Der Badende - ein Outing
Seit frühesten Kindertagen bade ich gerne. In der Wanne. Mit reichlich warmem Wasser. Beide Füße sind in der Lage, unter Zuhilfenahme von großer Zehe und weiterer Hilfszehen, jegliche Art von Einlassarmaturen zu bedienen, um nach spätestens einer halben Stunde heißes Wasser nachlaufen zu lassen.Ich habe sie gelesen, die Studien zu den Freizeitbädern. Ab zweiunddreißig Grad abwärts fühlt sich der Mensch nicht mehr wohl im Wasser und muss sich bewegen um nicht auszukühlen. Über siebenunddreißig Grad schwitzt man. Das ist auch nicht gut. Also hab ich in einer Badewanne fünf Grad Toleranz. Bei gut gedämmten Wannen reicht das etwa für dreißig Minuten. Dann muss Heißes nachlaufen.
Ich bin nämlich nicht nur ein süchtiger Badender. Ich bin auch ein ausgesprochen langsitzender Wannenleser. Etwa fünfzig Seiten pro Stunde sind drin. Das ist für mich das Minimum in der Wanne. Fragt nicht, wie dann die Zehen aussehen. Den Händen passiert Gott sei Dank nichts, die sind außerhalb des Wassers mit dem Festhalten von Büchern beschäftigt.
Ihr kennt das alle: ein stressiger Tag, Freude auf die Wanne, Schaumbad rein, zurecht gesetzt...und schon wird man zum Ratzinger. Also nicht zum ehemaligen Papst, sondern zu einem Geräuscheatmer. Böswillige reden dann vom unsäglichen Wälder fällenden Schnarchen. Passiert mir selten, wenn das Buch spannend ist.
Hin und wieder nützt aber die beste Spannung nichts. Der Schlaf setzt sich dann neben mich in die Wanne. Und zerrt an meinen Lidern. Bisweilen gewinnt der blöde Kerl. Das mit den Lidern wäre ja nicht so schlimm. Aber die Bücher... diese wundervollen armen Geschöpfe... Du kriegst sie hinterher nicht mehr in Form. Manche werden zu Klumpen. Manchen trocknen zu kugelrunden Gebilden. Jedes Mal ein echtes Drama.
Was hab ich mich schon bei meinem Freund beschwert. Er leitete mal eine riesige Druckerei. Die Verlage sind es, sagte er, die das Papier bestimmen. Es gäbe schon verdammt gute Lösungen. Das zahlt aber niemand, sagte er. Und sowieso gäbe es den Trend zum Bio-Papier. Und das wellt wenn es nass wird. Nun lese mal Frank Schätzings Tausendseiter. Oder die dicken von Ken Follett. Solche Brillen, die den Wellen folgen könnten, gibt’s noch nicht.
Tja, und dann sind da noch die Reiseerlebnisse. Wer einmal um die Welt reist, der merkt, dass alle Völker gerne baden. Und die meisten außerhalb des Äquators in Wannen. Doch selbst am Äquator bieten Hotels Badewannen an.
In Paris hab ich mir den Wanst gekocht als ich die Armaturen falsch bediente und kochendes Wasser über mich floss- eine Woche kein Sex mit meiner wunderschönen ständig scharfen Freundin, Mann eh! In Colorado gab es einen geilen – so sagt man doch neudeutsch, obwohl ein Gegenstand nicht geil sein kann - Indoor-Whirlpool mit Lichtspiel. Die amerikanischen Schaumbadblasen kamen dann ins Schlafzimmer gekrochen weil ich das Whirl-Scheißding nicht stoppen konnte. In Australien saßen regelmäßig zwei Kakadus auf dem Fenstersims und krächzten so laut, dass mir das Lesen verging.
Namibia war das Größte: In der Nähe der großen Dünen stand die Wanne draußen. Eingebettet in eine schöne Kleinlandschaft mit blühenden Sträuchern. Eine Längsseite zur Savanne hin offen. Mit Blick über zig Kilometer pure afrikanische Schönheit. Die Fußseite zur Hauswand, schmucklos. Die Kopfseite durch ein Mäuerchen von der Savanne abgetrennt. Wie auch die andere Längsseite. In jener trennenden Mauer befand sich ein großes kreisrundes Loch. Wie ein Bullauge. Kaum saß ich in der Abendsonne in der Wanne und las vom allgäuer Kommissar Kluftinger, der während der Zeit der Raunächte einen Fall zu klären hatte, als es verdächtig raschelte.
Schwups, saß ein Pavian, also eher eine Pavianin, in dem großen Loch. Platz genug war. Sie lehnte sich an, betrachtete weltvergessen mal ihre Fingernägel, mal mich, mal die Umgebung. Mal döste sie. So bildeten der Badende und die Gelangweilte eine afrikanische Badezimmer-Symbiose der besonderen Art. Der Kriminalfall wurde während meines Bades nicht gelöst. Aber die Haut begann sich zu lösen. Also stieg ich nach einer guten Stunde vorsichtig aus der Wanne. Man hörte ja Schlimmes von den Pavianen. Die Äffin schaute mich aber nur an, atmete hörbar genervt aus, ließ sich vom Rand des Loches nach draußen rutschen – und verschwand.
Weeeste Bescheid.