenn wir das selbst auch nicht gut können?
Das ist auf Dauer sehr anstrengend, ich weiß, mein Lieber.

Also können wir dieses Müssen nur ablegen, wenn wir uns selbst besser verstehen und damit auch versöhnlicher mit uns selbst umgehen? Das kann uns den Rechtfertigungsdruck mindern, meinst du das? Und alles liegt mir und den anderen dann schlüssig zu Füßen, so dass alle es verstehen? Muss das denn immer so sein?

Mir schwirrt der Kopf.
Klar möchte ich verstanden werden. Aber mich selbst erklären, mag ich nicht sonderlich. Das drückt mich mit dem Rücken an die nackte Wand einer Einbahnstraße, weil ich dann sehr oft wortlos bin und nur noch in Bildern fühlen kann.
Verstehst du?
Ich möchte mich nicht mehr erklären (müssen). Ich möchte einfach nur noch so sein, wie ich nun einmal bin und danach handeln dürfen. Einfach etwas machen, ohne großartige Erklärungen.
Warum fällt mir das gelegentlich nur so schwer?
Und warum nervt es mich, wenn meine weltbeste Freundin mal wieder etwas nicht versteht und dieses etwas (oder gar mich selbst?) kritisch hinterfragt, weil sie mich vielleicht vor etwas - in ihren Augen - Unangenehmen schützen mag?
Jedenfalls bekomme ich in diesen Fällen ganz schnell das Gefühl, dass sie mich genau gegen diese Wand drückt, mich sprachlos macht, … und das führt mir meine Hilflosigkeit vor Augen und dann wiederum werde ich ungeduldig. Mit mir selbst, mit ihr, aber auf mit anderen Menschen. Ungeduldig, aber auch wütend auf alles, was mir daraufhin verquer im Gedärm sitzt.

Das ist doch doof, oder?

Es grüßt etwas ratlos
dein Dodo

© CRK, BS, 07/2020

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http://www.crk-kunst.de/2020 … n-sich-erklaeren-zu-muessen/
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**SK
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Mein lieber Charleston,

heute erhielt ich vom Herrn Hiob eine Botschaft. Eine? Nein! Gleich zwei Todesnachrichten an einem Tag. Und ich schrieb zwei Gedichte darüber. Ich bin erschüttert.
Die letzte der beiden Nachrichten allerdings trifft mich noch schwerer als die erste, weil sie mich an mein eigenes Schmetterlingswürmchen in Form eines abgegangen Miniembryos erinnert, vielleicht gerade mal in der sechsten? Woche, oder so. Keine Ahnung.
Dieser hing noch an einem Stückchen Mutterschleim, als ich sie damals mit meinem versoffenen, ich glaube, zwanzigjährigen Hirn in der Toilettenschüssel des Kinderheimes vorgefunden hatte, in dem ich damals mein Praktikum absolviert habe.
Naja, jedenfalls nach Jahren des nicht oder nur vage Erahnens dieser Begebenheit schreibe ich nun heute diese Zeilen. Ich verstehe mich selbst nicht. Wie konnte ich das nur so erfolgreich von mir wegdrängen und in meiner Vergessenheit vergraben?

Das folgende Gedicht ist nicht nur dem ungeborenen Wurm der Freundin meiner weltbesten Freundin gewidmet, sondern auch meinem eigenem Schmetterling, für den ich damals nicht mal einen Namen gehabt habe …

Es grüßt dich sehr nachdenklich
Dein Dodo

Hiob und seine Botschaft

Flieg kleiner Schmetterling!
Mitten in die Handfläche deiner Mutter
und hinauf zu den anderen Sternen
dieser geschundenen Erdenwelt
Denn größer wirst du leider nie werden,
um als Heim die Herzen deiner
dir Zugeneigten zu beziehen
Auch wenn sie dich nie
werden Lachen und Weinen hören
und dir niemals beim Spielen
zuschauen können -
außer sie stellen es sich
bei geschlossenen
Augenlidern vor -
haben sie dir längst
einen Namen
in die Wiege
gelegt

Flieg kleiner Schmetterling!
Dein Kokon ist leider
viel zu früh zerrissen
und hat dich ausgekotzt
in diese unbarmherzige
Welt hinein

Ich hoffe, sie schenken dir
oder vielmehr den dir Zugeneigten
einen Ort, an dem sie um dich
und dein noch nicht gelebtes Leben
wehklagen dürfen

Denn es drückt sie sehr

© CRK, BS, 07/2020

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**SK
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Zugesprochener Mut
Mein lieber Dodo,

jetzt geht es besser.
Denn ich habe meine Spezialmischung aus 2 Teelöffeln Malzkaffee + 1 Teelöffel echtem Kakao + 1 Teelöffel Espresso (aber nicht den für die Maschine) + 1 halben Teelöffel echten Imkerhonig) intus. Dieses Gebräu erweckt Scheintote – wie ich heute Morgen einer bin – zum Leben.
Ja, ich weiß die Hiobsbotschaften von gestern haben dich aus der Bahn geworfen und im Moment habe ich noch damit zu tun, dich wieder zurück in die Spur zu bringen. Denn wir haben dieser Tage wichtige Termine, die wir wahrnehmen müssen.

Was soll ich dir schreiben?
Bordolino hat sich heute Morgen bei mir gemeldet. Er ist – im Gegensatz zu mir selbst – hellwach gewesen und hat mir Glühwürmchen in meinen linken Gehörgang geblasen, die mir nun in den Gehirnwindungen herumwuseln und mich mit dem verlockenden Leben necken. Sie verirren sich sogar über die Halsschlagader bis hin zu meinem Herzen und flüsterten ihm folgendes Gedicht ein, das ich natürlich flugs für dich niedergeschrieben habe, um dir ein bisschen Mut zu zubereiten und zu kredenzen.
Lass den Kopf bitte nicht hängen! Wir schaffen das schon.

Es grüßt dich herzlichst
Dein Charleston


In einem Zug


Reißverschlussnarben sind mein Eigen,
sagte das Leben zu mir, als meine Gefühle
aus ihnen herausbluteten und mich besudelten
Menschen und dessen Ereignisse
reißen sie auf und puhlen darin herum,
bis ich erschöpft, satt und
vielleicht auch geläutert bin,
um diese gestrigen Verletzungen
mit ihrem Reißverschlüssen in einem Zug
wieder zu verschließen
© CRK, BS, 07/2020
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**SK
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Themenersteller 
Ermahnung
Ja, mein lieber Dodo,

arbeite. Arbeite dich an dir selbst und der Zeit ab, die du jetzt hast, damit du nicht gar zu sehr mit dir alleine bist und noch mehr Konstrukte deiner Gedankenwelt baust und hegst und pflegst, weil sie eben schon immer in deinem Kopf dagewesen sind.
Du kommst mir so ein bisserl wie der Muli vor, der sich selbst wund reibt, weil er sich selbst nicht zu traut, dass er mit anderen Herzensmenschen und seinem Leben, was daraus entstehen mag, glücklich sein darf?
Kann das sein?
Du bist dieser Tage ganz schön übertourig unterwegs und verlierst dich im Netz deiner Gedanken, und das tut dir und mir selbst auch nicht so gut, glaube ich.
Zermartere dir nicht so viel den Kopf darüber, warum etwas eventuell sein kann oder eben auch mal nicht sein kann, sondern nimm es so hin, wie es eben dann kommen mag. Du kannst es sowieso nicht ändern. Egal ob nun die Jobzusage dorten oder dorten klappt oder eben nicht.
Freu dich doch darüber, dass sie dich sehr mag und es dir auch zeigt. Das ist etwas sehr Positives, finde ich.
Geh bitte hinaus aus dieser passiven Ich-warte-auf-alles-Position und erledige die Dinge, die jetzt eben anstehen. Du hast es gar nicht nötig, dich im ganz persönlichen Wenn-und-aber-falls-es-dann-doch-nicht zu verlieren.
Glaub mir, ich weiß, wovon ich da rede. Denn diese Irgendwo-hinein-Drehereien kenne ich von dir zu genüge aus unserer Vergangenheit.
Ich habe dir dazu auch mal wieder ein Gedicht geschrieben.

Also, nix für Ungut mein Lieber:
Dein Charleston



Mein Herzpirat

juchtelt meine Emotionskurven rauf und runter -
kitzelt mal mit Schmetterlingsflügeln meine Neese
und fährt dabei Achterbahn in meinem Gedärm,
oder er geröllt ein anderes Mal mit lauter
Wackersteinen in meiner Magengrube herum
Also Vorsicht, wenn er auf Sendung geht
und mich im Sturm erobert,
um dann mit Links- oder Rechtstritt
aus der Reihe zu tanzen und
mich dann mit meinen Konstrukten
aus Gedanken alleine zu lassen,
das er in meinem Gehirn
wach gerüttelt hat,
weil sie schon immer
dagewesen sind
Dann hat er
die Hosen
an Mann
und lässt mich
mit viel zu viel
Zeit allein
zurück

© CRK, LE, 07/2020
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Mushrooms
Mein lieber Charleston,

natürlich hat dir unsere Fee keine dieser Mushrooms unter das gestrige Essen gemischt. Wie käme sie denn dazu? Ist sie doch die treusorgende Mutterseele in unserem Seelenhaus. Hast du das schon wieder vergessen? „
„Ja, ich weiß, dir beziehungsweise Eckstein geht es momentan nicht so gut. Aber glaub mir, der dunkle Wolkenhimmel lichtet sich auch wieder.“
„Ich habe dir dennoch alle Hinweise auf die längst verblassten Nichttraumbruchstücke dieser Nacht notiert, damit du sie nachlesen kannst, wenn du es für nötig erachtest.“

Wände haben Ohren

„Miami weiß es“, murmelte Eckstein im Schlaf und wälzte sich hin und her. Er flüsterte diesen Satz immer und immer wieder in den schweißfeuchten Bezug seines Kopfkissens hinein, wie eine Schallplatte, die einen Sprung hat und in Dauerschleife abgespielt wird.
„Keine Ahnung, was da nun wieder los ist“, dachte sich Charleston, als er sich und ihn schlaftrunken aus ihrem Nichttraum herausschälte, weil irgendein Partyvolk auf der Straße herumkrakelte, die an die Grünfläche hinter dem Mehrfamilienhaus angrenzte.
Es war kurz vor fünf Uhr morgens, und die Amseln tirilierten in der ausladenden Baumkrone des Kastanienbaumes, der vor seinem Schlafzimmerfenster stand. Die Vorhänge waren wie immer zugezogen, und es herrschte eine bläuliche Schummerstimmung in dem Raum.

„Was weiß Miami denn?“, fragte Charleston seine dunkelpinkten Schlafzimmerwände, und die Bücher in den Regalen rückten raschelnd näher zusammen, so als ob sie miteinander tuscheln würden. Und Dodos Zeichnungen, die an dem Stück Korktapete zwischen den Bücherregalen hingen, winkten Charleston zu.
Eckstein räusperte sich. Das Sodbrennen machte ihm zu schaffen, und die halbgaren Mushrooms aus seinem nächtlichen Traum, die ihm seine Fee gestern Abend natürlich nicht zubereitet hatte, lagen ihm noch immer schwer im Gedärm.
„Und wer ist Miami überhaupt?“, überlegte Charleston weiter.
Niemand im Raum antwortete ihm. Wie auch. Es war nur er im Zimmer anwesend. Und die Amseln tirilierten ununterbrochen in der Baumkrone vor seinem Fenster. Doch die wussten nie etwas, wenn er ihnen eine Frage stellte.

„Hat Miami meiner Fee die Mushrooms untergeschoben?“, hörte Charleston plötzlich die Stimmen seiner Bücher sich untereinander beratschlagen. Sie wisperten tatsächlich miteinander und beugten sich dabei hierhin und dorthin, um einander beim Nachdenken und lauten Ausatmen der Worte Platz zu machen.
Charleston kratzte sich am Kopf. Noch immer hockte er auf dem Hochbett. Seine nackten Beine baumelten über der Bettkannte - neben der blauen Trittleiter - in der Luft. Seine Zehen spielten irgendeine imaginäre Musik auf dem Luftikusklavier.
Doch die Stufen der blau angemalten Leiter würden nie im Leben bis in den Himmel hinaufreichen, damit er dort eventuell eine Antwort hätte finden können. Geschweige denn würde er auf ihren Trittbrettern bis hinab in die Hölle gelangen. Also blieben ihm auch die über- und unterirdischen Sphären verschlossen.

Er beziehungsweise der Eckstein in ihm beäugte jeden Winkel seines Schlafzimmers. Niemand – außer natürlich er selbst – wusste etwas von den Wanzenohren in den Wänden, die ihm seit damals ständig auf Schritt und Tritt gefolgt waren. Er ist sie einfach noch nicht losgeworden.

„Aber was weiß Miami denn nun wirklich?“, zermarterte sich Charleston seinen Kopf.
Eckstein hatte ihm diese Frage wie einen hungrigen Wurm zwischen die Ohren gepflanzt, und nun spielten seine Hirnsynapsen Ping-Pong mit diesen Worten und kreierten daraus die verschiedensten Konstellationen.
Ohne Unterbrechungen und in ständigen Wortschleifenwiederholungen bis sie alles andere in seinem Dasein überbrüllten und auszulöschen drohten.
Selbst seine Fee konnte diese alten Daseinschatten seines längst zerronnen Kartenaus aus Lebenslügen nicht mit ihrem Staubwedel davonscheuchen, obwohl sie sich alle Mühe dabei gab.

Charleston rieb sich seine verquollenen Augen, gähnte dabei herzhaft und kletterte von seinem Hochbett. Als er endlich – noch im Schlafzeug - vor seinem Bildschirm zum Sitzen kam, übernahm Dodo das Regiment über die Computertastatur und schrieb sich diesen Text von der Seele. Denn das würde ihm und den anderen seiner Sippe guttun.

„Was wenn sie hier nun wieder regelmäßig aus- und eingehen, ohne dass ich sie eingeladen habe?“, überlegte sich Dodo und umarmte sich dabei selbst.
„Das ist einer dieser Tage, an dem die Wanzen mit ihren Roboterkörpern durch die pergamentenen Wände deiner Welt dringen und meine Sinne zu regieren versuchen. Aber sie haben nicht so viel Macht über mich, wenn ich sie nicht verschweige und in die Buh-Ecke verdränge, sondern ihnen Raum gebe und sie liebhabe“, fügte Dodo in Gedanken hinzu.

So taten er und seine Sippe es denn auch. Sie saßen mit mir zusammen um das Seelenlagerfeuer herum, und wir ratschten uns einander alte Mutmachgeschichten zu.

Dodo schob die Tastatur beiseite und klopfte mir auf die Schulter.
„Finstere Dämonentage wird es leider immer mal wiedergeben, und so ist der heutige ein solcher, mein lieber Charleston. Hab bitte keine Angst davor. Ich kenn das schon zu genüge. Das geht auch wieder vorüber.“, meinte er ruhig.
„Außerdem, so schau und hör doch. Miami weiß gar nichts über uns. Dafür läuft gerade Miami Vice auf Youtube. Wir sind aus unserer eigenen Playlist rausgeflogen.“, fügte er hinzu.
„Also zermartere dir bitte nicht weiter deinen Kopf über deine heutigen Nichttraumschnipsel und lächle diesem neuen Tag ein wenig zu. Das wird dir und uns allen sehr guttun.“

Es grüßt dich herzlichst
Dein Dodo

© CRK, Le, 07/2020

Mushrooms
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Charlestons Zwiegespräch

Innere Stimme: „Du hast da ein Loch in deiner Wand.“
Charleston: „Ja, weiß ich.“ [Verdreht die Quargnäbbl und gähnt herzhaft.]
Innere Stimme: „Stört dich das nicht? Also ich meine deinen Blick auf das Gelb-Orange deiner Küchenwände?“
Charleston: „Nö, wieso? Wenn ich von weiten hinschaue, sieht es aus wie ‘ne fette Fliege. Und aus der Nähe betrachtet, ist es eben das Loch einer fehlgeschlagenen Bohrung. Wo ist da das Problem?“ [Reibt sich den Schlaf aus den Augen.]
Innere Stimme: „Na, weil es unschön aussieht und man eben immer an die eigenen Schmeißfliegen im Kopf denken muss und dann das Summen und Brummen der Gedanken beginnt, die ins Karussell einsteigen und dann kein Ende finden?“
Charleston: „Ach, … du hast Probleme.“ [Lacht.]
Innere Stimme: „Ja.“ [Blickt sich besorgt in Charlestons Kopf um.]
Innere Stimme: „Aber man könnte es doch zuspachteln, dann schaut das Loch wenigstens nimmer so finster drein.? Meinst du nicht?“
Charleston: „Du spinnst. Dann sieht die Wand aus wie ein übler, warmgelaufener Fliegenpilz. Denn sie hat noch mehr dieser Löcher. Außerdem ist das dein Problem und nicht meins. Ich trinke jetzt meine Kakao-Espresso-Spezialmischung und schiebe mich peu à peu in meinen Tag, falls du nichts dagegen hast.“
Charleston: [Zieht die Stirn kraus und dreht Utopia laut auf, damit er seiner Vernunft nimmer zuhören muss. Außerdem flatulenzt sein Gedärm und erinnert ihn an etwas sehr Wichtiges.]

© CRK, Le, 08/2020
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Missmutig
Die Fee lächelte. Sie saß ihrem Charleston gegenüber und hörte ihrer beider Gedanken zu:
„Wir jammern auf hohem Niveau, wenn wir meinen, wir seien gerade traurig, weil wir mit uns allein sind und uns damit justament einsam fühlen“, sagte sie in diesem Moment zu Charleston, als er sich seinen verschwitzen Haarschopf eben nicht unter das kühle Nass seiner Dusche halten und den Rest seines Körpers hinterherschieben wollte, sondern mittels seiner Rollläden die Wohnung verfinsterte und Prodigy mit der Hilfe seines Computers durch die Wohnung wummern ließ.
„Atme!“, dachte er. „Ich will atmen!“, sagte er laut. „Ich will leben und aktiv sein!“, brummte er missmutig seiner Fee hinterher, als sie in die Küche lief, um ihren geliebten Rote-Beete-Salat zu zaubern.
„Ich will meine Freunde wiedersehen und unter Menschen sein und sie auch umarmen und liebhaben!“, jammerte Charleston weiter.
Er kämpfte mit seinen übellaunigen Dämonen und vermisste die Liebe in seinem Herzen. „Die anderen leben doch auch ihr Leben, treffen ihre Freunde, haben sich gern und umarmen sich selbst und auch andere Menschen. Nur ich hocke mal wieder in meiner Ecke und beklage mein Dasein, weil ich meinen Hintern nicht hochbekomme und wieder aktiv werde, weil mich mein Auch-haben-wollen-und-vor-sich-hin-träumen ausbremst und ich mit mir selbst überfordert bin. Das nervt mich gerade sehr an. Ich nerve mich selbst an, und ich bin unzufrieden mit mir selbst, weil ich heute noch keine einzige Bewerbung auf den Weg gebracht habe. …“
Es vergingen einige Minuten des Schweigens, bis die Fee abermals lächelte und ihrem Charleston eine große Schüssel mit frisch zubereiteten Rote-Beete-Salat hinstellte und damit begann, ihm eine von Dodos Geschichten zu erzählen:


„Die Perlen meines Lebens

Ich kannte mal eine z(w)ittrige Miesmuschel mit dem Namen Kormo. Diese hockte beständig auf dem Ankerseil eines uralten Fischerbootes, das vor Jahrzehnten einmal als Schabracke getauft worden war. Man konnte noch die verwitterten Lettern, die einmal feuerrot gewesen sein mussten, auf der Bordwand des Buges erkennen.

Kormo war eine große Miesmuschel und von Seepocken übersäht und glaubte sich in ihrer Gesellschaft selbst zu genügen. Sie lebte seit vielen Jahren im brackigen Wasser des Großen Binnenmeeres ihrer Zeit und ernährte sich von den Missetaten der Spatzenhirne. So nannte Kormo die Menschen.
Seit Jahren unterhielt sich Kormo mit sich selbst und spielte mit seinem Essen Stripp-Poker, dass, immer wenn er eine Pechsträhne gehabt hatte und das kam ziemlich häufig vor, die Seepocken im Anschluss ausbaden mussten. Diese warfen dann ganz gschamig ihre Panzerung ab und machten sich auf dem Dach von Kormos Behausung zum Affen des Großen Binnenmeeres.
Doch niemand außer er selbst lachte darüber. Das wiederum machte ihn launisch wie das Aprilwetter. Meist hatte er dann gar keine Ahnung davon, wo seine Unausgeglichenheiten überhaupt herkamen und vor allem warum sie urplötzlich auftauchten und ihn mit ihren Nadelkissen piesackte, wie ein Kaktus, der sich so bettet, wie er sich und andere zu lieben glaubt.

Kormo war also mal wieder mies drauf, hatte sich in ihrem Muschelhaus zurückgezogen und aß die Tränen des geschundenen Binnenmeeres auf, die auch ihre eigenen gewesen sein könnten. Dabei kaute sie auf den Sandkörnern ihrer Zeit herum und schied diese nacheinander wieder aus.
Bis auf eines, das behielt sie bei sich, tief in ihrem Inneren versteckt und hegte und pflegte es, wie sie es bei ihren eigenen Kindern nicht getan, sondern diese als Larvenparasiten in die Welt hinaus entlassen hatte.
Doch dieses eine Sandkorn war etwas Besonders.
Kormo ummantelte es mit seinen Herzenslaunen und umschrieb es mit vielen Schichten seiner wechselhaften Emotionen, bis es eine schillernde Perle geworden war – trotz oder gerade wegen seiner inneren Widrigkeiten.

Als schließlich die namenlose Fischerin ihr Fischerboot in dem kleinen Hausdock am Ufer des Binnenmeeres rundumerneuern wollte, entdeckte sie die z(w)ittrige Miesmuschel am Seil ihres Bordankers und wollte aus dieser gerade ein ihr mundendes Süppchen kochen, als Kormo ihre Geschichtenperle ausspuckte und diese der Fischerin vor das Messer rollte …

Es bleibt offen, zu hoffen, ob Kormo und seine Existenz als oft miesgelaunte Miesmuschel verschont werden. Die Geschichtenperle allerdings ist hier gar fein zu lesen und verweilt vielleicht auch in den Sinnen des Lesers dieser Worte …

„Siehst du?“, sagte die Fee zu ihrem Charleston und tippte ihm von der Seite her auf die Schulter. „Du bist gerade meine Miesmuschel, und dafür liebe ich dich“, fuhr sie fort. Dabei legte sie ihren Arm um seine Schultern und schob ihm mit ihren Füßen eine halbvolle Schüssel mit lauwarmem Wasser für sein Fußbad hin.

© CRK, Le, 08/2020
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Herbert
Das ist der Kaktus, den mir Riddikly schon vor Wochen offenbart und geschenkt hat, obwohl ich ihr von Anbeginn unserer Freundschaft gestanden habe, dass ich keinen Grünen Daumen besitze.
Jetzt steht dieses Ding mitten auf meinem Couchtisch und ist das Sinnbild für den Kugelfisch in Hab-Acht-Stellung, den sie in mir zu sehen glaubt. Keine Ahnung, woher sie dieses Wissen nun wieder nimmt. Egal …
Jedenfalls thront nun diese Topfpflanze inmitten meiner Wohnung und will von mir geliebt werden. Das kann ich noch drei Kilometer weit gegen den Wind riechen und manchmal spüre ich es auch.
Man lasse sich das mal auf der Zunge zergehen. Eine Topfpflanze! Ein Kaktus oder auch ein Kacktus, eben ein Stuss, der mir in die Bude kackt. Ein stacheliges Etwas, dessen Mehrzwecknutzen ich im Augenblick nicht erkennen kann und auch nicht will. Ich frage mich allen Ernstes, was ich mit diesem Ding soll?
Lieb haben! Ja, ja … ich ahne es. Pflegen und gut umsorgen! Aber wie geht das gleich noch einmal? Ich bin mir nicht sicher. Ich erinnere mich allerdings dunkel an längst vergangene Schulzeiten, in denen es immer geheißen hat, dass Pflanzen eben auch Wasser benötigen.
Na gut, denke ich mir und gönne dem Herbert das.
Ich ertränke seine Wurzeln täglich in diesem kühlen Nass - in dem Glauben, dass das gut so ist - und wundere mich darüber, warum der Herbert so missmutig dreinschaut. Ich kann die Anklage in seinen nicht vorhandenen Augen sehen und auch in seiner nicht existenten Stimme hören. Aber ich habe keine Ahnung, was ich dagegen tun könnte.
Bis ich einer meiner seltenen Eingebungen folge und dem Herbert an seine traurigen Stacheln kleine, rote Schleifchen binde, und mir dabei denke, dass er jetzt sogar lauter Stilblüten austreibt.
Ich freue mich ob dieses Anblickes und bemerke dabei gar nicht, dass ich währenddessen auch meinem inneren Kugelfisch ein paar dieser Schleifchen auf dem Körper festgepinnt habe. Nun ja, denke ich mir so, es ist zwar noch nicht Weihnachten und auch noch nicht aller Tagen Abend, aber dennoch sieht das ganz hübsch aus.?
Wochen später, als der Herbert nur noch trauriger dreinschaut und kein Stück gewachsen ist, habe ich eine erneute Eingebung. Ich stelle diese Topfpflanze ins Fenster und drehe sein Gesicht in die Sonne. Die Idee mit dem Wasser hatte ich allerdings schon vor Tagen aufgegeben, und gönne ihm nun die Dürre meiner Unwissenheit.
Aber auch dies will nicht wirklich fruchten. Mittlerweile ist Herbert ganz schrumpelig und Gelb. Seine Stilblüten sind von den nun schlaffen Stacheln heruntergerutscht, und ich bin echt ratlos.
Ich habe ihn wohl zu Tode gepflegt?
In der darauffolgenden Nacht träumt es mir, dass Herbert eins wird mit dem Kugelfisch, den Riddikly in mir gesehen hat, und ich erwache schweißgebadet …

© CRK, 08/2020
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Von Schuhen, die nimmer passen wollen
Da ist es wieder. Ich meine dieses Ziehen im Herzen, wenn mich das Gefühl beschleicht, da nicht mithalten zu können und vielleicht auch nicht den Ansprüchen genügen können.
Wessen Ansprüche?
Vermutlich meine eigenen an mich selbst und ganz vage auch an mein Gegenüber? Denn meine Jemanderine adressiert, glaube ich, solcherlei Dinge nicht an mich, weil sie eben von Natur aus ein Freigeist ist.
Und dann beginnt sich mir die Unsicherheit katzenhaft von hinten anzunähern und um meinen verzagten und dennoch mutigen Stand(punkt) herumzuschnurren und zu miauzen. Damit sich meine Beine ganz allmählich voneinander spreizen und locker auf zwei Inseln des ursprünglichen Standes zum Stehen kommen, um dieses diffuse Gefühl über die unteren Körperöffnungen in mir willkommen zu heißen.
Oder vielmehr nicht willkommen, aber dennoch ihm so den Weg zu ebnen, dass es sich präsent in mir ausbreiten und am Ende jede meiner Körperzellen erobern kann. Bis ich innerlich zittere wie Espenlaub und dabei mich selbst vergesse, und mir harsch über meine Herzenslandschaft fahre und jedes Ja-Aber mit einem Mantel aus Schweigen zudecke.
Ja, ich nehme meine Herausforderungen an. Und ja, ich möchte an ihnen wachsen und auch meine Erfahrungen sammeln. Aber ich habe keine Ahnung, ob ich das auch wirklich kann.?
Die Zweifel wollen sich nicht einfach so zudecken lassen, sondern werden so nur noch lauter, und mein Herz fragt sich: „Was, wenn sie Jemandem begegnet, den oder die sie noch viel toller findet als mich? Verliere ich dann etwas, was ich vom Prinzip her nie besitzen kann und das ich - von der Vernunft her - auch gar nicht wie ein stoffliches Ding haben mag?“
Goldene Käfige fand ich von jeher schon immer scheiße. Doch der böse Giftzwerg in mir, dessen Nahrung Neid und Eifersucht und auch Selbstzweifel und die Unsicherheit sind, findet so eine Bedrängnis toll. Der will allen Ernstes meine Zuneigung zu ihr tatsächlich dort hineinsetzen und vielleicht sie gleich mit dazu, dann abschließen und oben drein noch den Schlüssel dazu wegwerfen.
Und wenn du mich fragst, dann finde ich das sehr grausam. Aber du fragst mich ja leider nicht. Sondern du hockst in deiner Stinkerecke und dickschst dort herum, anstatt den Mund aufzutun und uns mit mir gemeinsam gut zu umsorgen.
Du willst erwachsen sein beziehungsweise werden? Na dann verhalte dich bitte auch so. Und nein! Sie ist nicht er. Sie ist ein ganz anderer Mensch, und das Vergangene wiederholt sich nicht noch einmal. Sie ist dir von Grund auf wohlgesonnen und würde dich nie zu etwas bewegen, zu dem du nicht bereit bist, auch wenn du es dir noch sehr ersehnst, erhoffst und erwünschst. Und sie würde dir auch nicht bewusst weh tun wollen und dich auch nicht anlügen. Ich vertraue ihr da voll und ganz.
Aber du kannst jetzt auch nicht von ihr erwarten, dass sie allein für uns sozusagen stehen bleibt und ihren ureigenen Weg nicht weitergeht, um auf uns zu warten? Also ich meine, sie hat schließlich auch ein Leben und ihre eigenen Bedürfnisse. Das verstehst du doch, nicht wahr?
Ja, ich weiß. Sie ist eine Herausforderung für uns beide. Aber sind das irgendwo nicht all die Menschen für uns, die wir in unsere Komfortzone hineinlassen? Egal, ob wir uns in sie verlieben oder nicht.
Also zieh jetzt bitte die Kinderschuhe wieder aus. Die passen dir doch längst nicht mehr, und komm bitte mal ne Runde Kuscheln. Ich mache uns auch eine Espresso-Kakao-Spezialmischung. Eine dürfen wir heute Morgen ja noch …


© CRK, Le, 09/2020
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Selbsterkenntnis
Es ist wie der Endlosbandwurm, der sich auf immer und ewig in den eigenen Schwanz beißt, weil er so schnell vom Anfang zum Ende hinweg rast, dass er das Ende verpasst und wieder beim Anfang landet. Nur irgendwie an einem anderen Ort seiner Assoziationskette in seinem Gedankengeflecht aus ungezählten Irrungen und Wirrungen. Und immer, wenn er niest oder stolpert, weil irgendwer in seiner Nachbarschaft hustet und prustet, in dem er einen Output an Sinnesreizen uploadet, verfängt er sich im Netz der Nettigkeiten und hält seine Körperöffnungen, ja sogar die Poren seiner Haut sperrangelweit offen – wie der Junkie, der den nächsten Kick sucht. Dabei ist er erschöpft von seiner langen Reise nach sich selbst und hat sich dabei selbst verloren.
Er ist ich und sie und es. Er wird gelebt von seinen Gefühlen und auch zerlebt von seinen Sinneseindrücken anderer Menschen. Er ist der ausgedörrte Klassenzimmertafelschwamm, der alles aufsaugt, bis er in sich selbst ertrinkt und auf der Messerklinge Salto-Mortale tanzt, bevor er sich in sich selbst zerteilt, weil er jedem gerecht werden mag, nur sich selbst nicht.
Und manchmal gewittert er ein Aprilwetter sondergleichen, von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt, ohne im eigentlichen Gefühl der Zuneigung für sich selbst anzukommen. Und dann wiederum fährt er Achterbahn mit sich selbst und bekotzt dabei sich selbst und diejenigen, die nicht schnell genug hinfort eilen können.
Manchmal allerdings, allerdings nur manchmal empathisiert er mit sich selbst und atmet tief ein und aus und schaut den Regentropfen beim Fallen zu und hört ihr Trommeln auf dem Blechdach seines Wohnhauses.
Öfters jedoch quetscht er sich in die ritzigste Ritze der Grenzwälle seines Umfeldes, dehnt sich darin aus und explodiert zu abertausenden bunten Puzzleteilen, die sich im Fallen zu etwas ganz neuem zusammenfügen und dann auf dem Boden der Tatsachen ein Macramé sonders gleichen zu bilden.
Steht er im Saal mit den tausend Spiegeln, blickt ihm ein Kaleidoskop aus Mondmännern entgegen, die allesamt sich drehen und wenden wie die verspielte Tanzfigur auf der Spieluhr seiner Großmutter und doch nie so genau wissen, wann es Zeit ist, damit einzuhalten und eben nicht den Raum mit sich selbst auszufüllen, weil sie sich selbst nach außen zelebrieren.
Exzentrisch könnte man meinen. Irgendwie aber auch egoman. Vielleicht aber auch einfach nur die Summe der Springflut aus den Inputs, die mit aller Macht nach draußen dringt, weil das Kaleidoskop der Gesichter sonst zu zersplittern droht?
Aber eigentlich dürstet es ihm nur nach dem, wonach alle gieren …?

© CRK, Le, 09/2020

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Licht bedingt auch Schatten
Der Destroyer war eigentlich gar kein Zerstörer vom Dienst, aber in der Finsternis, die ihn umgab und fest umhüllte, sah er so aus, auch wenn die Discokugeln seines Spiegelsaales ihn bunt beleuchteten und zarte Gänseblümchen auf dem Stahl seines Ungetüms von einem Krampfanten wuchsen, in dem er zu Zeiten wie ein verzweifelter Panzerwagenführer steckte und über die Kontrolle seiner Steuerung kämpfte.
Leider erfolglos.
Wie immer, wenn ihm ein Lichtwesen der anderen Art begegnete und daran glaubte, ihn in einen rosaroten Elefanten ihrer Herden verzaubert zu haben. Doch das sollte dann meist eine geirrte Wirrung der Herzenssinne sein.
So jedenfalls war es auch dieses Mal, wo er doch seine Riddikly mit seiner Energie umgarnt hatte, ohne dass er sie dabei hatte ernsthaft festsetzen und bedrängen wollen. Nur ist sie, so wie jedes Mal in diesen besonderen Fällen, der passende Schlüssel für sein verrostetes Schloss gewesen, und er hatte gar nichts dagegen tun können …

Jetzt jedenfalls stand er inmitten seines Spiegelsaales und zertrümmerte mit der Hilfe seines gepanzerten Krampfanten-Ungestüms jedes seiner Spiegelbilder und hinterließ sein Chaos inmitten einer Wüste aus verrosteten Stahlträgern und nun leeren Fensterhöhlungen und zerschundenen Türen sowie kaputt geschlagenen Discokugeln.
Die Augen seines Ungestüms waren hohl, und doch konnte er sehen, wie es sein pochendes Herzragout verspeiste und dabei jede Regung seines Daseins fühlte.
Nur die Gänseblümchen auf seinem verrosteten Krampfanzug ließen sich davon nicht abschrecken. Sie sangen fröhlich mit ihren Heliumstimmen:
„Ich bin ein Gänseblümchen im Sonnenschein,
und durch meine Blüte fließt die Sonne in mich rein
Ich bin ein Gänseblümchen und mir wird ganz warm
Ich könnt die ganze Welt und dann mich selbst umarmen.
Ich bin ein Gänseblümchen ohne Aggression
Wut, Ärger - was bringt das schon?“

Nichts davon war real, das wusste der Destroyer, der im Prinzip gar keiner war. Aber er fühlte es justament in diesem Augenblick so, als er an seinem Schreibtisch saß und ihm die Tool-Schreibmusik seine Sinne ausfüllte und in die Lücken seines äußerlichen Ungetüm-Panzerung eindrang und den Hohlraum darin und auch das Vakuum in seinem Herzen ausfüllte, bis er zum Bersten angefüllt war mit dem Teer der letzten Tage und schließlich wie das Konfetti in einem Luftballon explodierte, den man mit einer Stecknadel gekitzelt hatte.

Riddikly hatte sich aus seiner Energie befreit und hatte ihn währenddessen seiner Krampfes-Rüstung beraubt. Da stand er, der eigentlich Charleston geheißen hatte, nackt vor den gefühlten Trümmern der vergangenen Zeitblase. Tatsächlich lag aber ein buntes Konfettihaufen zu seinen nackten Füßen, und dazwischen lugten Puzzleteile hervor.
Dieses eine Mal spürte Charleston, der nun kein Destroyer mehr gewesen war, Demut in seinem Herzen und machte sich daran, sein Puzzle vom Leben wieder zusammensetzen.
Riddikly allerdings würde ein (un)gelebter Traum in weiter Ferne bleiben …

© CRK, Le, 09/2020
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Bild zum Text:
licht bedingt finsternis
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Schatten
Klunda war eine Schattenfrau. Sie lebte im Schatten der Häuserschluchten und ernährte sich von den Schatten anderer Leute. Sie war zwar groß gewachsen, ging aber immer so gebeugt, als ob sie eine zentnerschwere Last tragen würde und mit der Nase den Großstadtboden nach jenen Gefühlen und Erinnerungen anderer Leute absuchen würde.
Und Klunda hatte ihr Schattenherz einem Herrn Weltmann geschenkt, den sie zu lieben glaubte, der sie im Prinzip aber nicht so beachtete, wie sie es sich erwünschte, weil er immer andere Frauen um sich gehabt hatte und weil er mit seinen Ohren in diese Frauen hineinhören konnte, um sich das abzuholen, was er wollte. Er brauchte nicht die Schatten anderer Leute, sondern bewegte sich im Licht seiner und anderer Leute selbst.

Klunda folgte ihm oft ungesehen und beobachtete ihn aus der Ferne. Dabei träumte sie sich in seine Aufmerksamkeit hinein und malte sich aus, wie es wohl wäre, …
Sie erträumte sich alle ihre Freunde und lud sich ständig in das zu Hause irgendwelcher Leute ein, die nur zu höflich gewesen waren, um sie wieder auszuladen. Sie war ein bunter Hund in ihrem Kiez, war überall mit dabei, aber nirgends wirklich anwesend.

Bis sie eines Tages tatsächlich in den Focus der Aufmerksamkeit des Herrn Mann von Welt geriet und mit ihm und seiner sich schlafend stellenden Gefährtin auf dem Matratzenlager landete. Sie links von ihm und die andere rechts von ihm und er in der Mitte.
Irgendwann hielt Klunda seine Männlichkeit in ihren Händen und plötzlich war sie wieder das kleine Wesen von damals, dass sich nicht wehren konnte, als der namenlose Blaumann ihr sein Glied in ihre kleine Hand drückte und sich darin selbst befriedigte. Sie fühlte sich so schmutzig wie damals, roch seinen Geruch an ihren Händen und war ganz gefangen darin, bis sie schreiend davonlief ...
Am nächsten Morgen stand sie um Punkt fünf Uhr in der Frühe vor der Türe ihres Herrn Weltmanns und erzählte ihm alles …

Dennoch blieb sie sein Schattenmädchen, dass ihn zu lieben glaubte und immer auf ein wenig Alltag mit ihm wartete, bis sie eines Tages in einer anderen Stadt in ihrem eigenen Erbrochenem erwachte und die Augen davor verschloss, dass sie sich alles in ihrem Leben nur erträumt hatte, anstatt sich selbst zu leben.
Sie existierte noch immer von den Schatten anderer Leute. Nur der Herr Weltmann hatte sie inzwischen verlassen, weil er sie in ihrer Sucht nicht mehr hatte ertragen können …

Jahrzehnte später saß Klunda an ihrem Schreibtisch und dachte darüber nach, warum diese Erinnerungen ausgerechnet jetzt in ihrem Bewusstsein auftauchten. Klunda war nämlich gar nicht mehr Klunda. Die Zeiten hatten sie geändert. Und dennoch hatte sie Angst davor, sich erneut von den Schatten anderer Leute ernähren zu wollen …

Sie saß vor ihrem Monitor und stellte sich vor, dass er der Mensch sei, den sie sehr gern hatte, und erzählte ihm ihr ehemaliges Schattendasein, und dass ihr die heute gelebten Grenzen dazu im Moment sehr durchlässig und diffus erschienen.
Sie wollte so nicht sein. Die Vergangenheit sollte bitte Vergangenheit bleiben.

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Neue Wege
„Neue Wege gehen wir“, plapperte der Papagei dem Bordolino alles nach und klapperte mit seinem großen Schnabel. Dann streckte er seine Flügel aus, so als ob er sich von der Sonne seiner Umgebung wärmen lassen wollte, legte dieses Mal eben kein Ei und machte einen Kopfsprung in den Bottich, der bis zum Rand mit Teer angefüllt gewesen war.
Charleston zog die Stirn kraus und schüttelte energisch den Kopf.
„Das sind für mich keine neuen Wege“, sagte er. „Ich mag keinen Applaus mehr für etwas bekommen, was ich sonst auch immer tue und dem du nur mal wieder einen anderen Anstrich geben willst, damit es keinem auffällt“, fuhr er fort.
Charleston hatte sich gerade seines Hausmülls der letzten Tage entledigt und eine Kompottschale aufgestellt, die er mit einer Mischung aus Balsamicoessig, Wasser und etwas Spülmittel angefüllt hatte. Dann ließ er die kühle Morgenluft seine Wohnung durchfluten, denn erst jetzt war es ihm aufgefallen, wie stickig es in ihr gewesen ist.
Er duftete wieder gut und setzte sich mit einem seiner Klappstühle auf den zugewetterten Balkon. Bedächtig trank er seine Spezialmischung aus Espresso und Kakao und beobachtete die Elster, wie sie über den Rasen hinter dem Mehrfamilienhaus hüpfte und unter dem ausladenden Blätterdach der Kastanie ihre Nahrung suchte und erbeutete.
Dann trödelte er Bordolinos schief gehäkeltes Platzdeckchen wieder auf und machte aus diesem Erzählgarn ein solides Knäul aus rotem Bindfaden, dass er in der verwitterten Seemannskiste seines Oheims verbarg. Diese stand schon viele Wochen in der Ecke seiner kleinen Küche und wartete darauf, in den Mitbring- und Mitnehmladen um die Ecke getragen zu werden.

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Ilse Bilse, keiner willse
„Ich sitze im Zug“, sagte Ilse und wackelte mit ihrer Hakennase über dem Hosentaschencomputer, während eine Stimme ihr aus dessen Lautsprecher entgegenblökte. „Ich sitze im Zug und bin nicht am Zug“, fuhr sie fort. „Oder vielleicht doch?“, überlegte sie.
Die Stimme aus der Sprechtüte des Computers im Hosentaschenformat hörte ihr überhaupt nicht zu, sondern blökte noch immer, wie der Bock in der Herde, der von dem Weidezaun umzäunt war, aber gern das Gatter dazu mit seinen Hörnern aufstoßen hätte.
Ilse wackelte erneut mit ihrer langen Nase über dem Bildschirm ihres Computers, der bequem in die Hosentasche passte, während ihre dürren Finger wie die Spinnenbeine eines Weberknechtes das Gerät umfangen hielten.

Sie stellte sich gerade vor, dass ihr über den Lautsprecher eine Trilliarden Ohren zuhörten und ihre Worte für bahre Münze nehmen würden. Diese Ohren bildeten in ihren Gedanken viele Haufen von Ohrensternen, Ohrensternensysteme und ganzen Ohrengalaxien sowie Ohrengalaxienhaufen, Ohrennebel und, und, und …
Und sie saß mitten drin in dieser Phantasie und war die auseinandertreibende Kraft ihrer ihr zuhörenden Ohren, bis diese Kraft nicht mehr in die entferntesten Winkel ihres Ohrenuniversums reichte und alles rasant von außen nach innen zu implodieren begann und in den Sog der Welt eines einzigen Sandkorns hineingesaugt wurde, um schließlich erneut die Grenzen des Sandkorns im Getriebe dieser Welt zu sprengen.
Ilse war wie paralysiert von diesen Gedankengängen und bildete sich ein, dass sie schon am Zug sei, aber die Gegebenheiten so schnell an ihr vorbeirasten, weil sie gerade im ICE nach Hintertupfingen unterwegs gewesen war, dass sie gar nicht wusste, wohin sie zuerst zupacken sollte.

Der Schafbock blökte noch immer aus dem Lautsprecher ihres Minicomputers und begann mit seinen stimmlichen Hörnern immer stärker gegen dessen Gehäuse zu stoßen, so dass das Gerät immer stärker zu zappeln begann und sich in alle Richtungen ausbeulte. Es hatte schon die Größe einer moderneren Dame-von-Welt-Handtasche angenommen, als Ilse mit ihrer Hakennase darauf stieß, erschrocken aus ihrer Gedankentrance erwachte und wie ein Kind, das etwas Verrücktes getan hatte, hinter der vorgehaltenen Hand ihrer weltbesten Freundin zu kicherte.

Dann nahm sie ihre Beine in die Hand und hetzte, als der Zug endlich an ihrem Zielort in seinen Bahnhof eingefahren war, auf und davon. Sie rannte, als ob der Teufel hinter ihr her gewesen wäre, über das lebensgroße Schachbrett ihres Traumes auf und davon, bog an der Seuf(z)erbrücke nach Links ab und traf sich selbst in der hohlen Gasse an, die hin zu ihrer Herzgrube führte.
Dort kam sie schließlich ihrem Devil-in-me gegenüber zum Stehen und wunderte sich nicht darüber, dass dieser ihr seine spitze Zunge entgegenstreckte und darauf ihren Hosentaschencomputer balancierte, der inzwischen auf die Größe eines alten Schrankradios angeschwollen war.

Niemand außer ihm reichte ihr die Hand, und er fragte sie mit rauer Stimme, ob sie nicht Freunde seien wollten, die sich einander liebten. Ilse war ganz gerührt von dieser Vorstellung und tänzelte ein wenig um ihre eigene Achse herum, schlug schließlich aber doch in seine Klauenhand ein.
So kam es, dass auch Ilse einen Freund abbekam, wenn auch nur sich selbst.

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Im Hollerbusch-husch-husch
Schummlich war etwas seltsam zumute, als er sah, wie die Geierwally mit ihrem Schnabel auf die Winde von Nordholm, seinem besten Freund, einhakte, ihn mit ihren spitzen Krallen an den Haaren zog und sein Ohrenschmalz mit dem Met aus ihrem Füllhorn hervorspülte.
Ihre Basen tanzten wie wild um sie herum und ritten auf den Winden von Nordholm, so dass er schon ganz ausgezehrt war. Er sah sehr blass aus und Schummlich schnurrte ihm um seine dünnen Beine. Doch selbst sein Barthaar, das eines Säbelzahnstubentigers, drangsalierte Nordholm sehr. Vor allem seine Haut. Es war klingenscharf und ritzte Streifenmuster in Nordholms Beine, so dass er aussah, als sei er bei warmem Sommerwetter nackt durchs Brombeergestrüpp hinter dem Haus seiner Großmutter gelaufen.

Die Geierwally hatte den Pfau ihrer Art mit Leib und Seele verspeist und schmückte sich nun mit seinen Federn. Auch hatte sie sich den Schuppenpanzer eines Hausdrachens zu- und angelegt, damit sie in den Krieg ihrer Ahnen ziehen und das Holz unter ihren Füßen zu Stein werden lassen konnte.
Nichts und niemand würde sie daran hindern, mit ihren Blicken die Zeit zu durchbohren und nun deren Gaul richtig herum aufzuzäumen. Nichts und Niemand. Nur die Zeit selbst würde rebellieren, denn sie ließ sich einfach nicht zurückdrehen.

Schummlich mochte die Geierwally. Denn sie war in seinen Augen sein anderes ich, wenn er mal wieder zwischen Gut und Böse oder Licht und Schatten entscheiden musste und darin gefangen war. Dann trat seine Geierwally für ihn ein und starb den Heldinnentod.

Und Nordholm? Tja, der hockte still auf seiner Insel inmitten des Nordmeeres und konnte nichts dagegen tun, dass niemand auf seine Flaschenpost regierte, weil Papo, das Riesenkraken-Unwesen, diese verschlungen hatte, damit es Nordholms Insel umstülpen und von unten nach oben umkrempeln konnte.
Nordholm trieb im Nordmeer und hielt sich an Schummlich, dem Säbelzahnstubentiger, fest. Dabei zerschnitt er sich seine Hände, bis sich die Geierwally endlich ihrer erbarmte und beide aus dem halbvollen Wasserglas ihrer aller selbst zog und mittels Sturmböen trocken blies.

© CRK, Le, 10/2020
O.T.
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