Blind Date
Auf dieses Date habe ich mich lange und generalstabsmäßig vorbereitet. Ich erwarte sie.Aber was soll sie hier? Der Boden ist geputzt, das Geschirr bereits weggeräumt und selbst der Ausguss des Wasch-beckens glänzt von der Edelstahlpflege. Und die Mehrweg-zahnstocher habe ich auch schon zurück in die Packung gedrückt.
16:00
Der Countdown läuft. Nur noch vier Stunden.
Ich habe meinen alten Plattenspieler vom Speicher geholt, denn Vinyl hat Flair und CD kann doch jedoch. Und gibt es etwas schöneres, als wenn der alte Plattenspieler Debussys Prélude à l’après midi d’un faune von der Rille kratzt? Ach der alte Faun. Soll er doch bleiben, wo er ist. Zu schade. Der Radetzkimarsch muss auch gehen. Die Platte liegt sowieso gerade obenauf.
16:30
Mir fällt ein, dass der Wein fehlt. Wein. Wein... welcher Wein? Sollte es besser Chapagner oder Prosec- oder wie man das schreibt - sein? Prosec... Prosac. Wo war der Wein. Also den Weg in den Keller antreten und aus den besten Lagen der Welt suchen: Aldi’s Südhang oder Lidl’s Krötenarsch. Weg mit dem Preisschild von 1,99 und etwas Kellerstaub darüberreiben. Ach egal. Weg mit dem Wein. Die Krombacher Elf tut es auch. Schnell noch eine Flasche öffnen und eine Viagra auflösen. So Potenz ist schon geil. Da war es nur noch die Krombacher zehn. Sozusagen Rote Karte und ein früher Platzverweis für die erste Flasche.
17:00
Nur noch drei Stunden. Bad herrichten. Ich habe sogar neue Handtücher unten im Schrank gefunden. Hinter-lassenschaften meiner Ex-Frau. Mmm. Ihr Name eingestickt in den Tücher. Schlecht. Aber da muss ich nun durch. Also Handtücher so legen, dass man den Namenszug nicht sieht. Das geht dann schon.
17:15
Das Spiel ist aus. Nochmals schnell ins Internet und die Fußballergebnisse nachschlagen. Shit. Der FC hat wieder verloren. Ein böses Ohmen. Aber war sie nicht sowieso aus Düsseldorf?
Wieso befinden sich nur noch neun Flaschen im Kasten?
18:00
Ich schwitze. Sollte ich noch schnell ein Bad nehmen? Eher nicht. Dann müsste ich die Handtücher meiner Ex benutzen und nasse Handtücher kommen wirklich nicht gut. Bin ich nicht sensibel? Lieber ein wenig mehr Deo. Oh. Das Axe ist leer. Und nun? Lysterene brennt unter den Achseln. Aber da muss ich nicht durch. Eher sie. Es ist ja ein Blind Date. Und riechen darf man. Also Blind Smell date.
Ich öffne das Mundwasser und verreibe die grüne Flüssigkeit großzügig unter den Achseln. Einige Tropfen färben Schisser’s Feinripp hellgrün.
Wobei wir gerade beim Öffnen der Flaschen sind: Da waren es nur noch acht.
18:30
Schweißperlen auf der Stirn. Das Schlafzimmer. Wie konnte ich es vergessen? Handschellen zurechtlegen, aber wo sind die Schlüssel? Ich habe keine Zeit zum suchen. Und die Seile, die Knebel, die Augenbi..... Moment, Augenbinde. Also irgendwas muss her: Eine Rolle Alupapier. Aus der Küchenschublade, oder schnell zwei Etiketten von den Bierflaschen ablösen.
Dazu dann die Federn und Pinsel. Verdammt. Die Pinsel sind hart von der eingetrockneten Farbe. Dann lege ich eben ein paar Edding Permanentmarker zurecht. Die sind auch schön weich.
19:00
Schummriges Licht wäre nicht schlecht. Also Birnen rausdrehen. Energiesparlampen, 7 Watt aus dem Baumarkt rein, ein Küchentuch drüber. Perfekt. Schummrig genug. Nur geht mir der Duft der Tiefkühl-Lasagne nicht mehr aus dem Sinn. Vielleicht sollte ich doch besser ein sauberes Tuch nehmen. Später. Wenn noch Zeit sein sollte. Einpaar Tropfen Bier auf das erwärmte Tuch könnten die Gerüche neutralisieren.
Five bottles left.
19:30
Endspurt. Türe anlehnen. Es muss ja einladend sein. Noch einen kleinen, erotischen Snack zurechtstellen. Für mich. Vielleicht ein paar Nutellabrote.
Oh Mann, Nutella getunkt in Bier schmeckt nicht. Hätte ich besser Kölsch genommen?
Nur noch vier Flaschen.
Was mache ich hier eigentlich. Warum ist die Wohnung aufgeräumt? Wieso steht der Biomülleimer nicht am gewohnten Platz?
Schnell noch die Kronenkorken vom Tisch einsammeln und nach hinten in den Biomüll schnippen und einmal kräftig rülpsen. Tut das gut.
20.00
Ein letztes, tiefes Durchatmen. Und warten. Jetzt. Kommt sie?
Wie viele Flaschen habe ich eigentlich noch?
Vier! Ole Ole Ole.... La Ola im Wohnzimmer.
20:30
Warten.
Mir wird schlecht. Den Finger kurz, intensiv und tief in den Rachen geschoben.
Und nun kann es weiter gehen: „Prost, Frau, Frau... ähhhm.“ Auf den FC!
21:00
Warten. Fernseher an. Warten.
Drei Mannschaften auf dem Platz. „Oh, warum hat die dritte Mannschaft nur noch so viele Flaschen... ähem, Spieler mit Pfeife auf dem Platz, wie ich Flaschen im Kasten sehe?“
22:00
Zeit für das aktuelle Sportstudio. Ich habe ja noch zwei Krombacher.
23:00
Das waren noch Zeiten. Früher waren noch 20 Flaschen im Kasten.
Warum hat meine Ex mich eigentlich verlassen?