Treu bis in den Tod
_Wieder sitze ich allein hier draußen, die Flammen prasseln. Ich lasse sie vorüber ziehen, die mit mir gegangen sind.
Junokai. Dieser Hühne, schlichten Geistes, aber treu. Und ehrlich. Und aufrecht. Anders als sein Führer, also ich. Arglos und unbescholten. Immer aufmerksam. Auf dem Feld geblieben, viel zu früh, der Junge. Verführt zu frühem Ruhm.
Absalias. Ehrbarer Kämpe, alt geworden auf den Feldern der Ehre, ich glaube, vierzehn Schlachten hat er überlebt. Bis er sich mir anschloss. Da war es schon beim ersten Mal vorbei. Von ihm hätte ich Tugend lernen können und Wahrhaftigkeit.
Pendron. Der Zyniker. Gegenrede war seine Disziplin, doch im Kampf hielt er sich hervorragend, wie eine Ein-Mann-Armee. Ein Bollwerk an vorderster Front, gern gesehen an jedem Feuer, war ihm doch die Gabe der Erzählkunst eigen und manch Abend ergötzten wir uns an seinen Darbietungen. Bis er fiel, einem unglücklichen Pfeil erlegen, der ihn hatte gar nicht treffen wollen.
Dschacka. Die streitbare Maid, die mir manche Nacht im Lager versüßt hat. Die in Zeiten des Friedens eine hingebungsvolle Kurtisane sein konnte, auf dem Schlachtfeld aber wie eine rasende Rachegöttin hauste. Bis ihr fünf oder sechs Gegner auf einmal zuviel wurden und sie gebrochen, gefällt darnieder lag.
Obosan. Treuer Vasall, Begleiter in so vielen Kriegen. Immer an meiner Seite, mit Rat und Tat. Nie aufdringlich, aber beharrlich. Der seinen Weg bis zum Ende mit mir gegangen wäre, wenn dieser nicht überraschend weggeschnitten worden wäre mit der behände geführten Klinge eines Stammesführers, den mein bester Gefolgsmann einfach unterschätzt hatte.
Ysaria. Die Nymphe. Nie hat sie gekämpft, nur mein Zelt bevölkert und mein Bett gewärmt. Allgegenwärtig war sie in meinem Leben und jemand, der das wusste, nahm sie mir. Um mich zu treffen. Somit bin ich schuld an ihrem unnützen Tod.
Katlesch. Als Feind begegnete er mir erst, fällte den treuesten meiner Hauptleute. Dann trat er an meine Seite und füllte den Platz aus, der leer geworden war. Am Ende fraß ihn die Schlacht, der Feinde zu viele, um heil aus der Sache herauszukommen.
Ungadin. Fremde. Exotin. So fern, so nah. Das war Liebe, da bin ich sicher. Trennten uns anfangs auch Welten, so wuchsen wir doch zusammen wie zwei Wesen, die nur miteinander existieren können, indem der Eine den Anderen nährt. Gemeuchelt im eigenen Lager, wer mag schon sagen, wen was zu so etwas bewegt?
Kyriol. Feenwesen, liebreizend, becircend, nach endloser Zeit sich endlich zu mir bekennend. Als alle anderen weggestorben waren, trat sie aus dem Schatten und erfüllte mir, nach was ich mich sehnte. Bis sie hingerafft wurde, wie ein Staubkorn im Wind, die einzige, die eines natürlichen Todes starb. Aber was ist ‚natürlich‘?
Wattran. Nokalil. Egadon. Vyria. Jernon. Jamal, Koina, Jerosin, Kaleso, Itrie, und inzwischen kann ich mir ihre Namen nicht mehr merken. Sie alle waren treu bis in den Tod.
Die Flammen meines einsamen Feuers sind heruntergebrannt und hinter mir habe ich ein Lager voller Krieger, die an mich glauben. Die in die Schlacht ziehen, morgen früh. Und meine Namensliste erweitern werden.
Habe ich das Recht dazu? Darf ich sie zum Sterben schicken?
Oder sollte ich selbst langsam abtreten? Und nicht immer übrig bleiben. Als Einziger.