Fortsetzung aus ihrer Sicht
Blind Date, blindWährenddessen aus ihrer Sicht
Schnell geschrieben und ebenso schnell – mit der Ruhe einer Frau - zu lesen: Als Frau eben:
00:23
Die Verabredung steht. Ich werde „ihn“ treffen, doch kenne ich ihn nicht.
11:00
Was? Bleibt noch Zeit für ein schnelles Frühstück im Stehen?
Brötchen geschmiert, Kaffee aus der Senseo gezogen und zurück in das Badezimmer. Brötchen und Kaffee auf die Ablage über das Waschbecken gestellt. Ein schneller Bissen. Ein Schluck Kaffee.
Zahnputzbecher gefüllt. Zähne geputzt. Kaffee genippt. In’s Brötchen gebissen. Geschluckt. Zähne weitergeputzt. Lidschatten nachgezogen. Zahnputzwasser getrunken.
Ein Blick in den Spiegel.
Erschreckt.
Fertig.
11:36
Zum Coiffeur des Vertrauens geeilt. Termin bereits telefonisch vereinbart. Zigarette unterwegs in der Staßenbahn geraucht.
Rausschmiss!
Warum?
11:39
Auf der Straße gestanden. In der Handtasche nach dem Handy gesucht. Dann ein Taxi gerufen. Zum Frisör gefahren.
11:47
In der Handtasche nach Geld für den Taxifahrer gesucht. Hierbei das Handy gefunden und die Zigaretten verloren. Dafür aber ein weiteres Feuerzeug in der leeren Tamponpackung entdeckt.
11:49
Beim Frisör in den Spiegel geschaut.
Erschreckt und geschrien: „Mach was dran, Roger! Ich MUSS gut aussehen heute Abend.“
Nervös herumgesessen. Mit den Fingern auf der Lehne des Stuhl getrommelt. An seiner Latte Macchiato genippt. Seite 7 der Brigitte gelesen. Einen Blick in das Horror-Skop geworfen. Düster.
11:51
In der Handtasche gewühlt. Geld gefunden und Roger bezahlt. Dabei einen unerwarteten Fund gemacht: Kondome mit Erdbeergeschmack. Pfui. Von wem waren die noch gleich: Harry? Willi? Bernd? Lutz, der sich Lisa nennt? Oder der Wie-hieß-er-noch-gleich?
Ich hasse Erdbeer am Männerschwanz.
11:52
Roger verzweifelte Blicke zugeworfen.
„Schreib es an. Ich hab’s eilig.“
Laden verlassen, mit den Heels im Gullideckel hängen geblieben. Geflucht. Wirklich geflucht. Die Stadtentwicklungsgesellschaft, das Straßenbauamt, den Bürgermeister und den Magistrat in die Hölle gewünscht.
Schnell zu Ali gerannt. Der Schnellreparaturdienst für Schuhe. Anschließend mit einem Schuh zum Bäcker nebenan gehüpft, denn ganz ohne Schuhe verlässt Frau nie das Haus. Ein Croissant bestellt.
In der Handtasche nach Kleingeld gesucht und ... gefunden.
„Verzeihen sie, Gnädigste. Wir nehmen seit 2001 keine DMark mehr.“
Aber?
„Und Mark der Deutschen Demokratischen Republik akzeptieren wir seit 1989 nicht mehr.“
Wie alt war diese Handtasche?
Hungrig und mit tausend Flüchen auf den Lippen die Hütte verlassen.
11:54
Zurück zu Ali. Schuhe abgeholt und mich über die schlampige Arbeit beschwert. Die Bezahlung verweigert. Ali war froh, dass ich ging, ohne den Laden zu zerlegen.
12:36
In der Handtasche... ich wiederhole mich.
Haustürschlüssel gesucht und Vibrator gefunden. Das leise Surren verriet ihn unter den Briefumschlägen mit den Kontoauszügen. Wie lange mögen Duracell Batterien wohl halten?
12:38
Wieder zu Haus. Tief eingeatmet.
12:39
Ausgeatmet.
12:42
Mit der besten Freunden getalkt.
„Ja, ich treffe ihn heute Abend.“
„Ja, ich werde pünktlich sein. 20:00“
Männer. Idioten. Haben nur Sex im Kopf.
In der Handtasche gekramt. Handtasche gewechselt.
13:41
Telefonat beendet. Der Handyakku war leer.
13:42
In der Handtasche nach Zigaretten gesucht. Das neue Feuerzeug – das wiedergefundene – benutzt. Eine letzte Kippe in drei Teilen in der Tamponpackung gesehen. Tampons auf dem Tisch ausgeschüttet. Zigarette zerlegt, neu gedreht und angezündet.
Einen Schreikrampf bekommen. Seit wann haben Zigaretten blassblaue Fädchen?
14:00
Mittagsschlaf zum Wohle der Schönheit.
14:32
Tiefschlafphase.
17:00
Aufgewacht. Auf die Uhr geschaut: 14:00.
Im Unterbewusstsein realisiert, dass der Sekundenzeiger der Uhr sich nicht bewegt. Dem Zeiger keine Beachtung geschenkt. Die Uhr hat ja noch zwei weitere Zeiger. Die werden sich wohl drehen.
17:30
Unter die Dusche. Ahhh. Nun ist die Frisur nass geworden.
Raus aus der Dusche. Abgetrocknet.
17:45
Zurück in’s Schlafzimmer. In der Truhe gewühlt. Dessous rausgelegt, zwecks späterer Entscheidung in schwarz, rot und grün.
Strümpfe gesucht. Mit Naht. Aber auch mit Laufmasche. Strümpfe in die Tonne getreten und nach neuen Strümpfen – in der Handtasche – gesucht. Und Söckchen gefunden. Geht nicht.
Also keine Strümpfe.
17:53
Vor den Kleiderschrank getreten und sämtlichen Mut zusammengefasst. Adrenalin pur, als ich die Türen öffnete.
17:58
Realisiert, dass ich nichts passendes für den Abend zum Anziehen habe.
An die Handtasche gedacht, aber den Wunsch darin zu suchen verworfen.
18:03
Ich halte die Türen des Schranks offen.
18:09
Die Vorbereitungsphase der Entscheidungsfindung naht. Ich habe drei Kleider herausgelegt. Kurz, kürzer und ... Moment. Das dritte ist mein Schlaf-Shirt. Also wieder rein damit.
18:12
Vertagung der Entscheidungsfindung für die Dauer einer Zigarette.
In der Handtasche... naaaa?
In der Handtasche gewühlt. Zigaretten wieder nicht gefunden, nur den Werbekugelschreiber der FDP. Taugt nichts. Er ist ausgelaufen und die blaue Farbe klebt an meinen Fingern wie Westerwelle an der Macht.
18:37
Meine Uhr zeigt noch immer 14:00. Also noch genug Zeit für die Entscheidung. Deutschland sucht das Superkleid.
Ich nehme Jeans! Da brauche ich auch keine Strümpfe.
18:48
Mein Parfum gesucht. In.... Im Badezimmer. Aber nicht gefunden. Dann ist es wohl doch in der Handtasche.
Gefunden. Der Flakon ist leer!
19:14
Die richtige Uhrzeit realisiert.
Geschrien!
Nochmals geschrien.
Keiner hört mich.
Nicht mehr geschrien. Ohne Publikum muss man nicht schreien.
19:24
Taxi gerufen. Handtasche vom Sofa genommen. Rausgerannt.
19:36
Die große Uhr an der gegenüberliegenden Tankstelle gesehen, während ich auf das Taxi wartete.
Montag, 3. Oktober, 19:36
Montag? Wieso Montag? Nicht Sonntag.
Den Taxifahrer verflucht. Wieder hoch in die Wohnung gerannt. Eine Flasche Sekt geöffnet und ein Blind Date mit meinem Vibrator gehabt.
Duracell sei Dank.