Beobachten, Leben, Fühlen, das Erzähl-Gen und das Schreiben
Liebe Schreiberlinen und Schreiberlinge,Ein Satz von Tom in einer Antwort an Schreiblust hat mich an etwas erinnert, was mir öfter mal durch den Kopf geht.
Wenn du wirklich beschreiben willst, wie man sich fühlt, wenn man in den Lauf einer entsicherten Glock 17 blickt....... DAS sind Augenblicke im Leben, die man niemals vergisst.
Das mit der Obduktion (schauder) übergeh ich jetzt mal Hat er selbstverständlich völlig recht mit.
Aber man kann nicht alles erleben und erlebt haben – auch das steht außer Frage.
Wie entsteht dann eine gute Geschichte über etwas was Autorin oder Autor gar nicht erlebt haben (können)? Klassiker wie Dracula, 20.000 Meilen unter dem Meer? Akif Pirinccis »Felidae«? Agatha Christies Morde? Karl Mays Geschichten (soweit ich weiß war KM nie in Amerika)?
Es gibt ja auch Science Fiction und gute Fantasy. Und der Autor von James Bond soll ein sehr schüchterner Mensch gewesen sein.
Derzeitiger Erkenntnisstand in meiner Gedankenmühle ist folgender:
Das Schreiben-können speist sich aus mehreren Quellen. Und zwar aus Beobachten, Leben, Fühlen, Erzähl-Gen und Schreiberischem Handwerkszeug.
Mängel in einem der Bereiche können mit Leistungen in den anderen Bereichen ausgeglichen werden.
Beispiel:
Man muss nicht gegen ein Fabelwesen gekämpft haben, um die Angst vor einem unheimlichen Gegner mitreißend beschreiben zu können. Damit die Szene aber trotzdem wirkt, muss man (so seh ich das):
– am Wichtigsten: die eigene Angst kennen und beschreiben können damit man sie der Figur überzeugend anpassen kann
– Kämpfe zumindest gesehen haben (dann muss man gut beschreiben können = Handwerkszeug )
– selbst mal irgendwie gekämpft haben (= Leben. Das ist aber der Teil, den man nicht immer erlebt haben kann. Ist ja auch besser so)
Merkt ihr es, wenn ein Bestandteil in einer Geschichte interpoliert ist?
Könnt ihr sagen welcher der Bestandteile erfunden ist?
Gibt es andere Dinge an einem Text, die ihr herauslesen könnt, ohne dass es explizit beschrieben wird?
Ich habe es lange nicht mehr ausprobiert, aber ich konnte mal ohne zu wissen, wer einen Text geschrieben hat, sagen, ob der Text von einer Frau oder einem Mann stammt. Ich habe das noch nie andere (und schon gar nicht professionelle) Schreiber fragen können – erkennt ihr das auch?
Als letztes eine kurze Erklärung zum »Erzähl-Gen«:
Am 15.03.2009, 00.15 Uhr im ZDF nachtstudio (ja, das wird klein geschrieben ;-)) gab es eine Gesprächsrunde mit Volker Panzer und den Teilnehmern John von Düffel, Hanns-Josef Ortheil, Julia Franck und Moritz Rinke.
Neben anderen interessanten Erkenntnissen, stimmten alle überein, dass es ein »Geschichten-Gen« oder »Erzähl-Gen« gibt, das jeder Autor besitzt.
Bin gespannt auf eure Antworten
Christian