Das vierzehnte Türchen
Guten Morgen, ihr Lieben und frisch auf in die neue Woche
Was die gestrige Geschichte anbelangt, so lagen einige von euch richtig:
@*********ynter war es!
Die heutige Geschichte ist ein Lehrstück darüber, wie man seine Esel keinesfalls behandeln sollte!
Die Geschichte vom Holzfäller
Es rieselte dicke Flocken vom Himmel. Langsam und stetig wuchs die Schneedecke und die schöne Landschaft am Fuße des Riesengebirges verschwand unter der weißen Pracht.
Es war schon spät am Nachmittag des 24. Dezember, als der Holzfäller Johannes den Heimweg antrat. Er wankte aus dem Giersdorfer Wirtshaus und band die beiden mageren, überladenen Esel los, die fast unter dem Gewicht ihrer Last zusammenbrachen.
Die frühe Dämmerung hatte schon eingesetzt, aber der Weg war noch gut zu sehen.
Die Langohren ackerten mühsam durch den Schnee. Blieben sie stehen, um zu verschnaufen, prügelte der torkelnde Johannes mit einem langen Stock auf sie ein.
Nur das Schniefen und Keuchen der gequälten Tiere war in der Stille zu hören.
Gerade holte Johannes zum nächsten Hieb aus, als er eine dunkle Gestalt auf dem Weg voraus bemerkte. Die Gestalt kam schnell näher und Johannes umfasste seinen Stock fester. „Vermutlich ein Wegelagerer,“ dachte er.
Im Näherkommen erkannte er dann eine abgetragene Mönchskutte. Der Mann war alt und sein Bart reichte bis zur Hüfte. Johannes entspannte sich.
„Heda Freund“, grüßte der Alte „ich möchte dir deine Esel abkaufen.“ In der offenen Hand hielt er fünf Goldstücke.
In Johannes Augen blitzte es gierig. Das war weit mehr, als die Tiere, das Holz, oder sein Haus wert waren.
„Wie soll ich denn das Holz ohne die Esel heimbringen? Du musst du schon noch was drauflegen,“ erwiderte er lauernd.
Das Gesicht des Mönches verdunkelte sich zornig. „Also gut - ich biete dir sechs Goldstücke an und empfehle dir, nicht weiter zu handeln!“ Seine Stimme grollte wie Donner und es kam Johannes so vor, als wüchse die Gestalt des Alten vor ihm zu erstaunlicher Größe an. Aber daran waren sicher nur die Schnäpse im Wirtshaus schuld. Er gab klein bei und streckte hastig die Hand nach dem Gold aus.
Der Mönch bezahlte und machte sich daran, die Esel von der Last zu befreien. Dann nahm er die Zügel und zog mit den Grautieren von dannen.
Johannes hatte sich nicht vom Fleck gerührt und hielt die Taler fest umklammert. Dieser Mann war ihm unheimlich. Kurz darauf verknotete er einen Teil der Ladung und schleppte sie den Rest des Weges hinter sich her.
Sein Weib stand schon vor dem Haus und begrüßte ihn direkt mit einer Schimpftirade.
„Nichtsnutz, wo bleibst du und wo sind die Esel und das Holz?!! Hast du etwa alles beim Giersdorfer Wirt versoffen?“
„Nein, nein, Frau! Stell dir vor, ich wurde unterwegs überfallen. Es waren drei riesige Kerle, aber ich habe gekämpft und noch etwas Holz gerettet! Schau her,“ sagte er und zeigte auf den kleinen Holzstapel hinter sich, während er die Münzen in der Hosentasche versteckt hielt.
„Ich glaube dir kein Wort, du Trunkenbold, soll ich etwa beim Wirt nachfragen!?“
Johannes nickte; „Frag ihn ruhig, er wird dir bestätigen, dass ich mit den Eseln aufgebrochen bin! Oder glaubst du etwa, es hätte sie unterwegs jemand gekauft, die alten jämmerlichen Viecher!?“
Langsam redete er sich in Rage, sein Kopf war hochrot und er sabberte dabei. Die Hand in seiner Tasche war zur Faust geballt und darin die Goldstücke.
Sein Weib kannte diese cholerischen Anfälle zur Genüge und beschwichtigte: „Jetzt komm schon rein, es ist Heiligabend und das Essen steht auf dem Tisch.“
Nun, das war etwas anderes - immerhin gab es nur an den besonderen Tagen im Jahr etwas Gescheites aufgetischt. An den restlichen Tagen war es zumeist Kohlsuppe in allen möglichen Variationen.
Johannes beruhigte sich schnell und setze sich zu Tisch, um ordentlich zuzulangen. Frau Gerhild tat es ihm gleich.
Es kam sogar fast so etwas wie festliche Stimmung auf, was wohl am ehesten dem Wein zu danken war.
Ein penetrant lautes Klopfen unterbrach das Mahl und Gerhild stand auf, um zu schauen, wer der Verursacher war und was er wollte um diese Zeit.
Ein grobklotziger Alter in zerschlissener Kutte stand vorm Haus und bat um Essen und ein Nachtlager.
Nicht zu fassen! Gerhild plusterte sich auf und gab dem Bettler ordentlich Bescheid. „Verschwinde, du Lumpensack! Wir geben nichts und schon gar kein Quartier. Du schleppst uns höchstens Läuse herein!“
„Darf ich denn wenigstens im Stall nächtigen, wo es nicht gar so kalt ist?, “fragte er leise.
„Im Leben nicht, eher brenne ich alles nieder! Und jetzt pack dich,“ zeterte sie und schlug die Tür vor ihm zu.
„Wer war es denn,“ wollte Johannes wissen.
„Nur ein dreckiger Bettelmönch,“ schnaubte Gerhild. „Als hätten wir etwas zu verschenken!“
Johannes wurde blass um die Nase und tastete nach den Goldstücken. Plötzlich dämmerte ihm etwas. „Weib, wenn das mal nicht der Waldschrat Rübezahl war. Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken.“
„Bist du von Sinnen? Seit wann glaubst du an solche Kindermär!?“ Gerhild stemmte die Arme in die Hüften und funkelte ihn an.
„Schweig still und horch ...“ herrschte Johannes sie an. Donnerschläge erschütterten die Hütte.
~
Draußen, in einiger Entfernung, richtete sich der „Bettler“ zu voller Größe auf.
Seine Gestalt wirkte bedrohlich und aus seinen Augen schossen grelle Blitze, die den Stall in Sekunden in ein loderndes Flammenmeer verwandelten.
Donnerschläge rollten durch die Nacht, vom Gebirge zurückgeworfen immer lauter werdend.
~
Der Holzfäller und seine Frau stürmten aus dem Haus. Das blanke Entsetzen in den Augen sahen sie, wie die Flammen auf die Hütte übergriffen. Sie rannten, so schnell es ihnen möglich war, in Richtung des Dorfes. Auf halbem Weg hielten sie kurz an und rangen nach Luft. Der Feuerschein erhellte den Nachthimmel weithin sichtbar. Johannes griff nach den Münzen. Er wollte davon irgendwo ein neues Haus kaufen, in weiter Entfernung vom Gebirge.
Als er die Hand öffnete, um sich am goldenen Schein zu erfreuen, lagen darin sechs Kohlestücke. Und es war ihm, als höre er höhnisches Gelächter in der Ferne.