Das elfte Türchen
Trommelwirbel.... und Tusch!
Die Schreiberin der gestrigen Geschichte hat sehr gut Sun Tzu beherzigt: Am wenigsten glaubt man die Realität! (Akkusativ) Es war @*********ose_K , die sich als sie selbst getarnt hat
Wer wird es heute sein? Ich verrate soviel, dass die Geschichte keine Zweitgeschichte ist
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Pippa tanzt
Gerharts Augen verloren sich in dem entzückendem, roten Herzchen-Popo mit der gestärkten, weißen Schleife darüber, der unermüdlich im Raum zu tanzen schien. Wie hieß die Schwester der Königlichen Hoheit nochmal, die seinerzeit so majestätisch die Kirchentreppe empor schritt? Der Name klang ähnlich wie das schwedische, rothaarige Mädchen mit den Zöpfen. Er kam nicht drauf. Warum lange grübeln? Er wollte sich lieber auf diesen wunderbaren Anblick konzentrieren. Dieser wiegende Schritt, das geschickte Bücken, um etwas vom Boden aufzuheben. Die anschließende, ja, unwillkürlich-verschämte Bewegung, dieses Zupfen am Rock, wenn der beim Bücken auch nur einen Millimeter hochgerutscht war.
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Die Pobacken setzten sich leicht in Bewegung. Durch den rotglänzenden Taftstoff des Minikleides erahnte er jeden Popomuskel. Leicht vorgebeugt wienerte sie vis-a-vis mit der linken Hand energisch den Tisch, während sie mit der rechten Hand zwei leere Pintgläser festhielt. Es klebte noch ein wenig weißer Bierschaum am Gläserrand und an ihren Fingern und er musste unwillkürlich an Wackelpudding mit Vanillesoße denken. Es ergriff ihn eine unbändige Lust, in die süßen Bäckchen zu greifen oder ihr einen kleinen Klaps auf den wahrhaft royal anmutenden Allerwertesten zu geben.
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„Would you like another drink?“ Die junge Dame, sie war höchstens 18, so schätzte er, riss ihn unsanft aus seinen Träumen. „Wie, äh, oh, yes, äh, noch einen halben Pint, half a pint more, please.“ stotterte er mit knallroter Miene.
„Darf ich Ihnen meine Gurke zeigen? May I show you my cucumber, äh … pickle. It’s great! Der Hit dieses Jahr.“
„Pardon me?“ Die Hand in ihrer Hüfte gestemmt, blinzelte sie ihn empört mit ihren babyblauen, funkelnden Augen und den angeklebten Schlafzimmerblick-Wimpern an. Er wühlte nervös in seiner Hosentasche und ihr Blick empörte sich auf eine noch unermesslichere Weise. Sie winkte den Barkeeper herbei: „Roger? Come on. I think he'll be cheeky here.”
„Nein, no, warten Sie, Miss. Äh, wait, wait.“
Er förderte eine kleine, grüne, mundgeblasene Gurke aus den Tiefen seiner Hosentasche hervor und legte sie auf den Tisch. Stolz sah er zu ihr auf und sagte lächelnd:
„For you, Miss.“ Sie schaute ihn mit einem ungläubigen ‚WTF-ist mit dir los-Gesicht‘ an.
„For your christmas tree.“ erwiderte er mit Nachdruck und malte eine Tanne mit den Händen in die Luft.
Im Hintergrund spielte jemand das Lied vom „Zitronenbaum“, während sich ein Schrank namens Roger hinter dem entzückenden Geschöpf, das er insgeheim ‚Kate’s Schwester‘ getauft hatte, aufbaute. „Ooooooh, I see, it’s amazing. Thank you. You Germans are funny.“ Sie strahlte ihn an, während sie die Gurke zwischen zwei Fingern baumeln ließ. Dann ließ sie die Gurke in ihre vordere Schürzentasche gleiten. Gerhart Weber, Inhaber einer kleinen, aber feinen Glasbläsermanufaktur aus dem Erzgebirge, zurzeit auf Dienstreise in Old Great Britain, um neue Kunden für seine Glasbläserkunst zu akquirieren, konstatierte insgeheim zufrieden, dass der Platz in ihrer Schürze, nah bei ihrem Geschlecht, die absolut beste Stelle für seine geliebte Gurke war.
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‚Kate’s Schwester‘ widmete sich längst wieder den anderen Gästen und er trank aus seinem Pintglas und blickte zum Fenster hinaus. Es schneite schon den ganzen Tag. Die dicken Flocken tanzten vor den alten, matten Butzenfensterscheiben munter im Wind herum und legten sich sanft auf die ebenholzfarbenen Fensterbänke wie ein glitzernder Zuckerwatteteppich. Ungewöhnlich für die Insel, dass es im Winter schneite, aber sie lagen hoch, bestimmt 500 Meter über den Meeresspiegel. Da käme das schon mal vor, hatte man ihm gesagt. Es war früh dunkel geworden und er musste sich auf den Weg ins Hotel machen.
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„Sooooo Sally can wait.“ Der Livemusikus gab alles an der Klampfe und Gerhart machte sich auf in Richtung Tür. „Nanu?“ Die Tür ließ sich nicht nach außen öffnen. Er rüttelte am Türgriff. Doch es tat sich nichts. „Did you lock the door?“ „No, of course not.“ Roger rüttelte ebenfalls an der Tür. Vergeblich. Er lief zum Fenster und öffnete es. Ein eiskalter Wind pfiff herein und etwas Schnee fiel in die Gaststube. Roger und Gerhart sahen hinaus. Der Gitarrist unterbrach sein Spiel.
„Ach du Scheiße! Wir sind eingeschneit.“ entfuhr es Gerhart. Die Schneeverwehungen waren mannshoch. Rund um das Haus, Fenster, Türen, die Fahrzeuge – alles eingeschneit.
„Damn! I guess, we have to stay here for a while.“ Roger grinste. Der Gitarrist schrammelte ungerührt sein: „Because maybe - You're gonna be the one that saves me - And after all - You're my wonderwall“ ins Mikro und alle Gäste stürmten ans Fenster und sahen die schöne Bescherung.
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Gerhart setzte sich zurück auf seinen Platz und schaute sich düster um. Heute würde er den Pub nicht mehr verlassen können. Dessen war er sich sicher. ‚Kate’s Schwester‘ aber auch nicht. Dieser Gedanke heiterte ihn augenblicklich auf.
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Der Wirt läutete die Glocke und rief: „Die nächste Runde geht auf‘s Haus!“ und begann eifrig Bier zu zapfen. Die rund 20 Gäste klopften anerkennend auf die Tische und ein Raunen ging durch das Lokal. Roger warf noch ein paar Klafter Holz ins Kaminfeuer und behagliche Wärme breitete sich aus. Es duftete nach Fish’n Chips und nassen Barbourjacken. "Don't be scared - Your destiny may keep you warm.“ gab der Gitarrist zum Besten.
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Gerhard sah sich um. Ein breitschultriger, stiernackiger Mann mit Glatze und einem Bulldoggen-Tattoo auf dem rechten Unterarm, Gerhart taufte ihn ‚King Kong’s Deoroller‘, saß zwei Tische weiter und stierte unentwegt in sein Glas.
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Sein Blick fiel auf einen jungen Mann an der Theke, rötliche Locken, erhitztes Gesicht, der sich immerzu nervös nach der Bedienung umsah. Er begriff sofort, dass er in `Redhead‘ einen Konkurrenten um die Gunst der jungen Ladyschaft hatte, als dieser wütend seinen Blick erwiderte.
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„Indiana Jones“ fand sich auf der rechten Seite seines Tisches. Ein blendend aussehender Mann in brauner Anzughose und hellem Hemd, mit klugen Augen und einem verwegenen Zug um den Mund, die braune Ledermappe auf dem Tisch und der MacBook im Anschlag. Fehlte nur noch der Hut.
Von den übrigen Gästen sah er nicht viel. Sie saßen in Grüppchen an ihren Tischen, die Köpfe zusammengesteckt und redeten. Der Wirt schenkte fleißig aus und die Stimmung wurde heiter und ausgelassen. Nahezu alle hatten fürstlich einen in der Krone.
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Der Gitarrist stimmte eine irische Volksweise an und der Wirt gesellte sich mit seiner Fiedel dazu. ‚King Kong’s Deoroller‘, der sich gefühlt eine Stunde nicht bewegt hatte, erhob sich, klatschte zum Takt und skandierte mit nordirischem Akzent: „Come on Girl, dance for us! Come on Girl, dance for us!“
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‚Kate’s Schwester‘ ließ sich nicht lange bitten. Sie legte die weiße Schürze auf die Theke und hob und schwang abwechselnd die schwarzbestrumpften Beine. Der Rock schob sich bedenklich höher und der Busen wippte auf und nieder. Mit ihren schwarzen Riemchenschuhen klackerte sie so ein Stakkato auf das zerkratzte Parkett, dass es niemand mehr auf den Stühlen aushielt und alle zum Takt der Musik klatschten.
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„Come on, Cucumber-Man! Let’s dance together!“ winkte sie Gerhart lachend herbei. Sie sprach es langgezogen „daaaaans“ aus, wie die Eurovisions-Lena, die von irgendwelchen Fantasien mit einem Fremden sang.
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Gerhart wollte abwehren, aber sie zog den Mann – natürlich in den besten Jahren und kleinem Wohlstandsbäuchlein - zu sich und zeigte ihm die Schritte, die er unbeholfen nachtippelte, sehr zum Vergnügen der johlenden Horde. Gitarrist und Wirt hatten schließlich Erbarmen und spielten einen einfachen Wiener Walzer zu seiner Ehrenrettung. Bierselig, mit rotem Kopf und verschwitztem, grauem Haar führte er die junge Principessa formvollendet durch die dunkle, englische Spelunke und widerstand tapfer der Versuchung, seine Hand auf ihren Po zu legen.
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Als der Tanz zu Ende war, begleitete sie ihn zum Platz und verbeugte sich lachend. Dann drehte sie sich um und stieß gegen ‚King Kong‘, der sie zum Tanz an sich reißen wollte. Vor Schreck wich sie zurück und fiel Gerhart in den Schoß. Er spürte ihren warmen, herzigen Popo an seinem Gemächt und ein heißes Gefühl stieg in ihm auf. Er hielt sie trotzig fest umschlungen, jede Sekunde dieser überraschenden Begegnung auskostend.
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Der tumbe ‚King Kong‘ riss an ihrem Handgelenk „Come on! Dance with me!“ Die Kleine wollte sich befreien, doch die Bulldogge ließ nicht locker. Gerhart allerdings auch nicht. Jetzt kam auch noch der rothaarige Jüngling hinzu, plusterte sich auf wie ein aufgeregtes Huhn und schrie, dass die Spucke nur so in den Raum spritzte: „She‘s mine. Let go of my girlfriend, asshole!“, während er dem Stiernacken mehrfach provozierend mit der Hand auf die Brust schlug.
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Dann kam Indy. Ruckzuck, Feierabend. Polizeigriff, Bulldogge auf den Knien, Ansage, Platzverweis, zurück auf den Stuhl. Gerhart ließ überrascht die Kleine los, die schnurstracks hinter die Theke flüchtete. Der Jüngling rannte hinterher und hielt sie schützend im Arm.
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Der Gitarrist, der übrigens Noel hieß, intonierte „Helter Skelter“, was der Wirt sogleich mit einer Handbewegung an seiner Kehle abwürgte. Noel brauchte daraufhin eine Pause. Roger rief die Gäste zum Kneipenquiz auf und Frau Wirtin brachte Kissen und Decken. Es sollte noch eine lange Nacht werden und dies war nicht das „Holiday Inn“.