Alltägliches
Sie war kein Sensibelchen. Beileibe nicht. Und trotzdem kotzte sie sich jetzt sie Seele aus dem Leib. Anfangs hatte es ihr nur ein flaues Gefühl verschafft. Aber jetzt! Jetzt war das Fass übergelaufen! Und so kniete sie nun vor der Porzellanschüssel auf den kalten Fliesen ihres Badezimmers und übergab ihren Mageninhalt den städtischen Abwässern. Ahoi, Tortellini al Forno! Gute Reise!
Die nackten Knie schmerzten. Aber sie beachtete es nicht weiter. Jedes Mal, wenn sie versuchte, sich zu erheben, machte ihr Magen eine neue Krümmung und… Ab dafür!
All die Lügen. Jahrelang! Und sie hatte es nicht gemerkt. Nicht merken wollen? Nein! Sie hatte immer an die Liebe geglaubt. Hatte glauben wollen. An ihn glauben wollen.
Blond und blöd eben!
Den ‚Ausrutscher’ mit ihrer ‚besten’ Freundin hatte sie ihm ja noch verziehen. Schließlich konnte sie sich der Realität nicht verschließen. Sie war in den letzten Jahren rapide gealtert. War nicht mehr so unbeschwert wie früher. Sorgenfalten hatten sich in ihre Gesichtszüge gegraben und manchmal war ein bitterer Zug um ihren Mund.
Dass er auch mal Zeit für seine Kumpels brauchte, das war doch klar… Er war noch jung. Viel jünger als sie. Und er brauchte ein wenig Freiheit. Schließlich arbeitete er hart, um Geld für sie und die Kinder nach Hause zu bringen.
Das Geld.
Irgendwie reichte es nie. So sehr sie auch sparte. Second-Hand-Klamotten für die Kinder, Lebensmittel von Feinkost-Lidl oder von dort, wo’s Aldi-feinen-Sachen gibt. Aber es war am Ende des Geldes immer noch so viel Monat übrig. Irgendwie schaffte sie es trotzdem immer, die Kinder gesund zu ernähren und ein klein bisschen was für kleine Extra’s übrig zu behalten.
Aber der Anruf seines Chefs, der war zu viel gewesen!
Er hatte sie gefragt, wo denn ihr Mann sei. Dass er schon die vierte Woche krank sei und sich nicht in der Firma meldete.
Sie war aus allen Wolken gefallen.
Er ging doch jeden Morgen zur Arbeit. Und kam abends immer mit Überstunden und völlig erledigt nach Hause!
Bei dem Gedanken musste sie wieder kotzen.
Pressemitteilung Mittelhessischer Anzeiger:
Familiendrama im hessischen Friedberg: Eine Mutter erstickte ihre drei Kinder in ihren Betten, bevor sie sich das Leben nahm. Sie hinterließ keinen Abschiedsbrief. Der Ehemann, der seine Familie tot auffand, steht vor einem Rätsel.
Familiendrama im hessischen Friedberg: Eine Mutter erstickte ihre drei Kinder in ihren Betten, bevor sie sich das Leben nahm. Sie hinterließ keinen Abschiedsbrief. Der Ehemann, der seine Familie tot auffand, steht vor einem Rätsel.
(c) Rhabia 11/2009