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In mir - aus mir

nochmal Kaminlesung
****ra Frau
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In mir - aus mir
In mir – aus mir (1. Teil)


Ich trat aus dem Dunkel hinein ins Sonnenlicht. Zumindest fühlte es sich so an. Ich dachte nicht im Traum daran, mich schlecht zu fühlen. In meinem Bauch herrschte friedliches Lagerfeuer mit Bienengesumm. Ich hatte meinen Traummann gefunden, zumindest glaubte ich es.

Meine Wohnung kam mir noch nie so schön vor wie heute. Mein Herz machte einen Sprung nach dem anderen. Ich ließ mir ein Bad ein. Im warmen Wasser liegend kamen mir Zweifel. Das ließ mich auffahren. Am Ende war es bloße Schwärmerei.

Einerseits liebte ich meine Unabhängigkeit, andererseits war es auch sehr einsam .Die meisten Menschen langweilten mich zu Tode, mit ihrem ewigen Gerde von Partnern und Kindern, oder dem Job, oder dem letzten Fußballspiel. Und dann erst die Kochrezepte, die die Kolleginnen austauschten. Da rollen sich einem ja die Zehennägel auf, vor lauter Langeweile!

Meine Interessen erstreckten sich auf Natur und Natur, vielleicht noch etwas Literatur, aber das war’s dann auch schon. In meiner Freizeit schwang ich mich meistens aufs Fahrrad und machte lange Touren, bei jedem Wetter. Das muss erst einmal ein Mann mit machen. Ich war schon immer eine Einzelgängerin. Das machte mir an diesem Tag sehr zu schaffen. Weil ich ernsthaft verliebt war. ‚Würde ich mich für jemanden verbiegen können? Mich ändern? War es eine Überlegung wert, sich für einen Partner zu ändern? Würde der andere das auch für mich machen?’ Diese Gedanken waren Dauergäste, und ließen sich nicht so ohne weiteres beantworten.
Sein Gesicht stand mir lebhaft vor Augen, während ich über diese endlosen Fragen grübelte. Er hatte feine Züge, eine gerade, nicht zu große Nase, dunkelbraune Haare, grüne Augen, die von elegant geschwungenen Brauen gekrönt wurden. Und was mir am wichtigsten war, eine sehr angenehme Stimme. Einfach himmlisch. Ich schmolz dahin, wie Eis in der Sonne – sehr abgedroschen, aber wahr.

Ich durfte Markus sagen, wie eigentlich alle im Büro. Er war unser neuer Abteilungsleiter. ‚Warum muss ich mich immer in Männer verlieben, die für mich außer Reichweite sind?’ Ich wusste ja nichts über ihn. ‚Vielleicht ist er verheiratet’, überlegte ich.

Ich lag auf dem Sofa und träumte mir ein Verhältnis mit Markus. So etwas habe ich nicht mal als Teenager gemacht. Also nahm ich an, dass es mich wirklich übel erwischt hatte. Ich wollte nicht an ihn denken.

Schließlich kam ich zu der Erkenntnis, dass Markus mich wahrscheinlich gar nicht richtig wahrgenommen hatte. Er hatte jedem die Hand geschüttelt und nach dem Vornamen gefragt. Ich brachte nur ein leises „Tina“ heraus. Er grüßte höflich und ging dann zu Martin, der seinen Tisch vor mir hatte.

Mit Mühe schaffte ich meine Buchhaltung an diesem Tag. Immer wieder richtete ich meinen Blick auf die Bürotür am Ende des Gangs. Nur in der Mittagspause kam er raus, ging mit schnellen Schritten durch den Gang. Wahrscheinlich ging er in die Cafeteria. Dort gab es nie vegetarisches Essen, deshalb ging ich dort nicht hin. Die halbe Stunde Mittagspause verbrachte ich meistens auf meinem Platz, aß einen Apfel, trank literweise Kaffee, mit dem ich schon morgens anfing, und stöberte im Internet. Ich hatte einige Singlebörsen ausfindig gemacht und mich dort angemeldet. Bis jetzt hatte ich keinen Erfolg. Und ich war immer der Meinung, als Frau wäre es leicht, einen Mann zu finden. So kann man sich irren. Dabei bin ich nicht gerade hässlich. Naja, auch nicht gerade Frau Wunderschön, Miss Busen oder Miss World und wie die ganzen Tussies heißen, ich bin eben Durchschnitt, wie neunundneunzig Prozent der Bevölkerung. Aber der Mann der Träume ließ auf sich warten, es gab nicht mal einen Alptraum. Doch da irrte ich mich.

Und dann tauchte Markus auf und stellte mein Gefühlsleben auf den Kopf. Wahrscheinlich ahnte er nichts davon.

An diesem Tag gingen die meisten Kollegen in die Cafeteria. Sie wollten sicher Markus besser kennen lernen. Ich ging nicht hin. Erstens weil ich den Geruch nach gebratenen, gekochten, gegrillten oder was weiß ich wie zubereiteten Fleisch nicht mochte und dann hasse ich jede Art von Anbiederung. Nicht zum letzten Mal wünschte ich mir, etwas mehr wie der Durchschnittsmensch zu sein.

Für Freitag Abend hatte Markus alle zu einer Einstandsfeier in der Betriebscafeteria geladen. Ich würde wohl hingehen müssen, da es gleich nach Dienstschluss war. Schon jetzt zitterte ich davor. Solche Feierlichkeiten hatten immer etwas Gezwungenes. Diese aufgesetzte Fröhlichkeit. Die meisten Kollegen konnten sich untereinander nicht ausstehen und dann taten sie, als ob sie die besten Freunde wären. Und das ganze oberflächliche Geplauder über Familie, Kinder und Kochen, von Fußball brauchen wir gar nicht reden. Ich hasse Smalltalk, weil ich nie weiß, was ich sagen soll.

Den ganzen Freitag über war ich nervös und unsicher. Markus war mir die nicht aus dem Kopf gegangen. Jedes Mal, wenn ich ihn sah, wurden meine Knie weich. Er schien mich überhaupt nicht zu beachten.
Der Tag zog sich in seine übliche Länge. Gearbeitete acht Stunden und gefühlte zwölf. Etwas Langweiligeres als Debitorenbuchhaltung konnte ich mir nicht vorstellen. Endlich war es 16 Uhr. Wir gingen zusammen in die Cafeteria. Seit der letzten Weihnachtsfeier hatte sich nichts verändert. Sogar der Geruch war der gleiche: abgestanden und verbraucht, Putzmittel und Essendüfte vermischten sich zu einer unbeschreiblichen Duftnote. Es war eine Beleidigung für jede Nase.

„Tina“, flüsterte Gitti, meine direkte Tischnachbarin. „Markus ist echt nett. Hast du schon mal mit ihm gesprochen? Gestern hat er mich gefragt, ob ich mit meiner Aufgabe zufrieden bin.“ Atemlos hielt sie inne, gab mir aber keine Gelegenheit etwas zu sagen, sondern fuhr eifrig fort: „Natürlich habe ich gesagt, dass alles passt. Er sieht doch so gut aus.“ Dabei verdrehte sie die Augen und dehnte das „so“ in einer Art und Weise, die mich wütend machte.
„Wann hast du mit ihm geredet?“
„Gestern, in der Mittagspause. Wir sind am gleichen Tisch gesessen.“ Sie blickte mich triumphierend an.
Irgendwie war ich neidisch. Aber heute würde ich vielleicht Gelegenheit haben, mit meinem Schwarm mehr als nur ein „Guten Tag“, zu wechseln.

Wir hatten uns schon gesetzt, als Markus eintraf. Einige standen respektvoll auf. Er blickte kurz in die Runde. Zweiundzwanzig Leute waren anwesend. Dann strich er sich durchs Haar und sagte: „Ich freue mich, dass alle meiner Einladung gefolgt sind.“ Er lächelte zaghaft. Das gefiel mir. Mein Herz schlug etwas schneller.
„Wie ich feststellen durfte, sind Sie alle sehr kompetent. Diese Woche habe ich schon die einige von Ihnen kennen gelernt, nun hoffe ich, auch die anderen noch etwas näher kennen zu lernen. – Dann kann ich mir ein Bild von Ihrer Arbeit machen und auf Ihre Wünsche eingehen. Bitte scheuen Sie sich nicht, mich mit Fragen zu bombardieren und mit Ihren Problemen zu mir zu kommen. – Es werden in nächster Zeit einige Änderungen auf uns zu kommen, die wir gemeinsam meistern werden. Abteilungen werden zusammengelegt werden müssen, andere geschlossen. Die Krise hat uns momentan voll im Griff. Ich denke, dass wir die Sache meistern werden.“
Im Saal herrschte angespanntes Schweigen. Er schaute uns der Reihe nach an und meinte dann heiter: „Meinen Lebenslauf wollen Sie jetzt aber nicht hören?“
Es wurde gekünstelt gelacht. Ich sagte ganz leise: „Ich schon.“
Sein Blick heftete sich auf mich, als hätte er es gehört. Er war durchdringend und irgendwie anders als sonst. Mich schauderte plötzlich. Bald vergaß ich den eigenartigen Blick wieder.

Es wurde ein Tablett mit Sekt herumgereicht. Dann sagte er fröhlich: „Lassen Sie uns auf eine gute Zusammenarbeit trinken.“ Alle standen auf, prosteten sich freundlich zu und setzten sich dann wieder. Er schien sich nicht wohl zu fühlen. Ich hatte den Schweißfilm auf seiner Stirn bemerkt und auch, wie er die Hände ballte. War er nur nervös oder war es etwas anderes? Ich schalt mich eine dumme, überspannte Kuh, und schnitt die Gedanken an Markus für einige Zeit ab.
‚Hoffentlich krieg ich hier auch ein Bier’, dachte ich und sah mich um. Den Sekt hatte ich nicht getrunken. Dafür nahm ich vom Orangensaft, es war klüger, sich in der Firma nicht zu betrinken.
Auf einem langen Tisch waren kleine Häppchen angerichtet. Es stand schon alle dort. Ich gesellte mich dazu, weil ich Hunger hatte, aber wenig Hoffnung, auf mehr als nur Käse zu stoßen. Deshalb war ich erstaunt, auch Gemüsepastetchen, vegetarischen Nudelsalat und jede Menge anderes Grünzeug vorzufinden. Das hatte es hier noch nie gegeben. ‚Ich bin im Himmel – fast’, dachte ich und langte nach den Pasteten. Ohne lange nach einem Teller zu greifen, steckte ich mir eins in den Mund, drehte mich mit einem zweiten Stück in der Hand um, und prallte mit Markus zusammen. Die Brösel gerieten mir vor Schreck in die Luftröhre und ich hatte Angst, zu ersticken. Ich hustete, und spukte ihm die Hälfte der Pastete über den eleganten Anzug. Ich spürte, wie ich rot wurde, die Augen tränten und ich rang nach Atem, was aber alles noch schlimmer machte. Am liebsten wäre ich ganz tief im Erdboden versunken, und nie wieder aus dem Loch hervor gekommen.

Die Kollegen starrten mich an. Schon wieder war mir so etwas passiert. ‚Verdammt’, dachte ich und wünschte mich nachhause. Ich hustete, bis mir die Augen tränten. Und was tat er? – Er lachte und klopfte mir den Rücken!
„Na, ist ja nicht so schlimm“, murmelte er. Ich hustete und würgte, während mir die Tränen über die Wangen liefen. Eigentlich wollte ich sagen: „Ich zahle selbstverständlich die Reinigung.“ Brachte aber nur ein „Rngng“ raus.
Nach endloslangen Minuten hatte sich meine Luftröhre beruhigt und ich konnte wieder normal atmen.
„Haben Sie heute noch nichts gegessen?“, fragte er und ignorierte die Zuschauer. Er nahm einen Teller und belud ihn. Ich dachte: ‚Oh Mann, der ist aber auch hungrig.’ Dann übergab er ihn mir und sagte: „Jetzt setzen Sie sich und beruhigen sich wieder. Das ist doch keine Affäre.“ Er wischte sich mit einer Serviette das Jackett sauber.

Da saß der Mann meiner Träume neben mir, und ich brachte nichts anderes als ein kleines „Danke“ über die Lippen. Warum war ich so schüchtern?
„Sind die Pasteten so köstlich wie sie aussehen?“, fragte er, nachdem ich noch eins gegessen hatte. Ich konnte nur nicken.
„Darf ich?“, fragte er, und langte gleich auf den Teller, um sich eins zu nehmen. „Mhm, sind nicht schlecht“, sagte er.

„Wie gefällt es Ihnen“, fragte er nach einer Weile.
„Was?“
„Ihre Arbeit, meine ich.“
„Naja.“ Ich spürte, wie ich rot wurde und hasste mich dafür. Etwas unüberlegt sagte ich: „Manchmal ist sie langweilig.“
„Wie lange machen Sie das schon?“
„Zu lange.“ Wieso fragte er? Er konnte doch leicht in meine Personalakte reinschauen.
Dann herrschte eine sonderbare, kühle Stille zwischen uns.
„Sie stechen hier erfrischend aus der Menge“, meinte er ganz unvermittelt.
Ich sah mich um, und stellte fest, dass er recht hatte. Aber ich habe mich noch nie nach der Masse gerichtet. Die Meinung anderer Leute ist mir meistens egal, zumindest arbeite ich daran.
Er sah mich über den Tisch hinweg mit seinen schönen Augen an. Ich konnte nichts sagen.
Endlich fasst ich Mut und fragte: „Können Sie mir was über sich erzählen? Ich hätte nämlich schon gerne Ihren Lebenslauf gehört.“
Er wartete mit einer Antwort so lange, dass ich schon annahm, ich hätte ihn beleidigt. Doch dann sagte er: „Wollen Sie das wirklich wissen? Die ganze Wahrheit?“
Ich nickte. Er bedachte mich wieder mit diesem schwer definierbaren Blick. Er schien zu einem Entschluss zu kommen, denn er sagte: „Ich werde sie Ihnen erzählen, aber nicht hier und nicht jetzt. Sie werden sich gedulden müssen, Tina.“ Seine Stimme hatte einen unangenehmen Tonfall bekommen. Dann stand er auf, und ging lachend auf die anderen zu. Ich saß alleine am Tisch und fühlte mich unbehaglich. Da war wieder der eigenartige Ausdruck gewesen, den ich schon einmal bemerkt zu haben glaubte.

Ich beobachtete Markus Brenner aus der Ferne. Er schien verändert zu sein. Sein Rücken war gerade als sonst, er wirkte größer und beeindruckender. Warum war mir das nicht früher aufgefallen? Ein paar Mal fühlte ich seinen Blick auf mir ruhen. Noch vor ein paar Stunden hätte ich mich darüber gefreut, jetzt verursachte es mir eine Gänsehaut.

Die gute Laune vom Montag war wie weggewischt. Ich fühlte ständig diese grünen Augen auf mich gerichtet. Es schien, als ob sie mich aus der Ferne beobachten würde.

Das Wochenende verbrachte ich auf dem Fahrrad. Ich fuhr wie eine Wilde drauflos. Einfach so in der Gegend rum, bis ich Abends müde ins Bett fiel. Es half nichts. Markus hatte sich in mein Hirn festgefressen. Und dazu Angst. Was für ein schizophrenes Gefühl!

Am Montag lernte ich Markus Brenner von einer anderen Seite kennen. Er ging kühl an mir vorbei, eine Menge Akten in der Hand. Kurz vor seiner Bürotür rief er: „Frau Leiner – in mein Büro!“
Mich traf fast der Schlag, als er mich mit Familiennamen anbrüllte. Ich war wie gelähmt. Starrte vor mich hin und konnte keinen Gedanken fassen.
Als ich seiner Aufforderung nicht nachkam, brüllte er: „Dallidalli, ich hab nicht den ganzen Vormittag Zeit!“
Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf und eilte in sein Büro. Das Heiligtum der Abteilung. Hierher wurde man gewöhnlich nur zitiert, wenn man einen Fehler gemacht hatte.

Ich spürte, wie mir die Angst die Kehle zuschnürte und der kalte Schweiß ausbrach. Da stand ich nun und wusste nicht, was auf mich zu kommen würde.
Er schaute mich aus kalten Augen an. Ich fragte mich, was mich dazu gebracht hatte, mich in den zu verlieben. Mit einem Schlag war die Liebe kalter Furcht gewichen. Das war kein liebenswerter Mensch, der da in sehr arroganter Haltung vor mir saß. Der Schreibtisch wirkte wie eine Festung, und er war der Burgherr.
„Sie haben sicher schon davon gehört, dass Abteilungen zusammen gelegt werden. Durch die Auftragsrückgänge brauchen wir nicht mehr so viel Personal in der Verrechnung.“ Er warf einen Blick in die Akten vor sich. Dann schaute er mich wieder an. Ich stand stocksteif da und fühlte, wie mir die Panik den Rücken hoch und runter kroch.
„Ich habe den Eindruck, dass Sie sich hier nicht sehr wohl fühlen, und Ihr Umgang mit den Kollegen hat das bestätigt.“
„Nein“, unterbrach ich ihn. „Herr Brenner, das stimmt nicht.“
„Unterbrechen Sie mich nicht, ich bin noch nicht fertig mit Ihnen!“
Mein Mund klappte zu. Ich war erschüttert. Damit hatte ich nicht gerechnet.
„Ich habe hier ihre Kündigungspapiere liegen.“ Er wies auf die Akten, dann sah er mich mit einem diabolischen Grinsen an. Ich versuchte ein Zittern zu unterdrücken. Es gelang mir nicht. Sein Grinsen wurde daraufhin breiter. In seinen Augen leuchtete es kurz auf.
„Sie haben noch eine Chance, ihre Arbeit zu behalten.“ Er machte eine Pause, kramte in einem anderen Stoß Papiere und zog einen Zettel daraus hervor, den er mir gab.
„Tun Sie genau das, was da drauf steht, dann können Sie unter Umständen ihren Job behalten, und jemand anders muss gehen.“
Wieder dieses diabolische Grinsen. Ich nahm das Papier und las. Tränen stiegen mir in die Augen und liefen die Wangen runter.
„Entscheiden Sie sich bald. Das Angebot gilt nur heute. – Sie können dann wieder an ihre Arbeit gehen. – Oder besser, Sie nehmen sich für heute Urlaub, damit sie sich vorbereiten können.“
Ich nickte teilnahmslos. Dann ging ich. Noch immer fühlte ich seinen Blick auf mir ruhen. Nicht einmal zuhause konnte ich mich davon befreien. Er war an meinen Nacken gefesselt, und machte mir Angst.
Ich saß auf dem Sofa und drehte den Wisch in den Händen. Es war unglaublich, was da drauf stand. Ich zerknüllte ihn und warf ihn in den Müll.

„Nicht mit mir!“, rief ich laut. Ich sagte das als Mantra vor mich her, wie einen Schutzzauber, und kurzfristig ließ das Gefühl, beobachtet zu werden, nach.

Den ganzen Tag verbarrikadierte ich mich zuhause. Ich lief immer wieder zum Fenster. Schaute raus. Nichts Auffälliges. Aber das beruhigte mich nicht. Meine Unruhe nahm immer mehr zu. Gegen Abend steigerte sie sich beinahe ins Unerträgliche.
Ich ließ alle Roll-Läden runter und kauerte mich auf das Sofa. Das Handy hatte ich schon ausgeschaltet, weil es ständig läutete. Immer wieder dachte ich an das blöde Schreiben. Die Worte hatten sich mir ins Hirn gebrannt.
„Nein“, sagte ich laut, und das Bild vor meinen Augen verschwand wieder. Dennoch ging mir der Arsch auf Grundeis. Wenn ich die Augen schloss sah ich diese grünen Augen auf mich gerichtet, die sich durch mich zu bohren schienen, mich fixierten und nicht mehr los ließen.

In der Wohnung war es stockdunkel. Ich traute mich nicht, aufzustehen und Licht zu machen. ‚Warum habe ich nur solche Angst?’, fragte ich mich und zitterte dabei wie Espenlaub. Ich drückte mich ganz tief in die Polster und schloss die Augen.

Ich musste wohl eingenickt sein, denn ein lautes Klopfen ließ hochfahren. Das Herz hämmerte mir im Hals. Ich würgte. Wieder das Klopfen. Länger jetzt. Langsam stand ich auf und tastete mich zur Tür. Ich versuchte durch den Spion etwas zu erkennen.
„Ich weiß genau, dass du da bist!“
Diese Stimme! Den ganzen Tag über hatte ich sie leise im Ohr gehabt. Sie war genauso hart wie am Vormittag. Ich lehnte mich an die Wand und atmete schwer.
„Mach jetzt auf!“ Jedes Wort extra betont.
Wie ferngesteuert griff ich nach den Schlüsseln. Ich zögerte.
„Aufmachen!“
Und ich drehte den Schlüssel. Mit einem Ruck wurde die Tür aufgerissen und ich nach hinten geschleudert.
„Braves Kind – ich wusste, dass du öffnen würdest.“
Ich saß in meiner Diele und kämpfte mit den Muskeln. Sie wollten mir nicht gehorchen - zitterten nur. Er schloss die Tür und schaltete das Licht ein. Geblendet kniff ich die Augen zu.
„Steh auf!“, befahl er.
Ich saß da wie ein Kaninchen in der Falle. Grob zog er mich ins Wohnzimmer, und warf mich aufs Sofa.

(c) Herta 8/9/2009
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
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2. Teil
„So! Du hast dich also für den harten Weg entschieden, das hätte ich dir nicht zugetraut.“
Er hatte die Hände in die Hüften gestemmt. Es war eine überlegene Haltung.
„Aber vielleicht macht es so mehr Spaß.“
Ich fasste den letzten Rest Mut zusammen, schaute ihn an und fragte: „Was wollen Sie von mir?“ Meine Stimme klang dünn und zittrig.
„Du wirst mir deinen Willen unterordnen.“
Seine Augen schienen von innen zu glühen. Das Zittern wurde heftiger. Ich drückte mich ganz fest in die Polster. Ich spürte wie mir der Schweiß den Rücken runter lief. Einen Moment hatte ich den Eindruck, ein anderes Bild würde sich über ihn lagern. Es war erschreckend – ich schloss die Augen, wollte mich davor schützen. Ging jetzt die Fantasie mit mir durch?
Ein lautes Lachen ließ mich hochfahren.
„Ja, du ahnst, wer ich bin.“ Er zeigte mir sein hässliches Grinsen.
„Ich will es nicht wissen. Bitte, lassen Sie mich in Ruhe“, bettelte ich. Mein ganzer Körper bebte, er schien mir nicht mehr zu gehorchen. Ich hatte das Gefühl, gefangen zu sein. Schwer kämpfte ich um jeden Atemzug.
Er lachte wieder. Laut und schallend – widerlich.
Ich fühlte mich wie in einem Alptraum gefangen.
„Du wirst mir nicht widerstehen können – genauso wenig wie die anderen. In Kürze wirst du mir gehören, ob du willst oder nicht. Meine Macht ist schrecklich!“
Es donnerte im Wohnzimmer. Die Temperatur sank auf den Gefrierpunkt. Meinen Atem nahm ich als Dampfwölkchen wahr.
„Ich habe dich erwählt – du bist die Braut der Dunkelheit!“
Die Kälte nahm noch mehr zu. Eis bildete sich.
Mit einem Schrei presste ich die Hände gegen den Kopf – er zersprang. Ich hörte einen schrillen, verzweifelten Schrei, wie ein Echo vibrierte er bis in die Haarspitzen.
„Ha – du hast ihn gehört? Er gehört bereits mir.“
Ich hörte wieder diese verzweifelte Stimme in meinem Kopf: „Nein, lass es nicht zu!“
Mich schauderte, und es lag nicht nur an der Kälte. Wieder sah ich den grauenhaften Echsenkopf vor mir. Flammendgelbe Augen schienen mich zu durchdringen, bis in mein Innerstes zu schauen. Ich fühlte mich ausgesaugt, leer und hohl.
Um nichts mehr hören zu müssen, presste ich die Hände an die Ohren und schrie und heulte. Ich kniff die Augen zusammen. Er verhüllte seine Gestalt, und ich sah wieder in das menschliche Gesicht Wann hatte diese Veränderung stattgefunden? Und warum? ‚Warum?’ Nichts anderes konnte ich denken. ‚Warum nur? Warum, warum, warum?’
Jetzt hob er die Arme und stimmte einen disharmonischen Gesang an. Die Töne verursachten mir Kopfschmerzen, sie schienen sich überall hin auszubreiten. Zogen in meine Haut, brachten die Knochen zum Vibrieren und rissen meine Zähne. Machten mich taub. Ich hatte das Gefühl, als würde die ganze Körperflüssigkeit aus mir gezogen, alles in einem bestimmten Rhythmus. Sogar mein Herz schlug danach. Ich bekam Todesangst – rang nach Atem und lag bald röchelnd in einer Ecke meines Wohnzimmers. Das Kaninchen im Auge des Adlers, nichts anders war ich.

Plötzlich war es wieder warm im Zimmer. Ich saß wieder auf dem Sofa und fragte mich, ob ich das nur geträumt hatte. Nein – denn Markus saß auf dem Couchtisch und starrte mich an.
War es Markus, oder – jemand anders? Ich wollte nicht an die schreckliche Gestalt denken, die sich mir gezeigt hatte.
Erschöpft saß ich da und wurde die Panik nicht los. Was, wenn ich verrückt wurde?
„Ich bin wieder ich“, murmelte er und betrachtete seine Hände.
„War das ein Traum?“, fragte ich zögernd.
„Nein, es ist wirklich.“ Er klang müde.
„Herr Brenner, was ist das für ein Wesen?“ Ich kämpfte mit den Tränen.
„Es sind mächtige Wesen, die die Menschheit unterjochen wollen. Er ist noch jung, und hat mich trotzdem fest im Griff. – Sag wieder Markus zu mir.“
Ein Lächeln stahl sich kurz in meine Mundwinkel, und verschwand gleich wieder.
„Was will es, er?“
„Ich kann dir nur soviel sagen: Diese Wesen streben nach Macht. Sie brauchen die Menschen, um körperlich existieren zu können.“
„Wie konntest du ihm nur deinen Körper geben?“
Er ließ den Kopf in einer resignierten Haltung hängen.
„Das Angebot war zu verlockend.“ Er lachte bitter. „Schau mich nicht so entsetzt an, Tina. Jeder hat seinen Preis.“
„Oh, dem hättest du auch widerstanden – zumindest, nachdem du seine Augen gesehen hättest.“
„Ich weiß, was er dir befohlen hat. Warum hast du nicht mit mir geschlafen? Du hättest dir viel Ärger erspart – glaub mir, jetzt geht es erst richtig los.“
Er schaute mir unentwegt in die Augen. Sie waren normal. Ich konnte kein Glimmen darin entdecken.
„Ich lasse mich nicht erpressen. Wenn ich mit jemandem ins Bett gehe, dann weil ich das will, und nicht, wenn es mir befohlen wird. – Schon gar nicht, wegen einem Job!“
Ich wurde wütend und schrie beinahe: „Hättest du es gekonnt? Für einen Job! Das ist ... mir fehlen die Worte dafür!“ Angewidert drehte ich mich zur Seite.
„Jetzt bin ich froh, dass er dich ausgewählt hat. Am Anfang war ich ärgerlich, aber jetzt freut es mich. Vielleicht kannst du doch etwas ausrichten.“
Seine Worte waren rätselhaft. Und warfen mehr Fragen auf, als sie beantworteten.
Ich sprang auf und lief im Zimmer hin und her, während ich ihn anschrie: „Bist du verrückt! Zuerst lässt du dich von diesem Teufel übernehmen und dann soll ich alles in Ordnung bringen! Ja sag mal – du hast doch nicht mehr alle Tassen im Schrank! Hau ab mit deinem Teufel und komm ja nie wieder!“
Er starrte betrübt zu Boden. Ich war versucht Mitleid mit ihm zu haben. Dann dachte ich an den Morgen, und dass er gewusst hatte, was von mir verlangt worden war.
Mein Blick wurde hart. „Hau ab!“
Seine Stimme änderte sich wieder. Es war nur eine Nuance. Ich fühlte eine eisige Hand über meinen Rücken fahren.
„Du willst also nicht?“ Er stand auf und kam zu mir ans Fenster. Ohne mich zu berühren, drehte er mich, nur mit seinen Gedanken, zu sich um. Mein Gesicht hob sich. Ich war gezwungen, ihm direkt in die Augen zu sehen. Er hielt mich gefangen. Meine Augen tränten. Ich hatte das Gefühl, wieder sondiert zu werden. Verzweifelt versuchte ich mich zu wehren. Markus hatte gesagt, dass dieses ein junges Exemplar sei. Wie stark würde es sein, wenn es älter wurde? Übelkeit stieg in mir hoch. Aber er ließ mich nicht los.
Plötzlich spürte ich seine Gedanken in meinem Kopf.
„Du wirst Nachkommen tragen – eine neue Rasse wird entstehen. Du wirst dich nicht dagegen wehren, die Amme für die Jungen zu werden.“
In mir entstand das Bild lauter kleiner Echsenköpfe mit menschlichen Zügen.
„Nein!“, brüllte ich. Es war das letzte Wort, das meine Lippen, für eine lange Zeit, verließ.
Er drehte sich um, murmelte irgend etwas, und mein Mund schien nicht mehr zu existieren. Ich fuhr mit der Hand darüber, spürte die Lippen, aber ich brachte sie nicht auseinander.
Dann hatte ich wieder seine Stimme im Kopf: „Du wirst nicht mehr sprechen! Erst, wenn ich es dir erlaube, wirst du den Mund wieder öffnen können!“

Wie von Sinnen hantierte ich in meinem Gesicht herum. Ich kratzte mir die Lippen blutig. Blut vermischte sich mit der salzigen Nässe der Tränen.
„Ich werde jetzt nicht aufhören.“
‚Nein! Du wirst mich nicht als Brutkasten benutzen!’, dachte ich.
Er fuhr herum. Starrte mich aus funkelnden Augen an. Ich hatte seine Gedanken erreicht! „Diese Mätzchen werde ich dir noch austreiben. Du bist nichts wert! Nur eine leere Hülle, so wie der, den ich übernommen habe. Was denkst du, was die Menschen alleine geschafft hätten? – Nichts! Ohne unsere Hilfe seid ihr nichts – wertlose Geschöpfe, die schon längst der natürlichen Auswahl zum Opfer gefallen wären, wenn ihr nicht uns hättet.“
Er festigte seinen mentalen Griff und dirigierte mich ins Schlafzimmer. Wie eine Schlafwandlerin ging ich, öffnete die Tür und blieb dann stehen.
„Siehst du, du gehörst doch schon halb mir? Wieso nicht ganz?“
Ich hörte eine weitere Stimme in meinem Kopf. Es war Markus. Aber er war so leise, dass ich ihn nicht verstand. Er versuchte mir etwas Wichtiges mitzuteilen. Ich verstand nur „Vereinigung“. Wollte er jetzt, dass ich mich mit dem Wesen vereinigte, oder warnte er mich davor? Es war mir egal. Ich wollte es nicht!
Mit einer Willensanstrengung, die dem Kraftakt eines Panzers entsprechen musste, drehte ich mich um. „Nein!“, schrie ich wieder in Gedanken. „Nein!“ Das wiederholte ich sooft, bis mir eine Faust ins Gesicht schlug. Ich fiel.

Im Bett kam ich wieder zu mir. Mir schwamm alles vor Augen. Die Welt drehte sich. Mir war kalt. Dann bemerkte ich, dass ich nackt war. Ich wurde wieder wütend. Was bildete sich der Kerl eigentlich ein, mich einfach auszuziehen, wenn ich bewusstlos war?
‚Jemand schlagen, der schwächer ist als man selbst – was für eine Leistung’, höhnte ich in Gedanken. Irgendwie war es mir gelungen, eine Gedankenverbindung mit dem Echsentypen aufzubauen. Er machte sich nicht mal die Mühe, mich anzusehen. Starrte über mich weg die Wand an. Es wurde wieder kälter. Mit der Kälte verdrängte die Angst meine Wut. Der Zorn hatte mir Kraft gegeben. Damit war es vorbei. Ich begann zu zittern und schwitzte gleichzeitig. Meine Blase machte sich selbständig. Ich pinkelte ins Bett. Ich hatte die Kontrolle über meinen Körper verloren! Er hatte mich mit seinen Gedanken in der Hand. Grinsend drehte er sich um. „Du siehst, ich kann alles mit dir machen“, sagte er, diesmal mit der Stimme von Markus. ‚Nicht alles’, dachte ich. ‚Meine Gedanken kannst du nicht kontrollieren!’
„Du wehrst dich noch immer? Schön!“
Er schien es zu genießen. Ich lag da in meinen eigenen Ausscheidungen, konnte nicht mal den kleinen Finger rühren. In mir herrschte Panik. Wenn ich schreien hätte können, hätte ich nicht mehr aufgehört damit. Ich wollte mich wehren! Wollte schlagen, beißen, kratzen, treten!
Er las es von meinem Gesicht ab, oder in meinen Gedanken.
„Ja, wehr dich – mach das Spiel spannender!“, höhnte er.
Dann senkte er die Temperatur noch ein wenig. Wieder bildete sich Eis. Ich spürte meinen Körper nicht mehr. Hatte ich überhaupt einen?
Dann hörte ich Markus wieder: „Lass ihn nicht …“
‚Was?’, dachte ich verzweifelt und versuchte Markus zu erreichen. Aber er war wieder weg.
„Ich denke, ich werde den Mann etwas mehr Respekt beibringen müssen, wenn er sich hier dauernd einmischt. Es ist zwar sein Körper, den ich hier benutze. Aber ich kann ihm jederzeit ein Ende bereiten und einen anderen übernehmen.“
Jetzt ging er langsam ums Bett herum. Er fixierte mich mit seinem Blick. Ob ich wollte oder nicht, meine Augen verfolgten jede seiner Bewegungen. Er bewegte sich mit der anmutigen Grazie eines Raubtiers. Die Beute lag schon griffbereit neben ihm, jetzt konnte er sich genüsslich ans Fressen wagen.

‚Lass mich los!’, bettelte ich.
Als Antwort wurde der Griff verstärkt. Er fasste jetzt um meinen Hals. Ich brachte ein leises Stöhnen heraus. ‚Nicht! Nicht! Hör auf, bitte, hör auf! Ich bekomme keine Luft! Hör auf!’ Ich bettelte immer mehr.
„Was bekomme ich dafür?“
‚Das ist dein Angebot? Mein Leben?’
„Du hast es erfasst. Schlaues Mädchen. – An deiner Stelle würde ich rasch entscheiden. Deine Lippen laufen schon blau an.“
Er stand nur da, die Hände an die Seiten stemmt und zwang mich, ihm in die Augen zu sehen. Ich war völlig bewegungslos. Hilflos. Meine Gedanken rasten – leben oder sterben. Leben oder sterben …
„Du hast nicht mehr lange, Mädchen, dann ist deine Zeit um.“
‚Zeit. Bitte.’ Ich flehte. Er blieb hart.
Als ich schon fast am Ersticken war, nahm ich sein Angebot an.
Fast sofort lockerte er seinen Griff. Mein Hals war wieder frei.
‚Lass mich die Lippen öffnen’, bat ich weiter. Ich hatte das Gefühl, als hätte sich die Zunge am Gaumen festgeklebt. Ich zitterte noch immer. Das Laken unter mir war eisig, vom Schweiß und Urin. Noch nie in meinem Leben war ich so erniedrigt worden, so ausgeliefert gewesen. Ich sah keine Möglichkeit zu entkommen. Was konnte ich ihm entgegen setzen? Meinen Willen?
Sein Grinsen wurde breiter, als ich so bettelte. Er änderte aber nichts an meiner Situation.

So musste ich ausharren. Von Gedanken gefesselt und geknebelt. Ich war so müde und fühlte mich geschunden, missbraucht.
Mit der Zeit stellte sich Durst ein. Ich spürte, wie die Lippen trocken wurden. Jeder Versuch, sie mit der Zunge zu befeuchten, endete in einem Panikanfall.
„Je mehr du zu schreien versuchst, desto schlimmer wird es werden“, belehrte er mich.
‚Du hast mich doch schon! Warum lässt du mich dann nicht frei?’
Als Antwort wurde der Druck auf meinen Geist gesteigert. Rasende Feuerbälle schienen sich durch die Windungen zu bohren. Dann war es vorbei.

Als ich wieder zu mir kam, lag der Körper von Markus neben mir. Er hielt meine Hand und starrte mit leeren Augen an die Decke. Mir war kalt. Ich zitterte. Das feuchtkalte Laken klebte mir am Rücken. Es roch nach Schweiß und Urin. Ich würgte. Dann wollte ich aufstehen. Aber er hielt mich zurück.
„Steh nicht auf, du würdest sofort umfallen – und ihn wecken.“
„Bist du es wieder, Markus?“ Ich konnte reden. Vor Erleichterung kamen mir die Tränen.
„Du musst ihn mehr angestrengt haben, als er dachte, weil er sich zurück gezogen hat. In letzter Zeit hat er mir nicht viel Raum gelassen.“
„Ich möchte mich nur waschen gehen, und das dreckige Laken wechseln. Mir ist so kalt.“ Dabei klapperten meine Zähne.
„Bleib liegen. Ich werde dir helfen.“
Ich ließ es zu, dass er das Laken wechselte und mir den Rücken wusch. Die Decke zog ich bis zum Kinn hoch, mich fror immer noch.
„Wenn du erlaubst, werde ich dich wärmen“, erbot er sich.
Er steckte die Decke um mich fest und nahm mich dann in den Arm.
„Bleib still liegen. Rühr dich so wenig wie möglich. Wenn er denkt, dass wir schlafen, dann lässt er uns vielleicht etwas länger in Frieden.“
„Wie lange dauert das schon?“
„Heute? Noch nicht lange. Ein paar Stunden, vielleicht. Es ist noch nicht Mitternacht. – Was die Welt angeht – schon viele viele Jahre, wenn nicht sogar Jahrhunderte.“
Ein paar Stunden! Mir kam es wie Tage vor.
„Wer ist er?“
„Ein kleiner Warlord, der sich emporarbeiten will“, erklärte Markus, seine Stimme klang bitter. „Er versucht die Macht der Mächtigen herauszufordern. Dafür braucht er eine Königin.“
„Warum hat er sich gerade jetzt zurück gezogen? Ich hatte ihm nichts mehr entgegen zu setzen.“
„Ich weiß nicht, vielleicht will er länger mit dir spielen, oder du hast ihn müde gemacht. – Müde – ich bin selbst so müde. Aber ich wage es nicht, zu schlafen. Er würde mich im Schlaf überraschen und dann wäre ich total unterdrückt.“
Ich zitterte. Die Kälte war mir bis in die Knochen gekrochen. Selbst die warme Decke und der an mich geschmiegte Körper vermochten nicht, die Kälte zu vertreiben.
„Versuch zu schlafen. Er wird sicher bald wieder kommen.“
Er strich mir durchs Haar. Ich hatte das Gefühl, gleich heulen zu müssen.
Ich konzentrierte mich auf die Atmung, und versuchte schöne Bilder zu visualisieren. Aber immer wieder tauchte der Echsenkopf vor meinen Augen auf. Irgendwann muss ich wohl doch eingeschlafen sein. Markus rüttelte mich wach. „Schnell, Tina – Augen auf – und …“
Dann stand „Er“ wieder da. Er fixierte mich vom Fußende des Bettes aus. Ich fühlte seine mentale Berührung. Die Lähmung war wieder da. Ich lag im Bett wie festgeklebt.
„Genug der Pause. Wir zwei sind noch lange nicht fertig.“
„Warum tust du das?“ Diese Frage ging mir nicht aus dem Kopf. Immer nur „Warum?“
„Hahaha … weil ich es kann!“
Ich wollte zittern. Trotz der Lähmung spürte ich die Kälte überall. Er hatte mir die Decke wieder weggenommen und starrte nun auf meinen nackten Körper. Ich hatte kein Gefühl mehr für meine Konturen. Es schien, als ob ich mich über das ganze Bett verteilen würde.
„Ist dir kalt?“
Ich antwortete nicht. Er musste sehen, dass ich am erfrieren war. Sein Grinsen wurde noch teuflischer. Dann sagte er einfach: „Dem kann abgeholfen werden.“
Er machte über meiner Stirn eine Handbewegung.
Und ich war – woanders.
Es war heiß. Ich lag auf grobem Sand. Eine blass gelbe Sonne briet vom Himmel. Ich hatte das Gefühl, gegrillt zu werden. Die Haut wurde schon rot, dann begann sie Blasen zu werfen.
„Steh auf und lauf!“ Es war ein Befehl. „Lauf!“
Der Titel in mir aus mir klingt wie, iss ne Wurst, mach ne Wurst *g*

Das war tatsächlich mein erster Gedanke *g*
Aber bewarheitete sich nicht.
Schöne Geschichte...
CU,
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
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Danke *ggg*

Es gibt ja noch ein paar Teile,
also die Wurst ist noch etwas länger *smile*


Herta
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
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3. Teil
Ich stand auf und lief. Immer gerade aus. Es war keine irdische Wüste. Sie war vollständig eben. Der Horizont verschwamm in der Ferne und bildete eine zittrige Linie zwischen Wüste und Himmel. Ich lief, bis ich die Beine und Füße nicht mehr spürte. Schritt für Schritt immer weiter. Die Sonne schien unbarmherzig. Der Schweiß perlte auf der Haut und brachte die Blasen zum Platzen. Die austretende Flüssigkeit öffnete weitere Blasen. Mein Körper war eine einzige Wunde. Fliegen begannen um mich herum zu summen. Ein unheimlicher Lärm in der Stille.
Ich stolperte und fiel. Meine Kraft war zu Ende. Ein Stück kroch ich am Boden dahin. Das scheuerte meinen Bauch auf. Blut färbte den Sand rot. Es war mein Blut. Ich blieb reglos liegen. Mein Kopf schmerzte. Die Hitze schien mein Hirn verflüssigt zu haben. Ich wollte schreien, brachte aber keinen Ton heraus. Nun begannen die Fliegen auf meinen Wunden zu landen. Sie krabbelten auf mir herum und legten ihre Eier in mich. Ich kämpfte mich wieder auf die Füße. Strauchelte. Landete auf den Knien. Stand wieder auf und wankte weiter. Sofort ließen die Fliegen von mir. Lange würde ich nicht mehr gehen können. Mein Mund war ausgedörrt. Die Lippen aufgeplatzt und blutig. Die Augen brannten, als wären sie mit Säure verätzt. Alles drehte sich. Schritt für Schritt. Immer ein Fuß vor den anderen, langsam wankend ging ich weiter. Stundenlang, so schien es. Es gab mich nicht mehr, nur die Wüste und Füße, die sich im Sand vorwärts bewegten. Immer zu hörte ich eine Stimme, die mich verhöhnte.
Ich war am Ende – fiel. Fliegen krochen auf mir und in mich. Ich schrie einen tonlosen Schrei, der nicht enden wollte.

Dann zerfiel ich zu Staub und …

fand mich zitternd in meinem Bett wieder. Ich dachte, ich würde in Stücke gerissen, zerhackt. Der Schrei hallte in meinem Kopf.
„Nein – nein – Herr, hör auf“, hörte ich eine Stimme flehen. „Bitte, lass sie …“ Die Stimme wurde unterdrückt. „Ich soll aufhören? Jetzt, wo sie bald so weit ist?“
„Bitte, Herr!“, wieder dieses Flehen.
Ich lag da und hörte sie in meinem Kopf. Meine Ohren waren taub, abgestorben, erfroren oder verbrannt. Ich spürte weder Herzschlag noch sonst etwas. Dann dachte ich, ich wäre gestorben. ‚Aber wenn ich tot bin, warum sollte dann noch jemand um mein Leben bitten?’, fragte ich mich. ‚Wieso fühle ich dann nichts? Wo bin ich?’ Ich bekam wieder Angst. Vorhin hatte ich rasende Schmerzen gehabt, Schmerzen, wie ich sie mir nicht mal im Traum vorstellen hätte können. Und jetzt dieser Eindruck von Körperlosigkeit.
Langsam wurde ich mir wieder meiner Umgebung bewusst. Ich konnte sehen, wenn ich die Augen öffnete. Ich konnte hören. Ihn sah ich am Fenster stehen. Er hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt, und sah auf die Straße hinaus.
Ich war nach wie vor gelähmt und geknebelt durch seinen geistigen Griff. Er wurde stärker, das merkte ich, weil er mich nicht einmal ansah. „Du bist stark“, sagte er. So etwas wie Anerkennung klang in seiner Stimme mit. „Du wirst eine hervorragende Amme sein.“
‚Nein!’, brüllte ich in Gedanken. ‚Sie werden mich nicht fressen, wie die Fliegen! Nein!’
„Du wehrst dich ja immer noch.“ Er schien erstaunt zu sein. „Sie werden dich nicht fressen – zumindest nicht gleich. Du wirst lange mit ihnen im Körper leben. Es wird ein gutes Leben sein. Du wirst keinen Mangel leiden.“
‚Wenn es so gut ist, wie du sagst, warum quälst du mich dann so?’
„Ich sagte bereits, weil ich es kann – außerdem hast du dich widersetzt. Widerstand wird bestraft. Hart und unerbittlich.“
Er drehte sich zu mir um. „Soll ich dir deine Stimme wieder geben?“
‚Bitte!’
Ein kurzes Blinzeln und ich konnte schreien. Der Schrei, der in der Wüste begonnen hatte, bahnte sich seinen Weg. Ich schrie und weinte. „Nein, ihr Mistkerle! Nein! Nein! Nein!“
„Ich werde dich wieder verstummen lassen, wenn du nicht aufhörst!“ Er baute sich drohend neben mir auf. Ich sah die Wahrheit in seinem Gesicht. Der Schrei erstarb auf meinen Lippen.
„Lass mich bitte aufstehen. Gib mir die Kontrolle über meinen Körper wieder.“
„Nein.“ Das war endgültig.
Ich weinte und bettelte. Das beeindruckte ihn nicht. Er schien sich darüber zu amüsieren.
„Du solltest dich ausruhen. Bald wird die Königin eintreffen.“
„Lass mich mit Markus reden.“
„Warum?“
„Weil ich dich darum bitte.“ Ich weinte, fühlte mich ausgeliefert, allein, hilflos.
Die Schmerzen kamen und gingen in Wellen, sie wechselten sich mit dem Gefühl von Kälte und Hitze ab. Es schien so kalt im Zimmer zu sein, dass sich überall Eis hätte bilden müssen. Dann schien meine Haut wieder Blasen zu haben, von der Hitze, die die Sonne abstrahlte. Bis dieser Eindruck von den Schmerzen abgelöst wurde. Ich stöhnte und wimmerte.
Jemand setzte sich neben mich.
„Ich bin wieder da“, sagte Markus. Ich sah, dass er meine Hand hielt, fühlte aber nichts.
„Was geschieht jetzt?“
„Die Königin wird bald eintreffen. Sie wird dich entweder für ihre Eier akzeptieren oder dich ablehnen. Ich hoffe, dass sie dich annimmt, denn dann hast du noch eine Chance, zu entkommen.“
Ich war verwirrt. Ich konnte doch nichts tun. Er wartete keine Antwort ab, sondern fügte rasch hinzu: „Glaub nicht alles, das du siehst und hörst. Wehr dich weiter. Lass sie nicht gewinnen.“
„Warum?“
„Tu es einfach. Versprichst du es?“
„Das ist kein Leben für einen Menschen. Die meisten merken gar nicht, dass sie übernommen worden sind. Sie denken, so ist das Leben.“ Er seufzte resigniert. „Versprich es“, drängte er weiter. Also versprach ich es.
„Er kommt wieder. – Bitte, Herr, lass mich noch was sagen.“
Es war sonderbar zu beobachten, wie sich der Körper neben mir veränderte, ohne sich wirklich zu verändern. Er schien größer zu werden, mächtiger. „Danke, Herr. Tina, ich … ich vertraue dir.“ Ich merkte, dass er etwas anderes sagen wollte, sich aber nicht traute, weil Er in der Nähe war.
„Danke“, sagte ich.
Dann war unsere Verbindung beendet.

Langsam gewöhnte ich mich daran, dass ich meinen Körper nicht wahrnahm. Die Schmerzen waren wieder verschwunden. Ich fühlte eigentlich nichts, schien nur aus Gedanken zu bestehen.
„Wie heißt du?“, die Frage war mir entschlüpft, noch bevor ich nachdenken konnte.
„Nestor. Aber du wirst mich mit Herr ansprechen.“
„Mir gefällt Nestor besser.“ Ich verstand mich selber nicht, woher nahm ich den Mut, ihm zu trotzen? Es war nur eine Frage der Zeit, bis er mit einem neuen Spiel beginnen würde. Töten würde er mich nicht, davon war ich felsenfest überzeugt, wollte er mich doch für die Königin.
Er lachte schallend und griff mit seiner mentalen Hand nach meinem Hals. Langsam, ganz langsam drückte er zu.
„Ich bin dein Herr, hast du verstanden.“ Seine Augen waren zu schmalen Schlitzen geworden, aus denen gelbe Blitze schossen.
Ich röchelte. Dann ließ er wieder locker. Ich konnte kaum Luft holen. Ich wiederholte fest: „Nestor.“
„Du wirst es lernen. – Spätestens wenn deine Herrin hier ist, wirst du wissen, wie du dich zu benehmen hast.“
Er griff tiefer in meinen Körper und schaltete mein Sprachzentrum ab. Damit hätte ich rechnen müssen. Ich würgte.
„Wie ich sehe, hast du dich erholt. Dann können wir ja weiter spielen. Es ist Zeit, dir gute Manieren beizubringen.“
Er gab mir mein Körperbewusstsein zurück, damit kehrten auch die Schmerzen wieder. Ich wollte stöhnen, jammern, schreien … und brachte nichts aus meinem Mund. Das Herz wurde mir rausgerissen. Ich fühlte es im ganzen Körper pochen und hämmern. Dann drückte er mir wieder die Kehle zu. Ein teuflisches Grinsen sprang mir ins Gesicht. Ich versuchte mich dagegen zu wehren. Spannte meine Armmuskeln an, stemmte dagegen, so gut es ging. Unaufhaltsam kamen meine Hände näher an den Hals. Dort angekommen, drückte ich mir selbst die Luft ab. Immer fester schlossen sich meine Finger um den Hals. Ich spürte, wie meine Augen hervorquollen. Das Blut in den Schläfen hämmerte in rascher Folge. Er ließ meinen Körper nach seinem Willen tun! Ich war panisch. Was konnte er sonst noch mit mir anstellen? ‚Alles’, war die bittere Erkenntnis.
Ich versuchte eine Gedankenverbindung herzustellen. Es fiel mir nicht leicht, weil ich keine Luft bekam und meine Hände immer fester zu drückten.
‚Hör auf! Bitte!’ Wieder bettelte ich. Aber scheinbar nicht genug.
„Was hast du gesagt?“ Er verhöhnte mich. Ich wusste es. Er würde mich so lange würgen lassen, bis ich das Wort gesagt hatte.
‚Bitte!’ Er tat, als hörte er mich nicht und verstärkte den Druck. Bald würde ich das Bewusstsein verlieren, und sterben.
‚Herr’, zwang ich mich schließlich zu denken.
„Einen schönen ganzen Satz, Mädchen. Sonst hat das Ganze doch keinen Sinn. Wir wollen ja was lernen.“
‚Lass mich bitte los, Herr.’ Jetzt war es heraußen. Er ließ los. Meine Hände fielen schlaff auf die Seite. Ich weinte, vor ohnmächtiger Wut.
„Braves Mädchen. Mit etwas gutem Willen, hat noch jeder Manieren gelernt.“
Er schritt selbstgefällig zwischen Wohnzimmer und Schlafzimmer hin und her und dozierte über manierliches Verhalten. Ich hörte ihm nicht zu.

Plötzlich läutete es an der Wohnungstür.

Mir wurde wieder abwechselnd heiß und kalt. Die Schmerzen waren wieder gekommen und dann auf ein erträgliches Maß gesunken. Er hatte meinen Körper also noch immer unter Kontrolle. Nestor würde nicht mehr los lassen. Jetzt kam er mit einer alten Frau herein. Es musste die Königin sein. Ihre Gestalt konnte ich nicht genau erkennen, weil immer wieder ihre Echsengestalt in den Vordergrund trat. Sie kam auf mich zu. Nestor hielt mich mit seinem Willen fest. Ich hatte das Gefühl, als würde er auf meinem Brustkorb sitzen.
Sie kam mit ihrem Gesicht ganz nah an meins heran. Ich spürte ihren Atem. Sie zwang mich, ihr tief in die Augen zu schauen. Ich sah in zwei schwarze Löcher, die mich einsaugten. Ich fiel ins Bodenlose. Nestor zwang mich, die Augen offen zu lassen. Am liebsten hätte ich sie geschlossen. Einen Moment brachte ich es fertig, zur Seite zu schauen. Ich hatte den Eindruck, als würde sich Markus kurz in zeigen. Dann war es vorbei und ich wurde in das schwarze Loch gezogen. Absolute Dunkelheit umgab mich – und Stille. Es war eine Stille, die man fast greifen konnte. Hier gab es nichts, keine Gefühle, keine Körper. Meine Gedanken lagen nackt vor ihr. Ich konnte sie sehen – eine große Echse: goldgelb, schlank und wendig. Spitze Zähne und eine gespaltene Zunge ragten aus ihrem Mund. Meine Gedanken wurden gekaut, verdaut und wieder ausgespukt. Nach einer schier endlosen Zeitspanne, wurde ich wieder an die Oberfläche gezerrt. Das Licht im Zimmer blendete mich, obwohl es gedämpft war.
„Na, was meinst du?“, frage Nestor und blickte die Frau an.
Sie nickte nur.
„Gib sie mir. Ich mag den alten Körper hier nicht mehr. Er war gut genug zum Üben, aber jetzt brauch ich eine neue Herausforderung. Wenn sie richtig gezähmt ist, wird sie eine gute Amme sein.“
Wut stieg in mir hoch. Ich fühlte sie als heißes Brennen im Kopf. Ich sandte meine Gedanken in alle Richtungen. ‚NEIN! Ihr werdet mich nicht benutzen! Freiwillig gebe ich mich nicht her!’
Ich hatte den Gedanken kaum zu ende gedacht, als eine Hand klatschend mein Gesicht traf. ‚Mach nur weiter! Beschädige deinen Wirt’, forderte ich sie auf. Ich war so zornig. Dabei dachte ich, ich wäre vorhin schon zornig gewesen. Aber diese Arroganz trieb mich zu massiven Widerstand an.
„Kannst du ihre Gedanken nicht kontrollieren?“, fragte die Frau bissig.
„Noch nicht. Sie ist sehr zäh. Zäher als die meisten Menschen. Aber ich denke, dadurch umso interessanter.“
„Du könntest recht haben, Nestor, mein Lieber.“
„Ich werde versuchen sie zu kontrollieren. Lass mal von ihr ab.“
Nestor setzte sich auf mich. „Es geht los. Ich lasse jetzt aus. – Und wehe von dir kommen irgendwelche Mätzchen. Wenn du gedacht hast, ich hätte Fantasie, dann hast du deine Herrin noch nicht kennen gelernt.“
Mit einem Ruck gab er meinen Körper frei. Ich rang nach Atem. Alles in mir brannte und schrie, brach und riss. Die Schmerzen wurden mit jedem Mal stärker. Ich begann eine Verschmelzung herbei zu sehnen. Ich bäumte mich auf, versuchte das Gewicht ab zu schütteln, das mich am Atmen hinderte. Schrie aus Leibeskräften, jeden verdammten Fluch heraus, den ich kannte.
Die Frau lachte, während Nestor versuchte, mich unten zu halten. Aber ich wollte mich wehren. Jetzt war eine gute Gelegenheit, denen zu zeigen, das sie mich nicht so einfach bekommen würden. Ich wollte mich nicht von so einem verdammten Echsending übernehmen lassen. Sollte der Rest der Menschheit ruhig mit denen verbunden sein – ich nicht! Meine Wut half mir, die Schmerzen zu ertragen. Gerade als ich dachte, jetzt könnte ich ihn von mir stoßen, fühlte ich eine mentale Berührung. Ich erstarrte förmlich. Die Berührung war Eis – gefrorener Stickstoff. Ich sank zurück, wurde gelähmt. Alles bis auf das Schmerzzentrum wurde lahm gelegt. Schreien wollte ich, vor Wut heulen. Ich wollte kratzen, beißen, treten – töten. Und war doch hilflos. Ausgeliefert.
„Nestor, du bist vielleicht ein Schatz.“ Sie schnurrte beinahe. „So viel Kraft steckt in der da. Wir werden noch viel Spaß haben.“
Ich sah, wie sie sich zu ihm umdrehte und ihn anerkennend musterte.
„Du hast dir einen hübschen Wirt ausgesucht. Sehr attraktiv. Wird Zeit, dass ich mich auch dementsprechend verändere.“
Nestor stellte sich vor den Wandspiegel und betrachtete das Bild, das sich ihm bot. Es war ein wirklich attraktives Bild.
Während ich versuchte, nicht verrückt zu werden, redeten die beiden über das Aussehen der Wirte und was ihrer Meinung nach alles wichtig wäre. Sie wollte eine eigene Dynastie gründen. Dabei sollten Markus und ich ihr dienen.

Mein Kopf drohte zu platzen. Ich hatte das Gefühl, als würde ich aus allen Poren und Körperöffnungen bluten. Wieder war ich in der Wüste. Warum hatte sie mich dorthin geschickt? Ich war ruhig gewesen, hatte nichts gedacht. Verzweiflung bohrte sich ins Herz. Wie ein scharfes Messer, durchschnitt es die Trennlinie zwischen Realität und Einbildung. Ich wusste nicht mehr, wer ich war oder wo ich war.
„Tina“, hörte ich jemanden rufen. Ganz leise. „Tina!“ Da war es wieder. Ich hob den Kopf vom Sand und schaute in die Richtung aus der das Rufen kam. „Wach auf! Bitte.“ Die Stimme war drängend. Ich war doch wach. Oder etwa nicht? Was war wirklich?
„Ich bin’s Markus. Wach auf.“
„Du bist nur in meinem Kopf. Eine Fantasie, wie alles hier“, versuchte ich mir einzureden.
„Nein! Es ist wichtig! Wach auf, bitte. Ich habe nicht viel Zeit!“ Er schien den Tränen nahe, als er das sagte. Also tat ich ihm den Gefallen und öffnete die Augen.
Ich lag im Bett, wurde von Schmerzen geplagt. Aber ich war allein. Ich fühlte noch immer die eisige Berührung der Königin.
‚Gut, du bist wach.’
‚Nichts ist gut’, erwiderte ich barsch.
‚Du darfst dich nicht in der Wüste verlieren. Bitte, denk dich nie wieder an einen warmen Ort. Dort wirst du mit Sicherheit sterben.’
‚Was wäre so schlecht daran? Für mich wäre es eine massive Verbesserung – keine Echse, keine Schmerzen – nur Ruhe.’
‚Was dich dort erwartet, wenn du dich verlierst, lässt sich nicht beschreiben. Dagegen sind die Leiden in der Hölle der reinste Kindergeburtstag. – Ich muss dir ganz dringend etwas sagen …’ Er konnte nicht ausreden, so schnell war er wieder weg. Ich war mit meinen Schmerzen alleine. Konnte mich nicht mal bewegen, um mir Erleichterung zu verschaffen.
‚Bitte, gebt mich frei, nur für eine Minute. Ich halte das nicht mehr aus’, bettelte ich wieder.
Es kam keine Antwort. Lange Zeit musste ich ausharren. Meine Körpersteuerungen waren gefesselt und geknebelt. Mein Wille schmolz dahin – wie Eis im Sommer.

Ich weinte lautlose Tränen. Wünschte mir sogar den verhassten Nestor herbei. Ich konnte diese Stille nicht mehr ertragen. Watte in den Ohren. Schmerz, der meinen Körper fraß. Voller Gier schien er jede Faser zu verspeisen, daran zu ziehen und ewig zu kauen. Meine Knochen wurden zu Mehl gemahlen. Meine Muskeln zu Brei gequetscht. Die Organe verflüssigt und das Blut verdampft.
Ich war wieder in der Wüste.
‚Nein!’, rief ich in Gedanken.
Dann stand Nestor neben mir. In seiner Echsengestalt. Er hob mich hoch und trug mich fort. Dabei sagte er: „Ich spreche zu deinem Unterbewusstsein. Halte dich fest.“
Er brachte mich an einen angenehmeren Ort. Es war kühler, aber immer noch fast zu warm für mich und sehr feucht.
„Was willst du?“, fragte ich bissig.
„Ich kann dir nicht alles erklären. Es ist zu wenig Zeit, selbst für mich. Zara wird sonst dahinter kommen, dass ich ein falsches Spiel treibe. Nur so viel in Kurzform: Ich gehöre einer Widerstandsbewegung an. Zara ist tatsächlich ein Abkömmling der alten Könige. Wir müssen sie eliminieren, bevor sie ihre volle Macht entfaltet.“
Ich konnte es nicht glauben. Da lag ich in den Armen einer Riesenechsen, die noch vor einigen Minuten mein Feind war, und nun sagte mir dieser, dass ich vor ihm keine Angst zu haben brauchte.
„Warum ich?“
„Weil du stark bist. Ich habe dich ausgewählt … naja, nicht nur ich. Markus hatte auch ein Wörtchen mit zu reden. Er ist zwar mein Wirt, aber er ist es freiwillig.“
„Ich möchte mit ihm reden“, verlangte ich.
„Markus kann jetzt nicht weg. Er muss den Körper aufrecht erhalten und den Anschein erwecken, als wäre ich in ihm.“
„Warum?“
„So viele warum, Mädchen. Nur soviel. Wenn Zara dahinter kommt, sind wir alle tot. Lass dir das gesagt sein: In dir ist eine Kraft, die selten in Menschen zu finden ist. Ich habe das bei unserer ersten Begegnung gespürt. Nutz sie, halte Zara auf Trab. Beschimpf sie in deinen Gedanken. Wehr dich gegen ihre Berührung. Du kannst es, gegen mich hast du dich erfolgreich gewehrt.“
„Ha! Du hast mich auch jetzt noch gut im Griff.“ Ich wollte nicht in diese internen Machtkämpfe gezogen werden. Und ich war unsicher, ob ich ihm glauben sollte.
„Du kannst es, nur weißt du es nicht. – Ich schicke dich wieder zurück in deinen Körper. Mach dich auf unsagbare Schmerzen gefasst. Es wird ärger werden, als du dir vorstellen kannst.“
„Wie soll ich mich wehren?“ Ich war verzweifelt. Wieso sollte ich etwas können, was diese Wesen nicht zustande brachten?
Ich bekam keine Antwort. Mit einem Blinzeln von Nestor war ich wieder in meinem Körper. Obwohl er mich gewarnt hatte, trafen mich die Schmerzen wie eine Flut. Sie wirbelten mich durch, schleuderten mich gegen Felsen, zertrümmerten mich. Zara stand wie eine Spinne über mich gebeugt. Ich hatte den Eindruck, dass sie ihre Fangzähne in mich gebohrt hätte, wenn sie welche gehabt hätte.
‚Geh weg, du hässliche Eidechse’, schleuderte ich ihr entgegen.
Sie hielt kurz inne. Ich hatte sie erschreckt, zumindest hatte ich den Eindruck. Dann verstärkte sie ihre mentalen Angriff. Sie griff nach meinem Atemzentrum. Ich dachte: ‚Wenn du mich tötest, tötest du eine mögliche Amme.’ Als sie den Griff nicht verstärkte, legte ich nach: ‚Na komm, drück zu, damit das ein Ende hat. Denkst du, dass ich so leben will?’
Ich schleuderte ihr alles an aufgestauter Wut entgegen, das ich aufbringen konnte. Wie ich die Tortur aushielt, weiß ich nicht. Irgendetwas oder irgendjemand gab mir genug Kraft, auszuhalten.
Zara konzentrierte sich nun voll auf mich. Ich sah es an ihren Augen. Sie fixierte mich, versuchte in meine Gedanken einzudringen. Ich visualisierte eine Mauer und schaffte es tatsächlich, sie abzuwehren. Wie lange ich Stand halten würde, wusste ich nicht. Aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, wie Markus/Nestor hinter Zara schlich. Er griff ihr an den Hals. Ich musste meine Mauer verstärken. Irgendwie schaffte ich es, sie aus meinem Körper zu vertreiben. Ich hörte sie schreien. Der Griff um mich lockerte sich. Ich schrie ebenfalls. Laut und durchdringend. Dann war Nestor in meinem Kopf und unterdrückte die Krämpfe und Schmerzen. Markus rang mit Zara. Endlich lag sie am Boden und rührte sich nicht mehr.
Er stand auf, nahm ein Messer und rammte es ihr ins Herz. Dann rannte er zu mir, als ob ich Schutz bieten könnte. Nestor schien sich aus zu breiten. Er vereinte uns zu einem Gedanken: „Hier gibt es keinen Zugang. Alle Gehirne besetzt.“
Ich hörte noch einen klagenden Laut, der sich langsam in der Nacht verlor.
Ich zitterte. Ich weinte. Ich presste die Hände auf die Augen. Ich schrie.

Der Mann nahm mich in den Arm. Hielt mich, bis mein Schreien nachließ.
„Ich habe gesagt, ich werde dir die Schmerzen nehmen“, sagte er.
„Leg dich hin und versuch dich nicht zu bewegen.“
Ich blieb ruhig liegen, fühlte eine sanfte Berührung in meinem Geist. Dann ließen die Schmerzen nach. Sein Gesicht verzerrte sich. Als die Schmerzen ein erträgliches Maß angenommen hatten, sagte ich: „Hör auf. Es reicht. – Was ist mit Zara?“
Ich richtete mich auf. Schaute mich im Raum um. Es gab keine Spuren von ihr.
„Wie hast du das gemacht?“, fragte ich Nestor.
„Ich habe die Leiche hinaus teleportiert. Dank deiner Hilfe, hatte ich genug Zeit dazu. Ich stehe tief in deiner Schuld, Tina.“

Nach ein Weile sagte er: „Ich weiß, dass du Markus magst. Ich hoffe, dass du auch mich annehmen kannst.“
Ich antwortete nicht. Es stand mir nicht der Sinn nach Konversation. Ich wollte Ruhe – wirkliche Ruhe. Mein Körper fühlte sich noch nicht ganz richtig an. Ich hoffte, dass sich das bald wieder geben würde. Markus saß neben mir und redete. Worte plätscherten aus seinem Mund. Ich nahm nichts wahr. Irgenwie verschwamm die Welt wieder.
Schmerzen überrollten mich neuerlich, machten mich taub und blind. Meine Beine waren nicht da, ebenso wenig die Arme, der Torso – nichts außer die Schmerzen existierten. Es war noch etwas in mir!
„Raus aus meinem Kopf!“, befahl ich.
Höhnisches Gelächter folgte.
„Nestor?“, fragte ich und wurde unsicher.
Wieder war Lachen die Antwort.
„Ich bin hier“, sagte Nestor. „Was ist mit dir?“
„Da ist noch jemand in mir.“ Meine Stimme klang hysterisch schrill.
„Schnell – Markus, wir müssen uns trennen, zumindest muss ich einen Teil von mir aus dir nehmen. Nimm ihre Hand und fühle den Puls. Wir haben nicht viel Zeit.“
Dann war Nestor in mir. Er murmelte irgend was beruhigendes, oder redete Markus mit mir? Es war eigenartig, beängstigend, so viele Entitäten im Kopf zu haben.
Nestor tastete mich ab. Steckte seine geistigen Fühler in alle Körperteile. Ich hatte das Gefühl, ersticken zu müssen. Mühsam rang ich bereits nach Atem. Ich fühlte, wie meine Sinne schwanden. Dann ging es plötzlich wieder besser. Ich tat einen tiefen Atemzug, nur um mich wieder im mentalen Würgegriff zu befinden.
„Scheiße“, schrie Nestor. Ich erschrak über die Wut in seiner Stimme.
„Verdammte Zara – sie hat dich präpariert. Du trägst einen Zerstörer in dir.“
Er schien in meinen Gehirnzellen zu wühlen. Das Atemzentrum! Ich bekam immer schwerer Luft. Alles verschwamm vor meinen Augen. Lichter zuckten hinter den Lidern. Ich hatte Angst, wieder in der Wüste zu sein. Hektisch fühlte ich Nestors Gedankenfinger an den neuralen Verbindungen tasten. Er öffnete Knoten, schloss neue Verbindungen. Die ganze Zeit über hielt mich Markus im Arm.
„Du solltest dich mit ihr paaren“, murmelte Nestor. Ich war geschockt.
„Wie?“, entfuhr es Markus.
„Du weißt doch wie das geht. Ich habe dauernd ihre Gedanken um mich, wie soll ich mich da auf das Wesentliche konzentrieren. – Also, seid so lieb, macht Sex und lasst mich in ihrem Kopf alleine.“
„Nein!“, rief ich in Gedanken. „Das kann ich nicht. So nicht!“
„Dann eben nicht“, Nestor schien beleidigt zu sein. „Ich habe es nur gut gemeint. Sieh zu, dass du mir aus dem Weg bleibst.“

Er werkte in meinem neuralen Netzwerk herum. Markus begann mich zu küssen und zu streicheln. Gegen meinen Willen reagierte ich auf ihn. Es trieb mich zu ihm hin. Nestor gab ein zufriedenes Brummen von sich. Dann löste sich mein Denken im Rausch der Lust auf. Kurz kam mir in den Sinn, ob er mein Lustzentrum manipuliert hatte. Aber das war im Moment egal. Er sollte den mentalen Zerstörer aus mir entfernen.

Es war eine sanfte Welle auf der ich dahinschwebte. Nestor gesellte sich irgendwann dazu. Er wirkte erschöpft. Wir alle waren erschöpft.

Dann schlief ich ein. Es war der traumlose Schlaf der Erschöpfung. Ganz ferne nahm ich Nestor wahr, er wachte.

Gegen Morgen wurde ich wach. Ich schaute auf die Uhr und konnte es kaum glauben, dass sich das alles in nur einer Nacht abgespielt haben sollte. Markus schnarchte leise neben mir. Ich kroch aus dem Bett und ging zum Fenster. Es war ein schöner Morgen. Die Sonne ging gerade auf. Ich konnte sie als rotes Glühen über den Dächern wahrnehmen.
‚Schön, nicht wahr.’
Ich fuhr herum. Markus lag noch immer im Bett.
‚Entschuldige. Ich schaue nur durch deine Augen. Es sieht alles so anders aus, durch menschliche Augen.’
‚Warum wollen deine Leute, die Menschen unterdrücken?’
‚Sie sehen es nicht so. Für sie ist es natürlich, als die Stärkeren, die Schwächeren zu benutzen.’
‚Das ist nicht richtig.’
‚Ich könnte dir viele Beispiele nennen, wo Menschen genau das getan haben – die Schwächeren ausgenutzt, sie unterdrückt und ihrem Willen unterworfen haben.’
Ich war erstaunt. Zuerst handelte er gegen seine Leute, und dann verteidigte er sie.
‚Es wird eine Zeit kommen, in der du das alles verstehen wirst. Jetzt musst du dich erst einmal diesem Leben stellen. Es wartet ein normaler Arbeitstag auf dich.’
Er begann zu lachen. Das jagte mir unangenehme Schauer über den Rücken.
‚Tut mir leid, das mit der Kündigung.’
‚Und dass du mich fast getötet hast, tut dir nicht leid?’
‚Das war notwendig. Ich habe die Schmerzen auf mich übertragen. Die meisten zumindest.’
‚Und jetzt soll ich dir dankbar sein?’
‚Nein, Mädchen. Ich sagte bereits, irgendwann wirst du den Zusammenhang verstehen, und das große Ganze sehen.’
Ich wendete meine Aufmerksamkeit wieder dem Sonnenaufgang zu.

Irgendwann … trat ich aus der Dunkelheit in den Sonnenschein.

(c) Herta 9/2009
Hertabularasa
Da kriegt Mann ja Angst vor dir!
Da entpuppt sich, plop, ein Riesentalent!
Wo hat diese Seite von Dir bisher gesteckt?
Liegen da irgendwo Leichen im Keller?

Superklasse gruselig! dracul *gr2*f
meine Güte..........
wie soll ich jetzt noch schlafen können.

und jetzt Teil 3 .
Buah … schreckliche Geschichte! Da wird mir ganz anders!
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ich schließe mich der Einfachheit halber einfach unserem Olaf an. Genau so sehe ich es auch! Da entpuppt sich wohl ein schillernder und ziemlich begabter Schreibschmetterling ...

*g*

... und erzählt dunkle, verdammt heftige Geschichten!

(Der Antaghar)
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Danke
für eure netten Worte zu meiner kleinen, allerersten, gruseligen Geschichte.

Ihr macht mich sprachlos, Leute. *rotwerd*


Schlaft schön, und lasst euch nicht von bösen Echsen überraschen *zwinker*

Herta
********k_ni Frau
728 Beiträge
die beste Therapie bei solchen Alpträumen.....
aufschreiben und raus sind sie aus dem Kopf.

Und ich muss jetzt versuchen zu schlafen....puhhh *schock*

Du produzierst lebendige Bilder
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
@ anhera
Jetzt hab ich das "Ding" nochmal gelesen - es wird irgendwie immer besser.

Bist Du Dir eigentlich klar darüber, liebe Herta, dass da weit mehr drin steckt, als es auf den ersten Blick erscheint? Ein verdammt starkes und tiefgehendes Stück!

(Der Antaghar)
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Danke
Danke, Antaghar. Ich freue mich über dein Lob. *freu2*

Ich habe lange überlegt, bevor ich überhaupt mit dem Schreiben dieser Geschichte begonnen habe. Wer weiß schon welche Macht hinter der Macht steht? Das ist eine interessante Frage, die mich schon seit längerem beschäftigt.

Heute morgen habe ich beschlossen, dass ich die Geschichte weiter schreiben werde. Ich denke, sie eignet sich dafür.

Liebe Grüße
Herta
Liebe Herta, auch ich habe mich "durchge(alp)träumt" - großer erzählerischer Bogen, der sicher nach Fortsetzung schreit...
*g*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
@ tangocleo
Danke auch dir Cleo *blume*

... Fortsetzung kommt *fiesgrins* *peitsche*


@ naschwerk: danke auch dir für's Gruseln *g*
ich schreibe von keinem persönlichen Alptraum, das ist frei erfunden *zwinker*


Liebe Echsengrüße
Herta
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
4. Teil
Durch mich

Ich war nie alleine. Ständig fühlte ich mich beobachtet, ein Teil von Nestor war immer in meinem Kopf. Mein Leben glich einem Alptraum. Doch der wahre Alptraum sollte erst noch kommen. Die ruhigen Phasen, in denen ich mich unbeobachtet fühlte, wurden weniger. Hinter jedem freundlichen Gesicht glaubte ich eine Echse zu erkennen. Die ersten Wochen ging ich fast gar nicht vor die Tür. Insgeheim war ich froh, dass ich entlassen worden war. Ich hätte es nicht ertragen können, eine gleichmütige Miene zur Schau zu stellen.

Nestor wollte mir erklären, warum ich in Gefahr war und Schutz brauchte.
„Mädchen, du weißt gar nichts. Was ich mit dir angestellt habe, war eine Kleinigkeit. Nichts im Gegensatz zu dem, was die wirklich Großen mit dir machen können, und werden, wenn sie dich finden. Sie wollen und brauchen dich. Ich verspreche, dass ich dich beschützen werde. – So gut ich es mag.“ Er fixierte meinen Blick. Ich hasste es, wenn er das tat. Goldene Blitze schienen sich dann in mich zu bohren. Es verursachte mir Kopfschmerzen und Übelkeit.
„Ich will alleine in meinem Kopf sein“, jammerte ich. „Lass mich in Ruhe!“
„Das geht nicht. Jede Echse mit etwas Verstand, wird dich als leere Hülle erkennen und sich mit dir verbinden wollen. Und dann bist du entdeckt. Willst du, dass sie dich finden?“
„Nein, will ich nicht. Ich bin keine leere Hülle!“
„Mädchen, das ist eben die Bezeichnung, die wir für euch haben. Nimm’s nicht persönlich.“
Diese arrogante Haltung ging mir auf die Nerven. Er wusste es. Es schien ihm Spaß zu machen, mich zu reizen.
„Halt dich einfach zurück“, antwortete ich nur.
„Ein bisschen mehr Respekt, Mädchen.“
Er lachte sein typisches Echsenlachen. Warum machte er das? Mir lief es kalt den Rücken runter. Warum konnte er nicht mit den menschlichen Tönen lachen?


Wir saßen bei Markus zuhause, vor dem Kamin. Es war früh dunkel geworden. Markus hatte ein Feuer angemacht. Ich fand, dass eine entspannte Atmosphäre herrschte. Langsam würde ich mich an dieses sonderbare Leben gewöhnen. Eigentlich lebte ich mit zwei Männern zusammen, die sich einen Körper teilten. Den einen mochte ich, den anderen fürchtete ich. Ich hütete mich, ihm diese Furcht zu zeigen.
Schläfrig lehnte ich mich an Markus, und genoss die Wärme – seine und die, die der Kamin abstrahlte.
„Hast du heute die Wellen gespürt?“, fragte Nestor, und störte das friedliche Bild, das in mir auf zu steigen begann. Mit einem Schlag war es weg. Ich fuhr hoch.
Markus meinte: „Sie sind auf der Suche.“
Mir rannen kalte Schauer über den Rücken. Ich starrte in die Flammen, wollte mir nicht vorstellen, was das bedeutete. Trotzdem fragte ich: „Wen suchen sie?“
„Dich. Sie haben jetzt endlich gemerkt haben, dass sie ihre künftige Königin verloren haben, und dass ihnen die Amme entkommen ist. Hoffe, dass sie uns nicht zu bald finden,“ erklärte Nestor. Immer wechselten sich die beiden beim Reden ab. Das war enervierend.
„Was ist, wenn sie uns gefunden haben?“
„Hoffen wir, dass es nicht so weit kommt. Ich möchte gar nicht daran denken.“ Ich sah, wie ein Schatten über Markus’ Gesicht huschte.
„Lass uns überlegen, was wir tun, wenn sie uns finden.“ Das war jetzt wieder Markus. Ich schnaubte. Daran würde ich mich nie gewöhnen.
Mich fröstelte, trotz des warmen Feuers. Ich begann zu zittern. Nestor schrie eine Warnung, und Markus fluchte. Alles aus einem Mund – und gleichzeitig.
„Weg hier!“
Ich wurde auf die Füße gezerrt. „In wenigen Minuten werden sie hier sein. Ich fühle sie ganz nahe. Verdammt, verdammt, verdammt! Ich habe sie unterschätzt! Das wird mir nie mehr passieren!“ Nestor schob sich in den Vordergrund. Packte mich grob am Handgelenk und rannte los. Hinab in die Tiefgarage. Hinein ins Auto, und mit Vollgas los.
Wir rauschten gerade auf die Straße hinaus, als sich mehrere Wagen mit Blaulicht quer stellten. Nestor hielt genau darauf zu. Ich kniff die Augen zu und schrie.
„Visualisiere das Bild, das ich dich gelehrt habe. – Schnell!“
Nestor durchbrach die Straßensperre. Er hatte gerade noch die letzte Lücke erwischt. Dann ging’s geradewegs auf die Autobahn. Er fädelte in den Abendverkehr ein, und drosselte das Tempo.
Ich versuchte mich zu konzentrieren. Das Bild gelang mir nicht. Immer wenn ich dachte, ich hätte es, verschwamm es, waberte und war wieder weg.
„Du musst dich mehr konzentrieren!“, herrschte mich Nestor an. Wie sollte ich das machen? Es war eine Sache, das zuhause zu üben. Eine andere aber, das in tatsächlicher Gefahr zu machen. „Visualisier die verfluchte Echse!“, schrie nun auch Markus.
„Verdammt, ich versuch es ja. Aber etwas hindert mich daran.“
Ich fuhr mir an den Kopf, hämmerte dagegen. Ein Summen und Brummen machte sich in mir breit, bis ich dachte, ich vibriere in einem eigenen Rhythmus.
Nestor hielt an einem Parkplatz, zerrte mich aus dem Wagen und rannte los. Hinein ins Gebüsch, über einen Zaun und immer weiter.

Plötzlich konnte ich nicht mehr. Ich stand steif wie ein Brett und war nicht fähig auch nur einen Fuß vor den anderen zu setzen. Nestor/Markus zerrte an mir, wollte mich wegbringen. Aber ich schien festgewurzelt zu sein. Ein Gewicht drückte mich zu Boden. Ich fiel. Im Fallen schrie ich noch: „Lauft weg!“

Dann landete ich mit dem Gesicht im Gras und schmeckte Erde. Ich schien darin zu versinken. Lebendig begraben! ‚Nein!’ Ich versuchte mich zu befreien, zu strampeln, zu schreien. Ich hatte Erde im Mund. Mit jedem Atemzug schien sich die Lunge damit zu füllen. Die Brust wollte platzen. Würmer krochen auf mich zu. Schlängelten sich in die Nase, in die Ohren, den Mund und in die Augen. Ich brüllte, ohne einen Ton von mir zu geben.

Dann lag ich auf der Wiese. Den Blick in den Himmel gerichtet. Verschiedene Personen standen um mich. Eine brüllte gerade die anderen an. Er schien der Anführer zu sein. „Ihr Versager! Ihr habt den Rädelsführer entkommen lassen!“
Er zischte etwas in der Echsensprache. Es war mir ein Rätsel, wie die das mit den Stimmbändern hin bekamen. Warum fiel mir das jetzt auf?
Sie schienen mich für den Moment vergessen zu haben. Ich versuchte mich zu orientieren, mich zu beruhigen. Machte meine Atemübungen. Konzentrierte mich. Suchte schöne, friedliche Bilder in mir. Alles was ich erreichte, war ihre Aufmerksamkeit.

Zwei von ihnen kamen und hoben mich auf eine Trage. ich wurde weggebracht. Jemand gab mir eine Spritze. Ich hörte noch, wie der Anführer sagte: „Beschädigt sie nicht und keiner dringt in ihren Kopf! Verstanden!“ Dann wirkte das Sedativ.

Das nächste, das ich bewusst wahrnahm, war ein großer Raum. Weißes Licht blendete mich. Sogar durch die geschlossenen Lider konnte ich es sehen. Ich rief mir in Erinnerung, dass sie mich nicht „beschädigen“ durften. Zumindest nicht die Hülle. Jetzt fing ich auch schon an, ihren Wortgebrauch zu übernehmen. Ich merkte, dass ich gleich hysterisch zu lachen anfangen würde. Dann prustete ich los. Der Lachkrampf endete in einem Schreikrampf. Meine Kehle war wund und trocken. Ich war vollkommen allein. Jetzt merkte ich erst, wie sehr ich mich an die Anwesenheit des Echsenmannes gewöhnt hatte. In den letzten Wochen war ein kleiner Teil von ihm, immer bei mir gewesen. Jetzt fühlte ich mich einsam, verlassen und bloß.

Ich versuchte mir einzureden, dass die beiden in Sicherheit waren. Ihre Namen wollte ich nicht denken. Ich durfte es nicht. Ein gedachtes Wort konnte großen Schaden anrichten. Soviel hatte ich bereits gelernt.

Festgeschnallt lag ich auf einem Krankenbett. Versuchsweise rüttelte ich an den Fesseln. Es kam noch immer keiner.
‚Wieso bin ich ganz alleine hier? Warum kommt keiner? Ich habe mich doch bemerkbar gemacht’, dachte ich. Dann rief ich: „Hallo! Ist da jemand! Hier liegt ein schrecklicher Irrtum vor! Ich bin nicht krank!“
Als auch da niemand kam, rief ich aus Leibeskräften um Hilfe.

Endlich wurde eine Tür aufgestoßen. Mit lautem Poltern krachte sie an die Wand. Ich drehte erschrocken den Kopf. Zwei riesenhafte Echsen näherten sich. Ich wunderte mich, dass ich sie in ihrer natürlichen Gestalt erkennen konnte und durch die geschlossenen Augen. Dann wurde mir bewusst, dass ich sie mit dem inneren Auge sah. Sie traten ganz nah an das Bett heran. Ich konnte sie tuscheln hören.
„Na ihr beiden hässlichen Gestalten. Dass ihr euch so unter die Leute traut, ist schon erstaunlich“, sagte ich frech.
‚Wieso kann sie uns sehen?’, dachte einer.
„Ja, da staunst du“, sagte ich schnell, bevor mich der Mut verließ.
‚Sie versteht uns!’ Die Gestalt war erstaunt, versuchte Furcht zu verbergen. Ich freute mich innerlich, sie so überrascht zu haben. Dann war es mit der Freude zu Ende.
„Halts Maul, Mensch, sonst wirst du es bereuen“, herrschte mich der andere an.
„Das tu ich bestimmt – nicht! Ihr haltet mich hier gefangen! Ich habe Rechte!“
„Du hast keine Rechte. Du bist nur eine Hülle – sonst nichts. Keine Rechte! Keine Gnade!“
Er drehte sich um und winkte den Zweiten heran. Sie redeten irgend etwas, das ich nicht verstand. Dann gingen sie davon.
Ich war wieder allein. Angst bemächtigte sich meiner. Unruhig wälzte ich mich in den Fesseln. In meinem Rücken drückten die Falten. Ich spürte den Gürtel am Gesäß. Die Nase juckte.

Nach einer scheinbaren Ewigkeit, ging die Tür wieder auf. Ich erkannte den Anführer von vorhin wieder. Er baute sich bedrohlich vor mir auf. Dann spürte ich, wie er in meinen Geist eindrang.
„Nein!“, rief ich. Er drang unerbittlich vor. „Nein!“, rief ich wieder. „Raus hier! Nein! Weg!“ Ich wehrte mich mit allem, was mir einfiel. Versuchte eine Mauer aufzurichten. Es half nicht viel. Er war in meinem Hirn und blockierte das Sprachzentrum.
„Du wirst erst wieder sprechen, wenn es dir erlaubt ist, Mensch.“ Er spie die Worte verächtlich aus. Dann lähmte er den Rest meines Körpers und ließ nur die lebensnotwendigen Aktionen zu.
„Ich kontrolliere jetzt deinen Körper – Atmung, Herzschlag … alles. Solltest du Dummheiten versuchen, habe ich Order, dich zu eliminieren.“
‚Das glaube ich nicht. Ihr dürft die Hülle der Amme nicht verletzen, bevor die Königin sie gesehen hat’, waren meine Antwortgedanken. Er reagierte nicht darauf.
Er stolzierte um das Bett herum, während er fortfuhr: „Du wirst alle unsere Fragen beantworten. Du wirst dich fügen, und dann der Königin als Amme zur Verfügung stehen.“
Ich begann in Gedanken zu summen. Ein Kinderlied.
„Hast du nicht gehört, Mensch!“, rief er. Eine mentale Hand fasste in mein Hirn, ballte sich dort zur Faust und quetschte die Nerven. Ich wollte schreien – und schrie einen stummen Hilferuf in die Leere.
„Ich werde dir Gehorsam lehren! Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du dir wünschen, alle Befehle zu befolgen, noch bevor sie gestellt sind.“
‚Träum weiter’, dachte ich, zwischen den Schmerzattacken.
Er ließ von mir ab und sagte: „Ich sehe schon, so kommen wir nicht weiter. Vielleicht sollten wir auf konventionelle Foltermethoden zurück greifen? – Mal sehen, wovor du am meisten Angst hast?“
Ich visualisierte einen dichten Wald, wie mein Freund es mich gelehrt hatte, und versteckte mich dort. In der Ferne hörte ich lautes Fluchen. Ich spürte sie in meinen Gedanken suchen.
„Macht nichts“, sagte der Anführer. „Wir fangen einfach mal an.“
Da ich gelähmt war, machten sie die Fesseln auf. Sie zogen mich komplett aus. Von meinem geistigen Versteck aus, beobachtete ich sie. Furcht lähmte meine Gedanken. Ich wusste aus den Medien über die grässlichsten Foltermethoden bescheid. Dann setzten sie mich auf einen Holzstuhl. Die Arme wurden hinten gefesselt und hochgebunden. Dadurch sank mein Oberkörper nach vorne. Die Beine fesselten sie an den Knien und den Knöcheln. Dann hoben sie mich hoch. Ich sah, wie sie ein Seil durch die Armfesseln zogen und es dann über eine Winde straff nach unten zogen.
Der Anführer gab mein Sprachzentrum frei. Er wollte mich schreien hören. Durch die einsetzenden Schmerzen wurde ich aus meinem Versteck geschleudert. Ich dachte, die Schultern würden mir ausgerenkt.
„Soll ich weitermachen“, fragte er bittersüß.
Weil ich nichts sagte und auch nicht schrie, gab er den Befehl zum Weitermachen. Als ich den Boden unter den Füßen verlor, schrie ich. Muskeln rissen, Sehnen, Nerven – Knochen brachen. Er war wieder in meinem Kopf. „Auf die leichte oder die harte Tour? Du entscheidest. – Wer ist der Mörder der Königin?“
Ich war von Schmerzen so benebelt, dass ich nichts denken konnte. Stöhnend und jammernd hing ich in den Seilen. Ich war nahe der Bewusstlosigkeit. Deshalb merkte ich nicht, wie noch jemand den Raum betrat. Erst als ein Streitgespräch zwischen den Echsen endstand, bemerkte ich sie. Der Neuankömmling hatte scheinbar den Streit gewonnen. Denn ich wurde von den Fesseln befreit und wieder ins Bett gelegt. Als meine Arme nach unten fielen, durchfuhr mich ein neuerlicher feuriger Schmerz. Es knirschte und krachte in den Schultern. Ich schrie und schrie, bis ich in Dunkelheit fiel.
*******ssin Frau
270 Beiträge
Hallo,

auch ich fand die Geschichte super!

Sehr sehr spannend und faszinierend.
Mich würde auch interessieren, wie die Geschichte in der "Zukunft" weitergeht.

Viele liebe Grüße
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Der Schluss
Eine Stimme weckte mich. Sie war unangenehm. Ich öffnete die Augen und merkte, dass ich alleine war. Es war wieder jemand in mir. Resigniert seufzte ich auf. Ich befand mich in einer Gefängniszelle. Ein Kameraauge fixierte mich von der Tür. Daneben war ein Lautsprecher angebracht. Eine grelle Neonlampe sandte ihr flackerndes Licht in den Raum. Alles wirkte kalt, steril. Es roch nach Angst – meiner Angst.
Die Stimme wurde drängender. Ich beschloss zu zuhören. Sie flüsterte: ‚Na endlich! Sieh zu, dass du wieder auf die Ebene kommst, wo du außerhalb der Zeitrechnung bist. Du weißt schon wer, hat dich einmal dorthin gebracht. Geh in den Sumpf.’
Dann war die Stimme weg. Ich grübelte, was die Stimme gemeint haben könnte. Soviel ich wusste, war ich nie außerhalb der Zeit gewesen – oder doch? Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich presste die Hand auf den Mund, um es nicht laut zu sagen und sang wieder das Kinderlied. Jetzt hieß die Devise: nicht denken – handeln.
Die Frage war nur: wie sollte ich dort hinkommen? Ich war ja nicht alleine dort gewesen. An den anderen Ort wollte ich nicht geschleudert werden. Das wäre meine Ende – ein grässliches.
Die nächste Schwierigkeit war, nicht daran zu denken. Aber wenn ich nicht daran dachte, wie konnte ich dann dorthin kommen? Es war ein Teufelskreis.

Ich bohrte die Hände in die Augen. Dabei fiel mir auf, dass die Schmerzen weg waren. Hatten sie mir ein Schmerzmittel gegeben, oder war es etwas – anderes?

Die Kamera zeichnete alle meine Bewegungen auf. Mir schien, als ob ich schon eine sehr lange Zeit hier eingesperrt war. Ich begann klaustrophobisch zu werden. Wie ein Tiger im Käfig, lief ich hin und her. Fünf Schritte zur Tür, fünf in die andere Richtung. Das Kameraauge blinkte ohne unterlass. Es war sehr still. Das einzige, das ich hörte, war mein Atem und meine nackten Füße, die auf den kalten Fliesen klatschten.
Ich fror. Sie hatten mir meine Kleider nicht zurück gegeben. Eine Decke fand ich auch nicht, auch kein Laken. Nichts! Nichts, mit dem ich mich hätte wärmen können. Oder kam die Kälte gar nicht von der Umgebung?

Ich legte mich wieder auf die Pritsche. Schloss die Augen und versuchte nicht zu denken. Das Nichtdenken ging im Gehen leichter. Ich war so müde. Das Licht stach unermüdlich in meine Augen. Es bohrte sich hinter die geschlossenen Lider und fraß sich einen Weg, um am Hinterkopf wieder raus zukommen. Ich bekam Kopfschmerzen. Mein Nacken war ganz verspannt. Ich zitterte. Die Kälte schien zuzunehmen. Immer wieder fielen mir die Augen zu. Erschrocken riss ich sie wieder auf. Die Abstände wurden immer geringer. Dann ließ mich laute Musik hochfahren. Das Herz pochte wie nach einem 100-Meter-Sprint.

Ein gutes hatte die Musik, sie hielt mich vom Denken ab. Der Rhythmus war so hart, dass ich ihn bis in die Knochen spürte. Ich presste die Hände an die Ohren, es war zuviel. Das Herz schlug im selben Takt, und ließ mich fast ohnmächtig werden. Dann wurde es etwas leiser, nur um wieder lauter zu werden.
Ich kauerte auf dem Boden vor der Tür und rief: „Hört auf! Hört auf! Was wollt ihr von mir?“ Es kam keine Antwort. In meinem Kopf dröhnte es. Die Hirnflüssigkeit schwang mit dem Auf und Ab der wechselnden Tempi mit.
Ich trommelte gegen die Eisentür, bis die Fäuste schmerzten. Müde sank ich zu Boden. Der Rhythmus schien sich jetzt durch den Boden in mich zu bohren. Ich hatte den Eindruck, ein Klangkörper zu sein. Verzweifelt versuchte ich, mein Versteck zu visualisieren. Zu spät war es mir eingefallen. Ich hätte ihm zuhören sollen, als er mir von seinen Leuten erzählte und wie ich in sichere Sphären außerhalb der Zeit gelangen konnte. Aber ich war zu sicher gewesen, dass mir keine Gefahr drohte. Ich war überheblich gewesen. Das war jetzt die Strafe dafür. Ich weinte, bis ich keine Tränen mehr hatte. Der Kopf schmerzte dafür umso mehr. Ich wurde irr. Ich stand auf, nahm Anlauf und rannte mit dem Kopf voran gegen die Tür. Zumindest wollte ich es. Auf halbem Weg bremste mich ein fremder Wille. Die Musik brach ab. Ich stand völlig reglos da und kam mir sehr dämlich vor. Noch vor einer Sekunde wollte ich mir den Schäden einrennen, und jetzt stand ich wie eingefroren da.
‚Halt!’ schrie jemand in meinen Gedanken. ‚Ich kann dir nicht helfen, wenn du bewusstlos bist. Verdammt Mädchen, hör wenigstens einmal zu!’ Er war ärgerlich. Die Paralyse verebbte. Die Musik dröhnte noch genauso laut wie vorhin. ‚Ich kann nicht lange bleiben, sonst finden sie uns. - Tu jetzt was ich dir sage – ohne fragen! Setz dich, stütz den Kopf in die Hände. Sie sollen dein Gesicht nicht sehen.’
Ich fügte mich und machte es genauso, auch wenn mich das Dröhnen der Musik fast verrückt machte. ‚Braves Mädchen. Jetzt hör zu: Du kannst jederzeit an meinen geheimen Ort kommen. Dort kannst du gefahrlos ruhen. Eine Weile vielleicht. Irgendwann werden sie den auch finden. Ich habe dir erklärt, was du tun sollst. Es ist in deinem Unterbewusstsein. Weißt du nicht mehr, wie ich gesagt habe: ‚Halt dich fest.’? Halt dich einfach wieder fest. Es gibt immer einen Haltegriff. Nimm ihn!’
Dann war ich wieder alleine – alleine mit dieser verdammten Musik, wenn man das so nennen konnte.

Ich ließ den Kopf in den Händen, schloss die Augen, verbannte alles aus meinem Hirn. Das Dröhnen der Musik drang jetzt durch die Fußsohlen in mich. Es brachte mein Blut in Schwingung. Mühsam gelang es mir, auch das auszuschalten. Die Anstrengung war so groß, dass mir der Schweiß ausbrach. Dann war es ruhig. Ich schaute auf mich herab, und wäre fast wieder in meinen Körper gefahren. Es war erschreckend – so etwas hörte man normalerweise nur von Leuten, die schon klinisch tot waren. War ich tot?
Plötzlich hatte ich das Gefühl, mich beeilen zu müssen. In Gedankenschnelle befand ich mich an dem geheimen Ort. Nestor war dort. Er sah wie immer grauenhaft aus. Seine Schuppen glänzten graugrün. Er war unscheinbar. Bis auf die Augen. Die Augen waren – sie ließen sich nicht beschreiben.
‚Versprich mir, dass du zuhörst, ohne mich zu unterbrechen.’
Ich nickte.
‚Markus hat dir schon einmal gesagt, dass du nicht alles glauben sollst, was du siehst, oder was dir als die Wahrheit erscheint. Es gibt immer eine Wahrheit hinter der Wahrheit. Nicht immer ist Licht gleich Licht. Schatten ändern sich, sie werden einmal länger und dann wieder kürzer. Das Licht ist nicht gleich das Gute. Versuch hinter das Licht zu sehen. Was siehst du hinter dem Licht?’
Ich war verwirrt. Was redete er da für Zeug daher? Hatte ich was verpasst und war jetzt in einer Philosophiestunde gelandet? Aber ich hatte es versprochen. Vielleicht hatte auch der ständige Lärm mein Hirn aufgeweicht. Ein Teil von mir wollte seine Worte akzeptieren, sie als Wahrheit anerkennen.
‚Ja’, dachte ich. ‚Was ist hinter dem Licht?’
‚Such nicht jetzt danach. Ich hab dich zwar außerhalb der Zeit gebracht, aber das heißt nicht, dass hier Zeit unbegrenzt zur Verfügung steht. Du musst zurück. – Schnell! Sie kommen dich holen.’
Ich hätte noch so viele Fragen gehabt, aber mit einem Blinzeln seiner Echsenaugen war ich wieder auf der Pritsche. Gerade noch rechtzeitig. Die Musik hatte aufgehört. Sie klang noch immer in den Ohren. Ich war taub. Von meinem Platz aus beobachtete ich, wie die Tür aufging. Ein Echsenmensch trat ein, fasste mich grob am Ellbogen und zerrte mich mit.

Ich wurde einen langen, von vereinzelten Lampen erhellten, Gang entlang geführt. Am Ende des Gangs ging es durch eine Gittertür und ich wurde in ein behaglich eingerichtetes Zimmer geschoben. Das Licht tat meinen Augen gut. Es war nicht zu grell und nicht zu dunkel.
Ein dumpfer Schmerz machte sich in meinen Schultern breit. Die Schmerzmittel mussten nachlassen. Ich versuchte sie zu ignorieren. Atmete bewusst.
Hinter einem klobigen Schreibtisch saß ein kleiner, fast kahler Mann. Er starrte mich an. Ich war noch immer nackt. Diese Tatsache schoss mir blitzartig ins Bewusstsein. Ich fühlte Scham aufsteigen. Wieso musste ich in meiner ganzen Blöße dastehen? Ich wusste nicht, wohin mit den Händen. Dann siegte der Zorn. Ich nährte ihn noch. Was sollte das alles? Konnten wir nicht in friedlicher Koexistenz miteinander leben?
Noch bevor der Mann etwas sagen konnte, sagte ich: „Was wollt ihr von mir?“
„Das fragst du noch immer?“, fragte der Mann zurück. „Du kennst die Antwort. – Setz dich. Unsere Unterhaltung wird eventuell länger dauern, und ich möchte das Genick meines Wirtes nicht über Gebühr beanspruchen, indem ich zu dir aufsehen muss.“
Ich kam seiner Aufforderung nach. Es war mit Sicherheit angenehmer, der Zukunft auf einem weichen Sessel entgegen zu sehen. Außerdem fühlte ich mich so etwas geschützter.
„So ist es gut. – Hast du Durst?“
Das waren ja ganz neue Methoden. Natürlich war ich durstig! Ich war sicher, dass er es wusste. Aber mich sollte der Teufel holen, wenn ich das zugab. Das, mir bereits bekannte , Echsengrinsen erhellte kurz sein Gesicht. Er stellte ein Glas Wasser vor mich auf den Tisch.
„Trink ruhig. Es wird dir nicht schaden. – Aber trink langsam, sonst könnte dir übel werden.“
Zögernd trank ich. Das kühle Nass belebte mich. Jetzt ging es mir besser. Aber für wie lange?
„Ist dir kalt? Es tut mir wirklich leid, dir so viele Unannehmlichkeiten zu bereiten.“
Ich hielt das für reines Geschwafel. Und ich zeigte das auch. Ich lehnte mich in dem Polstersessel zurück und legte aufreizend ein Bein hoch. Das Wasserglas hielt ich noch in der Hand.
„Ich sehe schon, dass es mit dir nicht leicht wird. Leider liegt es an mir, dich auf die Ankunft der Königin vor zu bereiten.“
„Oh, lass dir ruhig Zeit, ich hab keine Eile“, sagte ich ohne nachzudenken.
Ich merkte, dass ich ihn überrumpelt hatte.
„Keine Frechheiten. Es ist eine Ehre, der Wirt einer Königin zu sein.“
„Sehr zweifelhaft“, entgegnete ich, und stellte belustigt fest, dass ich ihn aus dem Konzept brachte. Er hatte wohl gedacht, dass ich total am Ende wäre. Die Zeit im Refugium von Nestor hatte mich wohl gerettet. Vielleicht hatte er Recht, mit dem was er mir gesagt hatte. Ich hoffte, dass ich irgend wann einmal Gelegenheit bekam, hinter das Licht zu sehen.
Nun stand der Mann auf. Ich sah, wie sich eine Echsengestalt um ihn manifestierte. Sie schimmerte um den Menschen herum, groß und gelb schimmernd. Er hielt drohend eine Klaue auf mich gerichtet.
„Die Späße werden dir schon noch vergehen. Die Zeit der Höflichkeiten ist vorbei.“
Die Art, wie er das sagte, jagte mir einen eisigen Schauer über den Rücken. Das Licht im Raum verdüsterte sich. Nebel schien aufzusteigen. Aus seinen Nüstern drang Rauch. Seine Augen glühten und waren bald alles, was ich sehen konnte. Ich hatte ihn sträflich unterschätzt. Die Höflichkeit war nur Fassade gewesen. Jetzt war es für ein Bedauern zu spät.
Wieder hatte ich Nestors Worte nicht beachtet. „Hinterfrage, wenn dir jemand etwas sagt. Schaue hinter das Bild.“
Ich fühlte, wie die Entität mein Gehirn sondierte. Es war unangenehm. Seine mentalen Finger tasteten meinen Körper ab. Sie hielten kurz an meinen Brüsten. „Weg da!“, schrie ich. Er wich zurück. Ich hatte ihn erschreckt.
Er ließ sich aber nicht lange abhalten und tastete weiter. Ich wand mich unter seiner geistigen Berührung. Es war unangenehm. Ich fühlte seine gierigen Hände über meinen Körper gleiten, obwohl er mich nicht physisch berührte.
„Hör auf!“, schrie ich.
Er grinste. Klinkte sich in mein Sprachzentrum, und schaltete es ab.
‚Na typisch’, dachte ich. ‚Wenn ihr nicht mehr weiter wisst, schaltet ihr einfach das Sprachzentrum ab.’
Eine schmerzhafte Ohrfeige war die Folge dieser höhnischen Gedanken.
Er tastete weiter. Strich über meine Brüste, den Bauch, die Oberschenkel und näherte sich meinen intimsten Bereichen. Seine Finger wollten weiter vor drängen. Ich fokussierte meine Gedanken und schob ihn zurück. Gleichzeitig sprang ich auf. Oder wollte es versuchen. Ich kam zwar in die Höhe, fiel aber sofort zur Seite.
Der Teufel hatte mich teilweise gelähmt – und ich hatte es nicht gemerkt!
Ich schlug hart auf den Boden. Schmerz durchfuhr meine rechte Schulter. Ich wollte schreien, konnte aber nicht. Das war so unfair! Er ließ sich davon nicht beirren, sondern glitt mit seinen Fingern weiter über meinen Körper. Ich hasste, was er da mit mir tat. Es war schlimmer als die laute Musik, der Schlafentzug oder die Schmerzen. Niemand war bis jetzt so weit gegangen. Er sagte nichts mehr. Drang einfach in mich ein. Zwang mich mitzuspielen. Ich wollte ihn treten, schlagen, beißen. Er stand einfach grinsend hinter dem Schreibtisch und schaute zu, wie ich am Boden kauernd, wimmerte.
‚Hör auf! Bitte, hör auf’, flehte ich.
‚Ich hab noch nicht mal angefangen, und du bettelst schon?’
Sein Grinsen wurde immer breiter.
‚Ich kann dir Schmerzen bereiten, ohne dass deine Hülle darunter leidet. Aber wie ich sehe, schmerzen deine Schultern wieder. Das darf natürlich nicht sein. Die Königin wünscht eine intakte Hülle.’
Er sank tiefer in meinen Körper. Berührte einige Punkte in den Schultergelenken, und es war, als wäre nie etwas gerissen oder gebrochen gewesen. Dann kam er wieder vor.
Was dann kam ist unbeschreiblich. Nestor hatte Recht gehabt. Die ganze Zeit über – und ich hatte nicht hören wollen.
Ich kauerte noch immer auf dem Boden. Stunden schienen vergangen zu sein, in denen er mich betastete, in mich eindrang, mich pfählte und spaltete. Dann war es plötzlich vorbei. Ich lag schweißgebadet auf dem Teppich. Fühlte jede Faser auf dem Gesicht. Die feinen Härchen drangen in meine Luftröhre und erschwerten mir das Atmen. Ich wollte husten, aber er unterdrückte den Reiz. Die Augen begannen zu brennen, aber er hinderte mich daran, zu weinen. Immer wieder flehte ich: ‚Hör auf, bitte hör auf!’
Für meine Bitte war er taub. Er schien überhaupt nicht auf meine Gedanken zu achten. Es war ihm egal, was ich dachte. Kurz bevor ich das Gefühl hatte, an den Teppichhaaren zu ersticken, ließ er meinen Hustenreiz freien Lauf. Er gab mich lange genug frei, dass ich mich noch mehr krümmen konnte. Ich hustete und würgte. Plötzlich hatte ich den Eindruck, dass ich Käfer ausspie. Nein! Aus mir krabbelten Kakerlaken! Nein!
Ein gemeines Echsenlachen brachte mich wieder zurück. Ich erinnerte mich wieder an Nestors Worte. Die Realität hinter der Realität zu sehen.
‚Da sind gar keine Käfer’, dachte ich bewusst, obwohl ich am liebsten laut schreiend durch die Gegend gelaufen wäre und mich gewaschen hätte. ‚Es ist nichts da. Nur ich. Und ich liege auf dem Boden auf einem schönen weichen Teppich.’
Das dachte ich so lange, bis auch das letzte Vieh verschwunden war. Es kostete mich einiges an Anstrengung und Willenskraft. Dann schob ich ihn Stück für Stück zurück.

Plötzlich war ich frei. Ich fühlte ihn mit einem Ruck aus meinem Hirn fahren.
„Schluss jetzt Hartul“, sagte eine befehlsgewohnte Stimme.
Ich zitterte, als ich mich in die Höhe stemmte. Mühsam kam ich auf die Beine. Sie wollten mir ihren Dienst versagen, deshalb klammerte ich mich an den Stuhl. Ich drehte den Kopf Richtung Tür. Dort stand sie. Die Königin. Ich erkannte sie sofort.
„Setz dich“, herrschte sie den Mann an. Dann wandte sie sich mir zu: „Du auch.“
Meine Beine gaben nach und ich fühlte wieder den warmen Bezug unter meinem Hintern.
„Was soll das? Ich habe um eine Amme gebeten und nicht um eine Folterung!“
„Herrin …“, begann Hartul.
„Lass nur. Du befolgst nur Anweisungen. Ich kenne das schon zur Genüge.“ Sie winkte mit der Hand, und er verstummte. Er schien in sich zusammen zu sinken. Ich registrierte es mit Genugtuung.
„Nun zu dir.“ Jetzt war ihre ganze Aufmerksamkeit auf mich gerichtet. Ich wand mich unter ihrem Blick.
„Hartul wird uns nicht stören. Er wird ganz still auf seinem Stuhl sitzen und zuhören – und lernen.“ Sie schien wütend zu sein. Ich wusste aber nicht, auf wen.
„Du sollst also die Amme für meine Jungen sein? Wie ich sehe, bist du nicht freiwillig hier.“ Aus ihren Augen schlugen kleine Blitze. Die Luft roch nach Ozon. Ich musste wohl ziemlich verängstig dreingeschaut haben, denn sie fuhr freundlicher fort: „Warum weigerst du dich, mir zu helfen?“
„Es ist nicht so, dass ich mich weigern würde. Ich möchte nur gerne gefragt werden, und mich auch verweigern, wenn es mein Wunsch ist.“
Ich zitterte noch immer. Jetzt kam sie näher. Sie studierte mein Gesicht. Ganz sacht spürte ich eine mentale Verbindung.
„Lass das!“, rief ich.
„Ich werde dir nichts tun. Ich möchte nur auf einer Ebene mit dir reden, die es uns ermöglicht, die Wahrheit zu erkennen.“
„Welche Wahrheit?“, wollte ich wissen.
„Die reine Wahrheit“, war ihre schlichte Antwort.
Ich gab ihr den Weg wieder frei.
‚Hallo Tina. Ich bin die Königin.’ Ich fühlte eine Berührung, wie einen sanften Händedruck.
‚Du kennst mich. Ich war lange fort. Nun ist es wieder an der Zeit, mich in eure und unsere Geschicke einzumischen.’
Ich fand mich auf einer sonnenbeschienen Wiese wieder. Sie stand vor mir. Eine große, dunkelgrün schimmernde Echse. Ihre Augen glühten golden.
‚Warum habt ihr uns nicht gefragt, ob wir uns mit euch verbinden wollen?’
‚Da muss ich weit in die Vergangenheit zurückgehen, das würde aber jetzt zu weit führen. Nur soviel, und in Kürze: Am Anfang hielte die Menschen uns für Götter. Wir hielten sie in dem Glauben, weil sie für die Wahrheit noch nicht reif waren. Viele unserer Spezies beschlossen, hier zu bleiben, sich mit den Menschen zu verbinden und ihnen auf ihrem Weg zu helfen. Leider sind durch den Fortschritt der Menschen auch ihr Machthunger und ihre Gier gewachsen. Wie du unschwer feststellen konntest, hat sich meine Rasse da nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Sie wollen die Macht an sich reißen und die Menschen beherrschen.’
Ich unterbrach sie: ‚Das ist nicht richtig. Niemand sollte einen anderen beherrschen!’
Sie fuhr fort, als hätte ich nichts gesagt: ‚Viele ließen sich von der Aussicht auf Macht blenden. In allen wichtigen Schlüsselpositionen sitzen Echsen. Die Menschen haben gar keine Möglichkeit mehr, sich selbstständig weiter zu entwickeln. Ihre Entwicklung steht eigentlich still. Eure Fähigkeiten wurden bewusst unterdrückt. Auch ihr habt mehr Talente, als euch bewusst ist. Doch das müsst ihr selbst herausfinden.’
Ich dachte, ich würde sie verstehen.

Plötzlich stand ich alleine auf der Wiese. Sie verflüchtigte sich, und gab mir den Blick frei in ein helles Licht. Ich erinnerte mich an Nestor und seine Worte.

Ich versuchte hinter das Licht zu sehen – und stand dahinter. Die Erkenntnis traf mich fast wie ein Schlag. Dunkelheit war hinter dem Licht und vor dem Licht. Ohne die Dunkelheit konnte das Licht nicht existieren. Ich schaute mich um. Sah alles. Und ich erkannte, dass ohne das Dunkel, das Licht nichts wäre. Es würde nicht glänzen und hell leuchten. Erst das Dunkel machte das Licht zum Licht.

Aber was hatte das jetzt mit der Wahrheit hinter der Wahrheit auf sich?
‚Alle Wahrheiten sind eine Wahrheit, Kind’, sagte die Königin. ‚Nur sieht sie für jeden von uns anders aus. Für dich ist die Wahrheit etwas anderes als für Nestor. Markus sieht die Wahrheit wieder von seiner Sicht aus. So geht es weiter … Wahrheit ist subjektiv. Alles andere sind Fakten, und diese werden von Personen zusammen getragen, die wiederum ihre Wahrheiten hinein interpretieren. Du siehst also, es gibt immer etwas, das dahinter kommt.’
‚Wer bist du?’, fragte ich.
‚Ich’, antwortete sie einfach. ‚Nicht mehr und nicht weniger. Einfach Ich. So wie du, du bist, nicht mehr und auch nicht weniger.’
‚Warum habt ihr mich so gequält?’
‚Kind, das weiß ich wirklich nicht. Es geschah weder auf meinen Befehl noch auf mein Verlangen hin. Wenn du mein Kind nicht nähren willst, dann ist es gut. Ich werde andere haben. Für mich ist Zeit nichts. – Wir leben auf einer anderen Ebene, deshalb seid ihr für uns so faszinierend. Wenn wir durch eure Augen sehen, sieht alles ganz anders aus. So klar und einfach. Es gibt nur die drei Ebenen. Wir sehen den Raum und die Zeit, und noch etwas das dazwischen ist, ich aber nicht benennen kann.’
Ich wurde müde. Langsam hatte ich keine Lust mehr, hier zu sein. Ich wollte nachhause. Mir war kalt, ich hatte hunger.
‚Ich werde dich nachhause schicken.’
‚Was ist mit meinen Freunden?’
Sie schien einen Moment abwesend zu sein. Dann lächelte sie ein sonderbares Echsenlächeln und sagte: ‚Sie sind zuhause. Es geht ihnen gut. Ich habe Nestor Nachricht gegeben, dass sie dich abholen können.’
‚Du kennst ihn?’
‚Natürlich, er ist eines meiner Kinder.’
‚Was ist mit Zara?’
Sie drehte sich um. Knapp sagte sie: ‚Überspann den Bogen nicht. Ich war bisher freundlich, aber ich kann auch anders.’ Donner grollte in der Ferne. Ich glaubte ihr, dass sie eine schreckliche Feindin sein konnte.


Einige Tage später.

Ich war in unserer Wohung, stand am Fenster und betrachtete den Verkehr auf der Straße. War das die Realität – oder etwas anderes? Die Sonne spiegelte sich auf einer Glasfassade.

Nestor sagte: "Wann immer du willst, wird dich deine Wahrheit wärmen."



(c) Herta 9/2009
Gefangen....
Liebe Herta,
mit deinem sehr fein geknoteten literarischen Fischernetz nahmst Du mich gefangen! Ich brauchte die geschickt eingenbauten "Wachmomente" um mich vom Gruseln erholen zu können....... *top2*
Tief verbeug!
Ein richtiges kleines Meisterwerk hast du da geschaffen!

*spitze*laf
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Freu, freu, ...
mächtig freu ich mich über euer Lob.

*freu2* *danke* *freu2*


*knuddel*Herta
@ Herta
*top*
jetzt bin ich erlöst !!!!!!!!!!!!

Nun kann ich den Sonntag genießen *grins*

ev
unbedingt
Liebe Herta,
deine Geschichte (vermutlich werde ich von Echsen träumen) hat mich begeistert. Einfach großartig.
Ich habe den Eindruck, dass du beim Thema Spannung jetzt so richtig eingetaucht bist.

Kompliment und wohlverdient..
eine Feder!

lg Claudia
Bitte, entschuldige, dass sie nicht die gewohnte Qualität hat, aber auf meinem Minirechner hier im Krankenhaus hab ich keine andere gehabt. Klein, von Herzen und mit Hochachtung.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Danke,
liebe Claudia, für die Feder *freu2*

Ich hätte nie gedacht, dass ich etwas Spannendes schreiben kann, und freue mich jetzt natürlich doppelt darüber, dass es erstens irren Spaß macht, und zweitens, dass sie euch gefällt (was am Wichtigsten ist.)


Hoffentlich geht es dir bald wieder gut und es ist nichts ernstes. *knuddel*

Liebe Grüße und *blumenschenk* (leider nur ein virtueller Strauß)
Herta
Nun endlich Zeit und Ruhe gehabt...
um den Schluß zu lesen...und *freu*...nun kann ich Dir hier auch antworten *g*...

Spannend bis zum Schluß...
eine großartige Geschichte (brrr...ich mag keine Echsen in meinen Träumen...)

*blumenschenk*
Bea
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