Das neunzehnte Türchen
Einen wunderschönen Sonntag wünsche ich euch, ihr Wachen und Schlafenden
!
Tja, was war die gestrige Besonderheit? Nein, nicht meine Geschichte
war die Besonderheit (als sowas würde ich sowas auch nieeeeee bezeichnen), sondern die Besonderheit war, dass
@******ace uns hier seine Zweitgeschichte ohne Erstgeschichte präsentiert hat :-). Alle, die auf ihn getippt hatten, lagen richtig.
Die heutige Geschichte hat "Es" zum Thema, aber lest selbst, welches davon gemeint ist:
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Es
Es ist eine klare, eisige Nacht und die Landschaft rund um das Gebäude ist eingefroren.
Das alte Gutshaus ist hell erleuchtet, ebenso die Einfahrt,
einladend, in Erwartung eines Gastes. An einem der Fenster ist die Silhouette einer Frau zu sehen. Regungslos.
In der Stille der Nacht wird ein Motorengeräusch lauter und kurz darauf fährt ein Wagen vor. Der Fahrer steigt aus, öffnet eine der hinteren Türen und hilft dem Fahrgast beim aussteigen. Er geleitet den gut gekleideten blonden Hünen, der eine Augenbinde trägt, bis zur Eingangstür und wartet dort mit ihm.
*
Jahrhunderte - verflogen im Schlaf, geschützt im Dunkel der modrigen alten Gruft, die unter anderem vollgestopft ist mit Gegenständen und Reichtümern aus den verschiedensten Epochen.
Der ohrenbetäubende Krach eines tiefliegenden Jets stört ,etwas‘, das nicht gestört werden sollte. ,Es’ erwacht.
,Es’ wartet und lässt die Gedanken und Bilder der Menschheit vor dem inneren Auge vorbeiziehen.
,Es’ ist erstaunt, ja sogar fast schockiert, über die Veränderungen und den Wandel der Welt.
,Es’ lauscht und lernt.
‚Es’ verändert sich gleichsam mit der Erkenntnis über dieses neue, moderne Zeitalter.
Bald, bald ist ‚es’ angepasst, neugierig und bereit für eine weitere Lebensspanne.
*
‚Es‘ liegt mit einem nagelneuen Laptop auf dem Bett und erkundet das Internet. Eine ganz famose Welt, die sich hier eröffnet. Unendlich vielfältige Möglichkeiten.
Und erst die Menschen, so leichtgläubig und doch so ungläubig. Es ist fast zu einfach alles zu bekommen was benötigt wird. Besonders faszinierend findet ‚es‘ zwei Internetseiten wo Menschen andere Menschen suchen, um Sex zu haben oder auch um besondere Gelüste zu stillen.
‚Es’ braucht nicht viel Zeit um das System zu verstehen und so gibt es wenig später zwei neue Profile einer Dame, die ergebene Männer zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse sucht. Natürlich soll es nicht ‚Jedermann‘ sein. Es sind bestimmte Voraussetzungen des individuellen Geschmacks zu erfüllen.
‚Es‘ lächelt. Wie herrlich diese Epoche doch ist. Die Beute kommt direkt zum Jäger und aussuchen kann ‚es‘ auch noch. ‚Es‘ wählt mit Bedacht.
Einige um die Neugier auf die heutige Menschheit zu befriedigen, andere als Nahrungsquelle und einige um zu Diensten zu sein. Möglicherweise ist sogar ein potenzieller Begleiter dieser neuen Zeit darunter.
*
Eines der größeren Zimmer ist festlich, ganz der zeitlichen Tradition geschuldet, geschmückt. Weihnachten!
‚Es‘ liebt das Internet inzwischen regelrecht. Dort findet sich jegliche Information - alle Fragen oder Unklarheiten lassen sich damit auflösen. Ein wahrhaftiges Hexenwerk der Moderne.
‚Es‘ klappt den Laptop zu.
Gleich wird der heutige Gast ankommen. ‚Es‘ musste einige Male aussortieren und umdisponieren, denn nicht jeder Mann hielt, was er vorher versprach. Etliche der Auren waren sehr dunkel und unrein.
So stillte ‚es‘ nur seinen Durst an der Lebenskraft und schickte die Aspiranten nach knappem Verweilen wieder fort. Sie würden nur kurze Zeit später eines natürlichen Todes sterben. Völlig unauffällig!
*
Mika ist die Ruhe selbst. Neugierig sicherlich, aber nicht aufgeregt. Er weiß genau, was er zu tun hat und ist sich sehr sicher, das richtige Gespür zu haben. Er will die Scharte auswetzen, seinen Fehler wieder gutmachen.
Dieses Wesen hinter dem Profil musste er einfach treffen. Die seltsame Art, wie und was es geschrieben hatte, zog ihn in den Bann. Eine lange nicht gespürte Präsenz hatte ihn berührt, so dass er den Kontakt aufnahm.
Nun steht er hier, wo immer „hier“ sein mag, seiner ursprünglichen Kraft zum Teil beraubt, aber fest entschlossen.
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Die Tür öffnet sich. Mika geht ein paar vorsichtige Schritte vorwärts und hört wie die Tür sich wieder schließt.
„Guten Abend, du kannst die Augenbinde jetzt abnehmen.“
Mika zögert eine Sekunde und lässt die weiche feminine Stimme auf sich wirken. Dann befreit er seine Augen.
Bei diesem Anblick, regt sich unwillkürlich sein ‚Menschsein‘.
Im Schein der vielen Kerzen steht sie vor ihm, eine grazile, dunkelhaarige Frau und lächelt ihn wissend an. Eine zeitlose Schönheit gewandet in ein dunkelrotes Abendkleid.
Kann es wirklich sein? Mika zweifelt noch. Er hebt seinen Blick und schaut ihr in die Augen. Eine weitere Bestätigung braucht er nicht.
Es ist, als schaue er in den tiefsten Höllenschlund, schwarz und bodenlos.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal..... unwillkürlich klammert er sich gedanklich an die altbewährten Verse, zieht Kraft daraus. Nichts in seinem Gesicht zeugt von dem Tumult, der in ihm tobt. Er lächelt sie mit verträumtem Blick aus tiefblauen Augen an.
„Guten Abend, Lady, ich freue mich sie kennenlernen zu dürfen.“
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Die strahlend weißgoldene Aura ist das Erste, was ‚Sie‘ betrachtet. Endlich! Genau das hat ‚Sie‘ gesucht. Dazu eine große, gut proportionierte Gestalt.
Für einen kurzen Moment leuchtet das Warnschild: „Gefahr“ in ihr auf.
Seine Augen und dieser Blick bohren tief in ihr Innerstes. Aber das ist Unsinn; wer sollte ihr schon etwas anhaben können? Stattdessen lächelt sie überlegen und lädt ihn ein ihr zu folgen.
Die vielen Kerzen flackern etwas und werfen tanzende Schatten an die Wände. Sie mag dieses sterile elektrische Licht nicht. Auch in dem festlich dekorierten Zimmer brennen nur jede Menge Kerzen. Eine Tafel ist mit allen möglichen Leckereien hergerichtet.
Totale Verschwendung, denn diese Art Nahrung braucht sie nicht.
Ein Aperitif ist jetzt genau richtig. Sie greift nach den Gläsern mit den vorbereiteten weißen Mojitos und reicht eins an Mika weiter, der so nah bei ihr steht, dass seine Anziehungskraft sie umhüllt.
Die milchige Flüssigkeit verbreitet einen Duft nach Kokos und Rum und schmeckt angenehm, auch wenn Mika in diesem Moment eher einen Talisker 18 gebraucht hätte.
Er zögert nur einen kurzen Moment und greift dann zu.
Eine Hand fest in ihrem Nacken, die andere um ihre Taille, zieht er sie an sich und presst seinen Mund hart auf ihre rot schimmernden Lippen.
Er spürt kurzen Widerstand und Überraschung, aber lockert seinen Griff nicht.
All seine Kräfte bündeln und die Heerscharen um Unterstützung bitten ist eins.
Seine Aura glüht in goldenem Schein, während er das dunkle Böse in sich hinein saugt und absorbiert.
Erst viel zu spät erkennt sie sein Vorhaben und versucht sich zu wehren. Zwecklos! Sie spürt noch wie ihre Macht sie verlässt. Immer schwächer werdend, sackt sie in sich zusammen, bis nichts mehr übrig ist von ihrem Selbst.
Mika lässt ab von ihr und legt sie auf den Boden.
Der Auftrag ist klar, aber ganz auslöschen, das bringt er nicht über sich.
Die zwei kreisrunden Narben zwischen seinen Schulterblättern fangen an zu jucken, mahnen ihn daran zu denken, was auf dem Spiel steht.
Nein!
Er kann nicht, lieber wandelt er weiterhin zwischen den Menschen und genießt das pralle Leben.
Schließlich ist er auch nur ein Mann und vor ihm liegt dieses betörende Weib. Er schickt einen entschuldigenden Blick ‚nach oben‘ und füllt sich einen Teller mit Essen. Sicherlich wird die Schöne noch etwas Zeit brauchen, aber der Abend hat ja gerade erst begonnen...