Das siebte Türchen
Guten Morgen, Ihr Lieben alle!
Wer für die gestrige Geschichte auf
@*********ld63 gesetzt hat, der lag sehr richtig
- wie ich das so überschaue, halten sich Richtigtipper und Tipper mit einer zweiten Chance in der Waage.
Unsere heutige Geschichte vermittelt uns eine Außensicht auf uns, also richtig von außen
- aber lest selbst.
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Weihnachten – das pralle Leben…
…und was das mit Aliens und einem Geist zu tun hat.
Eine kleine Gruppe Gestaltwandler erreichte mit ihrem hochmodernen Raumschiff die Erde, selbstverständlich blickgeschützt. Sie alle - als da wären eine Art Frau im Leo-Look, genannt „die Leopardin“, ein altgedienter Soldat der vereinigten außerirdischen Truppen namens „Blob“, eine Art Mann in jungen Jahren mit dem wohlklingenden Spitznamen „Wutz“ und zu guter Letzt ein tierisches Werwolfswesen vom Planeten Bi-Bo-Ba-Luah in Gestalt eines geheimnisvollen Typs – hatten diesen Trip in einem intergalaktischen Preisausschreiben gewonnen und waren sehr gespannt auf die Menschen. In ihrem Reiseführer konnten sie lesen, dass auf der Erde gerade Vorweihnachtszeit, auch Advent genannt, herrschte und ihnen – um nicht weiter aufzufallen – geraten wäre, sich entsprechend der örtlichen Folklore zu tarnen, beispielsweise mit wallendem weißen Bart und Nikolausmütze, Engelsflügeln oder Elchgeweih auf dem Kopf. Der Besuch eines Weihnachtsmarktes stand ebenso auf dem Ausflugsprogramm wie der Besuch bei einer typischen Familie am Heiligabend mit allem Drum und Dran.
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Zur selben Zeit erhob sich ein böser Geist aus der tiefsten Hölle. Voll der Rache auf alles Lebendige und voll des Hasses auf christlich-kaufmännische Weihnachtstraditionen. Er schwor bei allen Teufeln der Hölle, dass die Menschenschäflein dieses Weihnachten so schnell nicht vergessen würden.
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Und wiederum zeitgleich fühlte nicht weit entfernt ein namhafter Proktologe einen drängenden Druck in seinem hinteren Ende. Zunächst versuchte er dies zu ignorieren und die fällige Sitzung auf nach der Sprechstunde zu vertagen. Doch ohne Erfolg. Es musste sein und zwar sofort. Er ließ seinen aktuellen Patienten mit heruntergelassener Hose stehen und suchte umgehend die Keramikabteilung seiner Praxis auf. Ein wenig pikte es im Gedärm, nicht so wie das sonst allgemeinübliche Abfallprodukt des Enddarms. Insofern tastete er sich mit geübten Fingern die entsprechende Stelle professionell ab und fischte ein gar seltsam Ding aus seinem Anus. Ratlos stand er nun und blickte auf das Ergebnis seiner Untersuchung.
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Die kleine Gruppe Gestaltwandler begab sich nun entsprechend kostümiert in Richtung der zentralen Einkaufsmeile der Stadt. Natürlich fielen sie auf, denn kein Mensch trug die empfohlenen Sachen aus dem Raumschiff. Na, das würde eine ganz miese Bewertung des Services geben! Sie kommunizierten in einem Kauderwelsch aus verschiedenen Aliendialekten, um ihrer Verlegenheit und auch einer gewissen Furcht vor Entdeckung Ausdruck zu verleihen.
„So a Gschwerl, de redn nur Schmarrn.“ Einer der Einheimischen in lustig anzuschauendem Aufzug war stehengeblieben und hatte die Gruppe mit einer ihnen unbekannten Sprache konfrontiert. Der implantierte Simultanübersetzer rödelte und rödelte in einer Endlosschleife und hauchte dann mit einem Zischen sein Leben aus. Jetzt wurde ihnen wirklich Angst und Bang. Sie waren auf sich allein gestellt. Ihre Hoffnung ruhte nun auf Blob, der als Universum-Soldat zumindest ein paar Brocken dieser Sprache zustande bringen sollte.
„Biiiiiiitte, wo gehen Weihnachtsmarkt?“ Fragte er unsicher.
„Hört si scho a wenig odraht o, Saupreissn!“ Kam die überraschend nette Antwort. Der Erdling schüttelte verständnisvoll mit dem Kopf, denn schließlich konnte ja nicht jeder so perfekt wie dieser spezielle Menschenschlag sein, und zeigte mit der Hand in Richtung Marienplatz.
Der Trupp schlug die angewiesene Richtung ein und schon bald entdeckten sie eine Gestalt, die der im Reiseprospekt ähnlich sah. Hopp und Bob sei Dank.
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Santa Claus, gewandet in roten Lack mit passendem Mützchen, Walla-Walla-Bart und in der Hand eine mächtige Rute, saß missmutig auf seinem „Thron“, um den sich eine grobe Kette statt einer Weihnachtsgirlande rankte. Auf manche wirkte er eher wie ein Überbleibsel der kürzlich stattgefundenen „SubRosasonstrum“, doch um sich nicht vor den Muggeln um sie herum zu outen, schwiegen sie wohlweislich. Das altkluge Mädchen (eine Art Lisa Simpson – so als Vergleich) jedoch auf seinem Schosse sitzend, redete und redete und ständig fielen die Worte „…wünsche mir vor allem den Weltfrieden.“ Mit besonderer Betonung auf Frieden. So ein Bockmist! Er war hier um genau das Gegenteil zu initiieren. Denn unter dem seltsamen Gewand steckte unser Gestalt gewordener böser Geist. Und er hatte bereits Verbündete. Seine Armee aus grimmigen Kaufhausweihnachtsmännern stand bereit, um erbarmungslos zuzuschlagen und Weihnachten dorthin zuschicken, wo es hingehörte - als hardcore Foltermethode in die Hölle. Natürlich standen die Menschen unter Bannfluch, schließlich wollte er auf Nummer Sicher gehen.
Das Mädchen stupste Santa Claus an der Schulter und sah ihn erwartungsvoll an. Ebenso die lange Schlange von Kindern und Eltern vor ihm. Letztere richteten ihren Handyfokus auf ihn, um ihre Brut auf seinen Knien sitzend, zu fotografieren. Seltsames Outfit hin oder her. „Harder than hell!“ Ächzte er und fühlte plötzlich eine beunruhigende Präsenz in unmittelbarer Nähe.
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Die Gestaltenwandler von den VPadE hatten das Prinzip des „auf dem Schoss des Weihnachtsmannes Platz zu nehmen“ intuitiv verstanden und stellten sich ebenfalls an. Wünsche, die ihrer Erfüllung harrten, gab es auch in ihrer Welt. Zumindest drei von ihnen standen brav in Reih und Glied. Die Leopardin hatte im Schaufenster gegenüber tolle Klamotten im Leo-Look entdeckt und das dringende Bedürfnis zum Shoppen verspürt. Schließlich ging es beim bevorstehenden Fest auch um prallgefüllte Geschenktüten, wenn sie das Begleitbuch zur Reise richtig verstanden hatte.
Es ging zügig in der Warteschlange voran, offensichtlich hatten die Erdlinge eher bescheidene Wünsche.
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Der Proktologe hatte sich wieder gefasst, den Patienten unverrichteter Dinge nach Hause geschickt und die Praxis geschlossen. Nun stand er unschlüssig gegenüber dem komisch anmutenden Weihnachtsmann. Mit diesem Dings aus seinem Hintern - gereinigt und gesichert - in der Hosentasche. Auch er spürte eine seltsame Präsenz, die ihn zu dieser Stelle getrieben hatte. Drei Augenpaare aus der Warteschlange starrten ihn an. Bei einem von ihnen stand sogar der Mund offen. Tropfte da etwa schaumiger Sabber am Kinn herunter? Was glotzten die denn so? Er fühlte sich unwohl und doch war da eine seltsame Vertrautheit, aber ebenso gesträubtes Nackenhaar. So wie wenn man unerwartet seine nervige Sippe in kompromittierender Situation antrifft. Zudem spürte er etwas unfassbar Böses direkt vor sich. Das Dingsbums neben seinen Kronjuwelen in der Tasche wurde glühend. Er verbrannte sich die Hand als er es richten wollte, denn so wie es gerade lag, hätte man auch denken können, dass es sich dabei um etwas anderes, beispielsweise ein erigiertes Körperteil handeln könnte. Er fluchte laut. Stille. Alle Blicke richteten sich auf ihn. In welcher Sprache hatte er gerade gesprochen? Ihm wurde heiß und kalt und übel.
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Der geheimnisvolle Typ, alias das gestaltwandlerische Werwolfswesen, witterte ihn sofort. Seine bevorzugte Speise hier? Er hätte ja so ziemlich alles erwartet, was ihm die Erdlinge kredenzen würden - von Nulldiät bis Truthahn - aber das dann doch nicht. Er fühlte, wie ihn ein derartiger Heißhunger überkam, dass er echte Mühe hatte, seine menschliche Gestalt aufrecht zu erhalten. Es war sowieso schwer genug, die Tarnung aufrecht zu erhalten. Weil man ihm vor Abreise vergessen hatte mitzuteilen, dass heute Vollmond auf dieser Seite der Erde war und dieser bereits aufgegangen am Himmel stand. Wutz hinter ihm grunzte und hielt sich erschrocken den Mund zu. Blob war es dagegen einfach nur peinlich, mit solchen Kretins unterwegs zu sein. Die würden noch alles verderben und ihre glorreiche Alien Nation total blamieren.
Inzwischen schwebte eine überglückliche Leopardin im nagelneuen Leo-Look-Kleid samt passenden Heels vorbei und direkt auf diesen komischen Typ zu, der gerade lauthals in einem seltenen Aliendialekt geflucht hatte und dabei war, sich in eine überdimensionale Küchenschabe zu transformieren. Die Erdlinge schrien auf und flüchteten in alle Richtungen, während Santa Claus aufsprang, seine Kette griff und wie ein Lasso schwang. Wohl in der Absicht, die Kakerlake in Wildwest-Manier einzufangen. Ebenfalls rannte aus allen Richtungen eine rot-weiße Weihnachtsmänner-Armee, bewaffnet mit Rohrstöcken, auf sie zu. Unsere Außerirdischen saßen in der Falle und mussten kämpfen.
Wie auf ein geheimes Zeichen nahmen alle Gestaltwandler ihre Normalform an.
Der Blob verflüssigte sich in eine zähe Masse, breitete sich ringförmig aus und stoppte so den Vormarsch der Weißbärtigen, denn sie klebten wie Fliegen an einem Fänger fest. Werwolf und Wutz stürzten sich auf Santa Claus und versuchten ihn zu beißen. Die Leopardin verfluchte ihre frisch lackierten Nägel und setzte zu einem Karatekid mäßigen Sprung an. Alles um sonst – unser böser Geist lachte nur hämisch, während die drei durch seine nebulöse Gestalt hindurchpurzelten und nun selbst im Blob festklebten. Doch das Manöver gab der Kakerlake die nötige Ablenkung.
Sie griff ungeachtet der Hitze das glühende Riesenzäpfchen, gefüllt mit dem geweihten Wasser aller Dimensionen, und stopfte es dem bösen Geist direkt in den … Mund (natürlich! wohin auch sonst?). Es gab eine gewaltige und ohrenbetäubende Explosion. Alle Glocken in der Umgebung gerieten in Schwingung und läuteten Sturm. Schneegestöber aus feinster Zuckerwatte und Marshmallows rieselten herab und deckten den Ort des Geschehens zu.
Verwirrt blickten die vielen Weihnachtsmänner um sich und verstanden gar nichts mehr. Es war als erwachten sie aus einem Traum. Sie erhoben sich, wunderten sich über die wackelpuddingartige Sauerei an ihren Schuhen, öffneten dann aber ihre prallen Säcke und verteilten an die zurückkehrenden Menschen Geschenke mit „Frohe Weihnachten“-Rufen. Unsere fünf außerirdischen Helden zurück in ihrer Tarnung standen ein wenig verloren in der Menge. Die Kinder schaufelten die Süßigkeiten erst in ihre Hände und danach in die Münder, die Erwachsenen reichten sich gegenseitig Glühwein als wäre nichts geschehen. Die Leopardin, eine Weltraumpsychologin, erklärte es mit gnädiger Amnesie, hervorgerufen durch – vermutlich zu viel Weihnachtsstress. Die kleine „Lisa Simpson“ jedoch beteiligte sich nicht an der allgemeinen Völlerei. Sie kam auf die Fünf zu und meinte frei heraus: „ Ich habe alles gesehen. Eure Gestalt – wer seid ihr? Und woher kommt ihr? Seid ihr uns Menschen feindlich gesonnen? Oder wartet – seid ihr die Prophezeiten? Redet!“ Und dabei gab auch sie nun ihre Tarnung auf. In Wirklichkeit war sie schon längst erwachsen, nur eben kleinwüchsig, und arbeitete für die heilige katholische Inquisition, in der Abteilung zur Abwehr böser Geister.
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Nachdem alles geklärt war, lud sie die Fünf ins Hofbräuhaus ein. Zu Haxen, Bier und Knödeln. Dem Werwolf wäre zwar die Küchenschabe als Braten lieber gewesen, aber er fügte sich. Die Kakerlake hatte in den vielen Jahren auf der Erde völlig ihre Weihnachtswächtermission vergessen und war in ihrer Tarnung als Proktologe völlig aufgegangen. Deshalb war auch die ultimative Antigeisterwaffe in ihr gewachsen als die Gefahr unmittelbar vor dem Ausbruch stand. Da gab es alte Pergamente mit Weissagungen, die alles erklärten. „Lisa“ hatte davon gelesen. Die Leopardin bekam ihr neues Kleid noch Express gereinigt. Blob hatte ziemlich an Masse verloren, aber das kalorienreiche Essen half dabei, seinen prallen Bauch wieder herzustellen. Wutz war nur noch von der Erde und ihren freundlichen Bewohnern begeistert und beschloss sein Freiwilliges- Menschenversteh-Jahr sofort an Ort und Stelle anzutreten. „Lisa“ freute sich und lud alle zum morgigen Weihnachtsessen bei ihrer Familie ein. Schließlich hatten die Fünf nichts weniger als Weihnachten und die Menschheit gerettet, nicht zu vergessen – auch die stolze Hauptstadt der Bajuwaren. Es war diesmal wirklich knapp gewesen. Ab sofort war die Zeit der Entbehrungen und Verbote vorbei und nun stand einem Weihnachten – und dem prallen Leben in allen Zügen, für ein paar Tage unbeschwerten Genuss zu feiern, nichts mehr entgegen. Im Zuge dessen wurde nun unterm Baum gesungen:
Weihnachten – das pralle Leben, ist uns dank der Fünf gegeben.
Schaut nur wie wir es genießen, dass Grenzen zwischen uns zerfließen.
Lasst uns doch alle Freunde sein, selbst den Teufel schließen wir mit ein.