Niobes Erscheinen
Viele Lichtjahre entfernt saß ich auf meinem Heimatplaneten Lahamu und hatte die Vision, dass es irgendwo in der unendlichen Weite des Kosmos einen wunderschönen blauen Planeten geben musste, auf dem Menschen lebten, in schönen Körpern, in wunderschönen Landschaften und Kulturen, unter einem endlos weiten Himmel und an den Ufern wundervoller Ozeane. Es überkam mich eine große Sehnsucht und auch eine gewisse Melancholie. Der Wunsch, dorthin zu reisen, wurde immer größer und eines Tages schüttelte ich mich, streckte und reckte meine Glieder und machte mich auf den Weg. Ganz aufgeregt war ich, als ich mir vorstellte, wie sich das anfühlt, in einen Körper zu schlüpfen (ein Wunderwerk der Natur), meine Einheit zu verlassen und für eine Weile die Zweiheit zu leben - denken, fühlen, lachen, weinen, die Welt mit Augen, Ohren, Herz erfühlen, bestaunen, erforschen; diese Gedanken waren sehr aufregend.
Und als ich, völlig gedankenversunken und in freudiger Erwartung, durch die Milchstraße sauste, sah ich sie plötzlich: DIE ERDE!
Ihr Anblick verzauberte mich....JA! Da wollte ich hin.
Schnell fand ich einen Körper, in dem ich bis zu meiner Geburt wohnen wollte....ich war glückselig.
Leider bemerkte ich, dass ich in diesem Körper nicht willkommen war. Aber nun war ich schon mal da !!
Früher hatten die Frauen der Erde eine Vielzahl an Methoden, um unerwünschte Gäste in ihren Bäuchen loszuwerden, und so musste ich monatelang Angriffe gegen mich abwehren. Unbedingt wollte ich doch all die wunderschönen Dinge auf der Erde sehen und erleben.
Ich war eine starke Seele und ich habe einfach geliebt, geliebt, geliebt ...so heftig und so lange, bis meine Wohn-Mutter ganz von mir, meiner Liebe zu diesem Leben angefüllt war, überlief, und so die Liebe zu mir zurückfließen konnte. Das Band war geknüpft, der Kampf vorbei und ich durfte endlich als Mensch das Licht der Welt erblicken.
Der Weg bis dahin war schwerer als ich dachte und ich bemerkte, dass in den ersten Jahren auf der Erde merkwürdige Dinge mit mir passierten - ich vergaß!
So sehr beschäftigt mit meinem Leben, mit dem Kindsein, dem Erwachsenwerden, wo so viel Erwartung war, vergaß ich sogar, wie ich mir das Leben als Mensch vorgestellt hatte, vergaß, woher ich kam, vergaß, wer ich war...
So kam eine Traurigkeit in mein Leben, die ich mir nicht erklären konnte. Da war ich nun, und es war alles so ANDERS !
Tief in mir spürte ich dieses Brennen, diese Sehnsucht, diese Traurigkeit darüber, dass ich eine Erinnerung in mir trug, zu der ich keinen Zugang mehr fand.
Ständig war ich auf der Suche, wusste aber nicht mal genau, wonach ich suchte. Auch das hatte ich inzwischen vergessen.
Ich ging durch die Welt und sah höchstes Glück und tiefstes Leid, sah wunderschönes und schreckliches...und das hat mich alles sehr verwirrt.
Bald stellte ich fest, dass ich gar nicht mehr Herrin meiner selbst war, gefangen in ganz menschlichen Dingen: Angst, Schuld, Versagen, Scheu, Wut, Unfähigkeit und ich lernte diese zweifelhafte Stimme in mir kennen, die mich völlig beherrschte. Sie redete mir so vieles ein: dass ich nicht erwünscht sei, klein und unbedeutend, dass ich besser meinen Mund halten sollte, mich nicht zeigen sollte, weil dann Verletzung und Scham auf mich fielen. Sie überzeugte mich sogar davon, dass ich Großes leisten müsse, um der Berechtigung HIER sein zu dürfen, den nötigen Respekt zu zollen. Das erfüllte mich mit Angst und Blockaden, verhinderte mein Leben. Doch das hab ich damals alles noch gar nicht verstanden.
Da war dieser unersättliche Hunger nach Liebe, dieses Brennen, diese Sehnsucht, verborgenes Wissen, zu dem ich keinen Zugang mehr fand. Das Leben war Arbeit, Aufgabe, mühselig, schwierig - und wieder Kampf !
Ich habe gekämpft, mich angestrengt, habe alles gegeben, doch es war NIE genug.
Und dennoch war da immer diese mächtige Kraft in mir. Auch eine große Schar von Helfern, die ich immer kichernd irgendwo am Horizont wahrnahm, wenn sie sich offensichtlich über mich und meine kläglichen Lebensversuche amüsierten. Sie waren ganz wild darauf, mir rechtzeitig zur Seite zu stehen, wenn es mal wieder darum ging, etwas zu begreifen oder zu bewältigen. Oft hatte ich das Gefühl, je mehr Fehler ich machte, desto mehr wurde ich geliebt von meiner Horde kichernder Begleiter, was mich natürlich wieder sehr verwirrte. Wie sollte ich nur lernen, die Liebe zu verstehen?
Ich wurde geführt, ohne dass ich es bemerkte. Doch nicht immer dahin, wo ich hinwollte. Ich (oder war es diese zweifelhafte Stimme in mir?) entwickelte hervorragende Strategien, um bestimmte Dinge zu vermeiden oder herbeizuführen, doch war dies nur der lächerliche Versuch, das Leben, oder besser noch, das Lieben auszutricksen.
Im Laufe der Jahre hatte ich ein paar sehr bemerkenswerte Begegnungen mit Menschen, die den Grund meiner Seele sahen, mir den Finger auf das Herz legten und mein Innerstes berührten. Ganz stark konnte ich das fühlen und manchmal blitzte kurz eine deutliche Erinnerung auf. Mir wurde immer klarer, dass ich etwas ganz wichtiges in meinem Leben hier auf der Erde übersah. WAS das war, konnte ich nicht sagen.
Vor vielen Jahren dann, auf einer abenteuerlichen Überlandreise von der Hauptstadt, in der ich lebte, auf das Dach der Welt, überschlugen sich zum ersten mal die Ereignisse. Krank, körperlich erschöpft - doch gleichzeitig geläutert und innerlich kraftvoll, fand ich mich am Ende der Reise in diesem heiligen Tempel Swayambu Nath. Dort hörte ich wundersame Gesänge, die mich magisch anzogen. So etwas schönes hatte ich noch nie zuvor gehört. War das Musik, die ich von Zuhause kannte? Mein Zuhause...da war doch was...ich erinnerte mich plötzlich. Überwältigt von der Liebe, die ich in mir spürte, ging ich wie hypnotisiert in dieses Kloster am Fuße des Berges, setzte mich dort auf einen großen Stein zu einem der Mönche, lauschte den Gesängen und weinte alle warmen Tränen dieser Welt. Ich fühlte mich zwischen zwei Welten, ich WAR Zweiheit. Mein Herz war voller Erinnerung an Zuhause, doch mein ICH war gefangen in unzähligen irdischen Mauern, Schutzwällen, Krusten, die ich mir zum Schutz - vor was auch immer- aufgebaut hatte.
Ganz langsam bekam ich eine Ahnung von all den Dingen dieser Welt und hatte die Idee, dass ich selbst der Schlüssel sein musste, der Schlüssel zu meiner Quelle. Nun war ich wieder ganz aufgeregt. Ging da nicht gerade ein kleines Türchen für mich auf, hinter dem ich mich so sehen konnte, wie ich gedacht war ???
Ich hatte diesen EINEN Schritt getan, wo es kein Zurück mehr gab, und ich stellte mich der Aufgabe, mich Stück für Stück von meinen ganzen Krusten zu befreien.
Das wunderbarste Werkzeug das ich fand, war die Liebe. Ich war mir ganz sicher, mit Liebe weiche ich alles auf. Ich hab geliebt und verteilt und verschenkt, und irgendwann habe ich enttäuscht festgestellt, dass sich gar nichts so recht aufweichte, nicht wirklich. Das warf mich erneut zurück. Doch wieder hatte ich Helfer, Freunde und Bücher, Gespräche, und irgendwann wusste ich, ERST MAL MUSSTE ICH MICH SELBST LIEBEN!
Das war eine Erkenntnis! Ich habe mich selbst ausgehungert, während ich die Welt um mich herum dick und rund fütterte.
Viele Jahre habe ich gebraucht, um mich zu befreien.
Noch sind kleine Krusten da, hinter den Ohren, in der Kniekehle, an den Fingern, überall da, wo sie sich besonders hartnäckig angehaftet haben. Aber sie machen mir keine Angst mehr.
© Niobe 58