Das pralle Leben
Das pralle Lebenoder
Hänschen klein…
Kapitel 1:
Der Vorfall
„Es“ hatte keinen Namen. Jedenfalls keinen geläufigen bei Vorfall Nummer 1. Die „Agentur“ sprach lediglich von „Vorfall“. Man wusste im November noch nicht, dass die Vorfälle nummeriert werden würden. Und es geschah gänzlich ohne Vorwarnung. Toni und Ulrike Griessler, zwei vollkommen normale Bürger, bekamen ein Kind. Ein Mädchen. Maria. 3352 g schwer und kerngesund. Rosige Bäckchen, kein Schreikind und wunderhübsch anzuschauen. Der Griesslers ganzer Stolz. Ihr Haus war bezahlt, der Passat sollte noch drei Mal eine Rate bekommen und das Leben stand in voller Blüte. Man könnte sagen: Das pralle Leben hatte Einzug gehalten in diesem malerischen 1000-Seelen-Örtchen im Harz.
Es folgte der übliche, frühelterliche Irrsinn. Schlaflose Nächte, kurze Tage, Fürsorge fürs Kind bis hin zur Vernachlässigung von Ordnung und Sauberkeit des Hauses, 3-Tage-Bart bei ihm und Ringe unter den Augen bei ihr. Aber sie waren glücklich. Es war alles immer irgendwie… flutschig. Kein Pfeffer mehr, Toni auf der Arbeit, flugs stand die Nachbarin vor der Tür und hatte versehentlich Pfeffer doppelt gekauft. Oder als die Milch ausging, das war wie ein Wunder. Ein Milchwagen fuhr laut bimmelnd vor. Das war zuletzt vor vielen, vielen Jahren geschehen und damals üblich. Doch Rike, so nannte ihr Mann sie, freute sich darüber. Die Dinge fügten sich tendenziell immer von selbst. Es gab einen mobilen Kleinkrämer, Scherenschleifer, Brotwagen, Fischwagen, sogar eine Frisörin bot per Flyer ihre Dienste an. Man musste quasi das Haus nie wieder verlassen. Paradiesische Zustände. Nur Toni musste zur Arbeit wie immer. Aber seine Arbeit war irgendwie kuschelig. Er arbeitete in einem Einzelbüro bei einer Krankenkasse und ergab sich dem Rechnungswesen. Fallbearbeitung der unstimmigen Krankenhausrechnungen. Super Job. Alles lief immer glatt und selbst wenn Herr Heidenreich von der Alsterklinik anrief, ein besonders rüder Geselle mit einem vielseitigen Vokabular an farbigen Metaphern, und man stritt sich über die obere Grenzverweildauer von Hermine Tuppendahl aus Nidderau an der Wupper, rief Heidenreich kurz nach dem Streitfall zuckersüß zurück und ging auf alle Bedingungen ein. Obendrauf gab es immer einen Gutschein von Bulldog Burgers, Jack ‚n‘ the Box, China Palace oder vom Cafe del Sol an der Jenfelder Allee. Das pralle Leben und Toni war rundherum zufrieden. Als Maria mit 8 Monaten zu zahnen begann, bot ihm seine Firma komplettes Homeoffice an. Wegen Covid19 natürlich. Seine Kasse richtete nicht nur den Arbeitsplatz komplett ein, sie bestellte einen Maler, einen neuen Schreibtisch und einen viel besseren Router mit Repeater, sowie die komplette PC-Ausstattung. Das Leben meinte es gut mit den Griesslers, besonders weil das Malerteam quasi on top für den lohnenswerten Auftrag gleich Wohnzimmer und Kinderzimmer mit renovierte.
Dann kam der Sommer. Die Infektionen gingen zurück, man wähnte sich in fadenscheiniger Sicherheit. Doch ein kleiner Vorfall sorgte für immense Aufregung. Dass die Zähne sich anschickten, Marias Kiefer zu bewimmeln, war klar. Jedoch ließ es sich nicht erklären, wie es geschehen konnte, dass Marias Zimmer urplötzlich lichterloh in Flammen stand! Gottlob waren die Nachbarn alle auf Zack. Alle waren innerhalb einer Minute da, als dichter Rauch aus Marias Zimmer quoll, mit Eimern voller Sand, Feuerlöschern, Decken, Rettungsequipment (Heini von gegenüber war Feuerwehrmann), Gartenschläuchen und Erste Hilfe Kästen. Vorbildliche Nachbarschaft. Eine Stunde später kam ein Brandermittler aus Kiel, der zufällig in der Gegend war, um die Brandursache zu ermitteln. Jedoch war das nicht möglich. Der Profi war ratlos und musste den Fall als unermittelt abschließen. Jedoch nicht, ohne den beiden Griesslers strafende Blicke zuzuwerfen.
Spät abends in einem Hotel, der Brandermittler hatte weitere Untersuchungen anberaumt, saßen sie beieinander, Rike samt dem scheinbar an die Hüfte angewachsenen Kind und Toni. Sie saßen fröstelnd auf dem Rundumbalkon des Hotels an der Rahlstedter Straße und starrten in den Sonnenuntergang. Gedankenverloren starrten sie vor sich hin, das Geschehene nicht wirklich einordnen könnend. Die kleine Maria wurde unruhig, sie spürte die Unruhe und Unsicherheit der Eltern, besonders der Mutter. Für die Eltern war es eine unheimliche Zäsur. So viele Monate und Jahre hatte das pralle Leben ihnen Rosenwasser eingeschenkt und jetzt fühlten sie sich, als hätte ihnen jemand den Teppich unter den Füßen weggezogen.
Maria begann zu weinen. Unvergleichlich, wie nur Kleinkinder es können. Zunächst verengten sich die Pupillen, die Augenlider zogen sich zusammen und die Unterlippe schob sich trotzig vor. Dann ging der Mund auf und die Sirene an. Und wie! So hatte Maria sich noch nie angestellt! Sie begann, mit den Ärmchen zu rudern. Berührte federleicht und zufällig die Stahlarmierung der Balkonbewehrung. Unvermittelt begann diese zu schmelzen und glühendes, flüssiges Metall tropfte auf die Fliesen. Wie von einem elektrischen Schlag erfasst, sprangen beide auf, Rike das Kind im Arm, fliehend vor der immensen Hitze, die unvermittelt zuschlug.
„Hänschen klein, ging allein….“ Rike begann instinktiv zu singen. Ein todsicheres Mittel, Maria in den Schlaf zu wiegen und es funktionierte. Schlagartig ließ die Hitze nach.
Ungläubig starrte Toni die Rattanmöbel auf dem Balkon an beziehungsweise das, was davon übrig war. „Stock und Hut, stehn ihm gut…“. Eine bräunliche, stinkende Pfütze geschmolzenes Irgendwas.
„…ist gar wohlgemut…“. Toni sah seine Frau mit weit aufgerissenen Augen an.
„Aber Mutter weinet sehr….“
„Was was was war DAS denn?!?“, stammelte Toni aber Rike schüttelte unmerklich den Kopf. Sie hatte viel früher erkannt, wer die Ursache dieses… Geschehens war.
„..hat ja nun kein Hänschen mehr…“…Tonis Augen traten fast aus den Höhlen, als er sah, dass Marias rechte Hand in Flammen stand. Und doch konnte er nicht wegsehen. Die Flammen schienen der Babyhand nichts auszumachen! Im Gegenteil, die züngelnden Flammen umschmeichelten Marias kleines Händchen, schienen mit den kleinen Fingerchen zu spielen, sie zu kosen und zu streicheln! Maria weinte nicht, sie schrie nicht vor Schmerz. Sie starrte in ihre flammende Hand und lächelte. Maria schloss ihre Hand zur Faust, die Flammen erloschen wie auf ein unsichtbares Signal hin.
„…sieben Jahr, trüb und klar…“, Rike schwitzte. Sturzbäche an Schweiß flossen an ihrer hochgradig erröteten Haut herunter. Sie zitterte vor Angst, Unglauben und schien einem Zusammenbruch nahe. Toni stürzte vor, hielt ihr die Tür zum Schlafzimmer auf. Raffte die billige Hotelbettwäsche fort und zog alle Kissen zurecht. Rike und Maria betteten sich zaghaft und vorsichtig.
„… Hänschen in der Fremde war….“, sie lehnte sich zurück. Maria fiel in den Schlaf, einhergehend mit einer rapiden Abkühlung des Raumes. Dass insgesamt sieben Kameras das Geschehen aufgezeichnet hatten, woher hätten sie das wissen sollen? Woher wissen, dass eine ganze Hundertschaft ihr Handeln beobachtete, wertete, einordnete und festlegte, ob sie noch geeignet waren, dieses Kind ordnungsgemäß zu betreuen?
Kapitel 2:
Vorfall 2
Polizisten, Wachleute und besonders Soldaten kennen das: Der Vorfall. Erwähnenswert auf jeden Fall, aber bei Übergaben, Ablösungen und Aufzeichnungen. Der „besondere“ Vorfall ist unmittelbar meldepflichtig. Zuwiderhandlungen sind noch niemandem gut bekommen. Das wussten auch Hans und Albert vom vierten Team der Alpha-Gruppe. Rundumüberwachung. Langweilig. Die beiden jungen Agenten saßen vor 18 Monitoren, die alle auf dieselbe Adresse ausgerichtet waren. Das Haus von Toni und Rike. Garage, 2 Mal Küche, 2 Mal Wohnzimmer, 2 Mal Bad, 3 Mal Kinderzimmer, Hinterhaus, Terrasse, 4 Mal Garten, 2 Mal Eingangsbereich plus die 1200mm Infrarot-Kamera auf der Kirchturmspitze. Die Wichtigste überhaupt. Stieg in der Herrengasse Nummer 3 an irgendeinem Ort die Temperatur über 40 Grad Celsius, gab es sofort Alarm. Auch beim Kaffee kochen und wenn die Waschmaschine Kochwäsche machte. Sehr zuverlässig.
„Gleich ist Schichtwechsel“, merkte Hans gelangweilt an.
„Jau. Ist Petra schon da?“
Petra war eine junge Agentin frisch aus Pullach und sah unerhört gut aus. Sie spielte Frau Schulze, Nachbarin zur Linken der Griesslers.
„Kommt gerade an“, antwortete Hans und beide starrten auf den Monitor zum Garten hin. Die Grundstücke wurden von einem Rohrmattenzaun getrennt, damit die Griesslers nicht mitbekamen, dass ihre Nachbarn nachts gar nicht zuhause waren.
„Alter…“, sagte Albert und starrte auf die schlanke Rothaarige mit der Superfigur.
„Wassn?“
„Die erinnert mich an… an…. Sag schon!“
„Agent Romanow?“
„Genau! Der feuchte Traum aller Männer.“
In diesem Moment ging der Temperaturalarm los. Küche Griessler. Vielleicht wieder ein verbrannter Toast? Oder ein Vorfall?
„Team 4 an Joker: JETZT! Offene Flamme in der Küche!“
Wie auf Kommando fuhr der Postbote vor und klingelte. Nach ein paar Sekunden noch einmal nachdrücklicher. Toni öffnete die Tür ein wenig atemlos.
„Post für Sie“, sagte der Bote, rümpfte die Nase uns sah sehr besorgt aus „brennt bei Ihnen etwas an?“
„Neenee keine Sorge, ich wollte meiner Frau ein Omelett machen und hab aus Versehen das Öl danebengeschüttelt. Alles unter Kontrolle, danke!“
Sprachs und schlug die Tür zu. Toni ließ die Post fallen und hetzte in die Küche. Rike hatte die Flamme schon erstickt.
„War es das wieder?“
„Es! Ja, wars.“ Rike deutete mit den Augen auf Maria, die mit unschuldigen Kulleraugen in ihrem Hochsitz saß und an einer Gurke kaute. Rike hatte ihr zuerst einen Möhrenstreifen gegeben, aber Maria mochte lieber weichere Dinge. Als sich ihre Unterlippe in die Trotz-Zone schob, begann die Karotte zu brennen und flugs auch die Tischdenke. Man könnte meinen, Möhren brennen nicht. Doch, das tun sie. Wasser kann auch brennen, es muss nur heiß genug werden. Und mit Hitze kannten sie sich mittlerweile gut aus. Toni und Rike hatten eine vollkommen neue Welt vor den Füßen. Das sorgenfreie, beschauliche, gemütliche, sich selbst regelnde Leben war offenbar vorbei. Maria, ihr geliebter Schatz, war ganz offensichtlich imstande, irgendwie Feuer zu entzünden nur durch Gedankenkraft. In Ermangelung eines fachlichen Terminus nannten sie es nur „es“ oder „das“. Schlechtes Essen: Herd brennt. Volle Windeln: Bett brennt. Schlechtes Wetter mit Blitz und Donner: 24/7 Schicht an den Feuerlöschern. Ganz unauffällig hatte sich das Haus-Equipment vergrößert. Feuerfeste Decken, in jedem Raum 2 Feuerlöscher, feuerfeste Gartenschläuche, die immer bereitstanden, schwer entflammbare Wäsche.
Niemand von den beiden wunderte sich, dass diese Wäsche auch in modischen Farben und Babygrößen immer verfügbar war. Der Tipp kam aber von Heini, der war Feuerwehrmann und musste ja wissen, wo es derlei Dinge gab. Das pralle Leben hatte sich verwandelt in ein Leben, bestehend aus Achtsamkeit und Furcht. Niemand glaubte ihnen. Der Hausarzt nicht, die Psychologin nicht, die Tante von der SKF nicht. Nicht einmal der Priester der Stiftskirche St. Cyriakus. Gerade der hat sich fast kaputtgelacht und scherzhaft einen Exorzismus vorgeschlagen. So waren sie vollkommen allein mit ihrer Sorge, besonders, weil man nicht in den Nachbarort konnte wegen des nunmehr seit 15 Monaten andauernden Lockdowns. Toni surfte viel im Netz und fand ziemlich viel verschwurbelte Dinge von den Aluhüten. Auf eine Sache stieß er allerding öfter. S.H.C. oder auf Deutsch: SMS. Spontanious human combustion oder Spontane menschliche Selbstentzündung. Es waren unerhört viele Berichte und Beweise in Form von Fotos vorhanden, teilweise zurückreichend bis in die 60er Jahre. Menschen verbrannten aus sich selbst heraus Und zwar vollständig. Tino war einfacher Buchhalter, aber seine Physik-Kenntnisse reichten soweit, dass er wusste, dass menschliche Knochen weit mehr als 1000 Grad Celsius brauchten, um vollständig zu verbrennen. Natürlich konnte man diese Temperaturen zweifelsohne herstellen, aber bei all den dokumentierten Fällen war das Umfeld völlig intakt. Würde in einem Haus eine Zündquelle mit mehr als 600 Grad auftreten, stünde alles komplett in Flammen. Vorhänge, Alkohol, Teppich, Bett, Handtücher… all das benötigt weit weniger Hitze zum Brennen als ein menschlicher Körper. Und die Opfer verbrannten teilweise in ihren Betten! Eine mysteriöse Geschichte, die sich da seit Jahrzehnten hartnäckig hielt.
Toni hatte mit dem Internet so seine Probleme. Sein Pc schien gewisse Themen nicht zu mögen. Seine Recherchen über SMS war jedes Mal mit Ausfällen versehen. Und nicht nur die. Corona, Lockdown, Kontaktbeschränkungen, Hinweise auf Online-Ärzte, all das schien der Rechner nicht zu mögen und streikte. Kein Seitenaufbau mehr, Stromausfall oder Virenscan mit Hintergrundaufgaben. Widmete er sich den Online-Bestellungen für Pampers, Babynahrung oder häuslichem Equipment von Wasserhahn bis Zahnpasta, lief alles flüssig. Toni war nicht die hellste Kerze auf der Torte, wahrlich nicht, aber eines konnte er ganz fabelhaft: Sich Dinge schnell merken. Er hatte das, was man ein eidetisches Gedächtnis nannte. Das war seine Superkraft. Ploppte eine Seite auf, erfasste er in Sekundenschnelle den Inhalt. Und nicht nur das, er konnte ihn nicht nur sinngemäß richtig wiedergeben, er hatte auch im Bruchteil einer Sekunde sämtliche orthografischen Fehler parat.
Nur passte etwas nicht. Rike erkannte, dass bei SMS sich das Feuer (so es denn eines ist) nach innen, also gegen den Menschen richtet. Maria übertrug „es“ irgendwie ganz gezielt auf ihr Milieu. Und es schien auch klar, dass Maria ihre Eltern nicht versuchte, anzuzünden. Bis jetzt jedenfalls nicht. So drehten sich die Griesslers im Kreis und fanden keinen Ausweg. Dachten sie jedenfalls. Bis heute. Der Zufall oder das Schicksal schlug zu in Form eines schweren Unwetters. Es begann mit einer leichten Unruhe Marias. Sie wurde achtsamer. Die Äuglein wurden unstet, das Köpfchen bewegte sich mehr als sonst. Rike beschloss, mit ihr zu Bett zu gehen. Die Nachrichten im Zweiten bekam sie halb schläfrig mit, als es begann. Die Atmosphäre lud sich auf. Rikes Härchen auf den Armen richteten sich auf und standen kerzengerade vom Körper ab. Die Atmosphäre wurde dichter, irgendwie zäher. Sie drückte auf ihr Handy und flüsterte Toni zu, er solle leise reinschauen. Etwas ginge vor. Ein paar Sekunden später stand Toni im Schlafzimmer. Gerade noch rechtzeitig, um mitzubekommen, wie kleine Elmsfeuer Marias Körper umspielten. Lustige blaue Flämmchen fuhren ihr durchs Haar, übers Köpfchen, über die Arme. Maria lächelte dabei selig, als wäre das Feuer ihr Freund, ihr Geliebter, ihr Schicksal. Die blauen Feuerchen wurden intensiver, stärker.
„Hänschen klein, ging allein….“ Das Allheilmittel.
Dann geschah es. Maria löste sich vom Bett. Zwischen ihr und der Matratze knisterten kleine Überschlagsblitze in einem dichten Bund. Es sah aus wie die Langzeitaufnahme eines Gewitters und so etwas Ähnliches war es wohl auch. Sie begann zu schweben. Zentimeter um Zentimeter und streifte die Decke dabei von den Füßchen, die raschelnd zurück auf das Bett fiel. Toni kam näher. Es gab keine Hitze diesmal und er wunderte sich. Er stand jetzt ganz dicht bei Maria und sah, wie das kleine Kind glückselig lächelte wie in einem schönen Traum. Dann krachte es und der Strom fiel aus.
Kapitel 3:
10 Jahre später
Nachdem ihr Haus abgebrannt war, damals vor 10 Jahren, standen die Griesslers vor dem Ruin. Natürlich waren sie versichert. Und natürlich kam derselbe Brandermittler wieder zur Untersuchung. Gerade weil es bereits einen „Vorfall“ gegeben hatte. Aber auch hier konnte die Ursache des Feuers nicht ermittelt werden. Kein Brandbeschleuniger, keine defekte Gasleitung, keine durchgebrannte Herdplatte, kein Kurzschluss. Die üblichen Verdächtigen waren somit raus und andere Erklärungen gab es nicht. Und Toni würde sich hüten, die Aufmerksamkeit auf die Tochter zu lenken. Dass jeder, ausnahmslos jeder in seinem Umfeld das sowieso wusste, konnte er nicht ahnen.
Aus seiner und Rikes Sicht jedoch waren sie vom Glück geküsst. Die Versicherung zahlte anstandslos, sämtliche Nachbarn halfen beim Neubau mit. Als ob sie extra Urlaub genommen hätten. Das jedoch getraute Toni sich nicht zu fragen, sein Dank hätte unermesslich sein müssen. Und das war ja noch nicht alles: Ein knallgelbes Auto fuhr vor, auf dem in feuerroten Buchstaben: POSTCODE – Lotterie stand. Eine junge Dame stieg aus, ein Kameramann, ein Mikrofonmann, eine Frau mit Klemmbrett, ein junger Mann mit Klemmbrett. Dann fuhr ein Van vor, parkte hinter dem Kombi und sirrend fuhr eine elektrische Satelliten-Upload-Antenne aus. Toni und seine Nachbarn staunten nicht schlecht, als der Tross mit eingeschalteter Technik auf sie zugingen und fragten, wer denn Familie Griessler sei. Postcode-Lotterie heißt, es gewinnt nicht nur einer, sondern die ganze Siedlung! Selbst wenn sie irgendwo im Nirgendwo steht. Gewonnen haben: Die Schulzes: 6712 Euro, Stahlbergs: 112700 Euro, Heimbergs 330000 Euro und der Wochenjackpot geht, man ahnt es schon, an die Familie Griessler! 895 500 €! Jubel, Freude, Heiterkeit, das Grundstück war sicher und das neue Haus konnte schöner, größer, besser werden. Und ein neues Auto sprang auch noch raus!
„Wo ist Kati oder Kai Pflaume?“ fragte Rike.
„Die machen nur PR, wir sind die Glücksfeen!“
Das Leben wurde wieder ein wenig praller.
Ein Jahr später
Das gestrige Einweihungsfest steckte den Griesslers noch in den Knochen. Sie hatten ja nicht nur die Nachbarschaft zu umsorgen, auch wenn alle ganz lieb waren und rechtzeitig heim wollten, sie hatten ja noch Marie. Das Haus war in Rekordzeit entstanden. So etwas hatten die Griesslers noch nicht gesehen. Anscheinend kümmerte sich eine halbe Hundertschaft darum, das Heim zu bauen. Alle Dinge liefen parallel. Niemals fehlte Beton, Mörtel, Ziegelstein oder Holz. Das Ganze lief mit einer unheimlichen, beinahe militärischen Präzision ab. Das gab den Griesslers ausreichend Zeit, ihre Tochter zu hüten. Nachdem die offizielle Einweihung beendet war, begaben sich die Griesslers zur Ruhe. Toni saß stolz mit einem Glas Bommi mit Pflaume auf der Terrasse und starrte auf seine Bäume. Selbstverständlich hatte das viele Geld locker ausgereicht, sich Bäume zu kaufen, anstatt Setzlinge mühsam großzuziehen. Eine 7 Meter hohe japanische Kirsche, ein Gingko-Baum und ein japanischer Rot-Ahorn zierte den nagelneuen Rollrasen. Der 7 Meter lange Pool war noch abgedeckt, die Kletterburg für Maria funkelte in frischen Farben. Toni war rundum zufrieden für diesen kleinen Augenblick, während Rike nachdenklich in ihrem Schaukelstuhl saß und ihre 11jährige Tochter im Arm wiegte.
„Sag mal Schatz, magst du unsere Nachbarn nicht? Die sind doch so nett?“
„Nein Mama. Sie sind nur oberflächlich nett.“ Maria sagte das mit der Abgeklärtheit einer Erwachsenen. Viel zu früh war sie das auch geworden. Für eine 11jährige war das ein erstaunlich wacher Geist, der in diesem Kinderkörper wohnte.
„Bist du nicht ein wenig zu pienzig?“
„Nein. Ich weiß es einfach, Mama. Die haben alle ein Geheimnis.“
„Jeder hat ein Geheimnis, mein Schatz.“
„Die haben alle dasselbe Geheimnis, Mama!“
„Welches denn?“
„Weiß ich nicht. Ich finds aber raus, ganz bestimmt.“
„Mariaschatz, bitte, nicht! Lass „es“ weg. Beherrsche es und lass es nicht dich beherrschen.“
„Mach dir keine Sorgen Mama. Es ist irgendwie mein Freund. Es passt auf mich auf, ganz von allein.“
„Wir haben schreckliche Angst um dich Schatz! Wenn das jemand herausbekommt…“
„Keine Sorge. Aber… weißt du… meine Träume…“
„Was ist damit? Regst du dich auf?“
„Nein Mama. Ich habe gestern geträumt, dass wir auf einem riesengroßen Spiegel stehen. Mit unseren neuen Möbeln, aber keinen Wänden. Rund um uns herum stehen die Schulzes, die Heimbergs, die Stahlbergs, die Hansens und die Töppers. Aber das Gruselige sind die dusteren Gestalten dahinter. Die haben alle kein Gesicht, so wie die Computermenschen in dem Film…..“
„Welcher Film?“
„Das schwarze Loch“
„Oh, der. Gruselig.“
„Ja, besonders der rote Roboter. In meinem Traum hatte der mein Gesicht, Mama.“
Rikes Augenbrauen zogen sich zusammen. Als Kind hatte sie auch immer Träume. Träume, die sehr oft wahr wurden. So wie der Badeunfall von Hartmut oder der der Skiunfall ihres Vaters. Und es war keine diffuse Warnung, sondern es spielte sich genau so ab wie in ihren Träumen.
„Was denkst du, Mama?!
„Woher „es“ wohl kommt. Ich hatte als Kind auch Ahnungen, nein es war mehr. Aber keine Art Vision oder so. Toni?!
„Ja?“, schreckte er aus seiner Zufriedenheit hoch.
„Hattest du auch ein Mojo als Kind?“
„Was ist ein Mojo?“
„Ein Zauber, eine besondere Kraft, eine Gabe, nenn es wie du willst.“
„Nee, eigentlich nicht. Oder warte, vielleicht doch. Egal, was ich an Verletzungen hatte, die waren nach einigen Stunden verschorft und nach ein oder zwei Tagen vollkommen weg. Aber ich bin so groß geworden, das ist nichts Besonderes. Naja, bis ich zur Bundeswehr kam. Da habe ich mir ne Kugel eingefangen bei einem Manöver. Schlimm Blut verloren, aber nach 2 Tagen war es nur noch rund und grau und tat nicht mehr weh.“
Wieder versank Rike in Nachdenklichkeit.
„Warum fragst du, Schatz?“
„Wegen „Es“. So etwas ist entweder eine Mutation oder gezüchtet. Maria hat sicherlich nicht darum gebeten.“
Toni stand auf und sah sehr ernst aus. Wie jedes Mal, wenn er in den letzten Jahren mit Maria über „es“ sprechen musste. Er kniete sich vor seine Frauen, nahm Marias zierliches Händchen. Wie seltsam das aussah, diese grobe Männerhand mit dem weißen, kleinen Händchen darin.
„Schatz… was denkst du, wie stark „es“ ist?“
„Weiß ich nicht, Papa. Aber ich glaube… wenn ich es wirklich will… kann ich… den Mond anzünden. Ich hab Angst, Papa.“
Kapitel 4:
Die Agentur
Klinger stand auf. Sorgen zeigten sich auf seiner Stirn. Er begann, im Büro auf und ab zu laufen. Ab und zu sah er hoch zu den Ärzten und Wissenschaftlern. Sie alle hatten keine gesunde Gesichtsfarbe mehr. Das lag nicht an den jahrelangen Forschungen im unterirdischen Labor, es lag an der Tonbandaufnahme von Maria, die soeben abgespielt worden war. Sein Stabschef meldete sich zu Wort.
„Das kann und darf nur eines bedeuten, meine Herren, nicht wahr?“
„Niemals, sie Idiot! Ich forsche doch nicht Jahrzehnte lang herum und werfe dann das Experiment weg!“
„Sagen Sie mal, haben sie den Verstand verloren?“, erwiderte der Stabschef Generalmajor Klintock, „ist der Intelligenzquotient der Kopfgesteuerten in Übersee, oder was? Haben sie das gerade gehört? Mond anzünden? Wir haben jetzt 11 Jahre lang miterlebt, was das Kind kann! 11 Jahre von einer Katastrophe in die andere und eine heftiger als die andere. Wer kann ermessen, was passiert, wenn die Kleine in die Pubertät kommt? Oder ihren ersten Orgasmus hat, ihre erste Liebe, ihre erste Wut oder Enttäuschung? Was, lieber Kollege, wenn dieses kleine Ding als Erwachsene über die Fähigkeit verfügt, eine nukleare Reaktion hervorzurufen? Mein lieber Scholli, dann ist Gott als oberste Instanz direkt arbeitslos! Nein, es gibt nur eine Lösung, so bedauerlich das ist. Die Kleine muss sterben.“
Eine wüste Diskussion brach los. Einig war man sich, dass die Reaktion die richtige war. Aber dann wäre alles umsonst gewesen. Einen Mittelweg gab es nicht. General Klinger hieb mit der Faust auf den Tisch.
„Klintock hat Recht, meine Herren und das wissen sie. Es ist entschieden. Geben sie Befehl für Operation Backstrike, Operation Overlord ist gescheitert. Sofort. Team Bravo soll das übernehmen. Team Alpha macht das cleanup, Charlie die Sonderaktion. Klar?“
Alle in Uniformen waren sehr bleich und hatten es sehr eilig, den Raum zu verlassen. Die restlichen 16 Personen bestanden aus Genetikern, Molekularbiologen, Psychiatern, Nanotechnikern und Verhaltensforschern. Unmittelbar, nachdem der letzte Uniformierte den Raum verlassen und die Tür hinter sich geschlossen hatte, sagte Klinger:
„Ich bitte sie, mich für eine Sekunde zu entschuldigen, die Natur ruft. Danach beantworte ich gern noch ihre Fragen.“
Klinger wandte sich nach rechts und schritt durch die Tür zu seiner Privattoilette. Dass sich mit leisem Zischen die Toilettentür mittels aufblasbarer Dichtungen in ein Druckschott verwandelte, bekamen die hitzig Diskutierenden nicht mit. Es dauerte nicht lange, dann brach der erste Wissenschaftler zusammen, nachdem alle kollektiv müde geworden waren. Das Inertgas tat seine Arbeit leise, geräuschlos und human…
Nachdem die Raumluft erneuert worden war, betrat Klinger den Raum und stellte sich vor die Leichen.
„Meine Herren, ihre Fragen bitte. Keine? Gut! Fürs Protokoll: Die Sitzung wurde in Anwesenheit der wissenschaftlichen Abteilung geschlossen. “
Zur gleichen Zeit verließen drei schwarze VW Bully mit geschwärzten Scheiben die Tiefgarage und acht Soldaten in schwarzen Uniformen ohne Abzeichen säuberten die Hallen der Wissenschaftler. Und säubern bedeutete: Alles an Papier, PC, Laptop, optronischen Aufzeichnungsgeräten, Cams, Festplatten, Datenträgern und Discs wurde in Kisten gestapelt und abtransportiert. Landen würde es in einer Hochtemperatur-Verbrennungsanlage des Heizkraftwerkes München Nord. Der BND verfügte dort über eine eigene, kleine Abteilung extra für solche Dinge.
Zur gleichen Zeit in einem kleinen Dörfchen im Harz, unweit der Teufelsmauer
„Mama, sie kommen.“
„Wer kommt, Schatz?“
„Die Dunkelmänner.“
„Wer sind die, Liebes?“
„Weiß nicht. Sie haben Schießgewehre und komische Gedanken.“
„Kannst du ihre Gedanken lesen?“
„Nein. Ja. Manchmal, wenn es stark wird. Sonst nur Gefühle. Diese Menschen wollen uns umbringen“
„Ach Kind, warum denn? Wir sind total normale Leute!“
„Meinetwegen“
„Wer bringt denn ein Kind um Schatz, komm das is albern:“
„Nein Mama, die wollen „es“ umbringen, weil es in mir wohnt.“
Langes Schweigen. Blicke zwischen Toni und Rike. Unglauben. Und wieder Gewissheit.
„Was machen wir?“, mischte sich Toni ein, der seiner Tochter traute.
„Erst die Bildermaschinen ausschalten.“
„Was?“
Maria stand auf und ging in die Küche. Zeigte auf die Lichtleiste unter dem Gewürzregal. Toni näherte sich und sah nur die vielen kleinen schwarzen Zierkreise. Eines davon hatte tatsächlich eine glasartige Oberfläche. Dann zeigte Marie auf die Uhr, die einer alten Bahnhofshängeuhr nahempfunden war. Die hatten sie auf einen der wenigen Ausflüge in den Nachbarort gekauft, als Jysk noch Dänisches Bettenlager hieß. Dann ging sie ins Bad. Eine Kamera hinter dem Spiegel, eine inmitten der Anzeige der Waschmaschine. Im Wohnzimmer. Eine im Fernseher, eine in der IKEA Lampe. Zwei im Kinderzimmer. Vier im Garten, eine direkt am Grill auf der Terrasse und zwei vor dem Haus. Eine in der Lampe, eine unter dem Briefkasten. Die Griesslers fielen aus allen Wolken.
Dann deutete Marie auf den Kirchturm. Ihre Augen verengten sich. Um sie herum begann die Luft, zu wabern.
„Maria, Maria Schatz bitte. Komm rein, das darfst du nicht tun!“
„Die haben das zuerst getan Mama!“
In diesem Augenblick explodierte das komplette Kirchturmdach.
Kapitel 5:
Familie
Es gab nun kein zurück mehr. Toni wusste das, Rike du Maria ohnehin.
„Schatz, wer weiß noch von „es“?“
„Alle Papa. Die Schulzes, die Heimbergs, die Stahlbergs, die Hansens und die Töppers. Der Mann vom Einkaufsladen, der Postbote, die Feuerwehrmänner, die Maurer, einfach alle.“
Den Griesslers waren gerade die Pantoffeln unter den Knien weggezogen worden. Alles neu, alles auf Anfang.
„Aber aber… ich verstehe das nicht!“
„Mama, diese Menschen wollen „es“ haben. Sie wollen es stark machen und daraus Soldaten bauen. Sie wollen es einfach. Und…“
„Was, Schatz?“
„Ich bin die Einzige, die sie aufhalten kann.“
Der pragmatische Toni mischte sich ein.
„Wir müssen hier weg und zwar sofort!“
„Toni wie denn, wenn alle dazugehören? Mariaschatz, wie lange bis die Dunkelmänner hier sind?“
„Drei Stunden. Nein vier, eines der Autos wird eine Panne haben.“
„Schatz, wird eine haben oder hat eine?“
„Wird. Kurz vor Kassel platzt ein Rad.“
„Weil du…“
„Nein, es geschieht sowieso.“
„Maria…“, Tonis Stimme hatte zeitlebens nie so ernst geklungen. „Was kannst du alles? Ich meine außer sehen, schmecken, riechen, fühlen und tasten?“
„Alles Papa. Einer der Menschen unter der Erde nannte es Psychometrie.“
„Du kannst also Feuer machen?“
„Ja.“
„Gefühle oder Gedanken lesen?“
„Ja“
„Dinge bewegen?“
In diesem Augenblich kippte ein Stuhl um.
„Unsichtbar sein?“
Marias Gesicht hellte sich auf. Daran hatte sie noch nicht gedacht. Aber sie wurde im selben Augenblich transparent und war weg.
„Ich glaube das alles nicht!“
„Still Rike. Schatz, was noch?“
Maria verschwand mit einem laut vernehmlichen „Plopp“, als die Atmosphäre in das entstandene Vakuum knallte. Plötzlich stand sie hinter dem Sofa.
„Wie… wie… was geht hier vor?“
Maria schloss die Augen und konzentrierte sich. Nach einer geraumen Weile öffnete sie ihre Augen wieder und nickte kaum merklich.
„Ein Mann, William, gründete 1862 ein Institut in England. Der Ghost Club. Damals hieß es noch „Außersinnliche Wahrnehmung“. Sie wollten er erforschen. Uropa Carl war dabei. Und Uropa Albert. Beide bekamen Kinder. Eure Eltern. Dann…“sie schloss die Augen wieder“kam ein Walter und sprach mit dem BND. Sie wollten Superagenten haben. Unenttarnbare Spione. Das war in den 70ern. Walter sagte, dass die Blutlinien manipuliert wären und sich die Kräfte in jeder Generation potenzieren würden.“
„Und du bist das Ergebnis, mein armer Schatz.“
„Sie sind da, Mama.“
„Die Dunkelmänner?“
„Nein, die Schulzes, die Heimbergs, die Stahlbergs, die Hansens und die Töppers. Sie tragen feuerfeste Anzüge und haben Waffen.“
„Was machen wir nur?“
„Lass mich machen, Papa. Lass mich machen…“
Maria ging zu ihren Eltern und nahm sie bei der Hand. Toni sah, dass die Schulzes und die Stahlbergs durch den Garten kamen, und er sah quasi durch Marias Augen, dass das Haus umzingelt war. Er konnte die Gedanken der lieben, hilfsbereiten Nachbarn sehen. Sie waren dunkelviolett.
Maria sah ihren Vater an, dann ihre Mutter.
„Keine Sorge. Die Familie wird immer da sein.“ Dann begann sie zu singen.
Rialein ging allein in die weite Welt hinein
Brand und Wut steh`n ihr gut, ist gar aus auf Blut.
Aber Mutter weinet sehr, hat nun bald kein Mädchen mehr
„Wünsch' dir Glück“ sagt mein Blick, „Ich kehr bald zurück“
Schloss die Augen und mit einem lauten Geräusch füllte sich das atmosphärische Vakuum. Alle Türen flogen auf. Menschen in silbrigen Anzügen stürmten das Haus, suchten, fluchten, aber fanden niemanden. Stunden später trafen die Bullys ein. Noch mehr Männer, noch mehr Uniformen. Aber das störte hier niemanden, weil das Dorf komplett angelegt war.
„Wo sind sie hin, ihr Idioten?“
Der Einsatzleiter war ungehalten.
„Keine Ahnung. Niemand hat das Haus verlassen, solange wir es beobachtet haben. Es ist Weihnachten, heute geht niemand nirgendwohin. Das Auto steht auch noch in der Garage.“
Ratlosigkeit. Nachdem das Haus ein weiteres Mal durchsucht worden war, traf man sich auf dem zertrampelten Rasen des Vorgartens. Man nahm die Feuerschutzhauben ab und sah sich ratlos an.
Auf der Straße verdichtete sich die Luft und formte sich zu einer acht Meter großen Maria. Die riesengroße Projektion wandte sich der Agentenschar zu und blickte auf sie herab. Ihre Augäpfel zündeten wie die Xenonlampen eines Autos. Sonnenhell überstrahlten ihre Augen den Tag.
„Ihr seid Böse. Ihr seid wirklich sehr, sehr Böse.“ Der Einsatzleiter war fix mit dem Handy. Stream zu Klinger und Klintock.
„Wir gehen jetzt. Sucht uns nicht. Wenn doch, geschieht das Gleiche wie jetzt. Frohe Weihnachten!“
Und die Erscheinung war wieder verschwunden. Dafür begann die Luft, sich zu erhitzen. Einige der Agenten setzten ihre Feuerschutzhauben schnell wieder auf. Aber das nützte nichts. Es wurde so rapide heißer, dass sämtliche Agenten innerhalb Sekunden zu Staub verdampften. Über der verbrannten Erde des ehemaligen Dorfrasens vor dem brennenden Haus der Griesslers entstand aus dem Nichts ein grellweißer Feuerball und explodierte.
Rika, Toni und Maria standen ganz oben auf der Teufelsmauer und starrten auf das skurrile Bild, das sich ihnen bot. Ein kilometerhoher Atompilz. Aber: Er wuchs nicht und er fiel nicht in sich zusammen. Er stand einfach nur da. Wie eingefroren. Er würde dort solange stehen, wie es Maria gefiel. Mahnmal für alle, sich nicht mit den Falschen anzulegen.
Ende
Auf einem winzig kleinen Eiland in einem südpazifischen Archipel steht ein Haus. Direkt an den Klippen unter Bäumen mit weiten Kronen. Es ist groß. Dort wohnt eine Familie. Vater, Mutter, Tochter und zwei Babys. Zwillinge. Sie benötigen rein garnichts. Es findet sich alles von selbst an. Energie, Nahrung, Kleidung, Spiele, ein großes Kajütboot… es mangelt an Nichts. Dennoch gibt es kein Telefon, Handy, Internet oder Kabelfernsehen. Nichts, womit man diese kleine Familie orten könnte. Und doch bekommen sie alles mit. Wagt es nicht, in ihre Nähe zu kommen…
Ende?