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Nicht den Tod sollst du fürchten...

Nicht den Tod sollst du fürchten...
Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern dass man nie beginnen wird, zu leben. (Marc Aurelius)

Der Regen prasselt auf Yvonne nieder. In ihrem Gesicht mischen sich Regentropfen mit dem salzigen Tränenmeer, welches Erinnerungen aus ihrer Seele an die Oberfläche spült, ihr Herz schwer macht und ihr Gesicht langsam hinter schwarzer, zerlaufender Schminke verbirgt. Sie läuft hastig über den Parkplatz zu ihrem Wagen. Nur weg hier, weg von diesen Freunden, weg aus diesem Lokal, weg aus ihrer Vergangenheit, weg von den belastenden Erinnerungen, weg aus ihrem Marionettenleben, weg von Alexander.

Wie sehr sie sich auf diesen Abend freute. Das erste Mal seit langer Zeit wieder unter Leuten, die Freunde treffen, es sich bei köstlichem Essen und entspannten Gesprächen gut gehen lassen. Sie genoss es, auf andere Gedanken zu kommen, endlich wieder Leben in sich zu spüren, die Last der letzten Monate abzuschütteln. Das Mahl war ein kulinarischer Hochgenuss, die Gespräche ausgelassen, bis zu dem Moment, als Markus anfängt sie zu bedrängen. „Ein Glas nur, was ist schon ein Glas Wein“ „was hast du nur? Du warst doch früher auch kein Kind von Traurigkeit.“ „Sei doch nicht so eine Mineralwasser-Spielverderberin.“ sagt er immer wieder und die Anderen stimmen in sein Credo ein. Alexander sitzt nur teilnahmslos da, wie so häufig die letzten Monate. „Was ist nur aus uns und unserer Liebe geworden? Was ist nur aus mir geworden? Was ist aus Euch geworden? Wo ist Euer Feingefühl? Wo Euer Einfühlungsvermögen, wo Euer Verständnis?“ denkt Yvonne beim Blick zu Alexander, doch sie schweigt. Sie ist wütend auf sich, auf Alexander, auf die Anderen, auf ihr Leben. Mit der Marionette und lebendigen Leiche Yvonne soll es vorbei sein, beschließt sie, nimmt ihren Mantel und verlässt schweigend, ohne ein Wort, die Gesellschaft. Sie wird kein Glas Wein trinken und auch sonst nicht mehr das tun, was man von ihr erwartet. Sie hat keine Lust mehr auf Marionettenspiele. Die Ohnmacht und Wut lässt Tränen aus ihren tiefsten Tiefen emporsteigen, ein reissender Fluss, ein tosender Strom. Sie läuft über den Parkplatz zu Ihrem Wagen, lässt die Anderen zurück und nimmt ihre Erinnerungen und die Tränen der vergangenen Jahre mit.

Völlig durchnässt setzt sie sich in ihren Wagen, lehnt sich zurück, überlässt sich ganz ihrem Schmerz und gibt sich ihren Tränen hin. Hat sie gelebt im vergangenen Jahr? Hat sie überhaupt je gelebt, oder war sie nur nicht gängzlich tot? Yvonne kennt die Antwort. Ein Jahr ist es her, seit sie endgültig aufhörte zu leben. Nur ihr Atem verführte dazu, zu glauben, dass noch Leben in ihr steckt. Ihr Blick huscht bei diesem Gedanken auf den Beifahrersitz und kalte Gedanken kriechen in ihr hoch, so wie die Nässe die sich langsam ihres Körpers bemächtigt. Sie stellt die Heizung an.

„Ein Glas nur, was ist schon ein Glas Wein“ „was hast du nur, warst doch früher auch kein Kind von Traurigkeit.“ „Sei doch nicht so eine Mineralwasser-Spielverderberin.“ Es war eine ähnliche Feier, wie heute, denkt Yvonne, Gedanken verloren und verloren in Gedanken an die schlimmste Nacht ihres Lebens. Vor einem Jahr war sie noch Marionette. Man konnte mit ihren Fäden spielen, sie tanzen lassen nach eigener plaisir. Das Wohl anderer war ihr wichtiger, als ihr eigenes. Sie konnte niemandem einen Gefallen abschlagen und um des lieben Frieden willens war sie zu Vielem bereit, nur nicht, ihrem eigenen Bauchgefühl zu gehorchen.

Alexander wollte an jenem Abend, wie so häufig vorher auch, partout noch nicht nach hause und freute sich, dass sie keine „Spielverderberin“ war und trotz ihres neuen, kleinen Geheimnisses, von dem köstlichen Wein probierte und das Fest nicht frühzeitig verließ. Doch auch Stunden später ließ er sich nicht erweichen, mit ihr nach hause zu fahren. Ohne ihn verließ sie schließlich die Freunde und fuhr alleine nach hause. Es goss in Strömen als sie losuhr. Die Fahrbahn spiegelte nass die Lichter der Stadt wider. Yvonne war in Gedanken, damals, als sie nach Hause fuhr. Nur einen kurzen Moment war sie unaufmerksam. Nur einen winzigen Augenblick, blickte sie neben sich auf den Beifahrersitz.

Ein Lächeln umspielte ihren Mund und ließ ihr Gesicht erstrahlen, denn sie freute sich auf ihr zukünftiges Leben, eines, wofür es sich lohne zu leben. Endlich war ihr Wunsch in Erfüllung gegangen. Die Zeit mit Alexander am Meer hat Leben in ihr Leben gebracht. Sie hatten Zeit füreinander, waren dem Alltag entronnen. Sie hatten Zeit sich freiwillig zu lieben, sich wirklich wieder nahe zu sein. Vorbei die Monate des „wir müssen miteinander schlafen“ und „ich habe keine guten Nachrichten für sie“. Ja sie hatten viel geredet und konnten ihr Verstummen durchbrechen, damals im gemeinsamen Urlaub. Vorbei die Zeit der endlosen Untersuchungen, der ratlosen Blicke des Arztes und des erneuten Kopfschüttelns. Diese Zeit ist vorbei, dachte Yvonne beim Blick zum Beifahrersitz. Ja, sie war schwanger und neben ihr auf dem Sitz lagen winzige Babyschuhe, die sie tags zuvor im Kaufhaus in der Auslage sah und kaufte. Sie kaufte gleich zwei Paar, so groß war ihre Freude darüber Mutter zu werden.

Zärtlich strich sie über die kleinen Schuhe neben sich auf dem Sitz und über ihren Bauch. Gedanken verloren war sie bei ihrem Baby, voller Dankbarkeit und Freude. Ein kurzer Augenblick in dem ihre Vergangenheit und Zukunft mit der Gegenwart verschmolz und sie eins und glücklich war.
Als die Lichter auf ihrer Fahrbahn näher kamen überschlugen sich ihre Gedanken und die Vergangenheit trennte sich wieder von der Zukunft. Im hier und jetzt vor einem Jahr versuchte sie dem entgegenkommenden Wagen auszuweichen, doch es gelang ihr nicht. Ein Knall, gespenstige Ruhe, , nur eine innere Stimme dringt an ihr Ohr „Nur ein Glas Wein, es war doch nur ein einziges Glas“. Alles rings um sie herum verdunkelte sich, zunächst die Zukunft, dann die Vergangenheit und zuletzt die Gegenwart.

Nach drei Monaten erwachte sie aus dem Koma, doch wünschte sie sich, lieber tot zu sein. Das Baby hat nicht überlebt und Alexander sitzt nicht neben ihrem Bett im Krankenhaus. Bis heute konnte sie sein Herz nicht mehr erreichen. Sie haben nie mehr miteinander geschlafen und mehr tot als lebendig nebeneinander her gelebt.

Einer muss leben. Yvonne startet den Motor ihres Wagens, wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und fährt los. Sie streichelt den Beifahrersitz, denkt an ihr ungeborenes Kind und ist fest entschlossen, endlich zu leben. Ihr zweites Leben. Als sie an der gemeinsamen Wohnung vorbei fährt und nicht zurückblickt, weiß sie, dass sie ihre eigene Zukunft nun in die Hand genommen hat.

(c) 2009 Dio

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Don't drink & drive...
..wäre eine zu einfache Antwort auf Deine Geschichte, liebe Dio. "Setze die richtigen Prioritäten", ist wahrscheinlich die (zu)treffendere...
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Berührend und voll aus dem Leben!

Nur - ist es wirklich so einfach?

Ich denke da an diesen unglaublich berührenden Film "Sieben Leben" (mit Will Smith) ... Es muss nicht mal ein Glas Wein sein, es genügt eine winzige Unaufmerksamkeit, ein kleiner Blick zur Seite - und man fragt sich ein Leben lang: "Warum nur? WARUM NUR?"

Trotzdem ist auch seit jeher mein Motto:

Es ist nicht wichtig, ob es ein Leben nach dem Tod gibt! Es ist viel wichtiger, ob ein Leben vor dem Tod gibt!

(Der Antaghar)
manchmal bedarf es drastischer Ereignisse und einer langen Zeit des Erkennens, bis ein anderer, besserer Weg eingeschlagen wird -
schöne Geschichte dazu, liebe Dio!
Ich...
danke Euch für die Rückmeldungen.

@**le

WAS genau jemand aus solch einem Anlass macht, ist sehr verschieden.
DASS die meisten Menschen NACH einem tiefen Einschlitt in ihrem Leben etwas damit machen, versteht sich von selbst...
Viele denken um und wachsen daran,

@******leo ich stimme dir zu

Einige hadern aber auch fortan mit ihrem Schicksal....Die Resilienzforschung zeigt ein wenig auf, was die einen von den anderen unterscheidet...

@ Antaghar

Vermutlich ist es für die meisten nicht so einfach...Ich unterstellte der Protagonistin einfach, dass sie für das Umdenken zumindest 1 Jahr Zeit hatte. Aber, aus meiner Praxis weiss ich auch, dass es häufig nur ein einziges sehr einschneidendes und tiefgreifendes Ereignis brauchte, um wieder "lebendig" zu werden....


Ich persönlich könnte mir ein Leben ohne Kinder nicht vorstellen.

Dio
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