Ok, ok! Der Rest, selber schuld.
"Mein König" hörte ich sogleich eine Stimme und erschrak zuerst, wie ihr Euch wohl denken könnt, denn erst beim zweiten Blick sah ich mich vor Euch stehen, wie jetzt auch und zu Euch sprechen."
Regulo richtete sich auf, nahm einen tiefen Atemzug und schaute dem König in die Augen.
"Die nächsten Worte kennt ihr ja schon. So werde ich da beginnen, wo ich gleichzeitig Zuhörer war und plötzlich in der Haut des Drachen steckte, aus seinen Augen sah und tief in einer Höhle saß, zusammen mit unzähligen anderen Drachen jeder Farbe und Grösse sowie jeden Alters.
"Und was sollen wir nun tun?" Hörte ich mich fragen.
"Wir kennen ja wohl diese Zweibeiner und ihre Angst vor Veränderung jeglicher Art. und deshalb auch die Angst vor Unsereins ; darum ordnen sie uns ja der Unterwelt, dem Bösen zu."
"Wir wollen endlich mal wieder nach draußen" riefen einige offensichtlich jüngere Exemplare, die für mich sofort an ihren helleren Farben und der Unruhe ihrer Flügel zu erkennen waren.
"Es ist ein Wunder,* riefen einige Ältere, "dass unsere Kinder überhaupt noch fliegen lernen, wenn sie den größten Teil ihrer Jugend in den Höhlen verbringen müssen.“
Eine unheilvolle Stimmung, der Unmut von vielen Jahrhunderten lief Gefahr, sich Bahn zu brechen."
Hört mir zu" ließ sich jetz eine zwar leise, aber unheimlich tiefe volle Stimme vernehmen.
Sie kam vom hinteren Ende der Höhle und der Drache, von dem dies kam, war zwar wohl wegen seines Alters klein und so dunkel, ja schon fast schwarz, dass man ihn nur anhand seiner glühenden Augen und seiner Stimme erkennen konnte, doch breitete sich augenblicklich eine ehrfürchtige Stille in der Dunkelheit aus, die nicht einmal von dem Schnauben der Licht spendenden Fackeldrachen gestört wurde.
"Vor vielen Jahrhunderten, als ich noch ein junger vor Kraft und Lebenslust strotzender ungeduldiger Zeitgenosse war und wir Drachen noch ein zwar beängstigender aber gewohnter Anblick für unsere zweibeinigen Brüder und Schwestern , ließ ich mich, trotz der Warnungen der Älteren immer wieder auf dieses schwachsinnige Spiel mit der Gier der Menschen ein. Aus dieser Zeit habe ich so manche Wunde davongetragen und glücklicherweise hat keiner dieser kurzsichtigen Helden namens Ritter je bemerkt, dass sein vermeintlich tödlicher Schlag nie die Folgen hatte, die er dem Anschein nach vermutete. Keiner von ihnen hat glücklicherweise je mein Herz getroffen sondern, ohne nachzusehen, sich sofort mit dem Schatz oder dem jungen Fräulein aus dem Staub gemacht, wenn ich die Flügel streckte und regungslos da lag.
Nun, diesen Sport gibt es glücklicherweise heute nicht mehr, denn als die Menschen begannen, uns Körperteile abzuschneiden, um sich mit dieser Trophäe zu brüsten, haben wir beschlossen, diesen zugegebenermaßen reizvollen Sport aufzugeben. Da nun einige von uns sich gezwungen sahen, sich ernsthaft zu wehren,
hätte uns das erst recht in den Augen der Menschen zu Bestien gemacht. Nun, was ich eigentlich sagen wolte: Damals hatte ich eine Begegnung mit einem von ihnen, die für mich hätte verhängnisvoll enden können. eigentlich müssen, denn ich hatte ihm ordentlich zugesetzt. All seine Haare waren schon verbrannt , seine Rüstung verbeult, wie ein alter Topf und seine Prinzessin schrie, wohl mehr aus Angst um ihn, wie um sich selbst, als ob ihr jemand gerade die Haut abzöge.
Es war, " er lächelte und ein kleines Flämmchen erhellte seine Schnauze,"
Es war eigentlich ein Riesenspaß für mich jungen Drachen. Wenn nicht dieser Stein von der Höhlendecke herab gestürzt wäre und mich aus dem Gleichgewicht gebracht hätte. So fiel ich auf die Seite und bot ihm meine ungeschützte Brust. Nun ich muss wohl irgendwie plötzlich so verdutzt und hilflos und auch ängstlich ausgesehen haben, als ich so auf dem Rücken lag wie ein Käfer und mit den Beinen strampelte, dass er inne hielt, sein zum tödlichen Stich erhobenes Schwert sinken ließ und mir erstaunt in die Augen sah. Dann, nach schier ewiger Zeit, in der sich zwischen unseren Augen eine unglaubliche Tiefe offenbarte, ich seine innersten Gefühle, so wie er wohl meine fast körperlich gespürt hatte, riss er sich nach einem scheuen Lächeln los, nahm seine Prinzessin an der Hand und ließ mich unversehrt in der Höhle zurück.
Danach, ich denke, ihr versteht das, fand auch ich an diesem Spiel keinen Gefallen mehr und unterstützte die Alten und Weisen in ihrem Bestreben. Da ich damals noch nicht den Respekt des Alters, noch die Gabe der überzeugenden Sprache besaß, wurde ich von meinen Altersgenossen als Verräter gesehen und hatte eine verhältnismäßig schwere Zeit .Wenn ich auch noch heute zum Vebot des Ritterspieles stehe, so sehe ich doch auch, dass dieser Zustand des Rückzugs unseren Kindern, und nachdem ich ins Innerste eines Menschen schauen durfte, glaube ich auch, den Menschenkindern, nicht gut tut.
deshalb schlage ich vor, einen menschen zu suchen, der sich nicht schon beim Anblick unsereins in die Hosen macht und glaubt am Eingang zur Hölle zu stehen. Diesen sollten wir dann schonend auf seine Aufgabe vorbereiten, die darin bestünde, den Menschen unser Anliegen vorzutragen und damit wieder eine Versöhnung und Annäherung unserer Welten möglich zu machen."
Damit endete der Alte und schloss, ob so langer Rede sichtlich erschöpft, seine Augen, womit er wegen seiner Farbe nahezu unsichtbar ward.
Das Erste, was ich nun vernahm, waren der Schlag der Drachenkinderschwänze auf dem Höhlenboden. Das war ein untrügliches Zeichen ihrer Müdigkeit. Denn so, wie Menschenkinder sich die Nase oder Augen reiben, wenn sie müde werden, schlagen die Schwänze von Drachenkindern unruhig auf den Boden.
"Ich glaube, ich kenne solch einen Menschen," erhob jetzt eine Drachenmutter mit fünf kleinen Drachensprösslingen um sich herum ihre Stimme. Mein Jüngster, trotz seiner Jugend von gerade mal 275 Jahren der mutigste und frechste meiner Kinder, Gott, was kostet er mich Nerven, also Virgili hat mich vor drei Monden wieder einmal in schlimmste ängste versetzt. Ihr kennt ihn und seine spontanen Einfälle. ES ist ja ein Wunder, dass noch nie etwas passiert ist. Nun, er hatte sich wieder einmal davongeschlichen, als ich auf Futtersuche war. Am hellichten Tage, stellt euch das vor. So ein Leichtsinn!“
Tadelnd sah sie auf ihren Sohn herab und seufzte.
"Nun, vielleicht hatte es diesmal ja sogar einen positiven Effekt, denn als ich nach stundenlanger, erfolgloser Suche wieder ins Nest zurückkehrte, lag er da, friedlich neben seinen Geschwistern und schlief. Ratet mal, was unter seinem Flügel hervorkam, als ich das Futter verteilte. Ihr werdet es nicht glauben - ein Menschenkind!
Dass es erschrak und wohl noch mehr zu zittern begann, als es der Kälte wegen sowieso schon tat, könnt ihr euch sicher vorstellen. Ich tat das ,was wir mit Menschen immer in solch einer Situation tun. Ich nutze die hypnotische Kraft meiner Augen und schenkte ihm eine Vision, die ihn wieder mit seinem Innersten verband und schickte meinen ungezogenen Sohn mit ihm nach kurzem Schlaf wieder dorthin zurück, wo er ihn aufgefunden hatte.
Ich hatte diesen Vorfall ja schon vergessen, doch erinnere ich mich jetzt wieder genau an mein Erstaunen, dass dieser Jüngling mich nach kürzester Zeit, statt mit der sonst üblichen Todesangst, mit großen neugierigen Augen betrachtete.Auch begann er während der Vision richtig glücklich zu strahlen. So etwas hatte ich vorher an Menschen noch nie beobachten können." Diesmal lächelte sie ihren Sohn liebevoll an, der nun vor Stolz ganz aufgeregt mit den kleinen Flügeln zu schlagen begonnen hatte.
"Vielleicht könnte das der Botschafter für uns bei den Menschen werden."
Regulo unterbrach für einen Moment und erbat sich ein Glas Wasser für seine nun trochenen Lippen. Seiner Bitte wurde sofort entsprochen und nachdem er genüsslich einige Schlucke genommen hatte, fuhr er mit fester Stimme fort.
"Die Versammlung löste sich nun auf, wohl, weil die Mütter ihre Kleinen zum Schlafen bringen wollten. Es gingen Jedoch nicht alle.
Ein kleiner Kreis blieb in der Höhle und besprach das weitere Vorgehen. Leider war mein, wie soll ich sagen, Gastgeber, durch dessen Augen und Ohren ich dieser wunderlichen Situation beiwohnen durfte, von weither angereist und so fielen ihm immer wieder die Augen zu. Doch auch so konnte ich das ein oder andere für uns Wichtige aufschnappen. Ein dunkelroter Drache, der von Innen heraus zu leuchten schien, wie ein von Kerzenlicht beschienener Kelch besten Burgunds und, wie mir schien ein Medizinkundiger, erzählte von einer Fleckwurz, die bei Menschenjungen für etwa zwei Monde zu Flecken am Körper und Zucken der Muskulatur, sowie zeitweise verschobener Wahrnehmung führen könne. Dies wäre zwar für den Beobachter äußerst rätselhaft und beängstigend, würde ihnen jedoch keineswegs zum Nachteil gereichen. es würde vielmehr nach überstandener Krankheit wie eine Stärkung wirken, die den Genesenen für lange Zeit die Fähigkeit gäbe, alle Krankheitserreger abzuwehren und darüber hinaus eine überraschende Klarheit der Gefühle und des Geistes bewirken."
Hier hörte man ein erleichtertes Aufatmen, sowie Rufe des Erstaunens im Regentensaale, die jedoch sofort wieder verstummten, als Regulo weitersprach.
"Das nächste, was ich vernahm, waren Gesprächsfetzen einer Gruppe von jugendlich wirkenden Drachen, die sich lebhaft darüber ausließen, welch Spass man bei Feiern mit den Zweibeinern haben könnte. Von Feuerwerken und neuerlichen Ritterspielen, Mutproben , Drachenreisen und vielem mehr, das ich ob dem begeisterten Durcheinanderreden nicht verstand, war die Rede. Einige ältere Drachen meinten, dass sie die Begeisterung der Jungen wohl zu teilen wüssten, doch gaben zu bedenken, dass es wohl ratsam wäre, die Menschen ob der Jahrhunderte währenden Unfähigkeit, die Welt der Drachen wahrzunehmen, diese erst einmal durch masken und Rollenspiele an ihren Anblick zu gewöhnen. Sowieso sei es zweifelhaft, ob es den Menschen je wieder gelänge, die Welten zu wechseln, sie wahrzunehmen ohne Schaden zu nehmen. Gerade, weil sie es sich nach und nach zur Gewohnheit gemacht hätten, alle ungeliebten, beängstigenden Gefühle in die Drachenwelt hinein zu projizieren. Zuerst einmal müssten sie sich wohl mit diesen Gefühlen anfreunden und sie zu meistern lernen. und wer wisse schon, ob sie dazu bereit seien.
Enttäuscht schnaubten die Jungen, sahen sich in ihrem Enthusiasmus ausgebremst, Doch als der dunkle Alte nun wieder die Augen öffnete und einwand, dass auch die Drachen einiges ihrer unerledigten Dinge in die Menschenwelt hineinwirken ließen und nun wohl der Zeitpunkt gekommen sei, dem Mut und der Besonnenheit der Zweibeiner eine Chance zu geben, und dass sie mit einigen Vorsichtsmaßnahmen der Drachenenergie wohl gewachsen wären. Da beruhigten die jungen Drachen sich schnell wieder und gelobten sich uns Zweibeinern zuerst nur wohldosiert und vorerst im Reich der Phantasie und der Ideen zu zeigen.
Hier schlief mein Drache endgültig ein und ich vernahm wieder das Rauschen des Wasserfalls und das Klopfen eines Buntspechts über mir.
Kurz darauf machte ich mich von einer plötzlichen Unruhe getrieben schnell auf den Weg nach meiner Herberge, wo mich Eure Boten schon erwarteten. Mehr kann ich Euch nicht berichten und es obliegt Euch, mein König und verehrte Gelehrte, nun zu beraten, wie meine Vision zu werten sei und zu entscheiden, was zu tun ist"
Er verbeugte sich und sandte der Prinzessin ein kurzes Lächeln.
Ergriffenheit, ja Erleichterung hatte sich im Saale breitgemacht und es dauerte einige Minuten, bis der König sich erhob.
"Mein Sohn,"er schaute Regulo nun ruhig und lange in die Augen.
"dein Bericht hat uns tief berührt und unsere Angst einer großen Erleichterung Platz gemacht. Das alleine ist es schon wert, Euch frohen Herzens die Prüfungen, die ihr um meiner Tochter Hand willen überstehen müsstet, zu erlassen. Fast habe ich den Verdacht, Ihr wäret der Erste, der ihr gewachsen wäre. Doch mahnt mich die Vorsicht, die Achtung vor den Ängsten meiner Untertanen und das Wissen, um die unheilvolle Kraft der enttäuschten Erwartung, obwohl und gerade weil Euch keine Schuld träfe, mit der Vermählung zu warten, bis die Krankheit bei all unseren Kindern der Vergangenheit angehört. Der Zeitpunkt, an dem das letzte Kind seinen ersten gesunden Morgen erlebt, soll der Tag sein an dem die Hochzeit bekannt gegeben wird.
Weiterhin wird es nötig sein, sich um den tieferen Sinn, um das Anliegen der Drachen Gedanken zu machen. Dazu wird der Willen und die Kreativität unseres ganzen Volkes vonnöten sein. Da hoffe ich, Ihr gebt mir und meinen Ratgebern die Ehre, uns bei unseren Beratungen mit eurem Wissen und vielleicht auch als Mittler zu unseren Drachenbrüdern und -schwestern zu unterstützen. Um Euch das zu erleichtern, stehen Euch ab sofort Gemächer in meinem Schloss zur Verfügung. Meine Tochter wird sie Euch wohl gerne zuweisen. Des weiteren glaube ich nun, wenn ich in die Runde blicke, angesichts des unruhigen Sitzes einiger Eurer Zuhörer, dass nicht nur ich mittlerweile meine Aufmerksamkeit anderen überaus wichtigen Bedürfnissen zu zuwenden gezwungen bin.
Ich erwarte Euch nachher bei Tisch, dort können wir alles Weitere besprechen."
Er nickte, erhob sich und verließ eilig den Saal.
Dass auf des Königs weise Regentschaft nun eine weitere folgte, getragen von einem glücklichen Paar und seinem zufriedenen Volk, braucht wohl erst gar nicht erwähnt werden. Was die Entwicklung im Verhältnis der Menschen zur Drachenwelt angeht, ist nur die allseits bekannte Tatsache zu erwähnen, dass, um die Existenz der Drachenwelt auf ewig im Gedächnis der Nachkommen zu verankern, in das Banner des Reichs ein weißer Drache mit roter Flamme eingefügt wurde. Sonst kann ich an dieser Stelle nur sagen, dass es ratsam erscheint, den geneigten Leser zu ermutigen, sich selbst auf den Weg zu machen.
Denn nur der eigene Weg mag ihn ein Verständnis für solch tiefe und mächtige Vorgänge zu ermöglichen.
Und Eines noch: Nur Mut!
Denn bisher wurdem jedem, der nur den ersten Schritt auf seinem Weg gewagt, eine Fülle von wertvollen Hinweisen und wohlwollender Rat zuteil.
Aus den wundersamen Berichten
von
Regulo Kasil Steinbrecher, Botschafter der Drachen