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Nitroglycerin [überarbeit]

Nitroglycerin [überarbeit]
Der alte Schlachthof in Schwerin war nur noch eine einzige Halle. Gebaut vor über einhundert Jahren, hatte es auch noch einige Nebengebäude gegeben, die aber schon vor langer Zeit den Stadtplanern zum Opfer gefallen waren. Nur das Haupthaus stand noch und der Geruch von versengtem Fleisch, heißem Blut und verschwitzter Männerhaut schien noch immer darin wie ein diffuser Nebel in der Luft zu hängen.

Dieser Raum kannte tausendfaches Winseln, Grunzen und Schreien. Auch Flüche waren dabei gewesen, wenn der Tod hatte auf sich warten lassen, weil der erste Stromstoß nicht gereicht hatte und ein Zweiter oder ein Dritter hatten folgen müssen. Maschinen hatten dann die noch zuckenden Körper zersägt, deren Lebenssaft sich dabei über die Fliesen ergossen und zu Strömen vereinigt hatte, um schließlich in einer der vielen Öffnungen im Boden zu versickern.

Nur wenig erinnerte noch an diese Vergangenheit. Die Stahlschienen an der Decke vielleicht, an denen die ausblutenden Schweinehälften entlanggezogen worden waren, um dann in einem anderen Raum zerlegt zu werden, und der weiß geflieste Fußboden mit den Abflusslöchern. Nur die Farben Schwarz und Weiß und ihre Abstufungen existierten in diesem ehemaligen Universum des Schmerzes – weiß die Kacheln, schwarz die Dunkelglasspiegel an den Wänden und dazwischen die Frau, die aus dem Schmerz eine Leidenschaft gemacht hatte: Christine Sundance.

Sie war nicht allein. Olaf Wielander kniete auf den Fliesen. Die weiße Nacktheit seines Körpers und das schwarze Tuch, das seinen Kopf und seine Augen bedeckte, fügten sich perfekt in das surreale Schwarz-Weiß-Bild dieses Raums. Sein Stöhnen war eine Mischung aus Schmerz und Lust, prallte ab von den nackten Ziegelwänden und kein Möbelstück war da, dass die Ausbreitung des Schalls behindert hätte.

Jeden Laut, den er ausstieß, genoss sie wie er den Schmerz, den sie ihm zufügte. Doch im Gegensatz zu ihm wusste sie, was sie tat und warum. Nitroglycerin ist eine hoch explosive Flüssigkeit. Solange sie kein harter Stoß trifft, ist sie ungefährlich. Doch wehe, etwas bringt das Gleichgewicht der in ihr ruhenden, zerstörerischen Kräfte aus der Balance ... Menschen sind nicht viel anders. Sie haben viele Bedürfnisse, Macht ist eines davon, sich gut fühlen wollen ein anderes, geliebt werden wollen gehört auch dazu und, selbstverständlich, die Lust. Solange diese Bedürfnisse sich in der Balance befinden, nichts ihr Gleichgewicht stört und keines davon dominant wird, ist der Mensch ‚gesellschaftsfähig‘, er ist wie alle anderen – berechenbar, angepasst, und ein gerngesehener Gast auf jeder Party. Doch was, wenn eines dieser Bedürfnisse dominant wird? Die Waage aus dem Gleichgewicht gerät, weil sie irgendwann einen Stoß erhalten hat? Wenn ein Bedürfnis alle anderen verdrängt? Das Ergebnis ist wie Nitroglycerin auf zwei Beinen. Begegnen sich zwei solcher Menschen, ist die Explosion vorprogrammiert ...

Wieder ein Wimmern, es riss sie aus ihren Gedanken. Mit langsamen Schritten näherte sie sich ihrem Opfer und mit jedem „Klack“, den die Absätze ihrer Stiefel beim Aufsetzen auf den Fliesen verursachten, verkrampfte es sich mehr. Es gibt keinen Mann, dem nicht beim Klang von Frauenfüßen in High Heels das Blut in die Hoden schießt. Doch für Wielander bedeutete es, dass sich ihm nicht die Lust näherte, sondern der Schmerz. Es war sein Wille gewesen, oder zumindest das, was sie vor Jahren davon noch übriggelassen hatte, als er ihr das erste Mal in die Hände gefallen war. Auf seine Brustwarzen hatte sie Metallklemmen mit spitzen Zähnen gesetzt, Ketten hindurchgezogen und sie mit seinen Hand- und Fußgelenken verbunden. Jede Bewegung verursachte ihm höllische Schmerzen und sie zwangen ihn, mit eingeknickten Ellenbogen auf den Knien zu kriechen.
Sie entfernte sich wieder einige Schritte von ihm, langsam, wie eine Schwarze Witwe, die mit ihrem Begattungsopfer das letzte Spiel beginnt, und er hob den Kopf.

„Komm her“, sagte sie und ihre Stimme weckte die Echos des Schlachthofes.

Als glitten Schlangen unter seiner Haut hin und her, erwachten tiefe Narben auf seinem Rücken zum Leben, als er die Muskeln anspannte. Auch das war ihr Werk, als er ihr damals gedient hatte, wenn auch unfreiwillig. Schmerz hatte ihre Lust gestillt, das Toben der Dämonen in ihr für eine Weile zum Schweigen gebracht.

Sie hätte ihn gern gefragt, an was davon er sich noch erinnerte, doch es hätte bedeutet, Interesse an seiner Person zu zeigen und ihm das Gefühl gegeben, er sei wichtig. Hier war nur ein Mensch wichtig – nein, hier gab es nur einen Menschen und der war sie. Das, was da vor ihr kniete, war für sie kein Mensch, sondern ein Etwas.

Mit zusammengebissenen Zähnen kroch er zu ihr. Doch er war so langsam! Ungeduldig stampfte sie mit dem Fuß auf die Fliesen, und als er es endlich geschafft hatte, fauchte sie: „Sieh mich an!“

So weit, wie es die Ketten gestatteten, richtete er sich auf.

„Die Hände nach hinten!“ Sie hob einen Fuß und drückte die Spitze ihres Stiefels gegen seinen Mund. Er musste ihn öffnen, wollte er nicht auf den Rücken fallen. Weiter drückte sie, bis das schwarze Leder fast zur Hälfte in seinem Rachen verschwand. Er begann zu würgen und sie zog die Stiefelspitze ein Stück heraus; ließ ihn zu Atem kommen, dann wiederholte sie die Prozedur. Tränen rannen unter dem schwarzen Tuch um seine Augen hervor, doch sie machte weiter, bis er den Kopf zurückbog.
„Was?!“ Sie setzte ihren Fuß mit dem Absatz auf den Boden, die Spitze aufgerichtet, packte mit beiden Händen seine Haare am Hinterkopf und riss ihn nach vorne, herunter auf die Spitze. „Ich werde dich lehren ...!“, zischte sie und jetzt wehrte er sich, japste verzweifelt nach Luft, versuchte zu schreien, stemmte sich gegen sie, alles gleichzeitig, doch sie hielt ihn fest. Das hier war kein Spiel, war es nie gewesen. Nicht für sie ...

Fast so kräftig wie er und ohne seine Fesseln, zwang sie seinen Mund auf ihre Stiefelspitze nieder, Speichel begann ihm aus beiden Mundwinkeln zu rinnen, dann kamen Würgegeräusche. Sie riss seinen Kopf an den Haaren vor und zurück, immer wieder, immer schneller, immer wilder, und erst, als sein Körper begann, unkontrolliert zu zucken, gab sie ihn frei.

Röchelnd fiel er zur Seite, krümmte sich zusammen wie ein Fötus und Hustenanfälle schüttelten seinen Körper. Ein dünnes Rinnsal aus hellrotem Blut lief unter seinem Arm hervor - eine der Klammern an seinen Brustwarzen war abgerissen.

Ein paar Sekunden ließ sie ihn Atem holen, dann nahm sie ihm die Augenbinde ab, wischte ihm den Schweiß von der Stirn und das Blut von seiner Brust. Sie griff nach der Wasserflasche, hob seinen Kopf an und setzte sie ihm an den Mund. Wie ein Verdurstender trank er und in seinem Blick war die unabänderliche Hingabe eines getretenen Hundes.

„Das reicht!“ Sie warf die Flasche zur Seite und richtete sich auf. Sie sah erst ihn an, dann wieder ihre Stiefel und die Speichelspuren darauf, dann wieder ihn. „Du hast mich eingesaut!“ Das Erschrecken in seinem Gesicht ließ sie lächeln. „Du weißt, was ich jetzt tun muss?“

Vor seinen Augen zog sie ihre oberarmlangen Lederhandschuhe straff. Seine Haut mit nackten Händen zu berühren, den Schweiß darauf zu fühlen und seine Vibrationen von Schmerz und Lust in sich aufzunehmen, hätte ihr die Kontrolle über den Dämon in ihrem Kopf entrissen. „Dreh dich um!“

Sie nahm ihm die Ketten ab, feingliedrige Kunstwerke aus Edelstahl, formte eine Schlinge, legte sie ihm um den Hals, stellte einen Stiefel auf seinen Rücken und zog die Kette so straff, dass er eben noch genug Luft bekam. Sorgsam lauschte sie auf das Keuchen, das er mit jedem Atemzug von sich gab.

Ihr erster Hieb mit dem Rohrstock traf ihn mit einem satten Klatschen. Er stöhnte und sie atmete schneller. Ein zweiter Hieb, und ein Kribbeln glühte zwischen ihren Schulterblättern auf. Der Dritte und die Glut schmolz sich ihre Wirbelsäule hinab. Sie schlug ein viertes Mal zu, ungebremst, der Rohrstock fraß sich in seinen Rücken und das Feuer in ihrem Leib durch ihre Nervenbahnen, dann explodierte eine Sonne in ihrem Unterleib. Wie ein Boxer nach einem Wirkungstreffer schüttelte sie den Kopf und ihre Knie zitterten vom Nachhall der Lust.

„Nicht aufhören. Bitte!“ Irgendwo unter ihr bettelte das Etwas. Hart griff sie nach seinem erigierten Penis, bewegte ihre Hand vor und zurück und mit jeder Vorwärtsbewegung verstärkte sie den Druck um sein Glied. Er begann zu zittern, konnte das, was da aus ihm herauswollte, kaum noch halten. Sie hörte auf und griff nach der Kette um seinen Hals.

„Nein!“ Er versteifte sich, griff mit den Händen nach seinem Hals, sie stemmte ihm ein Knie in den Rücken. Er beugte sich nach hinten, um dem Druck zu entgehen, drehte sich halb auf den Knien dabei. Mit beiden Händen zerrte sie die Schlinge zu, er röchelte, doch sie hielt fest. Sie musste ihre ganze Kraft einsetzen dazu, Wielander war ein starker Mann. Er hätte sich vielleicht befreien können, doch sie wusste, dass er dafür nicht zu ihr gekommen war.

Sie behielt Recht. Er hörte auf, sich zu wehren. „Du hast nicht mehr viel Zeit“, zischte sie und es dauerte nur wenige Augenblicke, bis er ein langes Stöhnen von sich gab und erschlaffte. Sie ließ die Kette los und er brach zusammen.

Sie ließ ihm Zeit, wieder zu Atem zu kommen, dann betrachtete sie die Sauerei auf den Steinfliesen, die er hinterlassen hatte. Angewidert verzog sie die Lippen. „Mach gefälligst deinen Dreck weg!“

Er röchelte: „Ich ... habe ... nichts ... Saubermachen ...“

„Wozu hast Du einen Mund und eine Zunge?“

Wie jede gute Hausfrau inspizierte sie seine Arbeit. Als die Sauberkeit der Fliesen vor seinen Knien ihren Vorstellungen entsprach, jagte sie ihn hinaus: „Geh dich waschen!“

Gewöhnlich sagte sie an dieser Stelle einige freundliche Worte zu ihm oder sie berührte ihn - der höchste Beweis von Verständnis, den er je von ihr bekommen hatte. Doch sie ließ ihr Schweigen den Raum füllen, umgab sich mit einem Eishauch und er fiel in sich zusammen, als hätten alle Kraft und alle Hoffnung ihn verlassen. Dann kroch er mit gesenktem Kopf davon.


Sie zog die Handschuhe aus und schlenderte in ihr Empfangszimmer. Sie steckte den Sicherheitsschlüssel in das Schloss der vorderen Eingangstür, drehte ihn nach links und stutzte. Sie hatte den Schlüssel nur einmal drehen können, aber sie erinnerte sich genau, zweimal abgeschlossen zu haben. Immer schloss sie zweimal ab, wenn ein Gast bei ihr war. Nachdenklich blickte sie auf den Schlüssel in ihrer Hand, zuckte schließlich die Schultern und legte ihn wieder an seinen Platz in das kleine rote Holzkästchen auf dem Wandbord.

Durch eines der beiden Fenster beobachtete sie, selbst unsichtbar hinter dem Einwegglas, was in der Brunnenstraße und am Bleicher Ufer vorging, doch nichts regte sich hier an diesem frühen Nachmittag auf dem freien Platz und den Straßen rund um den Schlachthof.

Ihr Smartphone summte auf dem kleinen Tischchen. Sie nahm es auf und sagte: „Ja?“

„Ich bin Ryland Mikkelsen. Vor einigen Wochen ist etwas geschehen, dessen Auswirkungen ich auf die harte Tour kompensieren muss, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Sie werden mir dabei helfen.“

Kühl antwortete sie: „Im Allgemeinen legen meine Anrufer Wert auf Anonymität.“

„Exakt das erwarte ich auch von Ihnen. Meine Erwartungen in dieser Hinsicht enttäuscht niemand.“

Er sprach nicht laut und doch klang aus seiner Stimme all die Macht, über die er verfügte. Er hat entweder wirklich Eier zwischen den Beinen oder zu viel Testosteron im Blut, dachte sie. „Es gibt immer ein erstes Mal und für Drohungen bin ich zuständig. Gewöhnlich lege ich an dieser Stelle auf.“

„Tun Sie es ruhig. Allerdings muss ich dann eine andere Möglichkeit finden, die Herkunft eines Videos mit Ihnen in der Hauptrolle und einem nackten Laiendarsteller zu klären, das ich gerade erhalten habe. Den ich übrigens sehr gut kenne. Ich hoffe für Sie, dass Sie wissen, wer Ihr Spielzeug ist.“

„Natürlich nicht. Es interessiert mich auch nicht“, log sie. „Was wollen Sie?“

„Kennen Sie Schwerelosigkeit?“

„Was hat das mit mir zu tun?“

„Vielleicht nichts, wenn Sie damit ein Problem haben. Vielleicht sehr viel, wenn es Ihnen Spaß macht. Sind Sie interessiert, lade ich Sie zu einem Besuch der Stratosphäre über Schwerin ein. Überzeugen Sie mich, inwieweit Ihre Fähigkeiten meinen Interessen nützlich sein können. Selbstverständlich übernehme ich Ihre Unkosten.“

„Welche Sicherheit habe ich?“

„Meinen Namen.“

„Zuwenig. Jeder hat einen Namen. Manche sogar einen, der echt ist.“

Er schnaufte kurz und seine Antwort klang, als ob er seine zusammengebissenen Zähnen auseinanderzwingen müsste. „Zweitausend Euro.“

„Sie beleidigen mich. Was tut ihnen mehr weh - das Geld oder dass ich bei Ihrem Namen nicht in Ohnmacht gefallen bin?“

„Ich bin es nicht gewohnt, dass man so mit mir redet!“

„Dann sollten Sie schon ein wenig üben. Eine Nutte aus der Bahnhofstraße bekommen Sie für zweihundert Euro. Die sagt dann auch das, was Sie hören wollen. Für Ihre zweitausend bekommen Sie sogar eine, die an den richtigen Stellen stöhnt. Ich stöhne nicht, ich lasse stöhnen, und zwar Sie. Aber nur, wenn ich das will. Rufen Sie mich in zwei Tagen wieder an, wenn Sie wissen, was Sie wollen.“

„Was bilden ...“

„Und ich will ein Andreaskreuz in Ihrem Jet!“ Sie legte auf, mitten in seinen Wutausbruch hinein. Nachdenklich warf sie einen Blick auf die Stahlstiche an den nackten Ziegelwänden. Sie zeigten Szenen aus der Vergangenheit des Schlachthofes und erzählten jedem, der es bis hierher geschafft hatte, Geschichten von Leid und Qualen. In der Ecke neben der Tür wartete dann eine Sitzgarnitur auf ihn und darauf, dass er seine Wünsche aussprach. Sie ließ die meisten davon wahr werden, selbst wenn hier Fantasien geflüstert wurden, die für viele ins Reich des Unvorstellbaren, ja Krankhaften, gehörten. Wer hier nicht wieder umdrehte, den nahm sie bei der Hand und schrieb mit ihm in ihrem Reich die Geschichten von Schmerz, Blut und Tränen auf den Bildern an den Wänden weiter.

Das hätte sie Borg jetzt auch gerne verpasst. Er hatte ihr zwar gesagt, wie er weiter vorgehen würde, aber sie fand, dass er sie wenigstens hätte informieren müssen, dass Mikkelsen anrufen würde.

Die Tür hinter ihr wurde geöffnet und wie immer, wenn er sie besuchte, trug Wielander eine Pilotensonnenbrille, deren grüne Gläser, bis auf die Nase und die schmalen Lippen, die Hälfte seines Gesichts verdeckten. Um den Hals hatte er einen weißen Seidenschal gewickelt, um die Würgemale zu verdecken.

„Ich hätte übermorgen gegen drei wieder Zeit und Lust, falls Sie es wünschen, meine Herrin“, sagte er. Seine Stimme klang disharmonisch. Fingernägel, die über eine Schiefertafel kratzten.

„Die Session ist vorbei, sprechen Sie normal mit mir. Ich habe keine Termine mehr für Sie.“

Ein Muskel in seiner rechten Wange zuckte und er klebte sich ein Lächeln ins Gesicht. „Ich gehe davon aus, dass es eine Frage des Geldes ist, doch Preisverhandlungen beginnt man etwas weniger schroff. Ich weiß, dass Sie unsere gemeinsame Zeit genauso genießen wie ich. Heute haben Sie mir gezeigt, dass Sie mich wirklich verstehen und was kann sich ein Mann wie ich mehr wünschen? Auf die Idee mit der Atemreduktion wäre nicht einmal ich selbst gekommen. Das ist mehr als genug Grund für mich, Ihr Honorar erhöhen. Nennen Sie mir einfach eine Summe.“

„Sehen Sie Geldgier oder auch nur einen Funken Interesse in meinen Augen? Was sagt Ihnen das?“

„Dass Sie genau die richtige Frau für mich sind. Würde ich den Eindruck haben, dass Sie etwas für mich empfinden, würde das Spiel jeden Reiz verlieren.“

„Der Weg zur Hölle war schon immer mit guten Angeboten und Schmeicheleien gepflastert.“

Er räusperte sich und nahm die Sonnenbrille ab. Seine Augen waren so dunkel, dass sie fast schwarz wirkten. „In der Hölle war ich bereits. Ich bin sicher, Sie erinnern sich noch daran, dass Sie es waren, die sie mir gezeigt hat. Sie besaßen ein sehr exaktes psychologisches Profil und diesen Angaben entsprechend haben Sie mich damals gefoltert. Sie haben nicht bekommen, was Sie wollten, oder? Ich schon, auch wenn ich es damals noch nicht wusste, und jetzt werde ich darauf nicht mehr verzichten. Also erwarten Sie bitte nicht, dass Sie mich mit einem simplen ‚hinaus‘ loswerden. Sie sind doch eine intelligente Frau mit so viel Phantasie. Benutzen Sie sie!“

Er beugte sich vor und seine Augen bekamen etwas Stechendes. „Ich will etwas deutlicher werden. Ihr Name ist Christine Sundance. Sie studierten in den USA an der John Hopkins Universität Medizin und Psychologie, wurden aber im fünften Semester exmatrikuliert, weil eines ihrer Opfer - in diesem Fall ein dreiundsechzigjähriger Professor - Sie angezeigt hatte. Statt des erhofften Schäferstündchens mit der schönen Studentin gaben Sie ihm eine Lektion in Demut, die er nur mit viel Glück überlebte. Sie machten aus Ihrer Leidenschaft einen Beruf und verkauften Ihre Fähigkeiten. Seit dem leben Sie ständig zwischen Himmel und Hölle - der Himmel, wenn Sie ein Opfer finden und der Hölle der Angst, irgendwann die Kontrolle über das zu verlieren, was in ihnen wütet. Dafür gibt es übrigens einen medizinischen Fachbegriff, aber ich denke, den muss ich Ihnen nicht nennen, den kennen Sie selbst. Zu erwähnen wäre noch, dass Sie sich in den letzten sieben Jahren freiwillig dreimal einer Psychotherapie unterzogen haben, für die es keine Behandlungsunterlagen gibt, weil sie als Privatpatientin darauf bestanden. Außerdem, dass Sie für ihre Leidenschaft rund um die Welt jetten, Top-Manager von NordicSF ihre Lieblingsspielzeuge sind und ich mich frage, ob es Zufall ist, dass Sie vor einem halben Jahr Ihre Leidenschaft für mich wiedererweckt haben. Habe ich etwas Wesentliches vergessen?“

Er hatte eine beachtliche Menge an Daten über sie zusammengetragen. Sie wusste, dass sie es im Hinterkopf behalten und mit Borg darüber reden musste. Sorgsam achtete sie darauf, dass er nichts von ihrem Gesicht ablesen konnte. „Sagen Sie es mir.“

Mit dem rechten Daumen fuhr er sich über einen Nasenflügel „Sie wissen genau, was es ist, was mich zu Ihnen treibt – ich weiß nie, ob ich lebend wieder herauskomme. Weil Sie es auch nicht wissen und das ist es, was mich meinen Samen zu Ihren göttlichen Füßen verspritzen lässt. Sex? Lust? Lächerlich! In Ihren Augen lauert mein Tod und wenn ich hineinblicke, sehe ich, dass ich lebe. Aber was glauben Sie eigentlich, wie lange Sie noch so weiter machen können, ohne dass die Polizei anklopft? Ich könnte sie Ihnen vom Hals halten. Ich verfüge über genug Geld, um Ihnen ein angenehmes Leben bieten zu können und auch über die Macht, Ihnen jeden, wirklich jeden Wunsch zu erfüllen. An meiner Seite könnten Sie Ihre Lust voll ausleben.“

„Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.“

Vielleicht hatte er die Muskulatur angespannt oder etwas anderes getan, was sie nicht wahrgenommen hatte - er wirkte von einem Moment auf den anderen wie eine Viper und in seinen Augen brannte ein helles Feuer. „Aber ich, denn ich weiß, wovon Sie träumen. Wie gerne hätten Sie härter zugeschlagen eben? Wie würde es Ihnen gefallen, einen Mann totzupeitschen, bis sie selbst vor Lust zusammenbrechen? Oder möchten Sie seine letzte Megaerektion in sich spüren, während Sie ihn erwürgen? Oder wollen Sie es lieber mit Frauen treiben?“

„Sie sind verrückt.“

Er hob die Augenbrauen. „Ich? Oh nein, meine Liebe. Ich bin nur ein Opfer. Ihr Opfer. Erzählen Sie mir nicht, dass es Abscheu ist, was Ihr Gesicht rot werden und die Adern an Ihrem süßen Hals pulsieren lässt. Sie sind hier die Kranke und noch haben Sie es vielleicht im Griff, doch wie lange noch? Ich kann Ihre Träume wahr machen!“

Ihre Zunge glitt über ihre Lippen und es gab nichts, was sie dagegen tun konnte. „Was hätten Sie davon?“

„Ich? Ich würde zusehen, jede Sekunde und es bedauern. Ja, sehr bedauern.“

Sein ganzes Gesicht verkrampfte sich, er sah einsam und verloren aus und sie setzte fort: „... dass Sie nicht selbst das Opfer sein können.“

Nichts Menschliches schien mehr in seinen Augen zu sein. Wenn sie am Rande eines Abgrunds stand, dann war er schon vor langer Zeit hineingestürzt. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Hinter Ihnen ist der Ausgang.“

Er atmete tief aus und wenn das, was jetzt in seinem Gesicht erschien, ein Lächeln sein sollte, dann gehörte es einem Wesen aus den finstersten Tiefen des Ozeans.

„Ich gehe jetzt zu dieser Tür da, das sind noch ungefähr zehn Sekunden. Weil Sie es mir befohlen haben und Sie meine Herrin sind. Solange bitte ich Sie inständig, mein Angebot anzunehmen.“

Mit einem gezierten Schlenker des Ellenbogens setzte er seine Sonnenbrille wieder auf. Dann stand er auf und auch diese Bewegung war wie die einer Schlange. Er drehte sich förmlich aus dem Sessel und trotz der dunklen Gläser vor seinen Augen brannte sein Blick auf ihr. An der Tür verharrte er, und als sie sich weder rührte, noch ein Wort sprach, meinte er: „Fast hatte ich gehofft, dass es nicht so einfach werden würde. Das macht das Spiel nur interessanter. Ich will Ihnen nicht drohen, denn wenn Sie darauf eingehen würden, wären Sie schwach. Ich brauche Sie aber stark. Doch denken Sie bitte über Folgendes nach: Sie können vielleicht sich selbst schützen vor mir, doch was ist mit ihren Kunden? Ich will Sie allein für mich und was tun Sie, wenn sich herumspricht, dass alle ihre Kunden nach dem Besuch bei Ihnen nur noch eine kurze Lebenserwartung haben? Vielleicht halten Sie das jetzt für eine leere Drohung, doch seien Sie versichert, dass ich Sie sehr schnell eines Besseren belehren werde.“

Er stand am Ausgang und wirkte wie ein Kind, das sich darauf freut, einer Fliege die Flügel ausreißen zu können.
Auch jetzt reagierte sie nicht, er lächelte böse, drehte sich um und schloss die Tür hinter sich, langsam und lautlos. Sie griff nach dem Schlüssel und schloss ab, zweimal.

„Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.“

Sie fuhr herum. Borg stand in der Tür ihres Ankleidezimmers. Mit einer nonchalanten Geste winkte er ihr zu, dann ließ er sich in den Sessel an ihrem kleinen Tischchen fallen. „Gute Arbeit, Christine. Ich bin begeistert.“

Sie blieb an der Tür stehen. „Ich nicht. Das nächste Mal sagst du mir Bescheid, und zwar vorher. Ich musste improvisieren und so etwas mag ich nicht. Wieso hat Mikkelsen ein Video von mir?“

Borg lächelte kühl. „Ich musste ihn schließlich irgendwie motivieren, dich anzurufen. Mach dir keine Gedanken, wenn du mit ihm fertig bist, lösche ich es wieder.“

Sie war lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass, wenn jemand sagte: ‚Mach dir keine Gedanken‘ es allerhöchste Zeit war, genau das zu tun. Erst recht, wenn man mit Borg arbeitete. Er hatte seit Südafrika einen Ruf und sie traute ihm genau so weit, wie sie ein Klavier werfen konnte. „In Ordnung“, antwortete sie. „Wie geht es weiter?“

Er erhob sich. „Ich brauche mindestens eine Woche für die Vorbereitung. Dann steigst du mit Mikkelsen in sein Flugzeug und kannst mit ihm machen, was du willst. Hauptsache, du hast Spaß.“

„Und dann?“

„Nichts mehr. Dein Job ist dann erledigt. Wäre mir lieb, wenn du danach in einem anderen Teil der Welt deinem Hobby nachgehst. Wir müssen uns nicht wiederbegegnen. Tatsächlich hast du eine gewisse Anziehungskraft. Nicht, dass ich der noch erliege ...“ Er grinste wie ein kleiner Junge.

Sie glaubte ihm kein Wort und sie wusste, dass sie dafür sorgen musste, dass Mikkelsen mit ihr auf gar keinen Fall wieder in Schwerin landete. Borg ließ nie offene Fäden zurück und genau der war sie dann für ihn.
*****ine Mann
912 Beiträge
Die Beschreibung des Schlachthofes ist zu hochtrabend und glatt, nicht brutal genug. Das kannst du besser, mein lieber CC.
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