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Schlaflos

nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Schlaflos
Schlaflos

Eigentlich hätte ich schlafen sollen. Ich schlief ohnehin zu wenig. Je mehr ich mich mit dem Gedanken ans Einschlafen quälte, desto weniger gelang es mir. Ich wälzte mich von links nach rechts, drehte das Kissen um, dann die Decke. Draußen fuhren einige Autos vorbei und in einiger Entfernung konnte ich den Nachtexpress vorbei rauschen hören. Normalerweise hatte diese Geräuschkulisse eine beruhigende, einschläfernde Wirkung auf mich.

Nicht so in jener Nacht. Immer wieder kehrten meine Gedanken an den vergangenen Abend zurück. Die Gespräche jenes Abends hatten mich tief erschüttert und bis ins Mark getroffen. Ich wollte es mir nicht eingestehen, aber insgeheim hatte ich Angst bekommen.

Warum zum Teufel war ich nur zu diesem gottverdammten Vortrag dieser, dieser katholischen Frauenbewegung gegangen? Eigentlich wusste ich es, aber der Grund dafür war mir peinlich. Mir war langweilig und ich wollte meiner bohrenden Einsamkeit wenigstens für ein paar Stunden entkommen. Doch dann wurde alles nur schwieriger, bis unerträglich.

Die Frauen von diesem Verein hatten mich schon wochenlang bekniet, endlich mal zu einem der Vorträge zu kommen. Ich sah diese Tussies doch jeden Tag auf der Arbeit. Ich bin Bankangestellter, Stellvertreter des Filialleiters noch dazu. Da musste ich mich wenigstens einmal im Jahr dort blicken lassen. So ließ ich mich also überreden.

Der gesamte Kirchenrat, fast der gesamte Gemeinderat, einige Wichtigtuer und natürlich die Moralapostel der Gemeinde waren gekommen, um dem Vortrag über „Glaube und Sexualität“ zu lauschen. Der Vortrag langweilte mich. Was hatte Glaube mit Sex zu tun? Warum dürfen nur Männer und Frauen was mit einander haben? Warum sollte man sich nur auf einen Partner beschränken und das ein Leben lang, auch wenn man sich erwiesenermaßen nicht mehr mochte und einander auf den Geist ging?

Mein Chef, der Angerer, war auch da. Er war DIE moralische Stütze der Gemeinde, Chef des Kirchenrats und Gemeinderatsvorsitzender, auch hatte er ein Amt im Raiffeisenverband inne. Mir grauste davor, mit ihm auch privat sprechen zu müssen. Er war immer so von oben herab zu mir, weil ich Single war, weil ich von der Stadt aufs Land gezogen war. Herr Angerer wollte mich immer wieder davon überzeugen, mich der „Herde“ anzuschließen. Aber ich war noch nie ein Herdentier.

Ich wälzte mich unruhig in meinem Bett. Es war heiß.

Was mich an diesem Abend so beunruhigt hatte, war die moralische Entrüstung der Leute gewesen, als ich sagte, ich brauche für mein Heil weder Kirche noch eine Frau. Das hätte ich mir besser verkneifen sollen. Am liebsten hätte ich mich nachher selbst geohrfeigt.

„Flo, wie konntest du nur so blöd sein“, sagte ich zu mir selber und versuchte eine neue Schlafposition. Dann sprang ich aus dem Bett und ging ans Fenster.

Zuhause rannte ich meistens nackt herum, nur wenn Besuch kam, war ich bekleidet. Ich öffnete das Fenster und sog die kühle Nachtluft ein. Im Nachbarhaus war noch Licht. Jetzt ging es aus und ich wusste, dass der alte Spanner von vis-a-vis mich beobachtete. „Holst du dir jetzt einen runter, du alter Wichser“, sagte ich halblaut. Aber wer war ich, so über andere zu reden.

Wütend auf mich selber drehte ich mich um und ging in die Küche. Ein Bier würde vielleicht helfen. Durstig war ich ohnehin.

Während ich in die Küche ging dachte ich an den weiteren Abend.

Nach dem faden Vortrag gab es das unvermeidliche Buffet, das aus warmen Weißwein, angetrockneten Schinkenbrötchen und Salzgebäck bestand. Auf den Tabletts waren einige Weintrauben verteilt, so sollte es wohl etwas hübscher und dekorativer aussehen. Der Pfarrer hatte den Wein aus seinem Vorrat spendiert. Messwein vom Geld der Steuerzahler, dache ich grimmig und schenkte mir ein Glas Mineralwasser ein. Ein Bier wäre mir lieber gewesen.

„Flori!“ Diese Stimme kannte ich nur zu gut. Ricke! Immerzu versuchte sie mit mir zu flirten. Ich konnte sie nicht leiden und an diesem Abend schon gar nicht. Ich war nicht in der Stimmung für Spielchen. „Wie hat dir der Vortrag gefallen?“ Sie ließ mir keine Zeit für eine Antwort sondern fuhr ohne Pause einfach fort. „Einfach wunderbar, was für schöne Worte der Pfarrer doch für die Sache gefunden hat.“
„Wenn du meinst“, erwiderte ich, ohne damit ihren Enthusiasmus zu bremsen. „Denkst du, dass Sex was Schlechtes ist“, wagte ich zu fragen.
„Flori!“ Sie war entsetzt, weil ich noch nie so unverblümt und laut geredet hatte. Ricke dreht sich um und rauschte davon.
„Blöde Kuh“, murmelte ich.
Doch da kam schon der nächste Schock auf mich zu.
„Herr Müller! Jetzt haben Sie die einzige annehmbare Dame hier verscheucht“, sagte Herr Angerer, mein Chef und Obermoraler hier im Dorf.
„Sie sollten sich die Gute warm halten. Frau Dirner ist vermögend und noch jung, sie wäre eine gute Partie.“
„Darauf kann ich verzichten.“ Ich war wütend. Warum kümmerte man sich hier so um mein Privatleben. Das ging doch keinen etwas an.
„Sie sollten sich endlich eine Frau suchen. Ein gut aussehender Mann wie Sie und in Ihrer Position braucht eine Frau.“ Herr Angerer kam vertraulich näher und sprach mit gesenkter Stimme weiter: „Ich habe Sie hier noch nie mit einer Frau gesehen. Sie sind doch nicht … ich will es gar nicht aussprechen.“
„Wenn Sie fragen wollen, ob ich schwul bin, fragen Sie ruhig. Aber wo wäre der Unterschied.“ Ich hielt meine Stimme nur mit Mühe ruhig und versuchte Gelassenheit auszustrahlen.
„Was es für einen Unterschied machen würde!“ Der Angerer war jetzt in seinem Element, daran hatte ich nicht gedacht. „Einen gewaltigen. Sie Dummkopf. Homosexualität ist eine Krankheit, nein, nein eine, eine SÜNDE, ist das! Das ist nicht normal!“ Er bekam einen roten Kopf und mich beschlich die irre Hoffnung er würde einen Anfall oder so was erleiden, was er natürlich nicht tat. Hastig trank er von dem warmen Wein und fuhr ruhiger fort. „Sie suchen sich sofort eine nette kleine Frau, dann ist alles in Ordnung, haben wir uns verstanden?“
„Oja, Herr Angerer, ich verstehe sehr gut.“ Damit drehte ich mich um und verließ diesen grauenhaften Ort.

Wenn so eine Gemeinschaft von Gläubigen ist, die sich dem angeblichen Gott der Liebe verschworen haben, dann will ich damit nichts zu tun haben, dachte ich und trank mein Bier. Der Balkon lockte mich, dort fand ich auch endlich meine Zigaretten. Dankbar zündete ich mir eine an. Ich trank, rauchte und gab mich meinem elenden Gefühl der Unzulänglichkeit hin. Nein, unzulänglich war ich nicht. Ich war nicht unzulänglich!
„Ich bin normal! Ich bin gut so wie ich bin! Lasst mich endlich in Ruhe“, schrie ich in die Nacht.

„Schwule können wir hier nicht brauchen“, hatte der Angerer mir noch nachgerufen, das fiel mir jetzt wieder ein.
„Ich bin ein MENSCH, was macht das für einen Unterschied“, hatte ich erwidert.
„Sie können sich am Montag Ihre Papiere abholen. Jetzt weiß ich Bescheid. Sie sind keiner von uns“, die Stimme vom Angerer war schneidend, kalt wie Eis und hart wie Stahl.
Ich erwiderte nichts mehr sondern lief einfach weg.

„Ich bin ein Mensch! Lasst mich Mensch sein“, heulte ich in mein Bier. Ich trank das restliche Bier in einem Zug aus, zündete mir eine weitere Zigarette an und überlegte mir, was jetzt zu tun sei.

„Warum bin ich nur hierher gekommen? Welcher Teufel hat mich da geritten? Ich hätte wissen müssen, dass es auf dem Dorf härter ist, als in der Stadt.“ Das sagte ich mir immer wieder. Aber es half nichts. In der Stadt hatte mich nichts mehr gehalten. Wieder ein Job verloren, weil ich nicht so war wie die Mehrheit … hetero. Was macht es für einen Unterschied?

Das Gesicht vom Angerer stand mir noch immer lebhaft vor Augen, der starre eiskalte Blick, das gerötete Gesicht, die vor Entrüstung geschwollene Brust. Er hätte einen guten Inquisitor abgegeben. Wenn ich gesagt hätte, ich sei Satan persönlich hätte er nicht entsetzter sein können.

Ich trank mein Bier aus, holte mir eine neue Flasche und versuchte zu einer Entscheidung zu kommen. Ein Outing war nach diesem Abend nicht mehr nötig. Die Tatsache meiner Homosexualität würde sich bis zum Morgen im ganzen Ort herumgesprochen haben. Ich war neugierig, was meine Vermieter dazu sagen würden. Aber ich hatte sowieso nicht vor, noch länger hier zu bleiben, hier, wo man mir plötzlich mit Verachtung begegnete, sogar mit Hass.

Ich saß die ganze Nacht auf dem Balkon, rauchte und trank und versuchte mich zu orientieren. Was sollte werden? Sollte ich es hier durchkämpfen oder lieber weggehen?

©Herta 7/2009
Liebe Herta, brennendes Thema einfühlsam beschrieben - inclusive der Kleingeistschelte von Otto-Normalbürger.
*prost*
Klasse Herta,
da muss Mann fast schon aus Solidarität schwul werden!

nurfastolaf
Liebe Herta,

wichtige Gedanken, toll geschrieben und wie Cleo schon meinte - sehr einfühlsam.
Über eines bin ich anfangs gestolpert.
Eigentlich sollte ich schlafen
Du hast für Deine Geschichte die Vergangenheitsform gewählt.
So gefühlsmäßig würde ich da sagen:
Eigentlich hätte ich schlafen sollen.

lieben Gruß und Danke für diese Geschichte.
Claudia
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Danke ihr Lieben, ich freue mich, dass euch meine kleine Geschichte gefällt. *freu2*

Caudia du hast recht ... vielleicht könnte das einer der Mods noch ändern *liebguck*


*prost*Herta
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Fortsetzung: Sprachlos
Gegen 6 Uhr morgens läutete es an der Wohnungstür. Mit einer düsteren Vorahnung öffnete ich. Die Überraschung hätte nicht größer sein können. Ich weiß nicht was oder wen ich erwartet hatte, aber nicht ihn.
„Was willst du, Franz“, fragte ich mehr als unfreundlich. Er ließ sich davon nicht abschrecken sondern konterte einfach: „Rein und reden.“ Er drängte sich an mir vorbei und war schon halb in der Wohnung verschwunden als er sich umdrehte und meinte: „Komm und mach die Tür zu, sonst halten sie dich noch für ein Exhibitionistenschwein und holen die Bullen.“
Ich gehorchte. Es war sinnlos gegen Franz zu reden. Franz wusste immer was er tat und er tat nie etwas ohne vorher hundertmal alle Konsequenzen zu überdenken. Ich kannte ihn jetzt seit vier Jahren, wir waren gute Freunde.

Franz wartete im Wohnzimmer auf mich. Ich holte noch mein Bier vom Balkon und setzte mich dann ihm gegenüber.
„So“, begann er als ich endlich saß. „Was sollte das gestern Abend? Hat es dir wenigstens Spaß gemacht? Oder bist du wirklich ….“ Hier machte er eine Pause, als könne er nicht aussprechen, was er dachte.
Ich konnte nicht antworten. Franz war hier mein allerbester Freund. In meinem Alter und mit meiner sexuellen Neigung ist es nicht gerade leicht Freunde zu finden, zumindest nicht unter dem eigenen Geschlecht. Alle denken immer, dass ich ihnen an die Wäsche will. Aber das stimmt nicht. Ich kann mich sehr wohl beherrschen und das seit mittlerweile fast vier Jahren. Das alles wollte ich ihm sagen, aber ich brachte kein Wort heraus.
„Du bist ein Idiot“, sagte er nach einer Weile. „Willst du jetzt abhauen und alles, was du hier aufgebaut hast in den Sand setzen? Einfach so? Fingerschnipp und weg?“
Ich sagte noch immer nichts. Ich konnte nicht. Ich konnte Franz nicht einmal ansehen. Verlegen, ja ich war sehr verlegen, drehte ich die Bierflasche in den Händen.
„Du bist wirklich ein Volltrottel“, versicherte er mir nochmals. „Zuerst verlierst du den Verstand und dann auch noch die Sprache. Mann, rede endlich mit mir!“

Ich konnte nicht, ich dachte, wenn ich den Mund aufmache, würde ich zu heulen anfangen wie ein kleines Mädchen.

„Hör zu, wenn du meinst, du musst unbedingt abhauen, dann mach das. Aber ich an deiner Stelle, was ich zum Glück nicht bin“, Franz konnte ziemlich gemein sein. „würde den alten Sack nicht so davon kommen lassen. Er hat nicht das Recht dir deswegen zu kündigen.“
Ich sah noch immer auf die Bierflasche.
„Hast du verstanden. Er hat nicht das Recht dazu. Weißt du, was ich meine?“
Ich nickte.
„Gut. Ich bin dein Rechtsanwalt in dieser Sache und dein Freund. Verstanden?“
Ich nickte, konnte es kaum glauben, dass sich Franz nicht von mir gewendet hatte. Er war da!
„Ich bin ein Idiot, Franz“, brachte ich nach einer mehr als langen Pause mühsam heraus. Was ich nicht sagte, war, dass ich ihn verdammt gern hatte. Nein, nicht gern, das wäre zu schwach gewesen.
Franz grinste breit. „Und jetzt? Frühstück, Alter?“

Ich ging in die Küche und wollte Kaffee kochen. „Verdammte Scheiße noch mal“, brüllte ich. „Was ist los“, hörte ich Franz vom Balkon her rufen. Er war zum Rauchen raus gegangen. „Filter sind alle“, rief ich zurück.
„Hast du keine gescheite Kaffeemaschine?“
„Nein, verdammt noch mal, ich hab ein Modell Marke Geschenk von Mama vom Jahre Schnee. --- Magst du Tee?“
„Pfui Teufel, ich bin ja nicht krank“, kam es vom Balkon zurück.
„Ich geh mal zu Margot und frag, ob sie Filter hat.“ Ich war schon halbwegs aus der Wohnung raus als mich Franz zurückrief: „Aber zieh dir was an.“
Erst da wurde mir bewusst, dass ich die ganze Zeit nackt vor meinem Freund gesessen hatte. Ich war sosehr daran gewöhnt, dass es mir nicht aufgefallen war. Jetzt war es mir peinlich.
Schnell zog ich mir eine Hose und ein Shirt an und marschierte zu Margot. Sie wohnte gleich nebenan. Ich wusste, dass sie immer früh aufstand, auch an ihren freien Tagen, deshalb hatte ich kein schlechtes Gewissen, als ich bei ihr läutete.

Nach einigen Minuten öffnete sie die Tür und blickte mich erstaunt an: „Flo, was ist los?“
„Guten Morgen, Margot. Hast du vielleicht ein oder zwei Filtertüten für mich?“
„Sicher, du kannst auch mit mir Kaffee trinken, wenn du magst.“
„Nein danke, Franz ist bei mir. Aber du kannst auch mit rüber kommen, dann weißt du gleich, was sich gestern abgespielt hat.“
Margot war nicht nur meine Nachbarin, sondern auch eine gute Freundin, und ausgesprochen hübsch. Wenn ich sie darauf ansprach, warum sie alleine lebte, antwortete sie nur, sie warte auf mich. Nun, jetzt würde sie mich wohl abhaken können und ihre Hoffnungen begraben.
„Eine Minute, lass die Tür offen, ich komm mit dem Kaffee und dem Filter nach.“
Margot war ein Schatz. Mal sehen, ob sie in fünf Minuten noch meine Freundin sein wollte.

In meiner Wohnung zurück, sagte ich Franz, dass Margot gleich mit einer Kanne Kaffee erscheinen würde. Margot kam nie, sie erschien, im wahrsten Sinne des Wortes. Sie kam mit einem Tablett voller Köstlichkeiten zu uns rüber, das sie auf dem Couchtisch abstellte. Dann strahlte sie uns an und meinte: „Ihr braucht mir den neuesten Klatsch gar nicht mehr erzählen, den hab ich nämlich heute morgen schon beim Zeitungholen gehört. Frau Edlinger hat mir alles brühwarm erzählt.“
„Was?“ brüllten Franz und ich gleichzeitig.
Margot nickte. „Auch, dass Franz bei dir ist, wusste ich bereits von der Edlinger. Jawohl, ja.“ Margot grinste selbstgefällig. „Franz, jetzt musst du stark sein, wenn dich die Edlinger vor der Tür des nackten Franz erwischt, was glaubst du, was die wohl denkt.“ Margot bog sich vor lachen. Mir war nicht danach. Sollte ich jetzt noch meinen besten Freund da mit runter ziehen. Aber Franz lachte nur.

„Was soll das? Was ist da so witzig? Ich mache mich hier zum Aussätzigen und ihr lacht mich aus“, langsam wurde ich wütend.
„Flo, du lieber du“, Margot wischte sich die Lachtränen aus den Augen. „Ich weiß doch schon längst, dass du schwul bist und Franz weiß es auch. Was macht das für einen Unterschied?“
„Dasselbe habe ich den Angerer gestern auch gefragt.“
„Für uns macht es keinen, Alter“, Franz legte seine Hand auf meine. Ich war verlegen und jetzt hätte ich am liebsten doch geheult, vor Rührung und ich verlor wieder eine Weile meine Sprache.
Margot schenkte uns allen Kaffee ein. Dann erzählte sie von ihrem Morgenspaziergang und wie sie die Edlinger getroffen hatte, die noch ganz im Bann der schockierenden Ereignisse des Vortages stand. Der Pfarrer würde es sicher in der Predigt erwähnen, welch gottloses Gesindel sich hier herumtrieb. Margot war ein Schatz. Sie ahmte die Stimme der Edlinger so gut nach, dass ich sie direkt vor mir sah. Die alte Schachtel, in ihrem Hauskittel und mit Kopftuch, aber gegen die bekopftuchten Musliminen wettern, die ihre neuen Nachbarn waren.

Wir tranken den Kaffee. Margot machte wirklich immer ausgezeichneten Kaffee. Dann gingen wir zu dritt auf den Balkon.

Meine Zigaretten waren alle, ich hatte alles aufgeraucht, deshalb nahm ich dankbar eine von Franz Zigaretten. Sie waren stärker als meine Marke, aber das machte nichts. Margot war ja bekennende Nichtraucherin.

„Was soll ich jetzt wegen dem Angerer machen?“
Margot grinste anzüglich. Sie hatte eine ihrer Ideen. Diese Frau steckte voller Ideen. Auch Franz grinste. Was wussten die beiden, das ich nicht wusste?
„Der Angerer, der alte geile Bock, soll erst mal den Mist vor seiner eigenen Tür wegkehren.“ Jetzt war ich auch nicht klüger. Aber ich wartete. Margot war so, sie warf einen Brocken hin und wartete auf die Reaktion, erst dann fuhr sie fort, wenn überhaupt.
Ihr Grinsen wurde breiter und sie sah Franz verschwörerisch an: „Du kennst ja die Maier.“ Natürlich kannte ich sie, sie war ja die Sekretärin vom Angerer, deshalb nickte ich nur. „Weißt du, warum sie Sekretärin beim Angerer ist?“
Langsam dämmerte mir etwas.
„Dieser elende …“
„Genau“, sagte Franz und legte wieder seine Hand auf meine. Ich stand stocksteif da. Irgendwie fühlte ich mich gerade nicht mehr wohl. Seine Hand brannte auf meiner. Ich fühlte, wie ich nach zu geben drohte, wie mich meine Gefühle durchwühlten. ‚Behalt einen kühlen Kopf Flo’, redete ich mir zu und konzentrierte mich wieder auf Margot.
„Dann hält er sich ein Liebchen und zuhause seine kleine brave Frau, wie er zu mir sagte. Damit krieg ich ihn und auch mit dem Diskriminierungsgesetz.“
Ohne zu überlegen nahm ich Franz in den Arm und küsste ihn auf den Mund. Als hätte ich mich verbrannt ließ ich ihn los und stürmte hinein, ins Bad, unter die Dusche mitsamt der Kleidung. Das wollte ich nicht. Das wollte ich wirklich nicht. Nein.

Nach einer Weile hörte ich die Tür zuschlagen und dachte, jetzt wären beide gegangen. Ich stellte die Dusche aus und begann mir die nassen Kleider auszuziehen, als ich eine Stimme hinter der Tür hörte. Oh Gott, es war Franz. Er war noch hier. Ich wand mich innerlich. Die ganze Sache war mir so peinlich.
„Flo, komm jetzt raus und sprich mit mir.“
Ich zog es vor zu schweigen.
„Florian Müller, komm jetzt da raus und benimm dich nicht wie eine alberne Zicke!“
Ich hörte es an seiner Stimme, Franz wurde allmählich wütend. Mein Kopf fühlte sich leer an und mir war schlecht von der nächtlichen Sauferei, außerdem spürte ich nun endlich Müdigkeit aufkommen. Eine bleierne gleichgültige Müdigkeit. Also ging ich aus dem Bad. „Ich bin keine Zicke, verdammt“, brüllte ich ihn an, als ich aus der Tür trat.
„Nein, aber nass. Zieh dir den nasse Unterhose aus, trockne dich ab und dann müssen wir mal wie zwei erwachsene Männer miteinander reden.“
Verdammt. Nun stand ich schon wieder halbnackt vor Franz. Schnell trocknete ich mich ab und warf mir einen Bademantel über. Er war auch ein Geschenk meiner Mutter.
Franz wartete im Wohnzimmer auf mich. Er hatte mir noch einen Kaffee eingeschenkt. Ich trank ihn dankbar, aber die Mattheit ließ sich nicht mehr vertreiben. Wenn ich Franz jetzt als Freund verlor, dann hielt mich hier wirklich nichts mehr.
„Flo, ich weiß ja nicht, was du von mir denkst und ob du mich so magst, wie ich dich.“ Franz schien sich irgendwie mit seiner Rede schwer zu tun. Aber ich war zu ausgelaugt, um zu reden. Ich lag nur da und wollte zuhören und schlafen.
„Flo, verdammt, hörst du mir zu!“
„mhm“
„Verdammter Mistkerl. Ich sag dir gerade auf, was weiß ich wie viele Arten, dass ich mich in die verliebt habe und du pennst einfach weg! Jetzt wach auf!“
Ich wurde wach und wie! Das erste was ich sagte war: „Wo zum Teufel ist Margot!“
„Heimgegangen. Mehr hast du nicht zu sagen?“
„…“
„Hör zu, ich steh auf und gehe, wenn das alles ist, was du dazu zu sagen hast.“
Franz erhob sich schon halb als ich wirklich wach wurde.
„Was hast du gesagt?“
„Dass ich gehe …“
„Nein, nein, vorher.“
„Dass du ein verdammter Idiot bist.“
Franz begann wieder zu grinsen.
„Nein, nicht das mit dem Idioten. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich dich mag, Franz.“
„Alter, das ist die Untertreibung des Jahrhunderts.“

Wir saßen noch lange auf der Couch, aber zu sagen hatten wir uns nichts mehr. Es war alles gesagt. Ich fühlte mich plötzlich nicht mehr einsam.

Nach einer halben Ewigkeit, verabschiedete sich Franz mit der Bemerkung: „Flo, ich geh jetzt und du schläfst deinen Rausch aus. Morgen musst du fit sein, wenn du dem Angerer gegenüber trittst. Ich bin dein Rechtsbeistand.“
„Ich zähl auf dich Dr. Blum.“

Endlich konnte ich schlafen.


©Herta 7/2009
Saugut!
Herta, fühl dich geknutscht!

*bravo*laf
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Danke ... ich fühle mich geknutscht und geehrt *knuddel2*
Meine Liebe, dass du da eine Liebesgeschichte draus machst... und auch noch mit Happy End... wie romantisch! *spitze*

eine formale Sache:
„Franz, jetzt musst du stark sein, wenn dich die Edlinger vor der Tür des nackten Franz erwischt, was glaubst du, was die wohl denkt.“
da müsste es doch wohl einmal Flo heißen, oder?

eine inhaltliche:
die Erschöpfung am Ende/ das Einpennen kommt ein wenig unvermittelt - wo er doch vorher so aktiv war und Kaffee und so weiter... und nach der Dusche und der Erregung durch Franz...

aber sonst eine feine Geschichte!
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Mit dem Zitat liegst du richtig, es müsste Flo heißen, da hab ich wohl dauernd drübergelesen *g*

Aber hör mal, der war doch schon so erschöpft, mehr als 24 Stunden auf, dann kommt endlich der Schlaf ... ich kenn das nur von mir, da ist dann jede Erregung weg *zwinker*

Die Geschichte ist noch nicht ganz zu Ende ... *smile*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Fortsetzung: Schwerelos
Schwerelos

Dieser verdammte Montag war endlich vorbei, naja nicht der ganze, aber der Arbeitstag. Ich weiß nicht, wie ich den rumgekriegt hab. Nur so viel, den Angerer hab ich beim sprichwörtlichen Kragen gepackt. Der soll mir noch mal kommen.

Ich saß auf meinem Balkon und dachte an den Morgen. Er war wirklich scheußlich, der Morgen. Ich fühlte mich wie gerädert und hatte wohl eine Zeitlang im Schlaf geheult, so verquollen wie ich aussah. Eine Kanne Kaffee und ein guter halber Liter Mineralwasser brachten meinen Flüssigkeitshaushalt wieder auf normal. Dann betrachtete ich das Vernichtungswerk von Samstagnacht. Ich erschrak, als ich die fast leere Bierkiste sah. Die war am besagten Abend noch voll gewesen. Das erklärte viel, oder zumindest so einiges.

So verkatert war ich schon lange nicht mehr gewesen und so lange hatte ich auch seit einer Ewigkeit nicht mehr geschlafen. Ich war immer noch verwundert, warum Franz gegangen war. Es wäre doch ein leichtes für ihn gewesen, mich noch rumzukriegen. Ich grinste. So nötig hatte ich es dann doch wieder nicht. Oder doch? Ich war mir nicht sicher. Vier Jahre Enthaltsamkeit hinterlassen schon ihre Spuren.

Ich griff nach dem Handy und wählte seine Nummer. Er meldete sich auch prompt: „Wie war’s“, fragte er sofort. „Warte, ich bin in einer Stunde bei dir, dann erzählst du mir alles. Soll ich was mitbringen? Bier? Wein?“
„Nein, Franz. Lieber noch eine Packung Aspirin. Ich hab am Samstag fast die ganze Bierkiste geleert. Lieber nichts, zumindest für mich.“
„Gut, dann bis später.“


Während ich auf Franz wartete, ließ ich mir das Gespräch mit meinem Chef nochmals durch den Kopf gehen. Es war einfach fürchterlich, entsetzlich peinlich für mich und für ihn. Aber ich habe es durch gestanden. Ich behielt meinen Job und meine Position.

Als ich in der Früh ins Büro kam, ließ er mich sofort holen. Kaum dass ich sein Büro betreten hatte ging es schon los. „Sie, Sie trauen sich noch hierher? Ihre Papiere habe ich fertig. Hier und dann verschwinden Sie!“ Er hielt mir die Schriftstücke vor die Nase, aber ich irgnorierte sie.
Ich wusste, dass Frau Maier an der Tür lauschte und über alles Bescheid wusste. Aber das war mir in dem Moment egal. Ich ging auf seinen Ton ein und baute mich bedrohlich vor dem Schreibtisch auf. Oja, ich kann sehr bedrohlich wirken, noch dazu in Anzug und Krawatte. Die Erinnerung daran ließ mich lächeln.
„Ich werde das so nicht hinnehmen. Wegen meiner privaten Vorlieben können Sie mich nicht feuern und schon gar nicht fristlos. Das wissen Sie ganz genau!“
„Und ob ich das kann! Ich bin im Vorstand und da kann ich so was machen. Sie gehen jetzt auf der Stelle oder …?
„Oder was“, unterbrach ich ihn. „Wollen Sie mich verhaften lassen? Oder was sonst? Ich habe niemanden etwas getan und eines sage ich Ihnen noch. Sollten Sie es darauf ankommen lassen und auf der Kündigung bestehen, gibt es Mittel und Wege, diese anzufechten! Und glauben Sie mir, eine Klage würde ich gewinnen! Das Anti-Diskriminierungsgesetz von 2006 schützt mich dahingehend. Also, wollen Sie es versuchen? Oder soll ich jetzt in ihrer schmutzigen Wäsche wühlen? Ich betrüge niemanden!“ Mehr brauchte ich nicht zu sagen. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht und er plumpste wieder in seinen Sessel. Von draußen hörte ich die Maier gegen die Tür klopfen.
„Beate, komm rein“, sagte Herr Angerer nach einer Weile. Die Tür ging auf und Frau Maier trat unsicher ein. „Herr Müller wird uns doch nicht verlassen. Vernichten Sie bitte diese Papiere.“
Wie Kleinlaut er plötzlich geworden war. Ich hätte mich erleichtert fühlen sollen, aber irgendwie war mir nicht nach Jubel zumute.
„Ich hoffe, dass ist damit geklärt“, sagte ich und dreht den beiden den Rücken zu. „Ich gehe dann wieder an die Arbeit.“
„Ob Sie mein Nachfolger werden oder nicht, steht noch nicht fest.“
„Das wird sich auch noch klären. Ich denke nicht, dass Sie so schnell Ersatz finden werden, noch dazu, wo Sie in einem Jahr ohnehin in Rente gehen.“
Das saß. Ich war zwar nicht unersetzbar, das ist niemand, aber Ersatz finden, der sich in den verworrenen Bilanzen dieser Bank auskannte, war nicht so einfach und meine buchhalterischen Kenntnisse waren hervorragend.

Noch immer vor mich hinlächelnd ging ich in die Küche und wärmte den restlichen Kaffee vom Morgen. Ich war noch nicht einkaufen, es war auch nicht nötig. Alles was ich brauchte war hier, Kaffee, Zigaretten und für den Notfall eine Pizza.

Mit dem Kaffee ging ich wieder auf den Balkon. Ich werde noch zum Kettenraucher dachte ich, als ich mir wieder eine anzündete. Dann sah ich Franz aus seinem Wagen steigen. Ich winkte ihm zu.

Als er dann endlich in meiner Wohnung stand, wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Ich fühlte mich, fühlte mich irgendwie komisch. Wobei das auch nicht der richtige Ausdruck dafür ist. Peinlich berührt würde es wohl auch irgendwie treffen. Ihm schien es ähnlich zu gehen. Wir sahen uns nur kurz an und gingen dann wieder auf dem Balkon.

„Erzähl mal Flo“, bat er mich kurz und ich tat es. Erzählte von meinem Gespräch und dass ich den Job behalten würde. Eine Stunde nach dem vorher erwähnten Gespräch kam der Angerer dann in mein Büro und meinte zornig: „Ob ich Sie feuere oder nicht, ist noch nicht restlos entschieden.“
Ich sah ihn ungläubig an, doch dann siegte mein neu gewonnener Mut: „Das glaub ich doch, Herr Angerer. Ich habe meinen Anwalt Dr. Blum konsultiert und er ist der Ansicht, dass Sie keinen Prozess gewinnen können, Sie würden haushoch verlieren und hätten dann noch eine Schadenersatzklage am Hals. Sie kennen doch Herrn Dr. Blum, nicht wahr?“ Natürlich kannte er Franz. Franz war eine Kapazität auf seinem Gebiet. Seit er vor 10 Jahren die Kanzlei seines Onkels übernommen hatte, hatte er keinen Fall mehr verloren, sagte er zumindest. Er war spezialisiert auf Arbeits- und Sozialrecht und arbeitete eng mit den Behörden zusammen. Franz war ihm ein Begriff. Das merkte ich, als er stumm mein Büro verließ. Jetzt wusste ich, dass ich gewonnen hatte.

„Siehst du Flo, so einfach kann es manchmal sein“, meinte Franz schelmisch.
„Ach was, einfach. Im Dorf war ich noch gar nicht und im Schalterraum habe ich mich auch nicht blicken lassen. Ich bin ein Feigling.“
„Irgendwann wirst du dich der Realität stellen müssen, mein Lieber. Und besser früher als später. Die Leute mögen dich und glaub mir, den meisten ist es egal, was du bist oder mit wem du deine Nächte verbringst.“
„Wenn du meinst.“
„Das meine ich und jetzt lass uns reingehen.“

Ich dachte, Franz würde schon Recht haben und zusammen setzten wir uns auf die Couch. Franz rückte ziemlich nahe an mich ran. Für mich war das ein schönes und zugleich ungewohntes Gefühl, wieder jemanden in der Nähe zu haben. Jemanden, den ich angreifen konnte, der fassbar war. Keine Fantasie. Realität. Das sagte ich ihm auch.
„Ja Flo, vier Jahre ohne Liebe ist eine verdammt lange Zeit.“ Dann küsste er mich.

Ich weiß nicht mehr genau, aber irgendwann sind wir im Bett gelandet. Franz war ein ausgesprochen sensibler feinfühliger Liebhaber, das hätte ich ihm nicht zugetraut. Er sah so kräftig und kantig aus und wirkte wegen seiner Bemerkungen oft sogar grob, aber das eine hat ja wohl mit dem anderen wenig zu tun.
Aber dann bekam ich doch wieder Angst, Angst zu versagen, nicht gut genug zu sein. Schon zu lange hatte ich auf Sex verzichtet, um auf dem Gebiet noch Selbstvertrauen zu haben. Ich wurde unsicher. Franz merkte das sofort.
„Vertrau mir Flo. Ich werde dir nicht wehtun, genieß einfach den Augenblick. Lass dich fallen, dann ergibt sich alles von alleine“, flüsterte er mir ins Ohr, während er daran knabberte. Er war sehr --- zärtlich, ja zärtlich ist das richtige Wort dafür. Dann gab es keinen Grund mehr für meine Angst und wir liebten uns den ganzen Abend und die halbe Nacht. Ich hatte das Gefühl davon zu schweben, schwerelos zu sein. So hatte ich es noch nie erlebt. Eher immer kurz und bündig … rein raus, blasen, fertig oder umgekehrt. Aber Franz zeigte mir Wege der Lust, die ich bis dato nicht kannte. Nicht kennen konnte. Mein letzter Freund war ja einer der hastigen, nur auf ihre eigene Lustbefriedigung bedachten Menschen. Franz nahm Rücksicht und wir genossen es zu zweit. Es tat mir gut, ich fühlte mich wieder als Mensch, als liebens- und begehrenswert.

Erst nach Mitternacht verließ Franz meine Wohnung. Ich hoffte, dass jetzt das Glück mal eine Weile anhielt. Von Dauer konnte es nicht sein, soviel war klar. Glück ist nie von Dauer, aber eine Weile würde es anhalten und ich würde es genießen.

© Herta 7/2009


Jetzt is aber aus, Maus *zwinker*

Ich hoffe, dass ich diesmal nicht wieder so einiges überlesen habe ... ach, kann mir mal jemand eine Brille schenken, die das Überlesen von Fehlern verhindert .... Büüüüüüttttteeee, Danke. *g*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Kraftlos
Kraftlos


Ich wurde im Krankenhaus wach. Zuerst wusste ich nicht, wo ich mich befand und was überhaupt geschehen war. Ich wollte etwas sagen, konnte es aber nicht, weil ich einen Schlauch im Mund hatte. Ein Beatmungsgerät schoss es mir in den Kopf. Verdammt, was ist passiert? Das letzte an das ich mich erinnerte, war die Party bei Margot und ihrem Lebensgefährten. Wir hatten das neue Haus eingeweiht sozusagen. Daran erinnerte ich mich und dann wollte ich nachhause gehen. Es war ja nicht weit, etwas weniger als einen Kilometer. Ein schöner Fußmarsch in einer lauen Sommernacht. Franz und ich machten uns auf den Weg.

Dann – Peng – aus, nichts mehr. Filmriss.

Ich schlief wieder ein oder fiel zurück ins Koma, der Unterschied machte da nicht viel aus. Als ich das nächste Mal erwachte, war der Schlauch aus meiner Luftröhre entfernt worden und ich sah Margot und meine Mutter an meinem Bett stehen. Wo war Franz?
„Was …“, krächzte ich.
„Nicht reden“, sagte Mutter. „Mein Lieber, nicht reden und nicht denken. Bitte.“ Ihre Augen standen voller Tränen. Was sollte das alles? Was hatte das zu bedeuten? Hatte es einen Unfall gegeben? Was war mit Franz? Wir waren zusammen auf der Party gewesen.
„Ich werde dir später alles erklären“, versuchte mich Margot zu beruhigen.
Aber ich konnte mich nicht beruhigen. Dieses Drumherumgerede war beunruhigend, ja beängstigend. „Wie lange“, versuchte ich es noch mal. Ich konnte nicht weiter sprechen, weil mir der Kehlkopf wehtat. „Zehn Tage“, antwortete Margot.
„Oh Gott“, stöhnte ich. Zehn Tage war ich weg gewesen. Halbtot!
„Du wirst wieder gesund, mein Junge“, Mutter strich mir liebevoll übers Haar. Das hatte sie nicht mehr gemacht, seit sie von meiner – Veranlagung wusste. Woher der Sinneswandel?
„Franz“, versuchte ich es noch mal.
Mutter schüttelte bedauernd den Kopf und Margot blickte traurig zu Boden. Ich wusste Bescheid. Ich wusste es, Franz war tot. Niemals wieder würde ich diesen wunderbaren Menschen sehen, ihn berühren, ihn küssen können. Niemals wieder mit ihm Scherzen, Lachen oder Todtraurigsein. Mir kamen die Tränen und es war mir gleich. Ich hatte ihn so geliebt!

Ich ließ mich einen Moment in meiner Trauer treiben. Dann kam die nächste Frage „Wie?“
„Wir wissen es nicht genau“, sagte Margot. Sie wollte noch mehr sagen, doch da kam eine Schwester und scheuchte meine Mutter und Margot hinaus. „Besuchszeit ist zu Ende. Sie können morgen wieder kommen.“
„Bitte“, flehte ich die Schwester an, sie sollte sie hier lassen. Ich hatte Fragen. Ich wollte wissen was passiert war. Ich musste es wissen, auch wenn es mich umbrachte.

Die Schwester schüttelte entschieden den Kopf und gab mir eine Spritze in die Infusionsflasche. „Haben Sie Durst Herr Müller.“ Ihr Ton war sachlich und uninteressiert. Ich nickte. Sie brachte mir einen Schnabelbecher und hielt ihn an meinen Mund. Es war Saft. Den mochte ich nicht sehr, picksüß, das Zeug. Aber es löschte den Durst.
„Ich mache jetzt Ihr Bett, Herr Müller. Es könnte etwas wehtun, wenn ich Sie drehe, wenn Sie wollen hole ich mir Hilfe.“ Noch immer gleichgültig.
„Holen Sie Hilfe“, krächzte ich. Ich wollte nicht mit der Alleinsein.
Sie ging und kam mit einem Pfleger zurück. Zusammen machten Sie mein Bett und drehten mich auf die andere Seite. Ich hatte wahnsinnige Schmerzen, wo genau hätte ich nicht sagen können. Der ganze Körper brannte und pochte wie eine einzige Wunde.
Nach dieser Tortur schlief ich gnädigerweise wieder ein.

Eine weitere Woche später kam ich auf eine Normalstation. Dort gab es keine fixen Besuchszeiten mehr und ich konnte Margot endlich fragen, was denn passiert sei und warum die Polizei mehrmals nach mir gefragt hatte. Sie würden bald zu einem Verhör kommen. Ich hatte schon Panik, jemanden, nämlich Franz, ermordet zu haben.

Margot versicherte mir, dass ich niemandem etwas getan hatte. „Was ist passiert Margot? Was weißt du? Ich kann mit dieser Ungewissheit nicht mehr leben“, versuchte ich sie zum Reden zu bringen, während sie mich im Rollstuhl durch die Krankenhausgänge fuhr. Sie hielt an und kam zu mir nach vor. „Flo, jemand hat euch beide über den Haufen gefahren. Du hast Glück, dass du noch lebst. Franz wurde noch von einem weiteren Auto überfahren und mit geschliffen, für ihn kam jede Hilfe zu spät.“ Sie hatte Tränen in den Augen. Armes Mädel, dachte ich. Auch sie hatte ihn gemocht. „Herbert und ich haben euch ja noch nachgesehen, als das Unglück geschah. Zwei Autos fuhren mit voller Absicht auf euch zu. Franz hat dich noch zur Seite gestoßen, aber der Wagen hat dich trotzdem erwischt und ins Feld geschleudert. Du bist mit dem Kopf an einen großen Stein geprallt und liegen geblieben.“ Sie stockte und schluckte heftig. „Herbert hat sofort die Rettung und die Polizei angerufen. Aber die Täter haben sie nicht gefunden. Noch nicht.“

Mir wurde schwindlig. Konnte das mit meiner Beförderung zum Bankdirektor zu tun haben? Oder weil Franz und ich schwul waren? Oder beides? Oder war es einfach ein verdammter Unfall und hatte nichts damit zu tun?

Margot brachte mich wieder ins Zimmer zurück und ich wartete auf die Menschen von der Kripo.

Auch die konnten mir nicht mehr sagen und ich ihnen gar nichts. Sie blieben etwa eine halbe Stunde lang, notierten alles, was ich sagte und gingen dann wieder.

Einen Monat später wurde ich als geheilt entlassen. Alle sichtbaren Wunden waren verheilt. Die nicht sichtbaren würden weiterbluten.

Ich kehrte in meine Wohnung zurück und fühlte mich einsam. Einsamer noch als vor sechs Jahren, als ich hierher zog. In dieses nette kleine Dorf.

Es hatte sich eine Menge Post angesammelt. Hauptsächlich Kondolenzbriefe und Gratulationsschreiben zu meiner Beförderung. Darauf konnte ich jetzt verzichten. Was hätte Franz getan? Nicht einmal bei seiner Beerdigung war ich. Wie denn, wo ich doch halbtot im Krankenhaus lag? Ich versank in Selbstmitleid. Heulte nächtelang und besoff mich regelmäßig. Ich ließ mich gehen, war nicht mehr der Mann, der ich noch vor gut acht Wochen war. Dieser Unfall hatte mein Leben verändert und Franz getötet.

Aber ich musste wieder zur Arbeit. Von irgendwas müssen das Bier und der Schnaps ja bezahlt werden und die Miete. Also nahm ich mir vor, kein Alkohol mehr unter der Woche. Franz und ich hatten das ebenso gehalten. Kein Alk an Wochentagen. Das schrieb ich auf mehrere Zettel und hängte sie an die Kühlschranktür, an den Spiegel im Bad und auf den Balkon.

Es klappte. Zuerst kam es mich hart an, frühmorgens aufzustehen und wieder zur Bank zu gehen. Das Büro vom Angerer hatte ich schon vor Monaten übernommen. Ich denke, ich war ein guter Chef, zumindest vor dem Unfall. Ich wollte noch immer an nichts anderes glauben.

Bis eines Tages, Frau Klamm mit einem persönlich an mich adressierten Paket hereinkam. „Herr Müller, das ist eben für Sie abgegeben worden.“ Ihre Stimme klang irgendwie leise. „Danke Frau Klamm“, erwiderte ich und blickte ihr ins Gesicht. „Ist sonst noch was?“
„Nein, Herr Müller. Ich wollte nur sagen, dass wir alle froh sind, dass es Ihnen wieder besser geht. Das Team hat sich Sorgen um Sie gemacht.“
Ich war gerührt. „Danke Frau Klamm“, ich lächelte sie dankbar an, dann riss ich das Paket auf und schmiss es angewidert zu Boden.
„Herr Müller“, frage sie besorgt.
„Es ist nichts, Frau Klamm“, versuchte ich sie zu beschwichtigen und scheuchte sie aus dem Büro.
Ich bekam nun fast täglich solche Pakete zugestellt. Entweder zu mir nachhause oder ins Büro. Schrecklich. Einmal war eine tote Ratte drinnen mit der Notiz ich solle mich dahin scheren, wo sie mich haben wollen.

Ich magerte noch mehr ab. Das alles ging mir näher als ich dachte. Ich hatte der Polizei diese makabren Lieferungen gemeldet und brachte die Pakete jedesmal sofort zur Polizeiwache. Aber es half nichts. Sie konnten nur wenige brauchbare Spuren finden und sie würden sich melden, wenn sich was ergäbe. Der übliche Blabla eben.

Ich ließ die Polizei ihr Werk machen und begann mich mehr und mehr von der Gesellschaft abzusondern. Mein Lebensreich beschränkte sich bald nur mehr auf das Büro und auf meine Wohnung. Ich ließ auch niemanden mehr zu mir heran. Nach Monaten der Quälerei ging ich nicht mal mehr ins Büro. Zuerst nahm ich mir Urlaub, als der aufgebraucht war ging ich in Krankenstand. Ich verwilderte zusehends, wurde mager, dick war ich sowieso nie, aber jetzt war ich richtiggehend abgemagert. Auf eine Rasur verzichtete ich schon lange, und was ist schon eine Intimrasur? Brauchte ich das? Nein fand ich und übergab mich ganz meinem Gemisch aus Trauer, Wut, Angst und Einsamkeit. Lebensmittel ließ ich mir von Frau Müllner in die Wohnung bringen, die bald meine einzige Schnittstelle zur Außenwelt war.

Ich sperrte alles und jedes aus meinem Leben. Margot und Herbert ebenso wie meine Mutter. Nicht mal die Polizei ließ ich rein. So verbohrt war ich in meinem Schmerz und meiner Angst.

Post bekam ich mehr als genug. Schmähbriefe und meine Kündigung waren darunter. Einmal hat sogar jemand meine Tür mit irgendeinem ekligen stinkenden Zeug beschmiert. Was sollte das? Das hatten wir doch schon und ich dachte, die Gemeinde hätte mich endlich so angenommen wie ich war.


„Herr Müller! Florian“, rief eines Tages Frau Müllner durch die Tür. Es war ein gutes Jahr nach Franz Tod. „Machen Sie doch auf. Sperren Sie sich wegen der paar Idioten doch nicht weg. Nehmen Sie wieder am Leben teil.“ Ich kniete vor der verschlossenen Tür und weinte wie ein Kind. Ich tat das oft in letzter Zeit, heulen wie ein verdammtes Mädchen.
„Ich habe heute extra für Sie was Leckeres gebacken. Machen Sie auf, Florian. Ich bleibe hier stehen, bis sie mir aufmachen.“
Zögernd stand ich auf. Ich stank nach Bier und Zigaretten, nach Schweiß und nach Schuld und Scham. Meine Wohnung war der reinste Müllhaufen und wahrscheinlich roch es genauso. Ich konnte es nicht sagen, ich hauste darin. Frau Müllner schien das nicht zu stören. Mit einem Elan, den ich der alten Frau nicht zugetraut hätte, betrat sie die Wohnung und schnüffelte. „Du meine Güte, mein Lieber, da müssen wir aber mal ordentlich lüften!“

Dann machte sie sich ans Werk und brachte die Wohnung wieder in Ordnung. Von jetzt an kam sie täglich bei mir vorbei, um nach dem rechten zu sehen.

„Wie habe ich Sie nur verdient, Frau Müllner. Ich kann Ihnen nicht mal einen Cent für Ihre Freundlichkeit und Mühe bezahlen“, sagte ich eines Tages als es mir etwas besser ging und ich nicht mehr täglich meinen Schnaps brauchte.
„Ganz einfach, mein Lieber. Gehen Sie wieder unter die Menschen, igeln sie sich nicht hier ein. Seien Sie wieder einer von uns. Ausserdem haben Sie mir damals bei meiner Buchhaltung und der Steuererklärung so geholfen. Ich bekam ja eine saftige Rückzahlung wegen der zu hoch berechneten Steuer. Ich glaube, hier im Ort ist keiner, der Ihnen nicht irgendwie etwas schuldet. Aber vorher Florian, gehen Sie mal duschen und schneiden sich diesen furchtbaren Bart ab! Und noch was, nennen Sie mich Resi.“ Dabei zwinkerte sie mir zu und schob mich Richtung Bad. „Da hinein und weg mit dem ganzen Dreck.“

Ich fügte mich der Gewalt der Älteren und schlurfte ins Bad, mehr brachte ich in meinem derzeitigen Zustand nicht zu Wege. Da stand ich nun und erschrak über mein Spiegelbild. Da wo mich mal schöne grüne strahlende Augen angeschaut hatten schauten jetzt zwei grüne Etwas stumpf und leer aus einem knochigen Gesicht. Der Bart stand mir überhaupt nicht. Ich nahm eine Schere und fing an daran herum zu schnipseln. Aber die Schere war mir zu schwer und ich musste aufgeben.

Im Flur hörte ich Resi telefonieren. Es drangen nur einzelne Wortfetzen an mein Ohr. Ich hörte „dünn wie ein abgemagerter Frosch“, „hässlich wie ein alter Rübezahl“, „am besten gleich“, „bis dann“. Dann herrschte wieder Ruhe.

Ich versuchte mich zu duschen, stieg hinein und ließ das Wasser laufen. Eigentlich ein gutes Gefühl, aber auch hier fehlte mir die Kraft, mich ordentlich zu waschen. Was hatte ich nur aus mir gemacht? Ich war ein elender Säufer, der sich in Selbstmitleid erging. Ich musste mich auf den Boden setzen, so müde war ich in den Beinen. Das Wasser ließ ich einfach so über meinen Körper laufen und fand, dass noch nie etwas so gut getan hatte. Ich war Resi dankbar, für alles was sie für mich getan hatte. Und da heulte ich schon wieder.

Ich bemerkte sie erst als sie sagte: „Etwas Seife wäre nicht schlecht und dann eine Rasur?“
„Margot“, war alles was ich herausbrachte. Sie bückte sich zu mir herab und begann mich mit Seife und Schwamm zu bearbeiten. Dabei wurde auch sie völlig nass. „Mach dir darüber keine Sorgen“, meinte sie, als ich sie besorgt anblickte. „Jetzt bist du an der Reihe. Wir haben dich zu lange vernachlässigt und deinem Schicksal überlassen.“
Ich ließ die Seifenkur über mich ergehen, auch das Trockenreiben. Danach massierte sie noch eine Lotion in meine Haut ein und ich fühlte mich langsam wieder wie ein Mensch. „Was wolltest du dir eigentlich damit beweisen?“
„Nichts, gar nichts. Ich habe nur die Lust am Leben verloren.“
„Eine Depression hast du, das ist alles. Dagegen kann man doch was tun.“
„Ach ja“, ich wollte nicht mit ihr streiten, dazu fehlte mir eindeutig die Energie. Aber Margot hatte schon immer so eine Art, mich zu reizen. „Und was tut Frau Doktor dagegen?“
„Zuerst musst du wieder auf dich achten. Iss ordentlich und wasch dich … täglich.“
„Du bist nicht meine Mutter“, erwiderte ich scharf.
„Nein, aber du brauchst jemanden der sich um dich kümmert. Du hast jetzt Zeit genug gehabt, dich gehen zu lassen. Jetzt ist Schluss damit. Hörst du! Schluss!“
Ich konnte nicht mehr, wieder kamen mir die Tränen. „Heulsuse“, meinte Margot, aber sie sagte es diesmal liebevoller. Nachdem ich einen uralten Pyjama anhatte, ich weiß nicht, wo Margot den her hatte, bugsierte sie mich ins Schlafzimmer. Resi hatte dort ein Wunder voll bracht. Es war sauber und das Bett sah wieder nach einem Bett aus und nicht mehr nach der Städtischen Müllhalde.

Ich wurde ins Bett gesteckt und wunderbarerweise schlief ich sofort ein.

Stunden später erwachte ich und fand Margot noch in der Wohnung. „Schön, dass du noch hier bist.“
„Ich weiß.“
„Wie ist es dir das letzte Jahr ergangen? Ich war zu letzt nicht gerade freundlich zu dir.“
„Das ist Schnee von gestern, alter Freund.“
„Wirklich? Es freut mich. Es tut mir wirklich Leid, dass ich dich und Herbert weggestoßen habe.“
„Ja, ich weiß. Reden wir nicht mehr davon, okay? Ich mach dir eine Kleinigkeit zu essen. Resi hat was Gutes dagelassen.“ Margot ging in die Küche und kam mit einem Tablett zurück. Darauf befand sich eine kleine Schüssel mit Hühnersuppe, wie ich am Geschmack erkannte. „Das Beste für einen Rekonvaleszenten, wie Resi meint. Fang ja nicht wieder an zu heulen, ich sag’s dir, es reicht jetzt.“
„Schon gut. Ich beherrsch mich.“ Ich trank die Suppe gleich aus der Schüssel.

So ging es dann Tag für Tag weiter. Jeden Tag ging es mir besser. Resi und Margot sorgten für mich. „Was sagt denn Herbert dazu, dass du immer hier herumhängst? Musst du nicht zur Arbeit?“
„Herbert ist auf Geschäftsreise in Indonesien, der kommt erst in einer Woche zurück und ich bin in Karenz.“
„Wann? Wo? Wie?“
„Über das Wie gebe ich dir sicher keine Auskunft“, meinte sie grinsend. „Aber das Wann kann ich dir gerne sage, vor vier Monaten kam meine kleine Bianca zur Welt.“
Was für ein schöner Name dachte ich, dann sagte ich es auch. „Darf ich sie mal sehen?“ Ich war neugierig auf das kleine Menschlein. So ein neuer kleiner Erdenbewohner ist schon was Kostbares. Ich mochte Kinder immer schon, nur würde ich keine haben. Nie. Das war der Nachteil, bei meiner Veranlagung. So ist das Leben eben.

Bald war ich kräftig genug, um mit Margot und Bianca spazieren zu gehen. Ich schob den Wagen, aber nicht weil ich etwa so galant war, sondern weil ich mich da festhalten konnte und nicht immer das Gefühl hatte, ich würde gleich fallen.

Die drei Frauen, die Alte, die Junge und das Baby brachten mich langsam aber sicher wieder ins Leben zurück. Aber Anschluss wollte ich einfach keinen mehr finden. Ich dachte immer noch, dass das Leben für mich nichts mehr bereithielt. Franz war von mir gegangen, er war nicht mehr. Die Autolenker hatte man noch immer nicht gefasst und ich dachte, das würde man wohl auch nie. Was machte es für einen Unterschied?

Als ich kräftiger wurde besuchte ich endlich das Grab meines Freundes. Ich schenkte ihm zum allerletzten Mal etwas, es war ein Engel. Er würde darüber gelacht, aber sich doch gefreut haben. Ich vermisste ihn noch immer schrecklich. Mit ihm war ein Teil von mir gestorben.

Endlich rief ich auch meine Mutter an und entschuldigte mich für die lange Abwesenheit. Sie tat es einfach ab, so wie sie alles abtat, was ich machte. Nun, ich hatte bei ihr meine Schuldigkeit getan.

Mein Blick richtete sich wieder nach vorne. An den Vormittagen half ich Resi mit der Buchhaltung oder dem Pfarrer bei seinen Abrechnungen. Er freute sich, mich zu sehen, obwohl er wusste, dass ich schwul war und sogar, was vielleicht schlimmer wog, Agnostiker war. Er schien nicht viel darum zu geben, was ich glaubte oder nicht.

Langsam kam meine körperliche Kraft zurück, aber innerlich fühlte ich mich nach wie vor kraftlos.

„Lasst mich endlich wieder Mensch sein, lasst mich wieder lieben können! Ich möchte wieder ich sein!“ schrieb ich in ein kleines Notizbuch, das ich mir bei Resi gekauft hatte.

© Herta 7/2009
was ne Kurve , liebe Herta, von der Liebesgeschichte zum Krimi, zur Tragödie und dann eine Lebenskrisendoku...
Wahnsinn!
*top*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
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Danke Cleo *freu*

Es wird doch weitergehen, Flo lässt mich noch nicht aus *heul* *g*
gut, dass du´s sagst - dann geh ich mal Taschentücher bügeln und fülle den Biervorrat auf... *snief2* *prost*
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Zeitlos
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Langsam, ganz langsam fand ich mich wieder im Alltag zurecht. Ich machte Resi die Buchhaltung, sie bezahlte mich dafür mit Lebensmittel und überließ mir eine alte Dienstbotenwohnung über dem Geschäft. Meine alte Wohnung hatte ich mangels Einkommen kündigen müssen. Die Wohnung war wirklich schon sehr alt und klein. Komisch, wie sich die Bedürfnisse verschieben können. Was ich wollte, was ich eigentlich schon immer wollte, war angenommen zu werden. Resi nahm mich an. Ich wusste nicht, wie ich der alten Frau meine Dankbarkeit zeigen sollte. Sie hätte auch nichts anderes als meine Hilfe im Geschäft angenommen.

An den Nachmittagen hatte ich frei und erkundete die Umgebung. Mit anderen Sinnen, so schien es mir, betrachtete ich die Welt. Mein Blick war offener geworden, meine Seele weinerlicher, viel weinerlicher, wie mir Margot immer wieder versicherte. Sie musste jedes Mal Lachen, wenn ich heulte, weil irgendwo eine tote Fliege lag. Aber sie wusste nicht mal die Hälfte was im letzten Jahr geschehen war, also nahm ich es ihr nicht sehr übel. Sollte sie ruhig über mich lachen.

Aber auch Margot schien mir verändert. Sie war nicht mehr so unbeschwert wie früher. Ob das an ihrer neuen Rolle als Mutter lag? Häufig sah ich sie mit Bianca im Ort spazieren gehen. Ihr Haus lag ja am äußersten Ortsrand, mehrere hundert Meter nach der Ortstafel sogar. Ich nahm mir vor, sie gleich morgen zu fragen, ob mit ihr was nicht in Ordnung sei.
Diese Frage erübrigte sich. Am Abend kam sie zu mir, was sie in den letzten Monaten nie gemacht hatte. Sie war immer nur tagsüber zu Besuch gewesen und hatte auch Bianca dabei, seit ich vom Alkohol weg war. Was mochte ihr fehlen?
„Wir ziehen weg“, war alles was sie vorerst sagte.
Ich starrte sie mit großen Augen an. „Was?“
„Ja, weg.“ In ihren Augen standen Tränen.
„Wann?“ Der reine Unglaube sprach aus diesem einen Wort.
„Ende der Woche.“
„Das Haus?“
„Schon verkauft.“
„Wohin?“
„Singapur.“
„Nein“, ich ließ mich auf die Couch fallen. Sie war das einzige, das ich von meiner alten Wohnung mitgenommen hatte. Bis dahin waren wir gestanden. Nun nahm auch Margot Platz.
„Ja, am Freitag fliegen wir.“
„Für wie lange.“
„Zumindest ein Jahr, wahrscheinlich länger.“
„Margot …“ Ich wusste nicht, was ich sonst noch sagen sollte.
„Kommst du morgen Abend zur Abschiedsfeier?“
Ich nickte stumm. Eigentlich wollte ich sagen ‚Nein, verdammt nein! Ich kann da nicht hingehen, so viele Menschen, zu viele Menschen!“ Aber für Margot würde ich es tun. Sie hatte mich gerettet, ja so musste man das sagen. Sie hatte mich aus meinem persönlichen Sumpf gezogen, als mir die Kraft dazu fehlte.
„Ich komme …“, meine Stimme klang brüchig.
„Heul ja nicht, verstanden! Untersteh dich eine Träne zu vergießen“, sagte sie und weinte selber. Ihr zuliebe beherrschte ich mich.
„Hoffentlich gefällt es dir in Asien. Hoffentlich ist Herbert auch weiterhin gut zu dir.“
„Ja“, hauchte sie, dann „Halt mich, halt mich einfach nur mal fest. Ein einziges Mal nur.“ Ich hatte sie nie im Arm gehalten. Warum nur? Sie war mir eine gute Freundin, mehr nicht. Da konnte ich sie ruhig halten. Ich drückte sie ganz fest an mich. Fühlte ihren weichen Körper an meinen, hörte ihr Herz schlagen.
„Ich habe dich immer geliebt“, flüsterte sie an meiner Brust.
„Ich weiß, Margot. Ich kann dir leider nicht dasselbe Gefühl entgegen bringen. Du hättest es verdient gehabt, mehr als das.“
„Sei nicht nett zu mir.“ Ihr Gesicht war verheult. Rasch fuhr sie sich mit dem Handrücken über das Gesicht. „Es ist besser, wenn ich jetzt gehe.“
Sie stand auf und ging. Ich konnte ihr nicht helfen. Was tun, wenn Liebe nicht im selben Maß erwidert wird. Es gibt auf der Welt fast nichts Schlimmeres als unerwiderte Liebe - Einsamkeit – ist schlimmer und die Folge davon. Ich kannte mich damit sehr gut aus und wie ich nun wusste, auch Margot. Sie tat mir unendlich leid.

Am nächsten Abend machte ich mich wieder mal so richtig fein. Für Margot würde ich mich wieder in Schale werfen. Sorgfältig entfernte ich jedes Haar auf meinem Körper, nur die Kopfhaare ließ ich stehen. Ich hatte sie mir inzwischen lang wachsen lassen und trug sie zu einem Zopf gebunden, das unterstrich meine Hagerkeit. Meinen Körper verhüllte ich in schwarzen Jeans und einem schwarzen Hemd. Seit Franz Tod trug ich nur noch schwarz.
Pünktlich um 20 Uhr erschien ich bei der Abschiedsparty. Es waren schon einige Gäste anwesend. Die Honoratioren ebenso, wie einige Freunde von Margot. Die meisten kannte ich ziemlich gut, legte aber nicht viel Wert auf deren Gesellschaft. Resi war mit mir gekommen, sie sah traurig und verheult aus. „Tja, Resi, jetzt geht sie weg“, sagte ich unnötigerweise. Blöd. „Ja, Florian. Dann sind nur noch wir zwei füreinander da.“
„Ja, Resi. Ich helfe dir weiterhin.“
Resi hakte sich bei mir unter und so schritten wir durch den schön dekorierten Garten. Es sah so aus, als hätte Herbert keine Mühen und Kosten gescheut, das Fest zu einem Ereignis zu machen. Herbert stand unter einem Zelt und redete mit verschiedenen Leuten aus dem Dorf. Alle gratulierten ihm zu seinem Aufstieg. Ja, er war jetzt Geschäftsführer einer Zweigstelle in Singapur, der Sohn einer kleinen Bauernfamilie vom Lande. Alle reichten ihm die Hand und gratulierten ihm. Auch Resi und ich reihten uns ein.
„Glückwunsch zur Beförderung“, sagte ich und reichte ihm die Hand. „Ich hoffe, ihr habt in Singapur ein schönes Leben. Alles, alles Gute für euch.“
Erstaunt erwiderte Herbert meinen Händedruck.
„Danke, Florian. Es freut mich, dass du gekommen bist.“
„Ich hätte schon eher mal zu einer eurer Parties kommen sollen. Aber irgendwie ging es mir nie gut genug“, alles was ich sagte was Smalltalk. Unwichtiges Zeug.
Dann wandte er sich Resi zu und ich schlenderte weiter.
Unter einem alten Apfelbaum stand eine einsame Bank, dort ließ ich mich nieder. Seit dem Unfall und meiner nachfolgenden Krise wurde ich immer schnell müde. Ich hatte zwar wieder einiges an Gewicht zugelegt, aber ich würde wohl für den Rest meines Lebens ein Hungerhaken bleiben. Da sah ich Margot mit Bianca im Arm auf das Zelt zugehen. Sie hatte mich noch nicht bemerkt. Sie sah schön aus, wie sie da stand in einem kurzen geblümten Kleid. So weiblich hatte ich sie noch nie gesehen. Sonst trug sie immer Hosen und Shirts. Es stand ihr, wie ich fand. Ich fühlte mich wieder einsam, aber das lag sicher an meiner Depression.

Endlich raffte ich mich auf und ging zum Zelt zurück. Langsam wie ein alter Mann kam ich mir vor. „Schön, dass du da bist“, erschrocken drehte ich mich zu Margot um. Wie war sie nur so rasch hinter mich gekommen. „Ich hab es dir versprochen, Margot. Du siehst gut aus.“
„Danke, mein Lieber.“
„Ich hoffe, du wirst sehr, sehr glücklich. Du hast es dir verdient.“ Ich wagte nicht, sie zu umarmen, denn ich merkte, dann würde sie in Tränen ausbrechen. Ich sagte auch nicht, wie sehr ich sie vermissen würde, wie sehr sie mir jetzt schon fehlte. Wahrscheinlich sah sie es mir sowieso an. Es waren die fast letzten Worte, die wir zusammen wechselten.

Ich war traurig, die Party wollte ich aber noch nicht verlassen, das hätte blöd ausgesehen. Also ging ich wieder zu der Bank und fand sie besetzt vor. Unschlüssig, ob ich wieder gehen sollte, stand ich da und gaffte.
„Sie können sich ruhig dazu setzen, ich beiße nicht“, sagte er. Eine schöne Stimme, dachte ich, sehr angenehm zum Zuhören und auch eine nette freundliche Erscheinung. Also nahm ich Platz. Er rückte etwas zur Seite, damit ich mehr Raum für mich hatte.
„Leo Müllner“, stellte er sich vor und reichte mir die Hand zum Gruß.
„Florian Müller“, sagte ich und ergriff seine Hand.
„Sind Sie mit Resi Müllner verwandt?“
„Ja, sie ist meine Tante. Ich bin auch in derselben Firma wie Herbert tätig, deshalb bin ich auch gekommen, außerdem bin ich mit Margot zur Schule gegangen. Übrigens sehr erfreut.“
„Ebenso.“ Ich war etwas verblüfft. Resi hatte mir nie erzählt, dass sie Verwandte hatte.
„Ich habe gehört, dass Sie lange krank waren.“
„Ja“, ich wollte die Kommunikation nicht so laufen lassen, das kam mir so platt vor.
Dann sagte auch er nichts mehr und wir saßen schweigend neben einander.
So fand uns Resi.
„Mein Junge, schön, dass ich dich wieder mal zu Gesicht bekomme.“
„Tante Resi, ich freu mich, dass es dir gut geht und du Hilfe im Geschäft hast.“
„Ja, der gute Florian ist mir eine große Hilfe. – Kann ich mich noch zu euch setzen? Für so eine alte Frau wie mich, ist die lange Steherei nichts mehr.“ Dabei kicherte sie wie ein Teenager und zwängte sich zwischen uns.
„Wo übernachtest du, Leo?“
„Ich habe gedacht bei Herbert, zumindest haben sie es mir angeboten.“
„Ach“, Resi schien enttäuscht zu sein.
„Ich kann aber absagen, und bei dir übernachten.“ Dabei streichelte er ihre Hand.
„Das würde mich sehr freuen, Junge, das weißt du.“
Leo stand auf und ging. Wahrscheinlich wollte er Herbert von der Änderung seiner Pläne berichten.
„Er ist nett, nicht wahr.“
„Scheint so“, ich war verwirrt. Wieso interessierte es Resi, wie ich ihren Neffen fand?
„Er ist sogar ausgesprochen nett. Jaja.“ Sie blickte verträumt ins Leere.
Wieso sollte er so nett sein? Die ganze Zeit, seit ich bei Resi wohnte, hatte sie ihn mit keinem Wort erwähnt.
Ich sagte nichts mehr und gab mich meinen eigenen düsteren Grübeleien hin.
Meine Verwirrung wuchs, als Leo Müllner zurückkam, sich neben mich setzte und sagte: „Abgemacht, Tante Resi, ich übernachte bei dir.“
„Gut, mein Junge.“
Resi stand wieder auf. „Ich habe genug gerastet. Jetzt muss ich mal schauen, ob es hier was zu essen gibt. Hihihi.“
Diese Resi, über irgendwas amüsierte sie sich köstlich. Wenn ich nur wüsste was es war.
Es herrschte einige Zeit wohltuende Stille, die Leo mit den Worten: „Wollen Sie auch was zu trinken“, brach.
„Ein Wasser, wenn Sie so freundlich sind.“
„Kommt sofort.“ Er sprang auf und kam nach kurzer Zeit mit einem Weinkühler zurück. Darin befand sich eine Flasche Perrier (hatte ich schon lange nicht mehr getrunken, schmeckte wie jedes andere Wasser auch) und einige Flaschen Bier, die Leo zu trinken gedachte. Es schien, dass ich hier nicht alleine sitzen sollte.
„Danke für das Wasser“, sagte ich, als ich sie wieder in den Kühler stellte.
„Ich war so frei und hab gleich mehr mitgenommen.“ Er lachte, ein angenehmes Lachen. „Wir werden Herbert nicht abgehen. Er mag mich sowieso nicht besonders. Ich wundere mich, warum er mich eingeladen hat.“
„Es wird wohl eher Margots Idee gewesen sein.“ Ich musste gegen meinen Willen lächeln. Gedanken an Margot brachten mich immer dazu.
„Sie mögen Margot wohl gerne.“
„Wer tut das nicht. Wir sind sehr gute Freunde und sie liegt mir am Herzen. Sie war da, als ich einen Freund am dringendsten brauchte.“
„Das sieht Margot ähnlich. Ich hab sie lange nicht gesehen und auch Tante Resi, weil ich zu lange im Ausland war. Aber jetzt bin ich für längere Zeit wieder im Land. Es tut gut, wieder deutsch zu reden und sich nicht verstellen zu müssen.“ Er streckte seine langen Beine aus und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Sehr elegant, wie ich fand.
„Wissen Sie, ich war lange Zeit in Saudi Arabien und den Emiraten unterwegs. Immer wieder für einige Monate lang. Aber das ist jetzt zum Glück zu Ende und ich kann meistens von daheim aus arbeiten.“ Ein tiefer Seufzer entfuhr seiner Brust.
„Die Araber haben eine ziemlich enge Moralvorstellung, Sie können sich gar nicht vorstellen, wie eng die ist.“
„Das glaube ich gerne. Dann freut es mich für Sie, dass sie diese Länder nicht sobald mehr bereisen müssen.“ Warum redete ich so geschwollen daher? Das war ja gar nicht ich.
Er lachte wieder, machte er sich jetzt lustig über mich. Ich war wirklich zum Landei geworden.
„Reden wir von was anderem. Übrigens ich bin Leo, Herr Müllner bin ich nur geschäftlich. Ich mag dieses förmliche Getue nicht, ein du ist mir lieber und es lässt sich besser palavern.“
Ich nahm das Angebot gerne an.
Wir saßen noch lange unter dem Apfelbaum und redeten über dieses und jenes.

Die Gartenbeleuchtung war schon an, als endlich Resi wieder zu uns kam.
„Jungs, wärt ihr so nett, und bringt eine alte Frau nachhause. Ich bin schön müde.“ Dabei sah sie gar nicht müde aus. Ich war der Müde hier in der Gruppe.
„Sicher Tante Resi, gern. Lass uns noch von den Gastgebern verabschieden, dann gehen wir.“
Ich überließ den beiden die Führung. Meine Verabschiedung von Margot war kurz und beschränkte sich auf einen Händedruck und ein letztes „Lebewohl.“ Mit Herbert redete ich gar nichts mehr und Bianca schlief schon.

Wir gingen den guten Kilometer zu Fuß und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich mich bei Leo unterhaken musste. Verdammt, kehrte die Kraft nie mehr zurück? Er brachte mich auch in meine Wohnung hoch. „Magst du noch was trinken, Leo oder willst du lieber ins Bett gehen, wie die Resi?“
„Was hast du denn da?“
„Genug Bier, um mehrere Besäufnisse zu haben“, hörte ich mich sagen.
„Dann sag ich nur mal schnell der Tante gute Nacht.“

Ich kühlte einige Biere ein und zog die Jacke und das Hemd aus. Meine alte Angewohnheit, nackt zu laufen, ließ sich nicht abschütteln und ich hatte Resi schon das eine oder andere Mal damit schockiert, aber sie hatte sich daran gewöhnt und klopfte jetzt immer höflich an und ließ mir Zeit, wenigstens einen Morgenmantel anzuziehen. Ich lachte leise vor mich hin, als ich mich erinnerte, wie sie mich das erste Mal nackt sah. Das war an dem Tag gewesen, wo sie angefangen hatte, sich um mich zu kümmern. Wie erbärmlich ich doch ausgesehen haben musste. Ich lachte und lachte und bemerkte Leo nicht, der scheinbar schon ein Zeitlang in meiner Wohnung stand und mir beim Lachen zusah.
„Was ist denn so komisch. Und wieso bist du nackt?“
„Scheiße, jetzt hab ich mir zuviel ausgezogen. Sorry, ich zieh mich schon wieder an.“
„Nicht wegen mir. Wenn ich es mir auch bequem machen kann.“ Aber er zog dann nur die Schuhe und die Jacke aus, bevor er sich lässig auf die Couch schmiss.
„So, was war jetzt so witzig?“
„Ich habe nur daran gedacht, wie ich die Resi kennen lernte und dass sie mich da fast immer nackt sah. Oh Gott, was muss ich für ein erbärmlicher Anblick gewesen sein.“ Ich zog mir wenigstens meine Shorts an, so ganz ohne fühlte ich mich jetzt doch nicht mehr wohl.
„Du bist verdammt dünn.“
„Ich weiß und vernarbt obendrein. Kein schöner Anblick, nicht wahr.“
„Na, würde ich nicht sagen. Schön ist, was gefällt. Dein Körper hat schon einiges mitgemacht. Irgendwo macht sich das bemerkbar.“
Ich ging zum Kühlschrank und brachte zwei Bier.
„Oha, ich dachte schon, du würdest wieder nur Wasser trinken.“ Leichter Spott lag in seiner Stimme.
„Ich halte mich so oft es geht fern von Alkohol. Aber heute möchte ich mich betrinken. Jetzt erlaube ich es mir.“
„Ich verstehe. Liebst du Margot so?“
Fast hätte ich mich an meinem Bier verschluckt. Ich hustete und lachte bis mir die Tränen kamen. „Nein, sie ist meine beste Freundin“, sagte ich, als ich wieder reden konnte. „Aber es hätte zwischen uns nie etwas gegeben. Es ist eher so, dass sie immer unglücklich in mich verliebt war oder noch ist. Vielleicht ist es für sie das Beste, wenn sie weggeht und hoffentlich mit Herbert glücklich wird. Aber ich bin traurig, dass ich sie lange nicht mehr sehen werde, wenn überhaupt.“
In Leo’s Miene sah ich verschiedene Gefühle ablaufen. Unglaube, Faszination, Erkenntnis. „Ach so ist das! Und ich dachte schon, du wärst unglücklich in sie verliebt. Ich wusste nicht, dass du der Mann warst, zumindest war ich mir nicht sicher und fragen wollte ich dich nicht.“
„Welcher Mann denn?“ Wurde etwa jetzt schon in der Hauptstadt über mich geredet?
„Nichts Anrüchiges, Florian. Herbert hat nur gesagt, dass Margot einen schwulen Freund hat, dagegen sei ja nichts einzuwenden, aber sie sollte sich besser um Haus und Kind kümmern, statt um einen versoffenen Schwulen, der nicht mit seinem Leben zu Recht kommt. – Schau mich nicht so an, das hab nicht ich gesagt.“
„Herbert redet so einen Stuss daher?“ Ich konnte es nicht glauben.
„Herbert ist ein Trottel, wenn du mich fragst.“
„Das kann ich nicht beurteilen, ich kenne ihn zu wenig.“
„Ach, er ist und bleibt einer, da macht auch die Beförderung keinen Unterschied. Prost, Florian! Lass uns auf was trinken! Auf die Liebe.“
„Nicht auf die Liebe.“
„Warum denn nicht? Sie kommt oft unverhofft.“ Leo sah mir dabei offen ins Gesicht und ich erkannte, was er mir sagen wollte.

Und die Zeit hielt an …

© Herta 7/2009
und wieder der Einkehrschwung zum wehrmutstropfigen Happy End... bravo, Herta!

schlaflos muss ja auch dein Motto gewesen sein... bei der Schreiberei?... hoffentlich hast du wenigstens genug gegessen...hihi
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
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Themenersteller 
danke *bussi*


*lach* ich hab fast zwei kilo abgenommen *zwinker* ich fühl mich langsam wieder besser, seit die krise überstanden ist, echt hey ... ich hab nichts gegessen, damit ich das schwächegefühl in mir hab ... aber das ist echt hart ...
dafür passen mir jetzt einige hosen wieder besser. *lol*

das nächste kapitel hab ich auch schon im kopf, bereite dich auf eine fortsetzung vor ... *g*

ich habe den verdacht, dass es eine lange geschichte wird.
verdammt, dabei wollte ich mich doch auf kurzgeschichten und gedichte beschränken *aua* *zwinker*
wirst du auch versuchsweise homosexuell? arbeitest in einer Bank? ,,,nimmst den Namen Müller an???
...geh nicht bis zum Äußersten - denk an den Apfelsommer - ich will die "Alte Hera" kennen lernen!
*haumichwech*
reich dir *grill* *bier* *lolli*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
... nein so weit geh ich nicht *zwinker* aber ich war lange zeit bankangestellte und ich bin ja dem eigenen geschlecht auch nicht abgeneigt und ich kenne einige schwule männer also ... *ggg* ach und nicht zu vergessen: ich wohn am land *lach*

das hätt ich fast vergessen ... du wirst herta kennen lernen, die echte und wahrhafte, dann bin ich wahrhaft ich selbst *lol* *prost* gesund und munter und frisch und fröhlich wie eine bachforelle, sollten diese fröhlich sein *zwinker*
Da wird uns die heere Herta
zur Romanciere!
Einfach so.
Trotz Inhaltsschwere, ganz locker und leicht zu lesen!
Da würd ich sogar wieder die Tageszeitung abonieren, nur um keine Folge zu verpassen. Auch wenn sonst zu 80% Stuss drinsteht.

Weiterschreiben!!!!!!! verbeugschwelgolaf
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Danke ...
Olaf .... *freu2*

Ich könnt heulen vor Freude, weil es euch gefällt.

Sagt mal, geht es euch auch so, dass ihr euch in eine Geschichte so reinhängt? Also mit der nötigen Distanz tu ich mir momentan schwer ... *schwitz*


jetzt mal auf'n *prost* und *zig*
klar, kenn` ich das - das kann wie ein Sog werden - jede Unterbrechung wird schmerzhaft und jeder Gedanke, der nix mit der story zu tun hat, ist Verschwendung.. mach nur, daraus entstehen die besten Sachen...

was "drin" ist, muss raus... kompromisslos!!!!
Uniwois, dos da noa
gonze Meng Hektoliter in dem Herta drin warten, endlich freigschriebn zwerdn!
Stimmt doch Cleo, oder?! Siehst du das anders? vornelinksrechtshintenunterüberzeugtolaf
jo, do is scho a Bodenzial! unn wia!!
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