Das fünfzehnte Türchen
Heute kurz, da ich gestern geboostert wurde und heute ein paar Reaktionen hab (Schüttelfrost, Fieber, Schwindel): es war
@*****e_M , die uns die gestrige Geschichte schenkte,
Heute:
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Märchen
„Pralles Leben? Was redest du denn für einen Quatsch? Das Einzige was prall ist, ist mein Sack!“ Nepomuk schnaubte wie ein Nilpferd, als er den Weihnachtssack auf seine Schultern hievte.
„Du solltest nicht immer alles so schwarz sehen, Neppo, es werden auch wieder gute Zeiten kommen. Kein Virus der Welt wird uns irgendetwas anhaben können, die Armut und der Hunger werden besiegt sein, Hass und Neid werden der Vergangenheit angehören.“ Griseldis schaukelte in ihrem mit Schaffell ausgelegten Stuhl gemächlich hin und her.
Sie blies kleine Rauchringe aus ihrer Pfeife, die sich zu seltsamen Gebilden verbanden, um sich schließlich in der Luft aufzulösen.
„Ich habe keine Ahnung, was du für ein Kraut rauchst,“ erwiderte Nepomuk, „aber ganz offensichtlich scheint es dir deine Sinne zu rauben. Ich jedenfalls mache mich nun auf den Weg, um meine Mission zu erfüllen.“
Draußen vor der Hütte standen Gwendolfiere und Kakamethadusa, seine treuen Rentiere, mit scharrenden Hufen bereit, und Nepomuk stieg in die Kutsche, bevor diese sich in beträchtliche Höhe erhob.
Der Wald unter ihnen schien wie mit Puderzucker bestreut, hier und da flackerten Kerzen und loderten die Kamine in den vereinzelten Hütten.
Schneegestöber hatte den Geweihen seiner Rentiere kleine Pompons aufgesetzt, und in Nepomuks Bart hatten sich kleine Eiszapfen gebildet.
„Dass es hier oben immer so kalt sein muss,“ brummte Nepomuk, und klopfte die kleinen Eiszapfen von seinem Bart ab, die mit einem leisem Klirr zuerst die Kufen erreichten, um dann lautlos in der Nacht zu verschwinden.
„Hohoho! Gwendolfiere und Kakamethadusa, wir müssen unseren ersten Stopp einlegen!
Ich sehe große Not!“
Seine Rentiere landeten sanft auf dem Waldboden, und sie erblickten einen einsamen alten Mann an der Weggabelung.
„Was machst du hier in der Einöde, alter Mann?“
„Ach, es ist so furchtbar,“ schluchzte der Alte,“ ich habe mein Obdach verloren! Ich bin bei brennender Kerze eingeschlafen, und als ich wach wurde, brannte die Hütte lichterloh. Ich konnte nur noch mein Leib und mein Leben retten, ansonsten ist mir nichts geblieben.“ Der Alte zitterte am ganzen Körper und Tränen suchten sich ihren Weg durch sein zerfurchtes Gesicht.
Nepomuk kraulte seinen langen Bart und erwiderte:“ Heute ist Weihnachten. Ich habe in meinen Sack Wunscherfüller eingepackt, die ich an notleidende Menschen verschenken darf.“
Er griff in seinen Beutel, zog etwas Imaginäres heraus, warf es in die Luft, und schnalzte zweimal mit seinen Fingern.
Eine hell erleuchtete und einladende Hütte erschien wie durch Zauberhand, und Nepomuk sprach:“ Dies ist dein neues Zuhause. Es soll, und wird, dir an nichts mehr fehlen.“ Und schon ging es wieder in die Lüfte bis sie ein heftiges Wehklagen hörten.
„Hohoho ihr Beiden!“ Sie landeten auf einem Feld, welches an einen Garten grenzte.
„Warum weinst du, Frau?“ fragte Nepomuk die hagere Gestalt, die in eine Decke eingewickelt stand.
„Ach, mein Mann ist so krank. Er kann sich nicht mehr bewegen und hat starke Schmerzen. Seit Wochen liegt er nur noch im Bett. Wie soll ich mich um Essen kümmern, wenn ich stets meinem Mann versorgen muss?“
„Heute ist Weihnachten. Ich werde deinem Mann die Schmerzen nehmen.“
Erneut griff Nepomuk in den Sack, warf etwas in die Luft und schnalzte zweimal mit seinen Fingern.
Kaum dass er sich versah, trat ein ausgemergelter Mann in den Garten, der auf einmal zu tanzen anfing.
„Ist denn das die Möglichkeit? Ich kann mich wieder bewegen. Komm, wir tanzen Tango. Wie in alten Zeiten.“ Der Mann schnappte sich seine treue Ehefrau und sie tanzten Tango, der gefühlvoller nicht sein konnte.
„Wie schön es doch ist, Freude zu bereiten“ flüsterte Nepomuk und ihm wurde ganz warm ums Herz.
So zog das Rentiergespann weiter von Ort zu Ort, um viele Nöte zu lindern und Frieden in die Herzen zu bringen.
Hungrige bekamen das schmackhafteste Essen, traurige Menschen wurden fröhlich, Einsame bekamen liebenswerte Gesellschaft.
Nepomuks Finger waren schon ganz wund von dem vielen Schnippen und Schnalzen, und er war erleichtert, als sein Sack leer war, und sie wieder den Rückweg antreten konnten.
Kakamethadusa und Gwendolfiere gaben ihr Bestes und die Fahrt ging schnell voran. Bis sich dunkle Wolken am Himmel aufbauten.
Das einstmals laue Lüftlein entwickelte sich zu einem ausgewachsenen Sturm.
Äste flogen durch die Luft, Bäume knickten wie Streichhölzer um.
Das Gespann konnte kaum noch die Balance halten.
Als sie schon fast ihr Ziel erreicht hatten, erblickten sie eine taumelnde Gestalt, die ihnen entgegen kam.
„Griseldis! Bist du wahnsinnig geworden? Was machst du bei diesem Sauwetter hier draußen?“ Nepomuk war außer sich!
„Du solltest doch zuhause bleiben und aufpassen, dass das Feuer nicht ausgeht.“
„Nepomuk, ach Neppo! Unser Zuhause gibt es nicht mehr! Der Sturm hat unser Haus zerstört! Weggefegt wie Papierschnipsel. Nichts mehr da. Alles weg!“
Fassungslos starrte Nepomuk seine Frau an, hievte sie so schnell er konnte in die Kutsche und mit letzter Kraft kamen sie an ihrem ehemaligen Zuhause an.
Ihnen bot sich ein Bild des Grauens: Bretter, Dachschindeln, Holzscheite, dampfende Kohle...alles lag verstreut wie ein zusammen gefallenes Mikadospiel vor ihren Augen.
„Um Himmels Willen! Das kann doch nicht sein! Was sollen wir jetzt nur tun? Mein Sack ist leer und ich habe alles pralle Leben verschenkt! Ich habe nicht einmal mehr Pflaster für meine wunden Finger.“
Ein heftiger Weinkrampf erfasste Nepomuk, als ihn plötzlich von hinten etwas anstupste:
„Neppilein, wir wären doch nicht deine treuen Rentiere, hätten wir nicht etwas in petto für euch“, säuselte Kakamethadusa zwinkernd.
Gwendolfiere und er lachten bis über beide Ohren, schnalzten zweimal mit ihren Zungen,warfen etwas Imaginäres in die Luft, und eine Hütte, wie sie schöner und gemütlicher nicht sein konnte, hatte den Platz ihres ehemaligen Obdachs eingenommen.
„Och, wie wunderschön! Siehst du Nepomuk:
So prall kann das Leben sein“, rief Griseldis ergriffen, und beide liefen Arm in Arm ihrem neuen Zuhause entgegen.