Wer bin ich? Und wer ist das Ich?
In den letzten Wochen beobachte ich immer mal wieder ein faszinierendes Phänomen: da wird eine Geschichte gepostet und und früher oder später beginnt einer der LeserInnen in direkter Du-Anprache den Autor/ die Autorin zu trösten, aufzubauen oder auch irritiert nachzufragen, ob denn xy tatsächlich... Im Gegenzug sehen sich die AutorInnen zu langatmigen Erläuterungen genötigt, dass bzw. warum sie nicht mit dem „Ich“ in ihrer Geschichte identisch sind. Mach eine(r) schreibt sogar vorab: Ich bin aber nicht das „Ich“.
Wer ist denn nun dieses „Ich“ in unseren Erzählungen? Und wieso kommt es zu den Verwechslungen?
Treiben wir uns alle zu sehr in den allgemeinen Foren herum, so dass wir inzwischen eine Kurzgeschichte mit „Hilfe, mein(e) Freund(in) will zu oft/ nie“ verwechseln? Ist also die Leserschaft „zu dumm“?
Oder liegt es am Schreiberling, der sich in der Themenauswahl am zu sehr eigenen Umfeld orientiert und durch diese Nähe das Missverständnis geradezu heraus fordert?
Ich möchte Euch einladen, dieses Phänomen zu diskutieren und von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Unser lieber @*****har hat mir dazu seine tatkräftige Unterstützung zugesagt.
Dazu also ein paar simple Eingangsfragen:
Wann entscheidet Ihr Euch, ein „Ich“ auftreten zu lassen?
Warum wählt Ihr diese Perspektive und schreibt nicht von Lieschen Müller oder Seppl Meier?
Wie „nah“ ist Euch die Figur, von der Ihr als „Ich“ schreibt?
Ist es Euch schon mal passiert, dass Ihr mit Eurer Figur verwechselt wurdet?
Habt Ihr eine Idee, warum dass so sein könnte?
Hättet Ihr Euch im Nachhinein gewünscht, lieber von Lieschen oder Seppl zu schreiben?
Ich hoffe auf spannende Diskussionen mit vielen Fallbeispielen, damit wir dem Phänomen „Erzählperspektive“ ein wenig auf die Spur kommen. Um die Diskussion in Gang zu bringen, habe ich ein Gruppenmitglied um Erlaubnis gebeten, seine/ ihre kurze „Ich“-Erzählung hier erneut posten zu dürfen. Es geht mir dabei nicht um das fröhliche Autorenraten, wie wir es gerade im Adventskalender betreiben, sondern um etwas anderes: herauszufinden, wie die Erzählperspektive funktioniert. Sollte jemand von Euch sich erinnern, wer die Geschichte geschrieben hat: einfach ignorieren. Die Frage, ob man Autor und „Ich“ in diesem Falle verwechseln kann, ist erst der zweite Schritt.
MissVerständnisse
Aus irgend einem Grund hatten sie mir die Rolle der Maria aufs Auge gedrückt. Mir war schleierhaft, was ich bei diesem Krippenspiel sollte. Ich war doch nur in die Kirche gelatscht, weil die Bar noch geschlossen hatte. Meßwein statt Bourbon eben.
Und nun sitze ich hier auf einem dämlichen Hocker, eingewickelt in ein blaues Tuch und dieser Typ in dem schwarzen Kleid mit dem weißen Stehkragen mault mich an, ich solle endlich die Sonnenbrille absetzen. Mann, ist das ätzend. Ich kann nicht mal den Mittelfinger hochrecken, weil ich dieses komische Stoffbündel wiegen soll. Wenn die drei Typen mit den Kronen wenigstens was zu rauchen dabei hätten. Aber nein. Weihrauch. Stinkt zum Gotterbarmen, das Zeugs. Und dieser Trottel brauchte auch noch fünf Streichhölzer, bis es endlich losging. Ich brauche verdammt noch mal meinen Whiskey.
Nein Du Arsch, ich will jetzt kein Stück vom Schokoladenhasen. Ach ne, ist ja die andere Verpackung, Weihnachtsarsch eben. Pissen muss ich auch, wenn's für so was doch nen Dichtungsring gäbe. Vielleicht sollte ich einfach aufstehen, hier wieder rauslatschen und bei Paolo die Hobbyhure geben. Dem ist es wenigstens egal, dass Mama mich Jesus getauft hat.
Aus irgend einem Grund hatten sie mir die Rolle der Maria aufs Auge gedrückt. Mir war schleierhaft, was ich bei diesem Krippenspiel sollte. Ich war doch nur in die Kirche gelatscht, weil die Bar noch geschlossen hatte. Meßwein statt Bourbon eben.
Und nun sitze ich hier auf einem dämlichen Hocker, eingewickelt in ein blaues Tuch und dieser Typ in dem schwarzen Kleid mit dem weißen Stehkragen mault mich an, ich solle endlich die Sonnenbrille absetzen. Mann, ist das ätzend. Ich kann nicht mal den Mittelfinger hochrecken, weil ich dieses komische Stoffbündel wiegen soll. Wenn die drei Typen mit den Kronen wenigstens was zu rauchen dabei hätten. Aber nein. Weihrauch. Stinkt zum Gotterbarmen, das Zeugs. Und dieser Trottel brauchte auch noch fünf Streichhölzer, bis es endlich losging. Ich brauche verdammt noch mal meinen Whiskey.
Nein Du Arsch, ich will jetzt kein Stück vom Schokoladenhasen. Ach ne, ist ja die andere Verpackung, Weihnachtsarsch eben. Pissen muss ich auch, wenn's für so was doch nen Dichtungsring gäbe. Vielleicht sollte ich einfach aufstehen, hier wieder rauslatschen und bei Paolo die Hobbyhure geben. Dem ist es wenigstens egal, dass Mama mich Jesus getauft hat.
So, und nun „Ring frei“ für eine fröhliche Perspektivendiskussion
Eure Sylvie