Virtuell trifft Realität...
... oder wenn einen die Wirklichkeit einholt.Vor einigen Wochen war ich mal wieder im Internet unterwegs, beim stöbern viel mir wieder ein, das ein Bekannter mir ein Erotikportal nannte, indem man entsprechende Kontakte knüpfen könnte. Also beschloss ich mich dort anzumelden. Gesagt getan, die Basismitgliedschaft war kostenlos und nach dem ich frei geschaltet war genoss ich das Stöbern. Beim durchforsten der diversen Gruppen traf ich durch Zufall auf eine mit dem Namen Kurzgeschichten. Die Mitglieder dieser Gruppe posteten ihre literarischen Ergüsse zu allen Bereichen. Besonders die erotischen Geschichten hatten es mir angetan, herrlich wie da der eine oder die Andere ihren Fantasien freien Lauf ließen. Schön war es die verschiedenen Schreibstile zu erlesen.
Aufgrund meiner kreativen Ader beschloss ich auch eine meiner eigenen Geschichten online und mich dem Urteil der Gruppe zu stellen.
Da ich eine recht direkte, unverblümte Schreibweise verwendete, wurde meine Geschichte relativ schnell auf FSK 18 gesetzt, berechtigt, aber halt schade, weil dadurch die eine oder der andere sie nicht mehr lesen konnten.
Kurzerhand kamen die Clubmails mit der Bitte um Zusendung der einzelnen Teile.
Dem kam ich natürlich gerne nach. Mit der Zeit entwickelte sich ein reger Austausch und ein entsprechendes Feedback, beflügelt dadurch begann ich meinen Mehrteiler weiter zuschreiben.
Besonders ein weibliches Mitglied, lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich.
Mit Interesse las ihr Profil und entdeckte viele Gemeinsamkeiten. Zwischen uns kam es zum ständigen Schreiben, wir tauschten uns aus und lernten so einander immer besser kennen. Irgendwie schien uns etwas zu verbinden, es war als würden wir uns bereits Jahre kennen. Ich fühlte mich wohl, wenn wir uns virtuell trafen.
Sie berührte mein Innerstes, durch unsere Mailerei öffnete ich mich ihr immer mehr. Manchen Morgen chatteten wir stundenlang, dabei erfuhren wir immer mehr über uns, die familiäre Situation des anderen, was uns in das Portal trieb. Wir verschlangen gegenseitig unsere Geschichten und freuten uns wenn wir wieder etwas vom anderen hörten.
Besonders schön war, dass wir auch bestimmte Vorlieben, wie Slipless durch die Welt zu gehen, oder unsere Morgenlust teilten. So verbrachten wir Stunden vor dem PC, Arbeiten blieben liegen, Pflichten wurden vernachlässigt.
Ich hatte das Gefühl ihr vertrauen zu können, gab ihr immer mehr von mir preis.
Nach relativ kurzer Zeit wurden Bilder getauscht, sie war wunderschön, was meine Vorfreude und auch meine Erregung deutlich erhöhte.
Sie erzählte von ihren Problemen und beneidete mich um meine augenscheinlich funktionierende Beziehung, doch leider ist nicht alles Gold was glänzt. So offenbarten wir uns gegenseitig unser Dilemma, mit unerfüllten Wünschen und unbefriedigten Neigungen.
Mit Erstaunen und auch gewisser Freude bemerkten wir auch hier unsere Gemeinsamkeiten. Man könnte mich für einen Spinner halten, jedoch entwickelten wir ein Gefühl dafür wann der andere online war.
Es war als wären wir Seelenverwandt. Ich fieberte unseren Treffen entgegen, wie ein kleines Kind der weihnachtlichen Bescherung.
Nach einigen Clubmails, die mittlerweile immer tiefgründiger wurden, beschloss ich zu testen ob wir wirklich gleich tickten. Ich schrieb eine unvollendete Geschichte und bat sie diese weiter zu schreiben.
Diesen Ball nahm sie sichtlich gern auf und schrieb ihrerseits Ende offen weiter. So freuten wir uns zu lesen, wie die Geschichte weiterging. Zu unserem Erstaunen entstand eine Geschichte wie aus einem Guss, wieder schienen wir gleich zu denken und zu fühlen. Eines Nachts beschlossen wir einen Privatchat zu führen, wir plauderten über dies und das, unsere Stimmung schlug langsam in eine Art von Verlangen um. Der Chat driftete in einen heißen erotischen ab, unser Verlangen wurde größer. Völlig erregt durch unsere Fantasien schickten wir uns spät in der Nacht ins Bett.
Diese Frau hatte mich verzaubert, mich in ihren Bann gezogen. Wie ein Verdurstender nach Wasser lechzte ich nach ihren Worten.
Dies ging so die nächsten Tage und Wochen weiter, durch unsere Erzählungen wussten wir viel über den anderen. Fast beiläufig erzählte sie von einem realen Kontakt, den sie allerdings aufgrund von beruflichen Gründen und Umzug beendet hatte.
Unser virtueller Kontakt wurde im intimer und die Mailerei verlief immer wieder im erotischen Bereich, wir gaben einander das, was wir im realen Leben von unseren Partnern nicht bekamen.
Ich klebte an ihren Worten, freute mich über ihre Zeilen, die mich immer mehr in meinem Innersten berührten.
Unsere Open-End-Geschichte verlief wie unsere Chats, wir wussten intuitiv die Gedanken des anderen, tauschten uns direkt und unverblümt aus, die Zeilen auf dem Bildschirm erschienen, als würden wir uns gegenübersitzen, direkt und locker erschienen die Worte.
Machte ich ihr Komplimente, so konnte ich die Röte in ihrem Gesicht aufsteigen spüren, total verrückt.
Aber endlich konnte ich mich nach Jahrzehnten wieder fallen lassen und fühlte sie würde mich auffangen.
In mir wuchs der Wunsch ihr real gegenüber zu sitzen, in ihre strahlenden blauen Augen schauen und ihre Stimme hören.
In dem letzten Chat, fragte ich sie, ob wir uns nicht mal treffen wollten, unverfänglich auf einen Kaffee, da passierte es, ich konnte deutlich ihr zögern spüren. Sie antwortete, ob ich denn wüsste wie weit wir von einander entfernt wären, ob wir es wirklich bei einem Kaffeeplausch belassen könnten.
Ich merkte deutlich ihre Unsicherheit, ich gab ihr meine Telefonnummer, um dies wenn Interesse bestände direkt zu klären. Der Chat endete aufgrund der fort geschrittenen Zeit ohne ein genaues Treffen geplant zuhaben.
Es folgten zwei schier endlose Tage ohne etwas von ihr gehört zuhaben.
Ich wusste, das ich mich zu weit vorgewagt hatte, bereute meine Zeilen. Endlich kam am Ende des zweiten Tages eine Clubmail, sie entschuldigte sich für ihr nicht melden mit ihrem Schlafdefizit.
Wie aus dem Nichts kam dann, ihr realer Kontakt von vor zwei Monaten wäre wieder aufgetaucht, ihre Gefühle würden Achterbahn fahren. Sie wäre hin und her gerissen. Sie bräuchte Zeit um sich darüber klar zu werden.
Ich fiel ins Bodenlose.
Wie sollte ich jetzt reagieren, zu sehr war ich verfallen, offenbarte meine Gefühle und hatte mich schutzlos preisgegeben, so sehr hatte ich ihr vertraut. Ich zweifelte an mir, ärgerte mich über meine Offenheit.
Zum ersten Mal seit über 20 Jahren liefen mir Tränen über meine Wangen, so tief war ich verletzt.
Sie wollte den Kontakt halten, würde sich über Zeilen freuen, doch ich wusste für mich, das ich dies nicht konnte, mein Vertrauen war zerstört, wieder kamen mir ihre Zeilen in meinen Sinn, mit dem Vertrauen ist das so eine Sache, deren Sinn sich mir jetzt anders erschloss.
Meine Gedanken kreisten, hatte sie mich die ganze Zeit benutzt, mit meinen Gefühlen gespielt, ich war mir einfach nicht mehr sicher. Wie sollte ich mich jetzt verhalten.
Wieder einmal merkte ich schmerzlich die Diskrepanz zwischen der virtuellen und der realen Welt…