Das dritte Türchen
Gestern wurden wir von
@*******tia mit einer Geschichte erfreut, heute kommt von Beinahehätteichsverraten eine wunderschöne Geschichte mit Anklängen an Schneeweißchen und Rosenrot als Einzelkind
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Wenn in einer Winternacht
Wenn in einer Winternacht Margot sich entschließt zu schreiben, dann passiert erstmal gar nichts. Und dabei war sie es gewesen, sie und ihre magischen Geschichten, die den Platzhirsch Jörg Schönherr, von seinem angestammten Winterdomizil weggeschrieben hatte.
Jedes Jahr wieder gab es die Ausschreibung für die beste Weihnachtsgeschichte und Jahr für Jahr hatte Jörg Schönherr die Schreibzeit in diesem wunderschönen Chalet gewonnen. Nur dieses Jahr kickte Margot ihn raus, mit einer Geschichte, bei der die Hauptfigur ein alter Weihnachtsengel war, der das ganze Jahr über in seiner dunklen Umzugskiste harrte und bangte und bebte und schließlich nicht wie immer an die Spitze des Weihnachtsbaums gelangte, wonach ihm dürstete, sondern achtlos in der dunklen Kiste auf den kalten Winterbalkon verbannt wurde.
Margot konnte es selbst kaum fassen. Sie? Eine Gewinnerin? Eigentlich war sie auch gar nicht darauf eingestellt hier in dieser Einsamkeit einen ganzen Monat zu verbringen. Aber es schmeichelte ihr auch. Der erste Gewinn. Jetzt werde ich endlich echte Autorin, dachte sie. Und wollte den Gewinn unbedingt antreten, denn er war noch mit einer Lesung verbunden. Und Presse. Und Trara. Doch dazu sollten hier auch Geschichten entstehen. Und davon fühlte sie sich gerade meilenweit weg.
„Jetz kimma hier scho Weiberleits aloanigs her“, hatte der Verwalter gebrummt, als er sie mit dem Gepäck nach oben brachte. „Holz macha muasst fei a“, sagte er noch und lachte durch seine Zahnlücke.
Margots Arme schmerzten von der ungewohnten Arbeit und die großen Stücke, die sie in den offenen Kamin schaffte, wollten auch nicht so recht Feuer fangen. Es dauerte eine Weile, bis sie Kohlenanzünder und Kohle fand – Google sei Dank, dachte sie, selbst ist die Frau. Dennoch es war nicht richtig warm, nur so überschlagen, so zog sie den zweiten Pullover über den ersten, noch ein paar dicke Socken an, und machte ihre 15-Minuten-Schönheit-garantiert-Gymnastik. Sie notierte das in ihren Kalender, Gymnastik, Haken, erledigt. Schreibzeit – noch eine leere Stelle.
Sie schaute durch das Fenster, die Bäume winterlich gezuckert, der Schnee schimmerte bläulich, alles war ruhig. Viel zu ruhig, dachte Margot, da kann man gar nicht schreiben. Doch dann hörte sie doch, wie ein Scheit im Ofen knackste, naja, dachte sie. Margot probierte zuerst den harten Küchenstuhl aus, viel zu hoch für den Schreibtisch, dann zerrte sie einen Sessel zum Tisch, der war zu niedrig. Schließlich fand sie in ihrem Schlafzimmer einen alten wunderschönen Lederstuhl und als sie den zum Tisch schleppte und sich hinsetzte, fühlte sie sich gut. Erhaben. Wie eine Dichterin. Ich muss mir meinen Platz schaffen, meinen Platz, aus dem ich Geschichten spinnen kann, dachte Margot. Draußen vom Waldrand hörte sie ein „grääck grääck grääck“. Der Uhu meint das auch, dachte sie. Draußen wurde es dunkel. Ein eisiger Windstoß ließ die Fensterläden knarzen. Ihr fröstelte es.
Und dann schrieb sie endlich die ersten Worte auf das Papier: Wenn in einer Winternacht…
„Wenn in einer Winternacht der Gefrierbrand seine Herrschaft antritt, dann hat niemand mehr zu Lachen. Er kann so schnell Eisblumen an das Fenster wachsen lassen, Fingerkälte und Frostbeulen um sich werfen, mit Läusekälte in jede Ecke leuchten, die ganze Welt auf den Kopf stellen. Und jedem Menschen, und jedem Kind und jedem Tier den Kaltschweiß, den modrigen Kaltschweiß bringen. Weil jeder weiß, dass er mit der Furcht verheiratet ist.“
Dem kleinen Mädchen schauderte es, obwohl sich unter ihren zwei Federbetten noch ein heißer Stein befand, der sie wärmen sollte.
„Kann der Gefrierbrand sogar den lieben Bären aus dem Winterschlaf holen?“ fragte es ängstlich ihren Vater.
„Oh ja“, sagte der Vater. „Für den Bären ist es natürlich besonders schlimm. Er kann sich kaum bewegen durch sein dickes Winterfell, und weil er noch so einen vollen Magen hat, tappst er fast blind durch das Schneegestöber, wird von den gezuckerten Tannen über und über mit Schneebällen beworfen. Er glaubt, nein er ist sich sicher, er ist blind.
Und so passiert was eigentlich nicht passieren soll – er stürzt den schneebedeckten Abhang hinunter, wird eine Schneekanonenkugel mit klirrendem Ausmaß, bis er zu einem jähen Stopp kommt.
Das Drahtseil mit der Lichterkette, die wir jedes Jahr an den größten Tannen aufhängen, wird ihm zum Verhängnis. Er kämpft damit, er hat keine Ahnung was ihn hier einfangen will, er schlägt mit seinen Tatzen um sich und schließlich beißt er zu.
Das hätte er nicht machen sollen. Nein, wahrlich, das hätte er nicht machen sollen.“
„Was passiert? Was ist passiert?“ fragte das Mädchen ängstlich.
„Festgefroren, Bumm aus und vorbei“, brummte der Vater. „Einfach mit seiner langen Zunge an das Drahtseil angepappt – und da hängt er nun. Bis zum Frühjahr. Und nun schlaf!“
Er machte noch die Spieluhr an, die mit den Schafen und dem Schäfer, und schlappte hinaus in die warme Stube.
Das kleine Mädchen konnte es nicht fassen. Der arme Bär! Sie musste ihm helfen! Leise schlich sie sich aus dem Bett, zog einen Pullover über den anderen an, zwei paar Socken, ihre warmen Handschuhe, ihre Schneehose, ihre Pudelmütze und die Gummistiefel. Dann würde sie viel schneller unten bei den beiden großen Tannen sein.
Die Diele knarzte als sie von der Stube vorbei schlich, die Tür schrie ganz laut auf, als sie sie öffnete. Sie traute sich nicht mehr die Tür zuzumachen, ließ sie einen Spalt offen und stapfte in den dunklen Nachtschnee.
Die Schneekristalle zeigten ihr den Weg, ihre Backen fühlten sich an wie kleine Eiszapfen, die Stille war unheimlich. Von weitem sah sie die Lichterkette, aber keine Spur von dem Bären. Wo war der liebe Bär?
„Marianne!“, jetzt hörte sie von weither den Vater rufen. „Marianne! Wo bist du Kind?“
Sie lief schneller und schneller zum Waldrand, wollte sich gerade hinter einer Tanne verstecken, damit der Vater sie nicht fand. Doch der erkannte ihren roten Puschel an ihrer Zipfelmütze.
„Was machst du denn, Dummerchen“, sagte er.
„Wir müssen doch den Bären befreien!“, sagte das kleine Mädchen.
„Das habe ich doch schon längst gemacht“, sagte der Vater. „Er ist jetzt wieder in seinem Winterquartier. Doch du, mein Schatz, du hättest dich fast auch an dem Drahtseil festgebissen, und dann hätten wir dich erst im Frühjahr wieder auftauen können. Aber jetzt schauen wir, dass wir schnell in die warme Stube zurückkommen und trinken noch einen Kakao.“
„Au ja“, sagte das Mädchen und freute sich. Auf die Wärme. Auf den Kakao. Vor allem aber freute sie sich, dass es dem Bären gutging und er wieder in seiner warmen Höhle war.
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Wenn in einer Winternacht sie vom Schreibtisch aufsteht, ganz steif, weil sie so lange gesessen hat, hängt sie mit ihren Gedanken noch ihrer Geschichte nach. Das Mädchen hatte dem Vater selbstverständlich geglaubt. Geglaubt, dass der geliebte Bär sich am Drahtseil festgebissen hatte, und schließlich angepappt war. Dieser Teil in ihrer Geschichte, der war einfach. Denn sie hatte als Mädchen auch immer alles geglaubt, alles geglaubt was in den Geschichten zu finden war. Eigentlich war das verantwortungslos vom Vater, und so war das immer mit den sogenannten Erwachsenen, dass er einfach den Bären da hängenließ, grausam hängen ließ, er hatte nochmal Glück gehabt, Glück, dass er die offene Tür bemerkte, sein Mädchen bemerkte, bevor es in der eisigen Winternacht selbst am Drahtseil hing.
Gerade als sie noch ein Scheit Holz in den offenen Kamin gab, gab es ein fürchterliches Klirren, gefolgt von einem unheimlichen Oberton, der immer lauter wurde, ihr durch und durch ging, alle Haare stellten sich auf, sie musste sich die Hände an die Ohren pressen, ihr Kopf drohte zu platzen. Der Ton war nicht auszuhalten, wurde immer heller, immer höher. Dann klirrte es wieder, ein klirrendes Prasseln und sie hörte Geschrei. Eindeutig Menschengeschrei. Jetzt pochte der Oberton, wie ein Herzschlag. Bumm, bumm, bumm. Tatong, tatong, tatong. Klirr. Schrei. Bumm, bumm, bumm.
Sie öffnete das Fenster und schaute in die Nacht hinaus. Eindeutig, das Geschrei, der pochende Oberton, das kam von der kleinen Hütte vor dem Haus, die jetzt in ganz unnatürliches Licht getaucht war. Aus allen Ritzen der Hütte, aus allen Fenstern, kam Licht. Der Oberton, das Klirren, das Geschrei, war das Technomusik? Ihr war so, als ob die Hütte bebte. Bebte und dröhnte. Spielten hier ein paar Bauernkinder einen Streich? Oder war es gar Jörg Schönherr, der Platzhirsch-Gewinner, der sie vertreiben wollte?
So nicht, dachte Margot. So nicht. Schnell zog sie ihren Anorak an, schlüpfte in die Moonboots und stapfte hinaus. Der Weg zur Hütte war hell erleuchtet. Mit jedem Schritt, den sie näherkam, bebte der Boden ein wenig mehr. Doch mit jedem Schritt wurde auch ihre Gewissheit – dass ist bestimmt der Jörg – und ihre Wut größer. Der gönnte ihr das nicht. Dem werde ich helfen!
Mit einem Ruck öffnete sie die Tür. Sie riss ihre Augen auf.
„Jörg Schönherr, aha, und der sauberne Verwalter ist auch da! Ich lass mich nicht vertreiben!“, rief sie mit lauter Stimme, doch nicht laut genug.
Das Gepoche und das Klirren und das Gepumpere, wurde nicht leiser, und die beiden Männer, rangen mit einem hellen, kleinen Gegenstand, versuchten ihn in einen Koffer zu pressen, den Deckel zu schließen, sie bemerkten sie noch nicht einmal.
„Hallo!“, schrie sie ganz laut, genau in dem Moment schlossen die Männer den Kofferdeckel und augenblicklich wurde es ruhig. Die beiden Männer saßen schweratmend auf dem Koffer, der von innen leuchtete.
Dann sahen sie sie an. Der Verwalter, dem hingen die Haare wirr ins Gesicht, er schwitzte und war puterrot. Jörg Schönherr dagegen, sah sie mit flehenden Augen an, mit Bernhardiner Augen, konnte aber nichts sagen, versuchte etwas zusagen, Margot sah wie er die Backen aufblähte, sein Kinn zitterte, die Nasenflügel auf und zu gingen, Jörg Schönherr hatte keinen Mund.
„Was ist hier los?“, sagte sie. Sie konnte die Augen nicht von Jörgs Gesicht nehmen.
„Wir ham ihn“, sagte der Verwalter. „Den Stern hama jetzad.“
„Sie habe ich nicht gefragt“, sagte Margot schneidend. „Ich habe ihn gefragt!“
Der Verwalter senkte schuldbewusst den Kopf. Jörgs Backen pluderten sich auf, er schnaubte laut, seine Augendeckel flatterten.
„Okay“, sagte Margot. „Das wird ein Nachspiel haben! Ich gehe jetzt zu Bett und ich will heute nichts mehr hören! Nichts!“
Und damit stapfte sie wieder zurück ins Haus.
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Margot war ziemlich durcheinander. Sie machte sich einen Tee mit einem ordentlichen Schuss Rum, legte Holz in dem Kamin nach und kuschelte sich in eine Decke in dem altmodischen Ohrensessel, der direkt vor der Feuerstelle stand. Das heiße Getränk und der Alkohol färbten ihre Backen rot. Was war das eben gewesen? Träumte sie? Hatte sie eine Art Einsamkeitskrankheit? Was machte Jörg hier? Und was war dieser leuchtende Gegenstand gewesen. Wirklich ein Stern? Die Wärme lullte sie ein, sie seufzte und schloss die Augen.
Wenn in einer Winternacht die Sonne ans Fenster klopft
Buchstaben durch die Stube fliegen
Schwarze Tinte sich in meinem Mädchen versteckt
Der Geliebte ohne Mund mit dem Bären redet
Alle miteinander sich um die Plätze auf dem Drahtseil streiten
Dann schaut sich der Gefrierbrand neugierig um
Weiß will er machen. Eis will er machen.
Nur ein einziger Funkenkuss
Nur ein Funkenkuss
Doch die Dichterin schläft
Margot erwachte durch lautes Klopfen an der Tür. Ihr Fuß war eingeschlafen, so dass ihn erstmal kräftig massieren musste, um das Ameisenlaufen einzudämmen. „Moment“, rief sie. „Einen Moment bitte!“
Sie zog sich die Decke wie einen Poncho über ihre Schulter und humpelte zur Haustür.
Draußen stand der Dieb. Draußen stand Jörg ohne Mund und redete und redete. Fasziniert folgte sie seiner Gesichtshaut, wie sie sich zusammenzog und wieder spannte, wie ein Akkordeon, und trotzdem keinen Laut herausbrachte.
Er deutete nach draußen. Er packte sie an der Decke und zog sie etwas über die Türschwelle.
Draußen stand eine weiße Kutsche. Ein Bär lächelte sie freundlich an. „Bitte einsteigen“, sagte er. „Ich bin das Gespann der Winternacht.“
Am Kutschbock saß das kleine Mädchen, mit der roten Zipfelmütze. „Ja, bitte kommen Sie schnell. Ich werde die Kutsche sicher lenken!“
Margot rieb sich die Augen. Der Nachtschnee glitzerte bläulich, doch Jörgs warme Hand, die versuchte sie in die Kutsche zu bugsieren, fühlte sich sicher und geborgen an.
Er deutete und seine Augen flehten. „Bitte, bitte“, rief das kleine Mädchen flehend. „Bitte“, brummte der Bär.
Kurzerhand packte Jörg sie, hob sie hoch und trug sie zur Kutsche. Das kleine Mädchen öffnete die Passagiertür und Margot wurde auf die Bank gesetzt. Dann holte Jörg noch ihre Stiefel, verschloss die Haustür, und sprang in die Kutsche, die sich sofort in Bewegung setzte.
Sie flog über die verschneite Landschaft. Die Kufen knirschten und rumpelten ein wenig, die Passagierkabine wackelte, Margot wurde immer wieder gegen Jörg geworfen, bis er die Arme um sie legte und sie beide unter der Decke Platz fanden.
Er fühlte sich vertraut und doch so fremd an. Sie war solche Rücksichtnahme von ihm gar nicht gewöhnt.
Er machte mit seinen Fingern „Pst“, der Zeigefinger in seiner Gesichtsmitte sah aus wie ein Ausrufezeichen, und er streichelte ihren Arm. Margot entspannte sich ein wenig.
Mit einem „Haltestelle Sternenplatz“, dass das Mädchen vergnügt rief, stoppte der Bär die Kutsche mit einem Ruck, so dass sie beide nach vorne flogen.
Die Schultern von Jörg zuckten und Margot sah, dass dies wohl das neue Lachen war. Er sprang geschickt nach draußen, deutete eine Verbeugung an und reichte ihr die Hand.
Margot stieg aus der Kutsche und sah sich um. Das Gebäude glitzerte, so als ob sich ein ganzer Sternenmeer auf der Fassade niedergelassen hatte. Eine Treppe führte nach oben, die hohen Fenster waren hell erleuchtet. Von weitem und sehr gedämpft war Musik zu hören.
„Viel Spaß beim Ball“, sagte das kleine Mädchen. „Wir holen euch dann wieder ab“, brummte der Bär.
Und so schritt Margot Hand in Hand mit Jörg – wer hätte das jemals gedacht – diese steinerne Treppe hoch. Am Eingang standen livrierte Pagen, die ganz selbstverständlich nach Margots Decke griffen, als wäre es ein besonders wertvoller Abendmantel.
Margot sah an sich herunter. Die beiden Pullover übereinander, die bequeme und schon etwas ausgeleierte Jogginghose, die Winterstiefel, so geht das doch nicht, dachte sie. Jörg hingegen, dass bemerkte sie erst jetzt so richtig, trug einen Smoking und polierte schwarze Schuhe. Er sah angemessen gekleidet für einen Ball aus, wenn man ihm nicht direkt ins Gesicht sah.
Sie sträubte sich weiterzugehen, doch Jörg zog sie zielstrebig und bestimmt in den großen Ballsaal, aus dem die zauberhafte Musik erklang.
Eine spiegelglatte Tanzfläche, voller eleganter Paare, die leichtfüßig über die Tanzfläche schwebten und dabei so fließende Bewegungen machten, dass Abendkleid und Smoking ineinanderflossen, Mann und Frau zu einer Einheit wurden.
Jörg verbeugte sich und nahm ihre Hand und zog sie auf die Tanzfläche. Er wirbelte sie herum, ihre Winterstiefel mit der dicken Profilsohle machten das nur unter Protest mit, hoffentlich trage ich hier keinen Dreck rein, dachte Margot. Ziemlich schnell schwitzte sie auch. Unter ihren beiden Pullovern trug sie noch ein T-Shirt und ein Unterhemd. Der äußere Pullover aus weißer Mohairwolle fusselte schön langsam Jörgs schönen Anzug voll, doch Jörg, mit dem sie noch nie getanzt hatte, entpuppte sich als enthusiastischer und direkt manischer Tänzer. Immer schneller, immer schneller wirbelte er sie herum, bis sie stolperte, und er den Schwung nicht mehr ausbalancieren konnte. Im Fallen und mit einem lauten Knall riss Margot einen dicken, grünen Samtvorhang herunter, an dem sie sich gerade noch festgehalten hatte.
Im Saal war es still geworden. Alle Augenpaare richteten sich auf sie. Jeder Ton schien sich zu verstecken, Margot glaubte sie konnte nur ihren Atem hören.
Sie sah auf. Hinter dem Samtvorhang standen nicht nur der Bär und das Mädchen, sondern auch der Verwalter, der auf dem leuchtenden Koffer saß.
Die Abendgesellschaft kam näher, die Menschen fingen an durcheinander zu reden, ein riesiges Getuschel, wie von einem Schwarm Zugvögel.
„Da ist er“, hörte Margot. „So geht das nicht“, „Eine Unverschämtheit einfach einen Stern zu stehlen“, „Das geschieht ihm recht, dass er dafür den Mund abgeben musste“, „Unerhört!“, „Und dann noch hier auftauchen, als ob nichts geschehen wäre.“
„Wenn i a amoi wos sogn derf?“ sagte der Verwalter so laut, dass das Getuschel verstummte. „Des war a Versehn. Kimmt doch amoi vor. Der nette junge Mann wollt hoit seim Madl imponieren. Aber was machma jetzad? Der is a a Dichter. Wenns für eich bled lafft dann schreibt sich der sich einfach wieder an Mund in sei Gschicht nei. Und dannat? Bleibt der Stern verschwunden. Da is es doch besser, mir machan an Tauschhandel. Oder?“
„Au ja“, lachte das Mädchen und klatschte in die Hände.
„Klingt gut!“, brummte der Bär.
Welchem Madl wollte er imponieren, dachte Margot.
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