Eros Chaos
"It`s the chaos of eros we´re talking about, the radical destabilization that is its excitement....What it is is trading dominance, perpetual imbalance...“Philip Roth, The Dying Animal
Heinz und Georg, alte Sportkameraden, treffen sich, wie immer am ersten Donnerstag des Monats, in ihrer Stammkneipe.
H: Sorry, bin ein bißchen spät dran – hier einen Parkplatz zu finden wird auch immer schwieriger.
G: Schon ok – hab schon mal ein Bier gezischt.
H: Hey, du siehst ein bißchen mitgenommen aus. Hast du Stress?
G: Kann man wohl sagen – mein Mädel ist weg!
(Er kippt das halbe Bier in einem Zug weg und hebt den Finger als Zeichen für den Wirt. Der stellt zwei frische Pils auf den Tresen)
H: Dein Mädel? Welche meinst du denn da? Und was heißt weg?
G: B. Wir haben uns ausgesprochen und Schluss gemacht. Erst habe ich gedacht, dass es gut ist. Aber es fühlt sich Scheiße an. Jeden Tag mehr.
H: Aber du hattest doch gesagt, dass das mit B. nicht das Wahre ist. Prost!
Und jetzt fehlt sie dir doch?
G: Prost! Wie die Hölle! Ich dachte ich wäre erleichtert, aber ohne sie fühle ich mich zum Kotzen– jeden Tag ein wenig mehr!
H: Vielleicht ist das nur die normale Leere des AlleinSeins? Die kenne ich gut. Da bin ich immer versucht, mir irgendeine zu schnappen, nur um das nicht spüren zu müssen.
G: Nein, das ist anders. Es tut dauernd weh, ich kann nicht essen, nicht schlafen, nicht arbeiten...
H: Also hast du deine Gefühle für sie immer klein geredet? Und jetzt erkennst du, dass sie dir mehr bedeutet hat?
G: Ich habe alles falsch gemacht. Ich habe überhaupt nicht gemerkt, was für eine tolle Frau sie ist!
H: Na, dann sag ihr das doch jetzt – und dann fangt ihr noch mal neu an, besser!
G: Geht nicht! Die ist weg. Ich spüre das. Sie ruft nicht an, sie antwortet nicht auf meine SMS... und gestern habe ich vor ihrem Haus gestanden und gesehen, wie sie mit einem Kerl aus der Tür kam. Arm in Arm.
(er macht dem Barkeeper wieder ein Zeichen)
H: Na, dass muss ja noch nichts heißen!
G: Klar, vielleicht nicht. Ich habe sie ja auch wie ein Arsch behandelt. Das kann jeder andere besser machen. Und dann ist sie weg, endgültig.
H: Es ist wohl verständlich, dass sie dich erst mal zappeln lässt – nach all deinen Geschichten mit den anderen Frauen. Aber sie hat doch ziemlich an dir gehangen – trotzdem. Das hört doch nicht einfach auf, von jetzt auf nachher.
G: Du verstehst nicht! Ich habe den Bogen überspannt, es genauso versaut wie bei den anderen, und jetzt habe ich auch die verloren – die, die vielleicht meine letzte Chance war. Ich habe einfach alles falsch gemacht und jetzt kriege ich die Quittung dafür.
H: Jetzt übertreib mal nicht! Es gibt kein Richtig oder Falsch - du bist ja auch nur ein Mensch. Und wir handeln eben aus unseren Ängsten heraus. Der Angst verletzt zu werden, vor allem.
Und deine Verletzungen in der Vergangenheit – wenn ich an deine Scheidung denke - sind ernst genug, um dein Verhalten zu begründen. Es wäre uns halt zu wünschen, dass die Liebe einmal größer als unsere Ängste ist.
G: Aber ich habe ja noch nicht einmal gemerkt, dass es Liebe war.
H: Liebe war es auch noch nicht, meiner Meinung nach. Weder bei dir, noch bei ihr. Was die meisten Liebe nennen, ist doch nur sexuelle Obsession und ein mehr oder weniger offensichtliches Machtspiel. Der eine bettelt um Zuneigung, der andere gewährt sie. Manchmal wechseln die Leute auch die Rollen, wie ihr jetzt gerade. Erst hat sie gebettelt, jetzt tust du das.
G: Ja, aber sie spielt jetzt nicht mehr mit. Nichts kommt von ihr.
H: Aber das ist doch gerade ihr Spiel. Jetzt hat sie endlich die Macht, die du die ganze Zeit hattest. Jetzt hat sie dich an der Angel und läst dich zappeln. Das tut ihrem Ego bestimmt sehr gut.
G: Aber ich erreiche sie nicht. Wie soll ich ihr klar machen, dass ich jetzt etwas begriffen habe? Ich sehe keine Chance, dass sie mir wirklich verzeihen könnte. Es wäre so furchtbar, wenn ich sie endgültig verloren hätte.
(er bestellt wieder zwei Bier)
H: Das Chaos des Eros hat dich ja voll im Griff. Du machst aus der einen Frau, die du nicht kriegen kannst, die einzige Frau auf der Welt. Obwohl sie diesen Status zwei Jahre lang nicht annähernd haben konnte – in denen sie doch genauso liebenswert war wie jetzt.
Das ist eine Obsession, in was du dich gerade hineinmanövrierst - Liebe ist das nicht! Denn Liebe heißt nicht: abhängig sein.
Du hast sie zu deinem Liebesobjekt auserkoren - das ist ok, das hat sie wahrscheinlich verdient. Das ist eine Entscheidung. Aber nichts Endgültiges. Du kannst dich jederzeit für eine andere entscheiden.
Liebe ist ein Geschenk, kein Geschäft bei dem einer verlangt, zahlt und eine Ware bekommt.
Du willst ihr das Geschenk deiner Liebe geben - nicht das deiner Schuld, oder deiner Unterwerfung - wer würde denn so was wollen!
Wenn sie das Geschenk nicht annimmt - aus welchen Gründen auch immer - dann hebst du es eben für eine andere auf. Wichtig ist, dass du dich für die Liebe entscheidest – nicht für das Machtspiel.
G: Das klingt ziemlich einfach. Aber das ist brutal schwer!
H: Stimmt! Deswegen kennen wir ja auch niemand, bei dem es klappt.
Aber hoffen kann man es doch. Prost!
©tangocleo 2009