Japan ist anders: Die dritte Blues-Geschichte
Japan ist andersOder war es Montreux.
Anyways: Smoke on the water... and fire in the sky.
Wer auch immer diesen dummen Gedanken hatte, uns für die Japan-Tournee zu begeistern gehört in eine dunkle Tokyoter Karaoke Bar verbannt und muss bis an sein Lebensende „Durch den Monsum“ trällern.
Nun sitze ich hier im Bus, der uns nach dem kurzen Inlandflug von Tokyo nach Nagoya aufgenommen hat. Am Fuße der Burg sollten wir den nächsten Gig geben.
Ich hielt es in der bedrückenden Enge zwischen den schnarchenden und alkoholisierten Kumpels nicht mehr aus. Und der Schlagzeuger steckt sich noch immer eine Kippe nach der anderen in den Mund.
Ich musste hier raus. So versuchte ich dem Fahrer klarzumachen, ich wolle die letzten Kilometer zum Hotel zu Fuß zurücklegen.
„Please, stop the bus!“
Er sah mich an, und runzelte die Sirn. Und so wiederholte ich „You fuckin’ damn’ son of a bitch. Stop that bus right away.“
Und nun verstand auch er. Der Fahrer zuckte mit den Schultern; hielt an; öffnete die Türe und die Kälte schlug mir entgegen.
Noch im Hinausgehen griff ich mir den Gitarrenkoffer und eine Jacke.
Aber ich musste mich befreien.
Und nun stehe ich hier in der Kälte. Irgendwie kommt mir alles surreal vor. Der Westen beschreibt die Welt in 140 Zeichen. Der Osten benötigt 17 Silben – oder besser Moren – und nennt es Haiku. 5-7-5 Moren sollen es sein.
Irgendwie kommen mir diese kleinen Kunstwerke wieder in den Sinn, die ich in den letzten Wochen für mich schrieb. Die ich aber entgegen der japanischen Tradition einer Frau widmete:
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Der Weg:
Ein gewagter Weg.
Mit deinem Bild im Herz.
Wärme durchstrahlt mich.
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Ich spüre meine Füße nicht wirklich. Ich friere und vom gestrigen Auftritt ist ein Wadenkrampf geblieben. Ich gehe die ersten Schritte. Aus der Ferne sehe ich den Widerschein der Lichter der Stadt am Horizont. Nagoya.
Es fällt mir erstaunlich leicht zu gehen, obgleich der Last des Instrumentes und der Kälte an den Füßen. Haiku begleiten mich.
Wieviel schöner als die 140 Twitter-Zeichen sind diese Silben.
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Die Augen:
Spiegel der Seele.
Sehe eine Anspannung.
Ich gebe dir Halt.
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Ich schwebe. Ich spüre Wärme auf dem kalten Schnee. Meine sehenden Augen sind geschlossen. So begreife ich dich besser. Ich schließe die Augen und sehe dennoch. Nun jedoch kann ich mich auf deine Hände konzentrieren, die mich überall berühren.
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Hände:
Hände auf der Haut
Erwecken die Kraft in mir
Die du mir heut gibst
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Warum kann man aus Haiku keinen Blues formen?
„Der Haiku entzieht sich,“ denke ich noch kurz und umgreife den Gitarrenkoffer fester.
Nicht nur ein Haiku entzieht sich der Beschreibung. Auch du bist so nahe und doch so weit weg. So war es immer, seitdem ich dich kenne.
Die Welt in 140 Zeichen!
„So ein Schwachsinn,“ denke ich noch: „Wo bleibt die Poesie? Wo lebt die Seele?“
Es ist, als ob man(n) meint, man(n) könne einer Frau durch drei technische Daten gerecht werden: 90-60-90.
Hat jemals jemand versucht, diese Nummer anzurufen?
Ein Haiku lebt die Seele:
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Dein Atem leise
Ich folge deinem Rhythmus
Wachsen zusammen
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Du hast die Kraft, die du spendest. Die ich spüre.
Nein, du weckst meine Kraft. Du weißt, wie man Energie erweckt, die tief in einem schlummert.
Energie, die einem hilft die Kälte zu vergessen.
Energie, die einen den Weg über den Schnee in Wärme gehen lässt.
Energie, die mich in Aura umfängt.
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Wärme der Seele
Ein Geschenk das du gibst
Der Winter vergeht
Einer vergangenen Liebe ohne Zukunft gewidmet.