Mein erstes Treffen ... die andere Perspektive
Die Tropfen im Gras brachen das Licht der ersten Sonnenstrahlen und schimmerten in den Farben des Regenbogens. Die Nebelschwaden waberten über ihren Fluss, dem Main, den sie so sehr liebte. Dem Weg folgenden, der zu Anfang breit und asphaltiert, dann immer schmaler werdend in einer Schotterpiste überging, um in einem kaum erkennbaren Grasweg zu enden. Sie lief ihn jeden Morgen, bis zur großen Eiche an der Niddamündung und wieder zurück. Jeden Morgen, aber heute war es anders, anders als an all diese vergangenen Tagen und Wochen. Sie spürte schon lange, dass sich etwas Besonderes anbahnte. So ein besonderes Gefühl hatte sie schon zweimal zuvor. Einmal bei Tobias, der so gut aussehende Bauunternehmer, der sie verführte, am Langener Badesee, letztes Jahr im August. Der für ein halbes Jahr ihr Geliebter wurde, bis seine Frau ein Ultimatum stelle… „sie oder ich“. Sie seufzte, Tobias meine Liebe, ich war so gerne Dein, ich habe Dich geliebt mit jeder Faser meines Seins.
Dann Matze, dem Manager. Der um Sie warb, nie endend wollend und ohne Forderungen. Sie wollte ihn nicht, doch er hat es immer wieder versucht. Er klingelte an ihrer Tür mir Austern und Champagner, er schrieb ihr Liebesbriefe, er stellte sie seinen Söhnen vor, er fuhr mit ihr in den Sonnenuntergang. Dann, als sie ihn wollte, wollte er nicht mehr. Eine Träne kullerte bei diesem Gedanken über ihre Wangen.
Und heute, ein neuer Versuch.
Sie konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Sie wälzte sich von einer Seite auf die andere.
Eigentlich, eigentlich wusste sie von ihm nicht viel. Er hatte eine schöne Stimme. So männlich, so tief. Seine schöne Art Dinge zu beschreiben, ihr zu sagen was er wollte. Das gefiel ihr, auch seine Geduld.
Sie stellte sich vor, wie er mit offenen Armen vor ihr stand.
Ihr waren viele Dinge wichtig, so waren dies warme und schöne Augen, schöne Hände, ein guter Zuhörer sollte er sein, ein zärtlicher Liebhaber, der aber auch mal wild und animalisch lieben konnte, sie wollte mit ihm Wein trinken, in der Sonne liegen und in die Wolken schauen, sie wollte mit ihm Essen gehen, Eishockey, mit einem Becher Bier in der Hand, erleben, Erdbeeren mit Sahne und Sekt in der Badwanne genießen, sie wollte mit ihm tanzen, tanzen im warmen Sommerregen, wollte mit ihm im Zug nach Italien fahren, wollte mit ihm am Sonntagmorgen erwachen und mit ihm die Liebe genießen.
Sie lief, wie so oft wenn sie aufgeregt war, viel zu schnell. Ihr Puls raste und sie spürte die Hitze der Anstrengung in den Wangen. Ihr Herz pochte.
Bleib cool Babsie, Du musst erst durch diesen Vormittag. Sie hatte einen Frisörtermin und einen Termin bei ihrer Kosmetikerin. Sie wollte unwiderstehlich sein, für ihn.
Ihre Knie und Hände zitterten. Sie konnte nicht genau orten warum. Er oder der schnelle Spurt?
Es war so weit, die Frisur saß, das Make up war perfekt.
Mit Sorgfalt wählte sie ihre Garderobe.
Das dunkelblaue Kostüm mit dem tiefen Dekoltee. Dem schwarzen Spitzen- BH mit den kleinen rosa Blüten am Rand.
Keine Bluse drunter, sie wollte sexy sein. Sie hatte ein schönen Hals und einen schönen Busen und eine schöne Haut. Das wusste Sie.
Sie wählte halterlose Strümpfe, die mit der breiten Spitze und dem seidigen Glanz. Diese mochte sie besonders, sie fühlten sich wunderbar an, auf ihrer Haut. Keinen Slip, sie liebte das Gefühl zu wissen, was er nicht wusste und sonnte sich in dem Gedanken, dass er nichts ahnte. Ein erhebendes, berauschendes Gefühl. Nur für sie, sie wollte es nur für sich ganz allein genießen.
Die dunkelblauen Lackpumps mit dem kleinem Knopf, passend zu ihrem Kostüm, mit den hohen, schmalen Absätzen.
Sie stellte sich vor den Spiegel. Wird er mich schön finden? Bin ich genug? Das flaue Gefühl im Magen verstärkte sich.
Sie stieg in ihr Auto und fuhr los. Sie wollten sich in der Mitte treffen, in Heidelberg. Eine knappe Stunde Fahrt. Die Musik auf volle Lautstärke gedreht, den Gaspedal fasst bis zur Gänze durchgetreten, flog sie über die Autobahn.
„Hoffentlich finde ich einen Parkplatz in der Nähe des Kaffees, hoffentlich findet er mich schön. Hoffentlich können wir reden, hoffentlich findet er mich sexy, riech ich gut? Er sprach darüber, dass er Strümpfe liebt, hoffentlich liebt er meine. Was ist wenn ich ihn unwiderstehlich finde? Werde ich mit ihm ins Bett gehen? Beim ersten Treffen? Macht Frau das? Wenn ja, was wird er über mich denken? Und wo? Da gibt es ein Hotel in Heppenheim, Villa Bodin, die haben ein Zimmer mit Himmelbett. Wäre doch der Situation gerecht, oder? Macht Frau das? Sich vorher im Internet informieren?
Ein Glück, ein Parkhaus und auch gleich ein Parkplatz. Frauenparkplatz, ein Glück das ich eine Frau bin.“
Sie ist zu früh. Sie schlendert zum Kaffee und setzt sich. Sie spürt ihren Puls jagen, ihre Hände und Knie zittern, der Atem kommt stoßweise und sie transpiriert leicht.
Ein kleines Mädchen weint am Nachbartisch, zwei junge Frauen lachen hinter ihr und erzählen sich von ihren Shoppingerfolgen. Drei Studenten diskutieren lautstark, ein Mann beobachtet sie, leckt sich die Lippen und schaut ihr dabei auf das Dekoltee. Eine junge Mutter hält ihren Säugling im Arm und sieht ihn mit verliebtem Blick an. Der Bus fährt vorbei, in ihrem Kopf dreht sich jetzt alles. Ihr wird schwindelig. Die Kellnerin fragt sie, was denn möchte und sie schaut verwirrt in Karte. Ein älteres Ehepaar hält sich an den Händen und blickt sie mit großen Augen an. „Jeder sieht, dass ich nervös bin“ denkt sie.
Und da plötzlich steht er vor ihr. Er hat Blumen in der Hand. Er steht da, sagt kein Wort. Blickt auf sie hinunter und sie spürt seine Nervosität. Ludwig!
Er steht eine ganze Weile vor ihr und beide schauen sich nur an. Versunken in den Augen des jeweils anderem. Um sie herum wird es stiller. Die Blicke der Menschen an den Nachbartischen sind auf sie gerichtet, was wohl kommen mag? Doch beide registrieren dies nicht. Sie sind sich genug in diesem Augenblick. Er setz sich und berührt dabei, wie durch Zufall ihre Hand. Ein Schauer läuft durch ihren Körper und alle Härchen stehen auf einmal senkrecht nach oben. „Oh, wunderschön. Bitte noch einmal, bitte.“ Denkt sie und lauscht seinen Worten.
Sie will ihn, diesen Ludwig, noch Heute.