.... Fortsetzung
Die Frau kann nicht einschlafen, sondern wälzte sich von einer Seite auf die andere. Dabei ist sie erst um Mitternacht ins Bett gegangen. Inzwischen ist es 03:00 Uhr und jetzt steht sie auf und geht auf den Balkon. Sie hatte versuchte zu lesen, konnte sich aber nicht konzentrieren, stand wieder auf. Sie brauchte frische Luft.
Es hat aufgehört zu schneien. Der Schnee bedeckt die Büsche in den Blumenkästen, den Tisch, die Sessel. Die Weihnachtsbeleuchtung verzaubert alles, es sieht aus wie in einem Märchen. Sie sieht es, schaut hinauf in den Himmel und zum Mond, der durch die Wolken scheint. Sie sieht es und ihre Gedanken gehen zurück.
Wie oft haben wir hier zusammen gesessen. Wie es dir wohl jetzt geht? Warum willst du dich entscheiden? Wir lieben uns doch auch so, wir müssen nicht zusammen ziehen. Welche Konsequenzen hätte das alles. Du möchtest deine Familie verlassen, dabei brauchst du sie so sehr. Nein, das darf nicht sein. Du würdest vielleicht sogar deine Arbeit verlieren, bloß nicht. Du hast doch dein ganzes Leben noch vor dir, du kannst dich doch nicht an mich, einer alten Frau binden. Deine Tochter weiß zwar von unserer Liebe, meine Kinder wissen es auch, aber trotzdem. Ich kenne deine Tochter nicht und meine Kinder kennen auch nur dein Bild. Bitte mein Liebster entscheide dich nicht für mich.
Weihnachten bist du nun mit der ganzen Familie an die Nordsee gefahren. Du brauchst diese Einsamkeit dort, die Strandspaziergänge mit deinem Hund, und dir den Wind durch die Haare fegen lassen.
> Mein lieber Engel, bitte hilft ihm, dass er eine richtige Entscheidung fällt. Er darf seine Familie nicht verlassen. <
Aber hast du die Kraft, mich dann trotzdem zu sehen, zu mir zu kommen und mich zu lieben? Wird es dir nicht zu schwer fallen? Wirst du dich nicht damit quälen? Nein, du darfst auf mich keine Rücksicht nehmen. Ich will nicht, dass du dich quälst.
Wie du wohl das Fest verbracht hast? Ich hatte dir eine MMS mit einem Bild der verschneiten Heide geschickt, aber du hast nicht geantwortet. Ob du es bekommen hast?
Es hatte wehgetan, keine Nachricht von dir zum Fest zu bekommen. Und so wusste ich plötzlich, es ist zu Ende. Weinend bin ich dann in der Heide herum gelaufen, ich dachte, ich schaffe es nicht.
Ich breite meine Arme aus,
und schaue hinauf in den Himmel.
Ihr Engel helft aus dem Tal heraus,
heraus aus dem Weltengetümmel.
Ihr kennt den Grund, wisst was ich verlor,
was in meinem Herzen geborgen war.
Lasst mich neu leben, noch scheu ich davor,
wird die Zukunft wirklich hell und klar?
Kann ich wieder Vertrauen lernen,
kann ich mich wieder geborgen fühlen,
ohne im Herzen missbraucht zu werden,
ohne Angst, man will nur mit mir spielen?
Nein, anrufen werde ich nicht, wer weiß warum du dich nicht bei mir meldet. Ich glaube du hast dich für die Familie entschieden. Das wäre gut, aber trotzdem könntest du es mir mitteilen. Du bist doch schon drei Tage zu Hause und morgen fängt deine Arbeit wieder an. Mein Herz tut mir so weh, ich habe ein ganz komisches Gefühl.
> Bitte mein Engel, ich möchte eine Nachricht von ihm bekommen. <
Die Frau geht hinein, setzt sich in den Sessel und nimmt abermals das Buch in die Hand. Dann steht sie wieder auf und legt eine CD in den Recorder.
Wie oft haben wir hier gesessen und diese Musik gehört. Ich weiß noch, wie ich dich einmal überrascht habe, als ich sagte wir wollen heute mal einen ägyptischen Abend machen. Du wusstest nicht was ich meinte, aber ich sagte nur: lass es einfach auf dich zukommen. Welch ein wunderbarer Tag war das. Erst der Spaziergang an der Ruhr, danach den Besuch bei meiner Freundin Ruth. Nach Hause gekommen, hatte ich schon alles vorbereitet. Du stauntest über die Tischdeko, aber es sollte ja auch alles passen. Dann machtest du es dir auf dem Sofa gemütlich, während ich in der Küche schnell die restlichen Dinge erledigte. Nein, helfen lassen wollte ich mir nicht. Es sollte ja eine Überraschung werden. Und die war es dann auch. Du kanntest die Speisen nicht, doch es schmeckte auch dir gut, du meintest sogar: ganz phantastisch.
Dabei war es schnell gemacht, alles Sachen die ich gut vorbereiten konnte. Die Tomatensuppe mit Ingwer, Feta und Knoblauch, die gebratenen Auberginen mit Knoblauchsoße und Petersilie; die gebratenen Zucchini in Joghurtsoße und Minze und das Hähnchen zu dem Nussreis mit dem Hack, den Pistazien, Pinienkernen, Erbsen und den anderen Gewürzen. Dann der Nachtisch „Umm Ali“, bei dem du meintest er würde sehr lecker und süß schmecken, aber ich wäre süßer im Geschmack. Der Höhepunkt dieses Abends dann mein Tanz für dich. Damit hattest du nun absolut nicht gerechnet. Wie deine Augen strahlten, als du mich tanzen sahst, wie ein Ertrinkender rissest du mich danach in deine Arme. Das war mein Geschenk für dich, bevor du in den Urlaub fuhrst und ich zu meiner Tochter.
Ja, schön war es damals, ich konnte mich dir ganz hingeben, mich fallen lassen, und einen Höhepunkt nach dem anderen erleben. Ich weiß nicht wie du das angestellt hast, aber du konnte das. Ich sehe dich vor mir, welch ein wunderschöner Körper. Da konnte ich doch nicht anders als mich vor dich hinknien um deine Männlichkeit zu liebkosen. Ja, du hast es auch genossen, genau wie ich. Und deine Sahne schmeckte ebenso so süß wie der Nachtisch. Vier Wochen ist das jetzt her. Vier lange Wochen und ich weiß jetzt, merke es, ich werde dich nie mehr wiedersehen. Ich fühle es. Spätestens morgen werde ich eine Mail von dir bekommen oder du wirst mich anrufen.
Damals, als du im Ausland warst, da hatte ich auch nur wenige Mails bekommen, aber es war anders. Ich fühlte, wenn du an mich dachtest, und betete um Kraft für dich. Ich hoffe, dass es dir noch recht lange gut geht. Deine Krankheit nur ganz langsam voran schreitet. Ach, ich wünschte, ich könnte dir mein Leben schenken. Komisch, jetzt auf einmal ist es wie verhext. Von Willi bekam ich gestern Post und er schrieb mir, dass er jetzt das Ergebnis der Untersuchungen bekommen hat, er hätte Parkinson. Das ist dann schon der zweite Fall in kurzer Zeit den ich kenne. Für Willi ist es sicherlich schlimm, er hat keine Familie, aber dafür ist er schon wesentlich älter, auch lebt er seit Jahren in einem Heim, und er ist keine 43 Jahre alt. Ach mein Liebster, wenn ich nur wüsste wie es dir geht. Oder hast du einen neuen Schub bekommen? Hoffentlich nicht.
Die Frau steht wieder auf, schaltet den Recorder aus und geht ins Schlafzimmer, zieht den Morgenmantel aus. Sie geht ins Bad, und betrachtet sich im Spiegel.
Wie du meinen Bauchnabelpiercing bewundert hast. Du wirst es nie mehr sehen, dass weiß ich jetzt, ……… ich spüre es. Ich könnte nur noch weinen, aber nein, es würde doch auch nichts bringen. Diese Tränen, eigentlich sollte ich mich ausweinen, dann geht es mir hinterher sicherlich besser. Blöde Tränen, laufen einfach von alleine, warum kann ich mich nicht beherrschen? Wie gut, dass du mein Liebster nichts davon weißt. Ich gehe jetzt wieder ins Bett, jetzt müsste es mit dem Schlaf doch klappen, ich bin hundemüde.
Mein Liebster
Ich liege im Bett und denke an dich
Gedanken geh’n auf die Reise zu dir,
Im Zimmer ist es dunkel um mich,
Denn du bist dort und nicht bei mir.
Und plötzlich scheint der Mond ins Zimmer,
Beleuchtet an der Wand Dein Bild,
Seh’ morgens und des abends immer
Dich an, --- und meine Sehnsucht ist gestillt!
Ich träum’ mich oft in Deine Arme,
Spür’ Hände, die so zärtlich sind,
Schmeck’ deine Küsse, oh ihr Engel erbarmt’
Euch, - dass wir glücklich sind.
Wie sind getrennt und doch vereint,
Wir spüren wie es in uns brennt,
Wir sind verbunden wie es scheint,
Es darf nichts geben das uns trennt.
So hebe ich nun meine Hände
Erbitte Kraft auf unserm Weg,
Wir möchten bis zum Lebensende
Zusammen bleiben, wenn es geht.
Bin Dankbar dafür dass wir leben,
Wir immer an den Andern denken,
Und diese Liebe nun erleben.
Könnt’ ich Dir doch mein Leben schenken
Als die Frau um 07:00 Uhr aufsteht, findet sie seine Mail in ihrem Postfach vor.
Sie hatte ihre Liebe, ihre ganze Kraft ihrem Liebsten gegeben.
Nun hat sie keine Tränen mehr, doch in ihrem Herzen bleibt die Liebe zu ihrem Liebsten.
Meine Tränen sind versiegt,
geblieben sind keine Träume.
Ich habe meine Erwartung besiegt,
geblieben sind leere Räume.
Ich könnte sie mit Hoffnung füllen,
wie wird es sein im nächsten Jahr,
und meine Sehnsucht damit stillen,
doch es ist vorbei was einmal war.
Aber so schnell kann man Nichts überwinden,
alles braucht Kraft und alles braucht Zeit.
Am Horizont das Licht wieder zu finden
dauert hoffentlich keine Ewigkeit.
Ich träumte von einem Leben zu zweit,
nach 40 Jahren durfte ich noch einmal „lieben“,
doch die Realität war unendlich weit.
Und wo ist nun mein Traum geblieben?
Wo ist meine Hoffnung geblieben?
Ich habe keine Gefühle mehr.
Kann ich überhaupt noch einmal „lieben“?
Mir ist so kalt, mein Herz so schwer.
Ich war auf dem Gipfel und schaute glücklich hinab
Doch wie schnell rutschte ich runter, fast bis ins Grab.
Unten angekommen war mein Herz so schwer,
ich wurde innerlich so kalt und so leer.
Ich habe geliebt, gelitten, war glücklich,
ich habe versucht ein Engel zu sein.
Erzog meine Kinder streng unerbittlich,
sie sind in der Welt, nun bin ich allein.
So muss es sein am Lebens Ende.
Ich schaue zurück was einmal war.
Geb’ meine Seele zurück in die Hände,
zu IHM, der immer sein wird, und immer war.
Winterbalkon