Die Zimmerpflanze
Die ZimmerpflanzeSchnapp, der Nabel ist ab.
Ich halte den Ableger in der Hand und überlege, ob ich ihn wegwerfen soll.
Er sieht gut aus. Ich habe innere Hemmungen: Leben wegwerfen? – Nicht mein Ding.
Ein gefülltes Glas mit Wasser gibt dem Neuling eine Chance.
Er fragt nicht, er nutzt sie.
Wurzeln werden getrieben, ranken wie Glasnudeln in das Wasser und werden von Tag zu Tag mehr und länger.
Jetzt ist es Zeit, diese Pflanze einzutopfen.
Ich wühle in meinen Schränken.
Kein Topf mehr, nur Vasen.
Vasen, die nie genutzt werden, weil es keinen Grund gibt Schnittblumen mitzubringen.
Immerhin, eine Vase hat einen besonders weiten Hals.
Dies wird ihr neues Heim.
Eine Vase, die schön, aber immer im Dunkeln, weil sie für das, für das sie ausgelegt am falschen Ort ist.
Die Vase erfährt eine neue Bestimmung: Sie bleibt was sie ist, wird aber zum Topf, … zum Blumentopf.
Gefüllt mit Erdreich und einem Keimling ist ihr Platz ein Neuer: Die Fensterbank.
Die Pflanze gewöhnt sich ein, sie wächst.
Treibt sich selbst voran.
Macht das wozu sie da: Sie lebt, aus sich selbst heraus.
Ihr Inneres ist Programm.
Sie denkt nicht an Grenzen, die die Vase bietet.
Sie denkt nicht an Grenzen, die ich ihr biete.
Sie tut das, wozu sie gemacht: Sie lebt.
Die Pflanze handelt ohne Hast und ohne Rast.
Gleichmut ist ihr Naturell.
Nicht mit den Umständen hadern.
Das tun, was machbar, angesagt ist: Wachsen, solange Erdreich vorhanden ist und Jemand der Wasser gibt.
Es geht ihr gut.
Woran ich das erkenne?
An ihrem satten Grün, kein Welk, kein Vergehn.
Ob sie weiß, dass sie indieser Vase schön ist?
Interessiert es sie überhaupt?
Die Pflanze tut das, wofür sie da ist: Sie lebt.
Nachdenklich senke ich den Blick: Was mach ich?