Das dreiundzwanzigste Türchen
Gerade komme ich vom Schneeschieben - ich bin für ein paar Tage von einem schönen Ort in
zu einem anderen schönen Ort gewechselt
- da kann ich euch jetz die Spannung nehmen, was die gestrige Geschichte, die uns
@*******tia geschenkt hat, anbelangt.
Die heutige Geschichte ist zum Schlucken:
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Ein pralles Fuchsleben
Zu Füchsen hatte ich schon immer eine besondere Beziehung. Ihre Schönheit, das oft leuchtend orangerote Fell, die hochbeinig federnde Gangart, die exakt in einer Linie gesetzten Pfotenabdrücke - all das ließ mich diese Spezies in einem besonders fesselnden Licht erscheinen.
Ich weiß noch, dass meine Reitlehrerin nicht müde wurde, mich davon überzeugen zu wollen, auf keinen Fall die süßen, unwiderstehlich aromatischen Walderdbeeren zu pflücken, da ihren winzigen dunkelroten Früchten unvermeidlich Spuren von Fuchsspeichel anhaften würden, die wiederum den gefährlichen Fuchsbandwurm an sich trügen.
Ich pflückte die leckeren Früchte natürlich dennoch, und der Genuss, auf wenige kostbare Wochen im Jahr begrenzt, war es mir allemal wert, mich mit den Unwägbarkeiten eines Fuchsbandwurms konfrontiert zu sehen. Und eine so entlegene Gefahr konnte meine Faszination für die zwei unterschiedlichen Gattungsgruppen nicht eindämmen: die echten Füchse (Vulpini) und ihre Schwestergruppe, die echten Hunde (Canini).
Ein Tag, an dem ich eines dieser zauberschönen Tiere zu Gesicht bekam, war ein Festtag; ein Tag, an dem ich ein ramponiertes rotes Fellbündel am Straßenrand liegen sah, ein Trauertag.
Wirklich eng wurde mein Verhältnis zu Füchsen aber erst, als ich das Glück hatte, ein ehemaliges Tagebaugelände zu erwerben und eine Ranch aufzubauen, die neben Pferden, Rindern und zahlreichen anderen Tieren auch ein stolzes Hundert freilaufender Hühner beherbergte.
Die Hühnerschar war mein ganzer Stolz. Unvorstellbar, sie einzuzäunen, ihren Drang nach Abenteuern einzudämmen! Noch lebhaft ist mir der Augenblick in Erinnerung, als ich eine eigenwillige, schon etwas ältere Hühnerdame, die ich seit etwa vier Wochen vermisst hatte, eines schönen Tages mit einem runden Dutzend teils gelber, teils schwarzbrauner Federknäuelchen im Schlepptau wieder auftauchen sah. Was für ein Augenblick! Welch ein Glück!
Kurze Zeit später fiel mir auf, dass die Hühnerschar, wenn ich sie des Abends einsperrte, mehr und mehr dezimiert erschien. Kaum merklich, aber über die Tage und Wochen doch unübersehbar, verschwand im Durchschnitt ein Huhn pro Tag.
Bei den Dorfbewohnern war es zu dieser Zeit im Gespräch, eine große Füchsin mit weißer Schwanzspitze habe im nahegelegenen Kohlebahndamm Wohnung bezogen und ziehe dort ihre Welpen auf.
Statt meine Hühner einzusperren, fing ich an, von einer „Patenschaft für eine Fuchsfamilie“ zu reden.
Zu Gesicht bekommen habe ich sie nie, als ich aber vor wenigen Tagen einen hochbeinigen Fuchs auf dem Stoppelfeld am Dorfrand nach Mäusen jagen sah, mit diesen unverwechselbaren Hochsprüngen, musste ich wieder an sie denken. Vielleicht war sie es ja doch? Sie oder eine ihrer Töchter?
Und heute nun, kurz vor Jahresende, sah ich sie - oder doch eine ihrer Töchter - zum letzten Mal, für einen kurzen Augenblick, aus dem Augenwinkel, am Straßenrand. Ein Trauertag.
„Prall“ war an diesem Fuchsleben am ehesten noch der Aufprall auf den Kühlergrill eines Autos, das mit überhöhter Geschwindigkeit die scheue stolze Schönheit in ein schmutziges Fellbündel am Straßenrand verwandelte.