Scharfer Stahl
Scharfer StahlStone lies seine Handfläche langsam über das glatte Metall gleiten. Blank und glänzend lag es schwer und mächtig unter seinen Finger .Es war noch warm, eine Erinnerung an die Glut der Schmelzöfen aus denen es geboren wurde. Die angenehme Temperatur verlieh dem Seelenlosen Gegenstand eine fast organische Konsistenz.
Bedächtig schloss Er die Finger darum, hob das Kunstwerk mit beiden Händen aus seinem seidenen Bett und hob ihn in Augenhöhe. Das Licht der Deckenleuchten brach sich auf der veredelten Oberfläche und schickte blaue Blitze über die Eisenmoleküle.
Fasziniert bewegte Stone diesen Beweis der Handwerkskunst in allen drei Ebenen, fing das Licht und schickte die Reflektionen auf die Reise. Er genoss das Funkeln und Gleißen, bis er sich an einer der rasiermesserscharfen Kanten schnitt und den Gegenstand beinahe fallen lies. Fluchend legte er es schnell auf der Verpackung ab und saugte an der tiefen Schnittwunde in seinem Handballen.
„Verdammt, dass Ding ist in jeder Hinsicht sauscharf“ dachte Stone bewundernd.
Er hatte Jahrelang auf dieses Meisterwerk sparen müssen. Was hatte er nicht alles für Geld getan, wiederliche, erniedrigende Dinge. Aber er hatte es geschafft, hatte die nötige Kohle zusammengekratzt und sich dann auf die lange Suche nach einem Meister seines Faches gemacht. Im Internet hatte er die Besten der Besten aufgespürt und war Tausende von Meilen auf seinem alten Hobel durchs ganze Land gereist, um sich persönlich von ihrem Können zu überzeugen.
Traurig hatte er die Wahrheit akzeptieren müssen, dass eine gute Website noch keinen guten Handwerker ausmacht. Nach Jahren der Enttäuschung, als er die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, wurde er endlich fündig.
Eigentlich wollte er nur nach dem Weg fragen, als er an die Türe der rostigen Wellblech-Baracke klopfte, aber als eine kratzige, alte Stimme „ist offen, Mann“ rief und ihn eintreten lies, betrat er das Paradies.
Der Anblick glänzender oder matt schimmernder Metalle, die Hitze des Ofens und der Lärm der Maschinen trieben Stone gleichermaßen die Röte ins Gesicht, wie auch seine begeisterte Aufregung.
Der alte Meister und er verbrachten viele Stunden zusammen, in denen Stone meist schweigend rauchte und der Alte erzählt, während er gelegentlich an seinem Whiskey nippte. Sie philosophierten, diskutierten und fachsimpelten viele Nächte hindurch und nun war es endlich soweit.
„Ein wahres Meisterstück“, brummte der Alte und Stone nickte mit feuchten Augen. Endlich hatte er sich seinen größten Wunsch erfüllt.
„Entgrate noch die Kanten am Krümmerflansch, ich hab mich saftig dran geschnitten, und dann lass uns das Ding einbauen“. Stone hatte schon nicht mehr daran geglaubt das er jemanden finden würde, der Ihm eine Auspuffanlage für seine uralte Harley Davidson Fat Boy nach seiner Vorstellung bauen könnte, aber der Alte hatte es geschafft.
© 10.2009 By Biker_696