Das fünfte Türchen
Auch wenn ich nicht so der Weihnachtsonkel bin, wünsche ich Euch allen einen schönen 2. Advent und schönen Sonntag. Wer hat uns gestern mit einer Geschichte beschenkt? Es war, und da lagen, wenn ich das richtig besehe, einige von euch richtig, der geschätzte
@*******Dom .
Die heutige Geschichte erzählt von einer wunderbaren Begegnung, im Text ist außerdem ein Rätsel versteckt.
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Die philippinische Spinne
Es war einmal …
Ein Mann, Peter, 44 Jahre alt und eine Frau, Grete, 64 Jahre alt.
Beide trafen sich zufällig morgens auf dem Bahnhof einer ihnen unbekannten Stadt. Jeder hatte einen anderen Zug benutzt, doch beide Züge endeten hier plötzlich, was nicht vorgesehen war.
Auf dem Bahnhof gab es ein großes Gedränge. Alle Reisenden aus beiden Zügen liefen (kopflos) in der- Bahnhofshalle durcheinander. Die Durchsage des Bahnhofvorstandes war kaum zu verstehen.
Peter versuchte vergeblich seine Frau am Handy zu erreichen, doch die Verbindung war miserabel. Grete stand an der Auskunft in einer Menschenschlange, und wollte nur einmal wissen, von wo sie telefonieren könnte. Sie sah keine Telefonzelle, von wo aus sie ihre Tochter hätte erreichen können.
Dann laut und deutlich eine Durchsage:
„Verehrte Reisende, leider ist es mir nicht gelungen eine Internetverbindung zur nächsthöheren Dienststelle herzustellen. Ich weiß auch nicht, warum hier plötzlich mehrere Züge stehengeblieben sind. Bitte haben Sie Geduld, ich versuche weiterhin eine Verbindung herzustellen und Sie auf dem Laufenden zu halten.“ Dann ertönte Musik…
Die vielen Menschen auf dem Bahnhof murrten, schimpften und schrien sich an. Es war eine geladene Stimmung und es fehlte nicht viel, bis die ersten Männer sich in die Wolle bekamen.
In einer Ecke der Halle saß, zusammen gekauert, eine kleine Frau auf ihrem Rucksack. Ihre großen schwarzen Augen schauten suchend in die Menschenmenge um sie herum. Lautlos für die Menschen, sang sie ein Lied von ihrer Liebe und Sehnsucht, leise vor sich hin.
Peter gab es auf, seine Frau zu kontaktieren. Grete setzte sich weinend auf ihren Koffer. Sie war verzweifelt, stützte ihren Kopf in ihre rechte Hand. Da spürte sie plötzlich eine warme Hand auf ihrer Schulter. Als sie aufschaute bemerkte sie, dass 2 blaue Augen sie lächelnd ansahen. Da lächelte sie zurück und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Daraufhin nahm Peter Grete an die Hand und in den Arm. So führte er sie hinaus aus der Bahnhofshalle. Auch draußen, vor dem Bahnhof, wartete eine große Menschenmenge auf neue Nachrichten. Nach über 2 Stunden sah man, dass sich überall kleine Gruppen gebildet hatten, welche sich überlegten, was man tun sollte bzw. was getan werden musste. Wie lange würde es dauern, bis eine Nachricht kam? Es war Dezember, die Tage waren kürzer und die Nacht draußen oder im Bahnhof zu verbringen war sicherlich nicht angenehm. Durst und Hunger kamen dazu, und es wurde immer kälter. So gingen Peter und Grete zu den einzelnen Gruppen. In der ersten Gruppe hörten sie etwas von Verschwörungen und Außerirdischen, in einer anderen wollten sie Abgeordnete in die nächste Stadt schicken um Hilfe zu holen. In der der nächsten Gruppe meinte man, ein Krieg würde bevorstehen. In einer weiteren Gruppe verständigte man sich, in die nahegelegene Stadt zu gehen. Dieser Gruppe schlossen sich Peter und Grete an, denn am Bahnhof auf der Straße zu übernachten, dazu hatten beide keine Lust. In der Stadt angekommen sahen sie in einer Seitenstraße ein kleines Hotel: „Liebeslust“. Da sahen sie sich beide an und mussten lachen. Auch andere Mitreisende wurden Gäste des Hotels, und so gab es bald kein freies Zimmer mehr. Die Herbergseltern waren sehr freundlich, erkundigten sich, weshalb plötzlich so viele Menschen eine Bleibe für die Nacht gesucht hatten. So überlegten sie nicht lange und mieteten, mit den anderen Hotels im Ort, eine große Halle an. Sie wollten den Menschen zeigen, dass auch in einer unbekannten Stadt Menschen leben, die wissen, was Gastfreundschaft und Empathie bedeutet. 2 Stunden später bekam jeder der Gäste eine Eintrittskarte für diese Halle. So füllte sich die Halle langsam mit den Gestrandeten aus den Zügen.
Die kleine Person, mit den dunklen Augen und schwarzen Haaren, die in der Ecke der Bahnhofshalle saß, sang immer noch lautlos. So gelang es ihr, die Menschen in und vor der Halle zu beruhigen. Hatte sie anfangs nach vertrauten Gesichtern und Augen gesucht, so versuchte sie es jetzt mit ihrem lautlosen Gesang. Sie wusste, dass Freunde in der Nähe waren, aber auch, dass die Menschen von ihrem Gesang fasziniert waren, und sich ihm nicht entziehen konnten. Ihren Gesang spürten auch die Menschen in der Stadt, doch verstanden und hörten sie ihn nicht. Es war, als ob ein Netz, über die Menschen vom Bahnhof und in der Stadt, gezogen wäre. Nun stand die kleine Frau mit den dunklen Augen und langen schwarzen Haaren auf und ging aus dem Bahnhofsgebäude hinaus in die nahe Stadt. Dort angekommen, führte sie ihr Weg direkt in die gemietete Halle. Dort auf der Bühne sah sie dann ihre Freunde und die Familie, die sie gesucht hatte. Als diese die kleine Frau sahen, begannen alle sofort lautlos zu singen und die Menschen damit zu hypnotisieren.
Gegenüber vom Eingang in der Halle hatte sich ein Gastwirt einen Stand aufgebaut und schenkte Getränke aus. Neben ihm, am anderen Ende der Halle hatten sich ein paar Leute zusammengetan, um Musik zu machen. Mit Kochtopf, Kelle und Mundharmonika versuchten sie, die Menschen einzuheizen. Es gelang ihnen sofort. Die Menschen freuten sich, waren glücklich und verstanden nicht mehr, warum sie vorher so verzweifelt, traurig und niedergeschmettert waren. Das Leben war doch gut, man tanzte, und der Rhythmus ging ins Blut. Keiner dachte mehr daran, irgendeinen seiner Verwandten oder Bekannten von dem Zwischenfall am Bahnhof zu informieren bzw. zu benachrichtigen. Alles was passiert war, war wie ausgelöscht in ihren Gehirnen. Und keiner der Anwesenden bemerkte diese Veränderung bei sich.
Keiner? Nein, fast keiner.
Peter und Grete hatten es sich erst einmal in dem Hotel gemütlich gemacht. Das Zimmer war wohlig warm, sie bestellten sich ein tolles Essen und eine Flasche Wein auf ihr Zimmer. Die Gelegenheit einen Menschen zu finden, der einem persönlich plötzlich sehr vertraut war, musste doch gefeiert werden. Und sie genossen beide dieses Glück. Doch nach einiger Zeit bemerkte Peter eine Veränderung bei sich. Eine Unruhe ergriff ihn und er stellte fest, dass er auch in die Halle wollte. Auch gefiel ihm Grete nicht mehr so, wie noch vor ein paar Stunden. So überlegte er, wie er es anstellen könnte, in die Halle zu gelangen. So, wie die anderen Gäste des Hotels. Er schlug ihr vor, gemeinsam in die Halle zu gehen. Dort seinen schon viele Menschen, und auch alle vom Hotel. Dann wären sie nicht alleine und das wäre doch wunderbar. Der Musik lauschen und einfach mit den Menschen das Leben genießen. Nein, Grete weigerte sich mitzugehen. So nahm Peter sie noch einmal in den Arm, um dann zu den Menschen in der Halle zu laufen.
Grete war nicht mit in die Halle gegangen. Sie bemühte sich nun wieder eine Verbindung zur Tochter herzustellen, was leider wieder nicht gelang. So stellte sie sich ans Fenster, um der Musik zu lauschen, die aus der Halle kommen soll. Doch leider hörte sie nur eine Musik, die sich wie Katzenjammer anhörte. Eine Mundharmonika und lautes klopfen. Das soll Musik sein? Sie bemerkte auch keine Schwingungen oder ähnliches bei sich. Während sie noch traurig am Fenster stand, sah sie plötzlich eine Menschenmenge. Aus der Halle kommend, lief die Menge auf die Straße. Dort bildeten sie, tanzend und laut singend, mehrere Kreise, um sich anschließend lachend in den Arm zu nehmen.
Grete dachte, tränenüberströmt am Fenster stehend: „Ja, das ist wohl das pralle Leben! Leider ohne mich“.