Trügerische Liebe
Langsam fuhr der silberne Sportwagen durch ein verschlafenes französisches Städtchen, vorbei an einem Lebensmittel-Laden, zwei Gasthöfen und ein paar Fachwerkhäusern. Bastian hielt nach dem rotem Fiat Panda seiner Freundin Genevieve Ausschau, die er vor drei Monaten am Pariser Eifelturm kennen gelernt hatte. Vor zwei Wochen war sie allerdings spurlos verschwunden.Der junge Mann Mitte Dreißig wusste noch nicht einmal was für einen Beruf seine Freundin ausübte, denn Geld spielte eine eher untergeordnete Rolle. Als Inhaber einer erfolgreichen mittelständischen Internetcafe-Kette hatte er es zu einem ansehnlichen Vermögen gebracht.
Er war bereits zum dritten Mal durch das kleine Nest gefahren, was ihn innerlich aufregte und ihn dazu veranlasste stärker aufs Gaspedal zu drücken.
"Verdammtes Kaff! Wo steckst du Genevieve?!", fluchte Bastian und fuhr mit voller Geschwindigkeit dem Ortsausgang entgegen und vollführte einen U-Turn. Die Reifen quietschten.
Kaum hatte er das Ortsschild passiert, erblickte er ein unscheinbares Hotel, dass er wohl die ganze Zeit übersehen hatte. Draußen parkte der rote in die Jahre gekommene gebrauchte Fiat Panda seiner Freundin.
Bastian überlegte, fasste den Entschluss seinen Porsche zu parken, stieg aus und knackte die hintere Tür des Kleinwagens.
Innerhalb von ein paar Sekunden hatte er die Hintertür geknackt, setzte sich auf den hinteren Sitz, schloss die Tür und wartete auf Genevieves Erscheinen.
Drei lange Minuten vergingen, plötzlich vernahm Bastian zwei Stimmen und blickte kurz aus der Seitenscheibe.
Er entdeckte Genevieve, die mit einem fröhlichen Gesichtsausdruck aus dem Hotel kam und ihren Autoschlüssel ins Schloss der vorderen Tür steckte. Die Tür öffnete sich, worauf Bastian aufschreckte. Sofort duckte sich Bastian und fühlte, wie Genevieve Gas gab und er sich festhalten musste.
Der Fiat passierte das Ortsschild und fuhr mit hoher Geschwindigkeit aufs Land, an grünen Wiesen und Feldern vorbei.
Diese Fahrt wurde plötzlich holprig, was sich besonders in Bastian´s Rücken bemerkbar machte. Der Fiat hatte auf einen unwegsamen Feldweg eingebogen.
"Aua!", schrie Bastian, als der Wagen über einen großen Stein fuhr und er sich den Kopf stieß.
Diesen Aufschrei vernahm Genevieve, stoppte den Wagen, schaute nach hinten und erblickte Bastian, der sich grade seinen Kopf kraulte.
"Hey! Was suchst Du in meinem Wagen?!", fragte Genevieve überrascht und musterte sein Gesicht.
"Bastian Anderson ist mein Name, deine Fahrweise ist fürchterlich!", beschwerte sich Bastian lächelnd.
"Bastian?! Ich kenne diesen Namen irgendwo her...", vermutete Genevieve seufzend und trat wieder aufs Gaspedal. Der Wagen setzte sich wieder in Bewegung.
"Klar, wir haben uns in Paris kennen gelernt“, erwiderte Bastian offenkundig.
Genevieve blickte nach vorn und konzentrierte sich auf die Strasse.
"Bastian? Ja, ich erinnere mich aber kann nichts mit ihren Gesicht anfangen.", erinnerte sich Genevieve leise sprechend. Der Fiat Panda fuhr durch ein geöffnetes Zauntor und hielt kurz vor einem Landhaus an.
"Was ist mit dir los?!“, fragte Bastian verdutzt.
"Ich kenne Sie nicht! Carl muss ihnen meinen Namen gesagt haben! Bastian, wenn Sie wirklich so heißen, was wollen Sie von mir?!", fragte Genevieve mit besorgter Stimme. Bastian seufzte und wirkte einige Sekunden nachdenklich.
"Carl? Du meinst meinen Geschäftspartner Carl Sanders? Es gab Differenzen zwischen mir und ihm. Wir haben uns gestern über seine recht rabiate Geschäftspolitik unterhalten, was dann in einem heftigen Streit endete...", erklärte Bastian mit gedämpfter Stimme. Genevieve lachte lauthals.
"Warum lachst du jetzt?!", sagte Bastian hoffnungsvoll.
"Mein Gedächtnis ist in Ordnung. Du bist Bastian, wir haben uns zum ersten Mal am Eifelturm geküsst aber dass alles und die drei Monate danach waren nur Spiel, um an deine Geschäftsunterlagen zu kommen“, offenbarte Genevieve dem erschreckten Bastian, als er die Worte vernahm.
"Du hast mich ausgenutzt? Die ganzen drei Monate?!", fluchte Bastian aufgeregt.
Genevieve fuhr sich durch ihr feuerrotes kurzes Haar und schaute Bastian dabei hochnäsig an.
"Ja, alles nur für Geld, verstehst du? Dein ärgster Konkurrent Carl Sanders hat mir 1,5 Millionen Euro geboten um deine Firma auszuspionieren“, sprach Genevieve gelassen und öffnete die Tür des Wagens.
"Willst du nicht mitkommen?“, fragte Genevieve freundlich.
"Wohin?", bohrte Bastian traurig nach.
“In mein Landhaus...“, kommentierte Genevieve während sie ausstieg.
Er öffnete schließlich auch die Tür, stieg aus und folgte Genevieve zum Landhaus. Die weißfarbene hölzerne Außenfassade schien frisch gestrichen und das Giebeldach war leicht nach links geneigt.
Die Eingangstür aus Eichenholz öffnete sich, Genevieve und Bastian traten hinein.
Genevieve führte Bastian durch einen schmalen Flur in das rustikal eingerichtete Wohnzimmer. Ein steinerner Kamin, der mit Messingfiguren verziert war, bildete einen romantischen Kontrast zum tristen Wohnzimmer.
Die Sonne schien hinein und erhellte den hölzernen Fußboden, auf dessen Oberfläche ein weißes Symbol in Form eines Kometen prangte.
„Dass ist ja das Firmenlogo von Comet Star, meinem ärgsten Konkurrenten.“, stellte Bastian fest.
„Genau“, stimmte Genevieve fröhlich lächelnd zu und drückte auf eine der Messing-Verzierungen. Der Kamin fuhr mit einem hydraulischen Geräusch beiseite und gab den Weg zu einer Treppe frei.
„Wohin führt die Treppe?“, fragte Bastian neugierig nach.
„In meinen speziellen PC-Raum über den ich meine kleinen Spezial-Aufträge zum Abschluss bringe.“, lautete Genevieve kühle Antwort.
„Spezielle Aufträge? Bist du eine Kriminelle?“, schrak Bastian auf. Genevieve nickte zögerlich.
„Nicht direkt. Ich suche mir reiche Unternehmer aus, spiele Ihnen die Liebe vor und kassiere hinterher ab indem ich wichtige Geschäftsunterlagen stehle und an einen Konkurrenten verkaufe. In deinem Fall war es Carl Sanders und seine kleinere Internet-Cafekette. Der sympathische Mann hat mir 1,5 Millionen Euro für ein paar wichtige Informationen über deine Kette gezahlt...“, offenbarte Genevieve ihr dunkles Geheimnis und drehte sich zu Bastian um.
„Bitte geh! Du weißt mehr als du wissen solltest aber ich vertraue darauf dass du mich nicht verrätst oder gar zur Polizei gehst!“, bat Genevieve und gab ihm zum Abschied einen langen zärtlichen Zungenkuss.
„Warum?“, bohrte er entsetzt nach.
„Geld mein lieber, Geld. Hier ist der Schlüssel zu meinem Panda. Nimm ihn und verschwinde. Dein Porsche behalte ich quasi als Pfand.“, verabschiedete sich Genevieve eiskalt und warf Bastian unschön aus ihrem Landhaus heraus. Bastian stand wie der Ochs vorm Berg und wusste nicht, was er machen sollte. Nach einer kurzen Weile bestieg er den Kleinwagen und fuhr zum nächsten Flughafen. Er charterte einen Learjet, stieg ein und ließ sich damit nach London fliegen. Sofort begab er sich zur Hauptverwaltung seines Unternehmens und unterrichtete telefonisch die Polizei von seinen Erkenntnissen.
Die britische Polizei ging der Sache in Zusammenarbeit mit französischen Sicherheitsbehörden zwar nach aber Genevieve wurde trotz intensiver Suche nicht gefunden.
Zwar konnte man das beschriebene Landhaus ausfindig machen aber es wurde kein PC-Raum gefunden sondern fand nur noch ein paar Kabel, die aus der Wand ragten und wohl mal der Teil einer technischen Anlage gewesen waren.
Bastians Unternehmen wurde übrigens aus irgendeinem Grund nicht übernommen aber eines Tages bekam er eine Postkarte. Sie stammte von Genievie mit dem Motiv einer Südseeinsel.
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