Dunkle Geschichte
Da war sie wieder. Sie war heute besondersclever und
hatte sich gut unter das Gesindel gemischt.
Ja, sie war
sehr raffiniert. Es hatte heute lange
gedauert, bis ich
sie fand.
Da saß sie nun, in dem Wirtshaus, am Ende des
Piers.
Die Gäste, normalerweise eher ein ordinäres
Volk;
Seemänner, die schon seit Jahren das Wasser
nur noch
von Erzählungen kannten, Hafenhuren, die sich
jedem
Leichtmatrosen für ein paar Gulden hingaben.
Kleinkriminelle, die sich hier bei Spielen
und Met
amüsieren und manchmal Gäste, die auf den
nächsten
Morgen warteten, um auf die Reise zu gehen.
Sie war öfter hier und dem Wirt auch nicht
unbekannt.
Sie gab immer gutes Geld, welches für dieses
Haus nicht
immer von Selbstverständlichkeit war.
Manchmal kam sie
fast jede Nacht und dann wieder für Monate
nicht. Dem
Wirt war das egal. Sie machte keinen Ärger,
nahm nur
hin und wieder einen seiner Gäste mit. Sie
sah nicht
aus wie eine Hure, so unschuldig schön, dass
er nicht
glauben konnte, dass sie sich in ihren
Gemächern
verkaufen würde. Manchmal spürte ich sogar
seine
Eifersucht auf die jungen Kerle, denen sie
sich zu
wandte. Ich konnte ihn in diesen Augenblicken
immer gut
verstehen. Ging es mir doch ebenso. Wobei er
ja nicht
ahnen konnte, dass es für ihn, so wie es war,
am Besten
ist.
Dieses Luder, wen hat sie sich denn heute
Abend
ausgesucht? Sie hat wirklich Stil unter dem
ganzen
Gesindel aus Verbrechern, Mördern und
Betrunkenen ein
Opfer auszuwählen, welches ihrer würdig sein
konnte. Er
sieht ein bisschen aus, wie ein Kaufmann, der
weit
gereist und nur unfreiwillig zum
Zwischenstopp hier
gezwungen wurde. Er war ein brillanter
Geschichtenerzähler und die Gefolgschaft hing
an seinen
Lippen. Sie saß nur einen Tisch weiter davon
entfernt.
So, dass sie alles in ihrem Blick hatte aber
nur er sie
eindeutig wahrnehmen konnte.
Ich saß, wie immer vorne beim Wirt. Von hier
hatte ich
den Besten Überblick über das Geschehen ohne
selbst
bemerkt zu werden. Er war ein guter Wirt, er
ließ mich
sitzen ohne Fragen zu stellen.
Sie saß, wie jedesmal einfach nur da und
fixierte ihr
Opfer mit einem unschuldigen Blick und diesem
Lächeln
aus Spott und Unschuld. Es dauerte nicht
lange und er
wurde von ihrer Aura in den Bann gezogen. Er
war
hübsch, eine gute Wahl, dass muss man ihr
lassen. Ich
merkte schon bald, wie er immer unsicherer
wurde und
das Gespräch seinem Gefolge überließ. Er
zögerte noch,
war sich ihrer nicht sicher aber sie gab ihm
eindeutig
zu verstehen, dass es ihr gefiel, wenn er
sich zu ihr
setzte.
Ich trank in dieser Zeit meinen Met und
wandte mich
meinem Tischnachbarn zu. Ein alter Seemann,
mit nur
noch einem Zahn. Armer Kerl, dachte ich,
jedesmal,
wenn ich ihn hier antraf.
Mir war das Spiel, welches sie mit ihren
ahnungslosen
Opfern trieb schon längst bekannt und es
langweilte
mich. Die Menschen, welche sich als so
übergeordnet
intelligent hielten, waren nur Bauern,
gutgläubig,
leichtfertig und dumm. Alle, ausnahmslos
alle, wurden
so ein Opfer ihrer Selbst. Sie hatte wirklich
ein
leichtes Spiel. Eigentlich war es ihr selbst
schon
längst überdrüssig.
Mich widerte das nur an, zu sehen, wie sie
denken, sie
wären ihr überlegen und dabei nicht ahnen,
dass sie nur
noch ein Schatten ihrer selbst sind.
Es dauerte, wie jedesmal, nicht lange und sie
gingen
zusammen in die Nacht. Sie wird mit ihm um
die Häuser
gehen, wird ihn verwirren, indem sie mit ihm
kokettiert, ihn an sich bindet und wieder
abstößt.
Er wird sich aufgefordert fühlen sie zu
besitzen und
wird sie begehren wie niemals eine Frau
zuvor. Ja, der
arme Trottel, er war sich seiner sehr sicher!
Dann, machte ich mich auf den Weg, ihr zu
folgen. Es
war eine dunkle Nacht, die mit dem für London
typischen
Nebel, getränkt war. Ich hatte keine Eile,
denn ich
wusste genau wo sie war. Ihre Aura spürte ich
schon
lange in mir und sie kann keinen Schritt
gehen, ohne
dass ich fühle wo sie ist.
Ich kam zu dem Geschehen, als es gerade zum
Höhepunkt
kam. Er war völlig erstarrt, die Augen weit
aufgerissen
und es stank wie immer nach dem Duft von
Angst. Sie
hatte inzwischen ihre Zähne tief in seinen
Hals
gebohrt.
Es bereitete mir immer diese unsäglich Lust,
wenn ich
diesem Anblick beiwohne. Ich merkte sehr
schnell meine
Erregung und die Begierde sie zu besitzen und
je öfter
ich sie dabei beobachte umso weniger konnte
ich es
unterdrücken.
Es war nicht mehr auszuhalten, es brannte in
meinen
Lenden wie Feuer. Das war heute das letzte
Mal, dass
ich mich so quälte. Denn heute war die Nacht,
in der
ich gekommen war, sie endlich zu mir zu
holen.
Ich werde sie erobern, sie demütigen und sie
wird mich
dabei anflehen und bewundern, hassen und
lieben. Wir
werden uns zu einer Macht vereinen und die
Finsternis
wird sich aus der Dunkelheit in den Tag
erheben. Nur
sie und ich sind dafür mächtig genug. Für
einander
vorbestimmt. Das Schicksal wird besiegelt.
Er winselte nur noch und sie ließ ihn auch
nicht am
Leben, als sie gierig mit ihm fertig war. Das
war
abzusehen, denn er war schwach. Sie
verabscheute
schwache Männer, die um Gnade flehen. Wäre er
Mann
genug gewesen, ihr zu trotzen, dann hätte sie
ihm
vielleicht die Gunst erwiesen, ihn in ihre
Gemächer
einzuladen, damit er ihr dienen konnte.
So aber stoß sie ihn verächtlich zurück, mit
dem
Wissen, dass um diese Zeit niemand den Toten
beachten
würde.
Sie sah wieder so unschuldig und zufrieden
aus. Eine
Zufriedenheit, die allerdings nur von kurzer
und
oberflächlicher Dauer ist. Sie ist eine
Suchende, die
nicht weiß wonach sie eigentlich sucht,
welche
Bestimmung sie hat. Die das Geheimnis nicht
kennt,
welches sie umgibt. Die nicht ahnt, dass sie
schon bald
ihre wahre Zufriedenheit finden wird.
Ich begab mich in Position. Stellte mich an
die Ecke
zur Straße. Dann setzte ich mein spöttisches
Lächel
auf, welches sie sich normalerweise
bemächtigt. Ich sah
sie nur an und sie begann zu ahnen, dass ich
sie bei
ihrem Treiben beobachtet haben musste. Sie
wirkte zum
ersten Mal verunsichert aber dieser Zustand
war nur von
kurzer Dauer. Sie hatte mich als Einer der
Ihren
erkannt.
Sie war es nicht gewohnt, einen der ihr
ebenbürtig oder
sogar überlegen war anzutreffen. Die meisten
unserer
Kreaturen sind arme, verlorene Seelen, die
nur niedrige
Dienste ausführen und dabei über ihr Dasein
fluchen.
Sie war anders, sie war meine Kreatur. Ich
habe sie
erschaffen, um mit ihr wieder eins zu werden.
Sie zögerte nur einen Augenblick, dann kam
sie auf mich
zu und ich packte sie und trug sie in meine
Kutsche.
Ich spürte ihre Zerrissenheit zwischen Angst
und
Erregung. Wir sprachen während der Fahrt kein
Wort. Sie
saß neben mir und ich spürte ihre Aura und
sie meine.
Wir waren einander fremd und doch vertraut
zugleich.
Als ich mit ihr in meinem Schloss angekommen
war,
blickte sie sich erstaunt um. Ich spürte, wie
sie alles
in einem Atemzug in sich aufzog und dabei
ungläubig um
sich schaute. Sie hatte noch nie die
Gelegenheit
Ihresgleichen anzutreffen und war sich nicht
mehr in
ihrer Rolle sicher.
Es machte mir Spaß, sie in ihrer Unsicherheit
zu
beobachten und malte mir aus, wie sie schon
bald ihren
königlichen Stolz hier in meinem Zuhause
ausbreiten
wird.
Ich sah sie an. Wie zerbrechlich sie doch
wirkte. Wie
eine Fee, so engelsgleich und unschuldig.
Dabei wusste
ich genau, wie sie in ihrem Inneren sein
konnte.
Unberechenbar, stark, trotzig, voller Hohn
und
Boshaftigkeit und leer!
Der Weg unserer gemeinsamen Liebe wird durch
Schmerzen
geprägt und durch Wunden, die nie wirklich
heilen
werden. Sie tat mir bei dem Gedanken fast
Leid aber es
musste so sein.
Ich trug sie in mein Verließ.
In diesem Augenblick, in welchem ihr bewusst
wurde, wo
sie sich befindet, entwickelte sie eine
Kraft, die es
mir nur schwer ermöglichte dagegen zu halten.
Sie
schrie um sich und versuchte sich aus meinen
Armen zu
befreien.
Ich liebte ihren Zorn und ihre Wut.
Dann fixierte ich sie, ohne sie dabei
anzusehen, mit
ihrem Gesicht zur Wand an Eisenketten, welche
ich in
jahrelanger Arbeit selbst über dem Feuer
schmiedete. In
den Ketten war Magie, die ich durch meine
unzähligen
Opfer der Nacht aufsog um sie darin
festzuhalten.
Sie in ihrer Wehrlosigkeit zu sehen gab mir
einen
Hochgenuss und einen Ausblick auf das, was
gleich
geschehen würde.
Ich musste sie verletzen, sie quälen und
auspeitschen.
Nur so wird sie mich wiedererkennen. Den Weg
durch den
Schmerz, zwei Monde lang, wird sie es
erdulden müssen.
Sie wird mich hassen, dafür was ich ihr
antue.
Immer wieder werde ich zu ihr hinabsteigen um
sie von
oben bis unten auszupeitschen, ihr tiefe
Wunden zufügen
um sie dann wieder zu heilen und liebkosen.
Ich werde
ihr das Vampirblut aussaugen und sie wird
schwach und
willenlos sein. Sie wird sterben wollen und
sich
trotzdem nach mir sehnen. Ich werde ihrer
Verdorbenheit
ein Ende setzen, damit sie wieder rein und
unschuldig
wird, so wie sie es einst war.
Nachdem die beiden Monde verstrichen waren,
stieg ich
wieder zu ihr in das Verließ. Ich sah in
ihren Augen,
wie sehr sie sich nach mir sehnte. Sie war
schwach und
in ihren Augen funkelte zum ersten Male das,
was ich
mir so wünschte, es bei ihr zu entdecken.
Hoffnung.
Nur die Hoffnung wird es sein, die uns trägt.
Die
Hoffnung aus unserer Welt eine Welt zu
erschaffen, in
der wir friedlich im Einklang mit den
Menschen und
Fabelwesen leben dürfen. In der wir
akzeptieren und
Akzeptiert werden. In der wir erkennen,
welches Dasein
uns bestimmt und welches wir bestimmen
dürfen. Der
Schmerz der Geburt wird uns bewusst durch die
Hoffnung,
und am Ende durch den Tot geheilt.
Ich nahm sie von den Ketten ab, fing sie auf,
denn sie
konnte sich aus eigener Kraft nicht halten.
Sie besaß
kaum einen Tropfen Blut mehr. Dankbar und
voller
Hoffnung sah sie mich an. Ich bedeckte ihren
Körper mit
sanften Küssen und streichelte dabei sanft
die Narben
ihrer Seele. Ihr Körper begann zu zittern und
sich mir
leidenschaftlich entgegen zu strecken. Sie
war
plötzlich hell wach und fing an leise zu
stöhnen. Trotz
ihres Zustandes begann sie sich mir
hinzugeben und ich
entdeckte mit ihr gemeinsam die neu erwachte
Sehnsucht,
welche rein und unverdorben war.
Auf dem Höhepunkt der Lust, fand sie meinen
Hals und
grub ihre Zähne darin ein. Ein Lustschrei gab
meinem
Empfinden jene Erleichterung, die mich vor
einer
Ohnmacht bewahrte, denn ich war wie von
Sinnen meiner
Lust ausgeliefert. Sie vergrub immer tiefer
ihre Zähne
in mir und genoss jeden Tropfen Blut, den sie
von mir
bekommen konnte. Immer gieriger sog sie an
meinem Hals.
Meine Erregung wurde immer wieder auf das
Neue
entfacht
Da, plötzlich stieß ich sie von mir weg! Sie
sollte mir
in die Augen sehen, damit sie weiß, wer ich
bin.
Sie starrte mich fassungslos an, ungläubig
und voller
Liebe. Ich strich ihr sanft über die Haare
und sprach
zum allerersten Mal zu ihr: „Für immer die
Meine“? Es
gab darauf nur eine Antwort: “Für immer die
Deine!“