Niedergeschmettert
Sie hatten ihr Camp auf der Wiese im malerischen Tal eines kleinen Baches aufgeschlagen.Das Wetter war herrlich.
Gerade hatten sie gefrühstückt
Es ging gegen Mittag; die Luft flirrte in der Sommerhitze über dem langsam ausdörrenden Gras.
Insekten summten und umschwirrten die Frau, ihren Mann und ihre Tochter.
Die 16-jährige langweilte sich und wollte lieber ins Freibad.
Schau, die schönen Schmetterlinge!
Die Frau wies auf die Wildblumen am Rand.
Dort tummelten sich Kohlweißlinge, Tagpfauenaugen; am Bachrand flatterten Azurjungfern.
Ja, voll spannend!
Das Mädchen verdrehte die Augen.
Ein frecher Distelfalter umschwirrte die drei Menschen.
Schau, Mama, der will zu mir.
Der orangefarbene Falter landete jedoch auf der Hand der Frau.
Die Wärme hatte die Adern auf ihrer sehnigen Hand anschwellen lassen.
Der Rüssel des Falters kribbelte auf ihrer Haut.
Sie beobachte, wie er sich mit seinen zarten Füßchen in ihren Handrücken krallte. Es kribbelte, als er auf ihrer Hand entlang kratzte.
Sein langer, dünner biegsamer Rüssel saugte ihren Schweiß auf.
Verträumt schaute sie dem fragilen Geschöpf zu...
Ein stechender Schmerz ließ sie erstarren, sie schrie auf und begriff überhaupt nicht, was mit ihr geschah.
Der eben noch so niedlich anmutende Schmetterling hatte seinen Rüssel in ihre dick und prall auf dem Handrücken liegende Vene gebohrt und diese angezapft.
Zu ihrem Entsetzen saugte er mit schlürfenden Geräuschen ihr Blut.
Mit jedem Pumpen und Saugen wuchs die Kreatur um ein Vielfaches.
Die fein geäderten Flügel blähten sich durch den menschlichen Lebenssaft zu riesigen, fächerartigen Gebilden auf.
Die Facettenaugen starrten sie an wie eine Höllenfratze.
Die Frau war zu keiner Bewegung fähig, der Mann und das Mädchen ebenfalls schreckensstarr.
Sie fiel zu Boden, während das Insekt weiter saugte und pumpte.
Das Geschöpf fauchte, schüttelte sich und ließ von seinem Opfer ab.
Zurück blieb eine blutleere blasse Hülle, ein Bündel Kleider und Haut mit blutverschmiertem verklebtem Blondschopf.
Voller Entsetzen blickten der Mann und die Tochter auf das Monster und die Überbleibsel der Frau.
Der gigantische Falter erhob sich mit dem Getöse eines Hubschrauberrotors und entschwand über dem Wald…
Mama, ich hab’ Dich grad’ was gefragt! Du bist ja ganz blass!Die Stimme ihrer Tochter riss sie aus ihrer Entrücktheit und unterbrach ihre beängstigenden Gedankengänge.
Bist Du schon wieder dabei, eine Gruselgeschichte zu entwerfen?Schnell machte sie sich einige Notizen, um diesen genialen Einfall gleich nach dem Urlaub in einer Geschichte münden zu lassen.