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It’s the Law

It’s the Law
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Es begab sich zu einer Zeit, in der ich relativ jung war, dass ich einen Urlaub in United States of Amerika verbrachte. Mittelwesten bis Süden. Gelandet in Atlanta, nach acht Stunden Flug. Ein Flug übrigens, den ich nur ertrug, weil in der Boing 747 Monitore hingen, auf denen seinerzeit Flughöhe, Geschwindigkeit und die momentane Position der Maschine angezeigt wurden.

Ich hatte dennoch die gesamten Alkoholvorräte des Flugzeuge leer gesoffen. Weil sich neben meiner Höhenangst auch eine tiefsitzende Flugangst zu erkennen gegeben hatte. Die totale Vernebelung meiner Sinne half mir, wenigstens vier Stunden zu schlafen und die anderen vier Stunden nicht ununterbrochen zu schreien.

In Atlanta angekommen – es war Sonntag – vergraulte ich das Shuttle zu unserem Hotel durch meine alkoholbedingt schlecht Aussprache. Gleichzeitig fühlte ich mich, wieder am Boden, genötigt, die Dinge in die Wege zu leiten. Wir kamen dennoch in unserem Hotel an und ich wusste: Ich brauche ein Bier.

Gott hat den Amerikanern erlaubt, am Sonntag Supermärkte zu öffnen. Was ein Jubel! Wir kauften Joghurt, Schnittlauch, Toastbrot, Butter und Käse. Und eine Palette Budweiser. Also das einzige Bier, dass mir hier vertrauenerweckend erschien. Und in meiner beginnenden Nüchternheit sehnte ich mich danach, ich gebe es zu.

An der Kasse wurde alles durchgezogen. Nur das Bier nicht. Das wurde nebenan auf ein geschlossenes Kassenband gelegt. Ich war erfreut – wie zuvorkommend! Ich sprang um die Kasse herum, ergriff die schwere Palette und fand mich unversehens von zwei ziemlich großen Sicherheitstypen umringt.

Einer herrschte mich an „It’s the Law“, und ich lächelte freundlich. Was immer der wollte. Doch es gelang mir nicht, ihm die dargebotene Palette Budweiser zu entreißen. Fast wollte ich an einen Marketing-Gag glauben: Ich zerrte, er hielt dagegen, wiederholte gebetsmühlenartig „It’s the Law.“

Nun, ich war noch halb betrunken vom Flug, daher schnallte ich nichts. Erst, als die reguläre Polizei eintraf und mir in bestem, akzentfreien Amerikanisch erklärte, dass mir die Palette Budweiser an einem Sonntag nicht verkauft werden dürfe und die beiden Sicherheitsleute deshalb einen solchen Aufruhr verursacht hatten, begriff ich: „It’s the Law“ hieß einfach: „Das ist Gesetz!“

Na, was war ich froh! Ich fragte dann die Beamten, welchen Ursprung dieses Gesetz hatte und was es denn bewirken oder verhindern sollte – so als Europäer interessiert man sich ja für die minderbemittelten Kulturen - wieso wäre ein Sonntag ungeeignet, Alkohol zu erwerben? Eine Frage, die mich brennend interessierte. Und nicht, weil ich btroffen war. Die Antwort war allerdings erstaunlich. Sie lautete ganz simpel: „It‘s the Law.“

Aha, dachte ich mir: Hier in Atlanta – tiefste Südstaaten, ergo tiefste Verblödung – wird halt das Gesetz mit dem Gesetz und nicht mit plausiblen Gründen erklärt. Naja, wir waren auf dem Weg nach Alabama und hofften, dass es dort besser würde.

In der Tat landeten wir um zirka 00:38 Uhr – bereits im Bundesstaat Alabama – in einem Nest, wie man es aus typisch amerikanischen Filmen kennt. Über der Haupt-Durchgangsstraße hängt eine Ampel, die um diese Uhrzeit aber abgeschaltet ist, und Mesquite-Büsche werden vom Wind über die Straße getrieben. Aber es gibt City Limits obwohl alles schläft. Das ist wichtig, all over USA. Die Bullen da hängen zu jeder Uhrzeit an jeder Ecke, um Temposünder zu entdecken.

Der Ort zog sich in die Länge. Ein echtes Verkehrshindernis. Doch endlich, ganz am Ende, die letzten Häuser waren schon verblasst: Eine Nachttankstelle! Hurra!

Wir ran, raus – nein, tanken mussten wir noch gar nicht. Aber in dem Kühlschrank am Tresen glitzerten mehrere Halbliterdosen Budweiser! Ich griff mir drei von ihnen, postierte sie vor den weißhaarigen Farbigen, der wohl gerade Dienst hatte. Er stellte sie mit einer entnervenden Ruhe zurück in den Cooler, begleitet von den Worten: „It’s the Law.“

Immerhin war er bereit uns zu erklären, dass „the Law“ bis fünf Uhr früh galt. Welchen Sinn das haben sollte, wusste er aber auch nicht. Ich verlegte mich aufs Verhandeln. Erläuterte ihm, dass wir Touristen aus Germany seien. Und echt niemandem weiter erzählen würden, wenn er mal kurz Gesetz Gesetz sein lassen würde. Und dass wir eh auf der Seite der unterdrückten Minderheiten seien. Neger, Indianer uns so weiter. Und ob er er nicht mal ein Auge zudrücken könne und mir wenigstens einen halben Liter Budweiser mitgeben? Wenn ich noch etwas drauflege?

Dieser Mann, dessen Vorfahren als Sklaven gehalten wurden, und dessen spätere Vorfahren noch jahrhundertelang unterdrückt worden waren, der wahrscheinlich noch heute in diesem Scheiß-Südstaaten-Nest keinen einzigen weißen Freund hatte und dem ich all meine europäische Solidarität offeriert hatte, antwortete lediglich mit „It’s the Law.“

Meine weiteren Versuche, wenigstens den Sinn dieser Gesetzgebung, der ich mich so grausam unterworfen sah, zu ergründen, begegnete er mit der Drohung, den Sheriff zu rufen. Also fuhren wir weiter. Am Montagmorgen, um 05:02 Uhr Ortszeit konnte ich in Ft. Rucker, Alabama, an einer Tankstelle ein Bier kaufen. Aber da hatte ich inzwischen mehr Lust auf einen Kaffee.

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Auf unserer Reise landeten wir in einem Motel, direkt am Highway. Eine kleine, praktische Anlage: Rechts die Zimmer, links der Pool. Lediglich zehn Meter trennten die Hotelanlage vom Schwimmparadies, das von einem hohen Drahtzaun umgeben war.

Meine Frau und ich frühstückten ausgiebig, gingen dann auf unser Zimmer, zogen unsere Badeklamotten an – sie Bikini, ich Badehose – und machten uns auf den Weg zum Pool. Auf halbem Weg trat uns der Betreiber entgegen, mit hocherhobener Hand. Wir müssten Bademäntel tragen, bis wir am Pool – also hinter dem durchsichtigen Zaun – angekommen seien. Natürlich kamen wir seiner Aufforderung nach. Schlichen zurück ins Zimmer, zogen uns für die zehn Meter über brütenden Asphalt bei 43 Grad Außentemperatur lange Bademäntel über, nur um sie hinter dem Drahtzaun wieder auszuziehen, und zu recht fragte mich meine Gattin, wozu das gut sein solle.

So wandte ich mich Nachmittags mit genau dieser Frage an den Motelbetreiber, der allerdings recht unwirsch reagierte und mich mit einer knappen Aussage stehen ließ: „It’s the Law.“ Ich machte mich unbeliebt, weil ich nun gerne gewusst hätte, wovor dieses Gesetz wen schützen sollte – das schien aber niemandem mehr bekannt zu sein. Mit „It’s the Law“ waren die Mittelwestler und Südstaatler offenbar befriedigt genug, um sich sklavisch an alles zu halten und nichts in Frage zu stellen.

Wir waren froh, als wir im Freistaat Texas ankamen. Wie wir wussten, waren Schusswaffen in Bars zwar erlaubt, aber es würde eine Viertelmillion Dollar Strafe kosten, sie gemeinsam mit Munition an einen Ort zu bringen, an dem Alkohol ausgeschenkt wurde, sofern jemandem ein körperlicher Schaden zugefügt würde. Eine vernünftige Regelung, wie wir fanden. Außerdem hatten wir keine Schusswaffen bei uns.

Am Golf von Mexiko allerdings fiel uns ein großes Schild auf, das „Pneumatics prohibited“ deklarierte. Gleich daneben gab es einen Verkaufsstand, der Schwimmhilfen aus Störopor anbot. Mein europäisches Herz war geweckt und ich sprach den ersten Strandwächter darauf an, dessen ich habhaft werden konnte. „It’s the Law“, war seine Antwort. Als ich nachfragte, was denn der Hintergrund sei – nichts Aufgeblasenenes erlaubt, welche Erfahrungen hatte man damit gemacht, lag es am Salzgehalt des Wassers? – da wurde er richtig unwirsch.

Grob, beinahe körperlich. Ich hatte den Ernst der Lage noch gar nicht erkannt, ich lächelte und sagte ihm in bestem Englisch, dass ich einfach verstehen wolle. Er dagegen hatte erstens keine Erklärung und fühlte sich zweitens in seinem Selbstverständnis angegriffen. Seit Jahren hatte er einfach nachgebetet, was man ihm gesagt hatte, ohne es je in Frage zu stellen. Und nun kam jemand, der eine Erklärung wollte? Das musste in seinen Augen reine Blasphemie sein.

Nun, ich kam ohne Schläge davon. Aber schön wurde der Nachmittag am Strand von Galveston nicht mehr, weil wir alle Augenblicke kontrolliert wurden. Ob unser Parkticket stimmte. Ob wir die richtigen Sachen dabei hatten. Ob unsere Kleidung passte. Und so weiter.

Naja, wir galten als Systemschädlinge, damals, 1992 in den USA. Deutsche, die nachfragen. Die nicht jeden Scheiß als gegeben hinnehmen. Tja, wir sind noch groß geworden in einer Kultur – einer sehr alten Kultur – in der man nachfragt, wenn man etwas nicht versteht. Das gibst du mit einem USA-Visum nicht an der Grenze ab. Das hast du mit der Muttermilch aufgenommen, das steckt in dir drin.

---

Ach Mensch, bei der Gelegenheit. Neulich beim Edeka. Wegen der Wagen. Frag ich die Torwache: „Ist das nicht eher ansteckungsfördernd, wenn wir gezwungen werden, einen Einkaufswagen zu nehmen? Jeder vor uns kann doch infiziert gewesen sein?“

Glotzt der mich an, beinahe so aggressiv wie der Strandwächter damals am Golf von Mexiko und raunt: „Das ist Vorschrift.“

Jau, denk ich mir „It’s the Law“ auf deutsch. So langsam verblödet man hier auf dem gleichen Niveau wie drüben, übern Teich. Hat mit McDonalds angefangen und endet im Abschalten des Selbstdenkens. It’s the Law.
Me 2
*********ld63 Frau
8.541 Beiträge
Ich war 1993 in Memphis, Alabama, @*********Stein. Und das passt sehr genau zu dem, was ich damals dort so erlebte!! *lol*

Schöne Metaphern! *bravo*
Zitat von IntoTheWild63:
Schöne Metaphern!

Dieser Aussage kann ich mich nur anschließen.

Ich bin nur ein wenig verwirrt, lieber @*********Stein. Eine Diskussion über das Verbot von gewissen Schwimmhilfen ist bei mir hängengeblieben. Kann es sein, dass ich die Geschichte in ähnlicher Form schon mal hier gelesen habe? Bitte hilf mir auf die Sprünge.

Tom (the Sun)
Zitat von **********hesun:
Eine Diskussion über das Verbot von gewissen Schwimmhilfen ist bei mir hängengeblieben. Kann es sein, dass ich die Geschichte in ähnlicher Form schon mal hier gelesen habe? Bitte hilf mir auf die Sprünge.

Die Sache mit den Schwimmhilfen ist tatsächlich schon mindestens einmal von mir "verarbeitet" worden (naja, wirklich verarbeitet habe ich es ja noch nicht, wie man sieht *gg* ), und ich glaube, da gab es dann auch eine Diskussion darüber hier in der KG.

Die obige Geschichte ist allerdings brandneu - jetzt ca. 15 Stunden alt *g*
Fein, dann funktioniert mein Gedächtnis ja doch noch ganz gut.

Also, dann gestatte mir doch bitte mal ein paar Anmerkungen zu deiner Geschichte, an der es m. E. allerhöchstens winzige Nuancen in Frage zu stellen gibt:

alle nachgenannten Zitate sind von @*********Stein


Es begab sich zu einer Zeit, in der ich relativ jung war, dass ich einen Urlaub in United States of Amerika verbrachte.

... absichtlich nicht "den" United States ...


In Atlanta angekommen – es war Sonntag – vergraulte ich das Shuttle zu unserem Hotel durch meine alkoholbedingt schlecht Aussprache.

schlechte


Das ist wichtig, all over USA

same as above ... the?


Die Bullen da hängen zu jeder Uhrzeit an jeder Ecke, um Temposünder zu entdecken.

hängen ... rum?


... das schien aber niemandem mehr bekannt zu sein.

das aber schien ... gefällt mir persönlich besser


... da wurde er richtig unwirsch.

Grob, beinahe körperlich. Ich hatte den Ernst der Lage noch ...


Warum den Absatz nicht nach "körperlich"?


Das musste in seinen Augen reine Blasphemie sein.

mir fehlt aus der Geschichte heraus der Bezug zu dem Begriff "Blasphemie". Gibt es da vielleicht etwas Näheres?


Naja, wir galten als Systemschädlinge, damals, 1992 in den USA. Deutsche, die nachfragen. Die nicht jeden Scheiß als gegeben hinnehmen.

zwischen "nachfragen" und "Die" ein Komma?


Naja, wir galten als Systemschädlinge, damals, 1992 in den USA. Deutsche, die nachfragen. Die nicht jeden Scheiß als gegeben hinnehmen. Tja, wir sind noch groß geworden in einer Kultur – einer sehr alten Kultur – in der man nachfragt, wenn man etwas nicht versteht.

Innerhalb dieses Absatzes zweimal "nachfragen" ... zweites Mal: wissen möchte (will)?


Jeder vor uns kann doch infiziert gewesen sein?“

... sicher nicht ohne "gewesen" da innerhalb der wörtlichen Rede?


Jau, denk ich mir „It’s the Law“ auf deutsch. So langsam verblödet man hier auf dem gleichen Niveau wie drüben, übern Teich. Hat mit McDonalds angefangen und endet im Abschalten des Selbstdenkens. It’s the Law.

... überm?


Vielleicht helfen diese Fragen ja? *frage*

Tom (the Sun)
*****div Frau
7.968 Beiträge
Ich kriege bei einem Wort Magenkrämpfe.
Zitat von *********Stein:
der Schwimmhilfen aus Störopor anbot.
Was bitte? Ist das künstlerische Übertreibung? So schlimm finde ich jetzt Styropor nicht... Vor allem in Zeiten von Corona, schützt vor bösen Aerosolen. *zwinker*
Zitat von *****div:
Ist das künstlerische Übertreibung?

Öhm, nö ... eher ein rechtschreiberischer Totalaussetzer *rotwerd*
Na, wenn die Schwimmhilfen stören, passt das doch *mrgreen*
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