Der blaue Aschenbecher
Langsam werde ich wach. Und noch bevor ich die Augen öffne, weiß ich, dass das Bett neben mir leer ist. 2 Kissen liegen dort übereinander, so wie du es gerne magst, die Bettdecke ist ordentlich zusammengelegt, alles unberührt und kalt. Die Einsamkeit springt mich an, wie ein hungriges Tier, das über seine Beute herfällt und mein Herz zieht sich zusammen. Wie betäubt drehe ich mich um und versuche durch die halbgeschlossenen Rolläden einen Blick in den Morgen zu werfen. Warum habe ich nur gewußt, das es regnet, heute, einen Tag, nachdem du gefahren bist? Ein Blick auf die Uhr verrät mir, das ich froh über meinen heutigen Urlaubstag sein sollte. Schließlich ist Ausschlafen für mich Luxus. Aber was will ich mit den freien Stunden, wenn ich weiß, dass sie mit Sehnsucht und Traurigkeit verbunden sind?
Ich schüttle mich, als könnte ich damit die schweren Gedanken abstreifen. Ein Kaffee könnte dafür sorgen, dass ich dich endlich aus meinem Kopf kriege. Und so beschließe ich, mich aus dem warmen Bett zu hieven, streife die dicken Lieblingssocken über und steige langsam die Treppe hinunter Richtung Küche. Neben dem Kaffeeautomaten steht noch die Zuckerdose. 3 Löffel pro Tasse, so habe ich ihn dir noch gestern gebracht. Schnell packe ich das süße Zeug in den Schrank. Aus den Augen aus dem Sinn und ich hasse Zucker im Kaffee, das hilft.
Während der Kaffeeautomat mir die lebenspendende, braune Brühe in die Tasse gießt, öffne ich im Wohnzimmer die Rolläden. Mein Blick fällt direkt auf den blauen Aschenbecher, der da draußen auf dem Tisch steht und überquillt. Ich rauche schon lange nicht mehr, aber es ist keine 12 Stunden her, dass du die letzte Zigarette dort ausgedrückt hast. Und ich bin mir jetzt sicher, dass es genau der Augenblick war, in dem die ersten Regentropfen herabfielen. Der graue Schleier versucht, mein Herz einzunehmen, aber ich flüchte zurück in die Küche, wo der frisch gebrühte Kaffee mich schon erwartet.
Für einen kurzen Moment bist du weg, fort aus meinem Denken und Fühlen, doch dann fällt mein Blick auf die leere Garderobe im Flur. Dort, wo gestern noch deine Jacke hing, schaut mich heute eine verloren wirkende Frau mit zerzauster Frisur an. Der Regen scheint stärker geworden zu sein, denn die Tropfen trommeln nun gegen die Haustür. Ich habe irgendwo gelesen, dass die Gefühle und Gedanken der Mimik folgen und versuche es mit einem Lächeln. Doch die Augen mir gegenüber bleiben dunkel und schwermütig. Vielleicht ist es einfach noch zu früh für solche Experimente.
Mit der warmen, dampfenden Tasse stapfe ich zurück nach oben. Außer meinen Schritten auf der Treppe ist kein Geräusch zu hören. Weißt du, das Haus ist so verdammt leer und still ohne dich. Dein mir so vertrauter Geruch steigt in meine Nase, kaum, das ich mein Schlafzimmer betrete. Obwohl du nicht mehr da bist, kann ich in diesem Haus keinen Schritt machen, ohne dir zu begegnen. Ich stelle die Tasse ab und lasse mich auf deine Bettseite fallen. Das Kissen riecht so sehr nach dir, das ich dein Gesicht vor mir sehen und deine Haut förmlich an meiner spüren kann. Für einen kurzen Moment rede ich mir ein, dass du nur kurz aufgestanden und ins Bad gegangen bist, aber dieser Selbstbetrug währt nur kurz. Du bist bereits zweihundert Kilometer von mir entfernt.
Mein Herz weiß nicht, was es denken soll. All diese Gefühle für dich, die ich gerade nicht ausdrücken kann. So viel Liebe, so viel Zärtlichkeit, aber genauso viel Sehnsucht und Trauer. Ich hasse diese Achterbahn der Gefühle. Wenn doch wenigstens die Sonne scheinen würde, um mich zu wärmen. Und warum habe ich ausgerechnet heute frei und Zeit, dir mit meinem Herzen zu folgen?
Piep, piep. Mein Handy schreckt mich aus meinen trüben Gedanken. Ich öffne die SMS. "Guten Morgen, mein Kätzchen. Hast du gut geschlafen? Ist es nicht schön, das wir diesmal nur so eine kurze Woche haben? Genieß deinen freien Tag, bis Freitag! Ich hab dich lieb. Kuss."
Ich liebe dich auch.
Aber ich hasse die Entfernung zwischen uns und vor allem die Tage zwischen Sonntag und Samstag.
©DieEineEinzige
November 2009