Adventskalender 2020 - Verhexte Weihnachten!

Gute Morgen, liebe Ratefüchsinnen und Ratefüchse (oder heißt es dann Ratefuchsrüde?), es war @***ve , der uns mit verknoteten Flügeln ins Elfenland entführt hat. Die heutige Geschichte dreht sich um die Magie des Goldes, wenn ich es richtig verstanden habe:

Angebot des Monats

Es war wieder die Hochphase der Lebkuchenzeit. Überall Süßkram, winterliche Versprechen untermalt mit Glöckchen Musik. Schnee lag keiner. Und doch liefen die Menschen vermummt herum. Nur die Augen blitzten heraus. Nur nicht bei der Magierin Damaris Engel. Bei ihr sah man nur ein kleines weißes Licht. Ihre Brille beschlug jedes Mal, egal ob sie Anti-Beschlagtücher benutzte oder nicht. Ihr wäre es aber nicht im Traum eingefallen ihre Brille mit einem Anti-Beschlag-Zauber zu versehen. Für profane Dinge nutzte sie ihre magischen Fähigkeiten nicht. Bis heute. Sie war so wütend, sie murmelte Liebe, ich bin die Liebe, ich bin das Licht, Liebe, Friede, und die Wut überschwemmte sie wieder wie ein gebrochener Deich an einem himmelblauen Tag.

„Ich habe halt geglaubt, das ist eine bombensichere Investition“, sagte Eberhard Wagner, ihr Schützling, geknirscht. Jeden Monat ließ er sich von ihr das Horoskop machen. Er schätzte sehr, dass sie es ihm persönlich in seine Wohnung im Altenheim vorbeibrachte, ihm die Konstellationen erklärte und auf seine Glückstage hinwies. Letzten Monat war eine persönliche Übergabe durch die Beschränkungen nicht möglich gewesen. Er hatte sein Horoskop im Briefkasten gefunden, aber bis jetzt nicht gelesen. Seine Augen waren nicht mehr so gut. „Und da das Gold und das Silber und das Palladium ja so im Wert gestiegen sind und mein Enkel Charlie Geld für den Wohnungskauf braucht, wollte ich ihm halt jetzt zu Weihnachten einen prall gefüllten Sparstrumpf geben. Schau! Ich habe als Strumpf diesen Nikolausstiefel. Da hat das meine Frau immer reingegeben.“

Mit zitternden Fingern öffnete Eberhard sein Nachtkästchen und zog einen roten Nikolausstiefel heraus. Man sah ihm an, dass er schon lange in Familienbesitz war. Es war keiner dieser neumodischen Stiefel mit viel Plastik und Bling-Bling, sondern ein zerknautschter Stiefel mit einem Rand aus Wattebausch. Damaris setzte sich zu ihm an die Bettkante und nahm seine Hände. Seit mehr als zwei Monaten war das ihr erster Besuch bei ihm im Altenheim und er machte einen sichtlich geschwächten und vor allem verzweifelten Eindruck.

„Als mir mein Bankberater gesagt hat, dass meine gesamte Münzsammlung, für die ich 120.000 Euro bezahlt habe, nur 30.000 Euro wert ist - und das auch nur wenn ich Glück habe - da dachte ich, er muss sich irren. Doch dann habe ich den Münzhändler Schleppa angerufen. Ich bin erst nicht zu ihm durchgestellt worden, erst nachdem ich gesagt habe, dass ich eine große Order platzieren will.“

Eberhard stockte und versuchte sich wieder zu sammeln.

„Und dann?“, Damaris drückte seine Hände. „Was passierte dann?“

„Nichts“, sagte Eberhard resigniert. „Er wollte auch nichts davon wissen, die Münzsammlung wieder zurückzunehmen. Ich sollte warten bis der Sammlerwert steigt. Pah! Sammlerwert! Wie konnte ich nur so dumm sein?“

„Also Betrug?“, murmelte Damaris. „Wie konnte das passieren?“

„Willst du selbst mal sehen?“ fragte Eberhard. Er wartete gar nicht die Antwort ab, sondern öffnete die Schublade des Nachtkästchens und holte die Fernbedienung heraus. „Es läuft gerade seine Weihnachtssondersendung.“

Dreißig Minuten später tigerte Damaris in seinem Zimmer auf und ab. Sie konnte sich jetzt sehr gut vorstellen, wie das passiert war. Sie wollte am liebsten selbst die eingeblendete Nummer anrufen, um den Klassiker aus reinstem Gold zu erstehen. Oder die Palladium Sammlung, wertvoller als Gold, mit dem Europasiegel, streng limitiert. Versandkostenfrei. Das Angebot des Monats. Für mehr Sicherheit in deutschen Haushalten. Wo doch dieses Jahr so viel Unsicherheit herrscht. Gold! Gold war die Antwort auf alles! 14% Steigerung in einem Monat ist fast gewiss. Obwohl man das ja nicht so sagen kann, wiegelte der Experte mit den weißen Handschuhen ab. Abgebildet war bei der vorliegenden Münze eine Schildkröte, die der Münzhändler Schleppa, als mit eine der ältesten Bewohner auf dieser Erde, beschrieb. Die magische Schildkröte war Damaris Schutzpatronin. Wie konnte er nur! Das alte Symbol der Mutter Erde so missbrauchen! Mit einem Wildschweinborstenhaar, um die ach so kostbare Münze nicht zu beschädigen, wies der Münzhändler Schleppa auf die feine Maserung ihres Schildkrötenpanzers hin. Damaris ballte ihre Fäuste. Die Schildkröte steht für langsames und bedächtiges Handeln. Alles im Leben ist ein Fluss. Ist Geben und Nehmen. Der Kreislauf des Lebens.

„14 Prozent! Siehst du!“, sagte Eberhard. „Mindestens 14 Prozent habe ich erwartet. Aber eigentlich viel mehr. Ich habe doch so viel eingespart bei den einzelnen Käufen. Ich habe alles aufgeführt. 12.352 Euro insgesamt gespart!“

„Wir werden dir alles wieder zurückholen“, sagte Damaris. „Alles im Leben ist ein Fluss. Geben und Nehmen. Ich rufe die Kraft der Schildkröte, ich rufe sie.“

„Kannst du denn das?“ fragte Eberhard und in seinen Augen funkelte Hoffnung.

„Du wirst sehen“, sagte Damaris und lächelte magisch.

Zuerst ließ sie Eberhard die Hotline des Münzhändlers Schleppa anrufen. „Sag deine Kundennummer durch, bestehe darauf, dass sie sie aufnehmen und Herrn Schleppa persönlich geben. Herr Schleppa soll dich persönlich anrufen, wenn er alle deine Orders wieder rückgängig gemacht hat – erst dann wird die Sendung wieder frei von magischen Störungen sein.“

Eberhard musste schon sehr insistieren, dass sein Anruf genau so aufgenommen wurde. Die Assistentin am Telefon konnte eigentlich nur die neue Schildkröten Order platzieren. Schließlich ließ sie sich doch erweichen und versprach dem Münzhändler Schleppa persönlich die Notiz zu überreichen.

„Und jetzt?“ Eberhard war gespannt.

„Zurücklehnen und abwarten“, lächelte Damaris. „Das wird eine weihnachtliche Sondersendung, die sich gewaschen hat.“

Eberhard starrte neugierig auf sein TV-Gerät. Und richtig, plötzlich verzerrte sich das Bild ein wenig. Ganz kurz war in Großaufnahme eine goldene Schildkröte zu sehen, während Damaris vor sich hinmurmelte. Geben und Nehmen, das Leben ist ein Kreislauf, Schildkröten Mutter, und ein paar lateinische Begriffe, die Eberhard nicht verstand. Dann war das Bild wieder klar.

„Ich rede immer von Wertsteigerung“, sagte der Münzhändler Schleppa. „Heute, heute in dieser sonderlichen Weihnachtssendung sollen Sie sehen, dass ich nicht nur von Wertsteigerung rede, sondern auch Wertsteigerung meine!“

„Gold ist und bleibt. Gold ist. Und bleibt. Gold ist. Und bleibt! Und das liebe Zuschauer und Zuschauerinnen, das werde ich Ihnen beweisen. Mit 100 Prozent Zufriedenheitsgarantie“

„Das ist vier Neuner Gold. Das bedeutet auf 10000 Teile sind 9.999 Teile Gold. Das ist Gold Standard vom Feinsten – und wir garantieren, dass die Schildkröten Münze vorrätig ist, nicht wie bei anderen Händlern, wo sie vielleicht ordern können, aber keine Zuteilung bekommen, bei uns können sie ordern und wir liefern auch. Garantiert. Mit Welt-Niedrigstpreis-Garantie!“

Der Münzhändler Schleppa redete immer schneller und schneller, sein Experte O.L. Wingigel neben ihm, der mit den weißen Handschuhen und der Hornbrille nickte und nickte. Erstarrte aber plötzlich und sah irritiert, wie sich Münzhändler Schleppa erst das Sakko ablegte, dann das Hemd aufknöpfte.

„Wertsteigerung habe ich versprochen. Wertsteigerung bekommen Sie auch. Ich nehme heute, hier und jetzt Ihre Sammlungen zurück zum garantierten Wertsteigerungs-Preis. Nicht von 5 Prozent. Nicht von 10 Prozent. Nein, garantierte 14 Prozent! Na? Ist das nicht ein schönes Weihnachtsgeld?“, keuchte Schleppa mit hochrotem Kopf und schwenkte das nun komplett ausgezogene Hemd in der Luft. Experte Wingigel starrte konsterniert auf sein Unterhemd und seine krausen grauen Brusthaare, er schloss die Augen und öffnete sie wieder, sah dann hilflos in die Kamera.

Der Toningenieur merkte es als Erstes, das etwas nicht stimmte, ganz und gar nicht nach Plan lief. Er gab der Regie ein Zeichen. Im Hintergrund brach Hektik aus.

Münzhändler Schleppa keuchte: „Rufen Sie an, meine Damen und Herren, rufen Sie an. Holen Sie sich die Schildkröte, nein Ihre Wertsteigerung. Holen Sie sich die Wertsteigerung!“

In diesem Moment schaltete der Sender um ins Studio 4.

Zwei wunderschön geschminkte Damen, die ihre manikürten Hände in einen Nagellackschnelltrockner hielten. „Intothewild, unser Nagellackschnelltrockner ist der Segen für jede berufstätige Frau“, sagte die blonde Moderatorin. „Nie mehr einen verschmierten Nagellack, kein Zuspätkommen mehr, kein lästiges Warten.“

„Etwas Schöneres können Sie Ihrer Frau, Ihrer Gefährtin nicht schenken“, sagte die zweite Moderatorin, die mit den braunen Wuschellocken. „Personalisierbar in den Lieblingsfarben! Das finde ich auch so wunderschön! Egal ob in der Trendfarbe Aphrodite-Rot oder in Himmelblau, ach da kann ich mich jetzt nicht entscheiden. Doch das Wichtigste: In Nullkomma Nichts können Sie ins Büro gehen, mit den Kindern spielen, oder in die Wildnis zum Abenteuer erleben! Verlieren Sie keine Zeit. Wir werden ganz sicher gleich ausverkauft sein!“

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Eberhard war baff. „Was ist passiert? Was hast du gemacht? Du bist wahrlich eine Magierin! Und jetzt?“

„Abwarten“, sagte Damaris. „Aber ganz sicher rufst du jetzt nochmal bei der Hotline an und bestehst auf deine Wertsteigerung. Und sag sie sollen auch deine erste Nachricht weitergeben.“

Nachdem das erledigt war, sahen sie zehn Minuten weiter dem Nagellackschnelltrockner zu. Dann ging es wieder ins Münzstudio zu Münzhändler Schleppa und seinem Experten.

Damaris setzte sich auf den Boden, schloss die Augen und ging in die Schildkröten Asana Position. Mutter Erde, Weihnachten und das Wildschwein, das Wildschwein, das war alles was Eberhard aus ihren geflüsterten Worten verstand.

Doch wieder flackerte der Bildschirm kurz und eine goldene Schildkröte war zu sehen. Dann sah man wieder die beiden Herren im Studio, vor sich jede Menge Münzen und eine in rotem Samt ausgelegte Schatulle.

„O Love!“, begann Münzhändler Schleppa. „O Love, Oh Du Fröhliche, Oh Wertsteigerung!“

„Ja, meine Damen und Herren, verehrtes Publikum, das liegt mir sehr, ich sage sehr, am Herzen. Sie bekommen hier eine absolute Rarität. Eines der ältesten Tiere der Erde. Die Schildkröten Münze. Ein absolutes Sammlerstück. Gold in seiner reinsten Form. Dafür garantieren wir.“

„Null Komma drei eins eins Gramm reinsten Gold. Gold in seiner reinsten Form. Gold, das man sich leisten kann! Nur 89,95 Euro plus Versandkosten!“ bestätigte der Experte Wingigl.

„Wie Sie wissen ist die Schildkröte ja vom Aussterben bedroht. Die Karettschildkröte wird wegen ihres Panzers gejagt. Und Sie bekommen diese schöne Maserung. Wertsteigerung garantiert!“

Jetzt stand Münzhändler Schleppa auf. Die Kamera brauchte ein wenig, bis er wieder ganz im Bild war. Er öffnete seinen Gürtel, seinen Hosenknopf. „Heute, hier und jetzt beweise ich Ihnen was Wertsteigerung ist. Was 100 Prozent Zufriedenheitsgarantie bedeutet. Nehmen Sie mich beim Wort“, damit zog er seinen Reißverschluss herunter, Wingigl wurde hektisch und versuchte sich vor ihn zu stellen, Schleppa versuchte sich wieder vor ihm ins Bild zu drängen. „Heute hier und jetzt lasse ich die Hosen runter. Gold ist und bleibt. Gold ist. Und bleibt.“

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Der Sender schaltete wieder ins Studio 4.

Die beiden Damen waren darauf nicht vorbereitet. Hektisch ordneten sie ihre Nagellacke in allen Regenbogenfarben. „Rot, das weihnachtliche Aphrodite-Rot“, begann die Blonde. „Oder grün, Tannenzweiggrün haben wir auch heute, nur heute dabei, aber nur wenn sie gleich bestellen“, die Braunhaarige war wieder in ihrem Element. Sie strahlte in die Kamera. „Mein absoluter Favorit jedoch ist dieser prickelnde in Himmelblau. Ein Traum für jede Frau.“

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Im Studio 1, auch Münzstudio genannt, war in der Zwischenzeit absolute Hektik ausgebrochen. „Was zum Teufel ist mit Ihnen los?“, fragte der Regisseur.

„Ich weiß es nicht! Eine Katastrophe! Ein Tsunami! Wie sieht es mit den Bestellungen aus?“, fragte Schleppa.

Die Telefone waren still. Einige wenige Anrufe, die sich besorgt zeigten, was denn mit Herrn Schleppa los wäre. Einige Kunden, die ihre Münzsammlungen verkaufen wollten und sich auf das Weihnachtsgeld freuten.

„Und zwei Anrufe vom Kunden Eberhard Wagner“, sagte eine Telefonistin mit leiser Stimme. „Er hatte von magischen Störungen gesprochen.“

„Warum erfahre ich das erst jetzt?“, schrie Schleppa.

„Schadensbegrenzung, hier geht es um Schadensbegrenzung“, erklärte der eilig hinzugerufene Rechtsanwalt Hans Mohr. „Sie müssen diese Kunden bedienen und die Sache mit diesem Eberhard klären. Heute würde ich nicht mehr auf Sendung gehen.“

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Als eine halbe Stunde später Eberhards Handy klingelte, saß Damaris immer noch am Fußboden im Schildkröten Gruß.

„Ja, ich höre. Wie? Blitzüberweisung? Ja, das ist mir sehr recht. Ja, Ihr Bote kann die Münzsammlung abholen, sie ist in sehr gutem Zustand, ja, und mit allen Sammlerschatullen ausgestattet. Ja, sehr schön, mit 14 Prozent Wertsteigerung bin ich einverstanden. Ich freue mich. Sehr. Schöne Weihnachten!“

Eberhard legte auf und jubelte.

„Damaris, Damaris, du bist eine wahrliche Magierin. Wie hast du das nur gemacht?“

Damaris öffnete ihre Augen, lächelte, räkelte sich und kam schön langsam wieder hoch. „Warten wir noch ab, bis das Geld wieder auf deinem Konto ist.“

Eberhard machte eine Flasche Rotkäppchen Sekt auf. „Ich habe leider nichts anderes da“, sagte er entschuldigend. „Das würde nach Champagner schreien, aber das Machen wir ein anderes Mal.“

Die beiden lächelten sich zu. Eberhard checkte sich ins Online Banking ein und klatschte in die Hände und lachte übers ganze Gesicht.

„Frohe Weihnachten, Eberhard!“

„Danke, Damaris, danke, danke schön!“

In Damaris breitete sich das goldene Licht der Zufriedenheit aus. Magie, so hatte sie gelernt, ist Liebe, ist Licht und Liebe und Friede, überall, vor allem zur Weihnachtszeit.