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Deutschland im Winter. Ein Protokoll

Deutschland im Winter. Ein Protokoll
Beteiligte:
Verschneite Dezembernacht (-5 Grad); die Bundes-Verspätungsbahn; Weihnachten, das Fest der Liebe; 4 Christen-Polizisten und die Dienstvorschrift; ein reisender Sohn; eine alleinerziehende Mutter; eine Freundin.

Der Sohn, 16 Jahre reist von K., wo er auf einem Schul-Symposion war, am Sonntag abend nach A. mit Regionalzügen. Verpasst wegen Verspätung (Personenschaden) in Tr. den Zug nach A., es ist 23.30h. Der Bahnhof ist verlassen von Personal; kein Warteraum. Nächste Weiterfahrt nach A., (mehr als 80km, Anm. d. Verf), erst um 5.30h. Er ruft ratlos seine Mutter an. Sie rät ihm, die naheliegende Polizeistation aufzusuchen, und zu bitten, die Wartezeit in den geheizten Räumen dort sicher zu überbrücken. Die Freunde und Helfer bestätigen ihm zwar die Fahrplanauskunft, bitten ihn aber desweiteren, die Polzeistation zu verlassen, sie könnten ihm weder helfen noch ihn beherbergen.
Die Mutter fragt telefonisch bei dem Sohn nach, der schon wieder frierend am Bahnhof steht und dabei hofft, dass ihn die Bahnpolizei nicht vertreibt, womit die Kollegen der Bundespolizei noch beim Abschied gedroht haben.
Die Mutter hat kein Auto. Es ist inzwischen 0.30h. Züge fahren nicht mehr, Autos kann man auch nicht mieten. Bleibt also nur, eine Freundin zu wecken und sie um ihr Auto zu bitten.
Die Freundin sagt schlaftrunken zu. Die Mutter verständigt den Sohn, kocht eine Thermoskanne Tee, schreibt den schlafenden Geschwistern eine Notiz, und ist zehn Minuten später vor der Haustür der Freundin, die schon das Auto enteist. Eine schnelle Umarmung und Gute-Fahrt-Wunsch. Freie Straßen und ein Navigationsgerät lassen die Mutter gegen 2h am Bahnhof in Tr. den Sohn glücklich in die Arme schließen.

Sie hält an der Polizeistation. Drinnen sind 4 Männer, es ist warm, aus den Tassen dampft der Kaffee, ein kleiner Christbaum funkelt auf einem Schreibtisch. Sie stellt sich vor. Und fragt, ob es im Sinne von Polizisten, Christen und wahrscheinlich Vätern ist, dass ein junger Mensch in einer kalten Winternacht alleine an einem verlassenen Bahnhof steht. Nur einer wagt ihr betroffen in die Augen zu sehen, die anderen verschwinden in Nebenräumen. Er antwortet:
„Wir haben eine Dienstvorschrift. Wir können hier niemand beherbergen. Wäre ihr Sohn betrunken, käme er in die Ausnüchterungszelle (beheizt, Anm. d. Verf.). Würde er randalieren, nähmen wir ihn fest (beheizt, Anm. d. Verf.). So ist das nun mal.“
Sie blickt auf die Stühle, die Tassen, die abgewendeten Gesichter und geht.

In Deutschland, einem Land, so stolz auf seine christlichen Werte, so bereit großmäulig andere Kulturen barbarisch zu nennen, so zivilisiert und infrastrukturiert, kann man doch leichter als vermutet an kalten Sackbahnhöfen stranden und an kalten Herzen erfrieren.

„Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht“Heinrich Heine


©tangocleo 2009
Weißt du, liebe Cleo...
...diesen Tag habe ich mit einem warmen Gedanken beginnen dürfen. Mit einem Gedanken, der mich in den Tag tragen sollte.

Nun, ich hätte diese ausdruckstarke, diese so reale - da sicher wahre - Geschichte später lesen sollen. Denn nun fahre ich mit einem Grollen im Bauch zur Arbeit.

Dennoch...
Danke.

Ich hoffe, am Donnerstag fahre ich nicht mit der Bahn von K nach LL bei A.

!Bernd
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Mir geht es wie Bernd.

Sehr realitätsbezogen und gut geschrieben, Cleo *bravo*


Trotz der Kälte wünsche ich uns allen einen schönen Tag und *sonne* im Herzen

Herta
DAS war das Abenteuer meiner letzten Nacht - ich holte meinen Sohn aus Treuchtlingen, und da ich danach vor Wut nicht schlafen konnte, habe ich diese Geschichte geschrieben...
danke für eure Worte... ja, es gibt noch Menschen... *g*
die guten familienväter hätten deiner hübschen tochter übdach gewährt. es wäre sogar einer von ihnen aufgestanden, um ihr einen stuhl anzubieten, während ein kollege kaffee serviert hätte. stell dir vor, welch geschichte das hätte geben können. es ist also nicht ganz so einfach, wie es scheint. die funktionäre hätten sich als menschen gezeigt. momente deutschen daseins.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Und dennoch ...
... gibt es - zum Glück - noch Hoffnung und au8ch andere "Geschichten".

Nicht umsonst habe ich in meinem so umstrittenen Buch "Engelsfeuer" diese Thematik immer wieder angeschnitten, eben weil so etwas leider immer wieder passiert.

Aber auch das kommt vor: Drei Jungs kommen unter fast identischen Umständen auf eine Polizeistation, bitten um Hilfe und werden von den Polizisten in den geheizten Massageräumen des nahegelegenen Kurbads für eine Nacht untergebracht und dürfen dort schlafen. Und noch viele andere Begebenheiten könnte ich schildern, die eher poitiv zu sehen sind und Mut machen.

Was mich so traurig macht: Die negativen Erfahrungen nehmen zu!

Leider liegt es oft nicht nur an den Betroffenen (wie z. B. hier den Polizisten). Heute muss z. B. ein Lehrer ja nur einmal wirklich konsequent sein und die Erledigung der Hausaufgaben fordern (ein hier ral vorgekommener Fall!), schon tanzen die Eltern mit einem Anwalt beim Rektor an und der Lehrer hat auf einmal enorme Probleme. Gegen alles und jeden gibt es Vorschriften, Gesetze, Absicherungen - und immer wieder den Schwachsinn, dass überpenible und vermutlich gelangweilte Menschen unverzüglich gegen jede verletzte Dienstvorschrift vorgehen. Oder auch: ein Unternehmen muss ja in der Bedienungsanleitung eines elektrischen Gerätes nur vergessen zu erwähnen, dass man vor Inbetriebnahme das Gerät an den Strom anschließen, also den Stecker in die Dose stecken muss - schon hat es eine Klage von irgendwelchen Idioten am Hals ...

Danke, Cleo!

(Der Antaghar)
soweit ich weiß, sind polizeibeamte verpflichtet, minderjährige zu beherbergen.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
@ somamann
Kann sein, ich weiß es aber nicht. Und wenn ich etwas nicht sicher weiß, bin ich lieber still.

Wenn es so wäre, könnte man sich über sie wirklich beschweren. Und dann hätten sie es auch verdient.

Mir geht es um all diese anderen Fälle, in welchen einer geholfen hat und es schwer bereut: Heute muss ein Jugendbetreuer einen Jungen oder ein Mädchen, der (oder das) sich bei einem Sturz die Knie blutig aufgeschlagen hat, nur liebevoll versorgen und ihn bzw.sie eine Weile tröstend in den Arm nehmen und halten - schon kann es sein, dass er die Eltern am Hals hat samt dem Verdacht des sexuellen Mißbrauchs ...

Du weißt schon, was ich meine, da bin ich mir sicher. Und das macht Angst, macht unsicher - und lässt allzu oft Hilfe gar nicht erst möglich werden.

(Der Antaghar)
@**ma
so dachte ich auch - damit drohe ich am WE immer, wenn sie alleine durch die Nacht wollen - aber der Polizist meinet, da ich ja mit meinem Sohn in Kontakt (telefonisch) stand, war es meine Aufsichtspflicht...

@*****har
klar, es gibt die Gegenbeispiele - siehe meine liebe Freundin, die in Nachthemd und Fellmantel an der Scheibe kratzte.
Die "nackte Kaltherzigkeit" ist auch gar nicht das Erschreckendste.
Aber diese absurden Situationen, wo der "Amtsschimmel" reitet, wo lächerliche Vorschriften und Satzungen - irgendwann in der Theorie verfasst - den Menschenverstand und das mitfühlende Herz ausschalten, die kann ich nicht fassen!
ja, ich weiß. das thema ist aber so langsam ein anderes. ich habe computerkurse für grundschüler gegeben, und konnte einem mädchen aus diesem grund nicht erlauben, sich auf meinen schoß zusetzen. das sind dinge, mit denen man leben muss. die folgen durchaus berechtigter feministischer arbeit sind nun mal da. die tatsache, daß ein hinweisschild geändert werden muss, weil man es nicht mehr für vertretbar hält, daß eine männliche figur eine mädchenfigur an der hand hält (gehweg), sagt alles.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Leider wird mit vielen dieser durchaus berechtigten Vorschriften gleich "das Kind mit dem Badewasser ausgeschüttet" - es also maßlos übertrieben (der absolut berechtigte Feminismus hat da ein paar sonderbare Blüten getrieben ...).

Dein Beispiel, Somamann, mit dem Mädchen, das sich nicht auf Deinen Schoß setzen darf, macht es deutlich: Da geht, wie Cleo richtig feststellt, vor lauter Vorschriften und Ängsten das verloren, was ich Herzenswärme nenne.

Traurig ist, dass es diese Vorschriften gibt, und noch trauriger ist, dass es sie manchmal wohl auch wirklich geben muss. Ich dürfte z. B. niemals eine junge Klientin allein im Auto mitnehmen, wenn ich nach einem Termin sowieso in der Nähe ihrer Eltern vorbei komme (eigentlich eine harmlose Selbstverständlichkeit) - das könnte verheerende Konsequenzen haben.

Ist das nicht schrecklich?

(Der Antaghar)
ja, es ist schrecklich!
weil es davon zeugt, dass wir inzwischen grundsätzlich vom Schlechten ausgehen, annehmen, dass die anderen/Fremden eher Böses im Sinn haben und nicht mehr in das natürlich und selbstverständlich Gute vertrauen.

deswegen hat es wohl das Gute so schwer - und die Wunder erst recht!

Gastfreundschaft und Hilfebereitschaft waren lange vor der Erfindung des Christentums in allen Kulturen überlebenswichtiges und geachtetes Zivilisationsgut - diese Werte gehen immer mehr verloren.
Liebe Cleo
es ist leider nicht nur die Hartherzigkeit der Menschen ....

wir leben in einer Zeit, in der die Menschen von und in Erwartungshaltungen leben, ohne bereit zu sein, selber etwas zu tun.

Na ja, es ist eben die Michaelizeit .........

ev
wie gut, daß wir alle anders sind und so kristallklar durchblicken! die welt wäre glatt verloren.
*omm* *g*
*****irl Frau
349 Beiträge
Dazu fällt mir direkt ein, was wir vor einiger Zeit in unserer Ausbildung erfahren haben:

Ein männlicher Erzieher darf keinerlei pflegerische Tätigkeiten übernehmen (z.B. ein durchnässtes Kind umziehen, bei den Kleinen Popo saubermachen etc.). Das MUSS entweder die zweite Kraft machen oder jemand aus ner Nachbargruppe.
Das finde ich echt schon heftig. Dabei spielt es natürlich keine Rolle, ob Mädchen oder Junge...

(Diese Anordnung wird aber als Schutz für den Erzieher verstanden, der somit nicht in Gefahr gerät, von Eltern einer Untat bezichtigt zu werden...)

Aber zur Geschichte: Sehr schön auf den Punkt gebracht. Hab mir als des öfteren Bahnfarhende den Jungen so richtig schlotternd auf dem Gleis stehend vorstellen können.
warum nur findet ihr es schrecklich, wenn ein therapeut seine junge klientin nicht nach hause fahren darf?
soma
ich glaube kaum das WIR es hier schrecklich finden,
weil es eigentlich eine vernünftige nachbarschaftliche Hilfe wäre.

Cleo
ich würde aber eine Dienstaufsichtbeschwerde gegen diese Beamte loslassen. Dein Sohn ist noch nicht volljährig.

Ist doch egal ob Du mit deinem Sohn telefoniert hast,
es hätte ja auch sein können, dass er das gegenüber den Polizisten nur behauptet hat. Dann müssen sie doch erst einmal prüfen, ob seine Angaben stimmen.

armesdeutschlandev
ich glaube kaum das WIR es hier schrecklich finden, weil es eigentlich eine vernünftige nachbarschaftliche Hilfe wäre.
ich glaube, da habe entweder ich etwas völlig falsch verstanden oder du. vielleicht auch wir beide. ich meinte natürlich antaghar und tangocleo, die es schrecklich finden, daß er

… niemals eine junge Klientin allein im Auto mitnehmen (dürfte), wenn ich nach einem Termin sowieso in der Nähe ihrer Eltern vorbei komme (eigentlich eine harmlose Selbstverständlichkeit) - das könnte verheerende Konsequenzen haben.

*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
@ somamann
Ich finde es schrecklich, dass so wenig Grundvertrauen zwischen den Menschen herrscht.

Im Grunde ist es das Selbstverständlichste der Welt, eine junge Frau allein im Auto kurz mitzunehmen und zu Hause abzusetzen (um bei diesem Beispiel zu bleiben). Aber mach das mal als Lehrer oder Berater, als Sozialarbeiter oder Therapeut ... Das kann übel enden. Ich mache es jedenfalls nicht mehr - und finde das traurig.

Was ist nur in unserer Gesellschaft los?

Eine Kollege von mir saß tagelang in U-Haft, weil ein Mädchen auf einer Fahrt in eine Klinik ihm an die Wäsche wollte, und als er freundlich, aber bestimmt abgelehnt hat, kam er in Teufels Küche: Sie behauptete in der Klinik, fast vergewaltigt worden zu sein. Erst zwei oder drei Wochen später gab sie zu, dass sie es erfunden hatte, um sich zu rächen.

Das finde ich einfach grundsätzlich "schrecklich" - dieses immer herzlosere Miteinander, das da produziert wird. Das ist ähnlich wie der Umstand, dass heute kaum noch Eltern ihre Kinder mal allein in den Wald lassen - für uns früher das Normalste auf der Welt ...

(Der Antaghar)
Ein Therapeut, der seine (junge) Klientin nach Hause fahren will und das als einen Akt des Grundvertrauens und "das Selbstverständlichste der Welt" sieht, hat sehr wahrscheinlich ein Problem mit seiner Professionalität, solange er nicht gerade ein Physiotherapeut ist. Doch auch dann ginge es nicht einfach so. Es gibt Grundsätze, die sich aus dem Wesen der Sache zwingend ergeben. Die Abhängigkeit einer Person darf nicht außer Acht gelassen werden! Das Verhältnis zwischen Therapeut und Klient ist ausgesprochen heikel und muss unbedingt von Rücksicht auf gefühlsmäßige, seelische Beeinträchtigungen und Gefährdungen getragen sein. Wie man weiß und bei deinem "Kollegen" sieht, haben diese seelischen Befindlichkeiten auch noch eine Kehrseite. Daß ein Therapeut gerade diese Gefährdung infrage stellt, ist sehr bedenklich. Und es ist unverständlich, daß es keine spontanen Proteste gegen diese Infragestellung gibt.

Das passt allerdings zu einem anderen Vorfall in „Gedichte“, der sich vor einigen Monaten ereignete. Ein Vater hatte ein Gedicht seiner minderjährigen Tochter gepostet. Alle fanden das sehr schön und lobten ihn als tollen Papa.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
@ somamann
Mir ist das alles sehr wohl bewusst ... Und Du darfst Dir sicher sein, dass ich stets versucht habe, sehr professionell mit allen umzugehen.

Dennoch - als ich mal ein paar Jahre lang bei einem der bekanntesten deutschen Psychoanalytiker in Analyse war, hat auch er mich einfach mal mitgenommen, als er ohnehin dort vorbei fuhr, wo ich hin musste. Und wir sind auch gelegentlich mal im Wald spazieren gegangen - in unserer Freizeit. Und keiner von uns fand das unprofessionell oder fragwürdig, sondern einfach nur eine nette Geste. Daraus entstand eine wunderbare Freundschaft.

Man kann es mit dieser Genauigkeit und Professionalität auch übertreiben, so dass es fast schon verkrampft, ja verbissen wirkt (wie so vieles bei den Feministinnen): Man muss aber .. und der Beruf erfordert ... und die Professionalität will das ... und überhaupt, die Vorschriften - das alles geht weit hinaus über Menschlichkeit und Herzenswärme und Nächstenliebe, die für uns alle weit wichtiger wären.

Und genau das ist dieser Punkt, den ich ziemlich traurig finde ...

Aber gut, man kann das so oder so sehen - nur mit den Augen des Verstandes und der Gesetze. Oder auch mal mit den Augen des Herzens. Und beides hat was für sich - aber beides hat eben auch Schwächen.

(Der Antaghar)
@soma
ich weiß nicht, ob ich verstehe, wohin deine Gedanken gehen und was du uns sagen willst.
geht es dir um Persönlichkeitsrecht? beidem geposteten Gedicht stand die ausdrückliche Erlaubnis der Tochter dabei, es handelte sich um einen "unverfänglichen" Inhalt (ob es gegen Gruppenregeln -Fremdtexte - verstößt, ist eine andere Geschichte). Er wurde nicht als "toller Papa" gelobt - das Gedicht seiner Tochter wurde gelobt!

oder geht es um den Wechsel zwischen Privatperson und "Autoritätsperson"?
dann wären wir wieder näher an der Geschichte: privat hätte einer der Polizisten vielleicht gerne meinem Sohn geholfen, als Dienstperson verschanzte er sich hinter Vorschriften (war vordergründig einfacher und sicherer).
Diesen Wechsel müssten wir vielleicht bewusster wahrnehmen (als Mutter bin ich z.B. ständig in diesem Spagat) und fühlen lernen, was gerade angesagt ist.
Umgekehrt müssen wir auch erkennen, dass Menschen nicht immer eine "Ausnahme" machen können, weil sonst das große Ganze aus dem Ruder läuft. Und dürfen sie nicht hartherzig nennen, wenn sie eine sinnvolle Regel einhalten.
Gratwanderungen!
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
@ tangocleo
*top*

Eben ...

*g*

Und bei dieser Gratwanderung stürzt man eben auch mal ab - aber darf das ein Grund sein, niemals mehr auf einem Grat zu wandeln?

Sollten wir alle Autos verbieten, weil jedes Jahr fünf- oder zehntausend Menschen im Straßenverkehr ums Leben kommen (weit mehr als durch die angeblich so furchtbare Schweinegrippe)? Oder den Wein, weil durch Alkohol so unendlich viel Leid in die Welt gebracht wird?

Mir fehlt da eine gewisse Lockerheit und Lebendigkeit! Es wird alles so starr nach Vorschrift in ein Korsett aus Vorschriften, Ängsten und Sicherheiten gezwängt - und alles Lebendige, Warmherzige, Spontane nach und nach erstickt. Ist es das wert?

Es riecht nach Beamtentum und Paragraphenreiterei, die letztlich wichtiger erscheint als der Mensch an sich ...

(Der Antaghar)
Das Leben ist kein Ponyhof. Das findet nicht nur Conny doof.

Die Gedichtegruppe möchte gerne einer sein, doch bei genauem Hinsehen tun sich Abgründe auf. Nun ja, man muss nicht immer so genau hinsehen. Man kann auch über Abgründe hinwegsehen und muss den Finger nicht in Wunden legen. Und man kann auch mal Fünfe gerade sein lassen. Ich mach das sehr gerne, nicht nur, weil ich Humor besitze, sondern auch, weil ich dem Treiben auf dem Hof gern zusehe. Ich bin auch jemand, der Gesetze nicht so genau nimmt. Was gibt es nicht für lustige, bizarre und markerschütternd dumme Regelungen! Ein Schelm, wer sich daran halten wollte.

Es gibt aber auch Vorschriften, geschriebene und ungeschriebene Gesetze, die tatsächlich im Sinne des Wohlergehens der Menschen geschaffen wurden. Auch die werden täglich mit Füßen getreten, ich weiß. Und andere wissen es auch. Doch was hilft’s! Es gibt Standards, an die man sich zu halten hat. Die junge Klientin und die schreibende Tochter sind Minderjährige, die unter Schutz stehen. Der Vater hat eine Fürsorgepflicht, und der Therapeut trägt eine Verantwortung für das Seelenheil seiner kleinen Klientin. Beide müssen das Wohlergehen ihrer Schutzbefohlenen als ihre erste Pflicht verstehen und alles tun, um Schaden von den jungen Menschen abzuwenden.

Der Vater hat das Interesse seiner Tochter an Gedichten nach seinen Möglichkeiten zu unterstützen. Er darf aber nicht einer Veröffentlichung auf einer Internetplattform für Erotik zustimmen, und schon gar nicht darf er diese Veröffentlichung betreiben. Der Text dieses Mädchens steht jetzt auf einer Gedichtseite, hinter der bei einmaligem Umblättern Angebote für Erwachsene zu finden sind, die ohne Weiteres Bilder mit special interest content zeigen können. Man sieht zum Beispiel Körperöffnungen, aus denen Gegenstände staken. Die Veröffentlichung kann also nicht in ihrem Interesse sein, weshalb es sinnlos ist, zu sagen, das Lob habe sich auf das Gedicht bezogen. Das mag es zwar, aber der Adressat war nicht sie. Es ging um ihn, nicht um das Gedicht. Wer wollte mir etwas anderes erzählen?

Es ist ja auch völlig in Ordnung, daß es um ihn geht. Warum auch nicht? Er kann und soll voller Freude den Gleichgesinnten in der Gedichtegruppe von seiner Tochter erzählen und sich als stozer Vater zeigen. Ich wäre der Letzte, der es ihm zum Vorwurf machte. Im Gegenteil; ich hätte mich aufrichtig mit ihm gefreut. Er präsentierte aber ein Gedicht von ihr, das er für besonders wertvoll hält. Es ist ein sehr persönliches Gedicht einer Heranwachsenden, die sich mit Sinnfragen beschäftigt. Es hat mich berührt, aber es gehört nicht hierhin. Sie ist ein Mädchen, meinetwegen eine Jugendliche, aber sie ist in einer sehr wichtigen, empfindsamen Phase ihres Lebens. Da darf ein Gedicht von ihr nicht auf einer Erotikseite stehen. Für mich ist das absolut nicht in Ordnung, und das ist das absolut Mindeste, was ich sagen kann. Es spiegelt nicht wider, was ich empfinde, wenn ich mir den Satz aus dem Mund meiner Tochter vorstelle: „Mein Papa hat ein Gedicht von mir ins Internet gestellt; auf so’ner Fickseite.“ Unerträglich.

Wer darauf hinweist, sie habe doch selbst ihr Einverständnis gegeben, hat nicht verstanden, was ich hier sage. Es wäre ebensogut möglich gewesen, das Gedicht auf einer ihr angemessenen Seite zu posten und die Interessierten dorthin zu schicken.

Bei der jungen Klientin sieht es etwas anders aus. Abgesehen von ihrem Klientenstatus ist sie zunächst auch minderjährig und kann selbstverständlich nicht zu irgendeinem Mann ins Auto steigen. Der Grund dafür ist derselbe, aus dem das oben genannte Verkehrsschild für Gehwege geändert wurde. Das ist nun mal so, und wir haben das zu akzeptieren. Männer vergehen sich an kleinen Mädchen und bringen sie dann um. Das ist eine nicht nur für mich als Vertreter der Schwanzträger unerträgliche Tatsache; es ist als Teil des Bildes vom Menschen unerträglich. Daraus kann man nach meinem Verständnis keine Klage über Herzlosigkeit und Kälte machen, die man den Eltern oder deren Anwälten anlastet.

Als minderjährige Klientin steckt sie allerdings in einem hochkomplizierten Beziehungsgeflecht. Sie sitzt einem fremden Mann gegenüber, der ihr immer vertrauter wird und dem sie günstigenfalls Dinge anvertraut, die sie sonst keinem offenbart. Die Bedeutung, die dieser Mann für dieses Mädchen bekommen kann, darf und kann nicht unterschätzt, und seine daraus erwachsende Verantwortung nicht überschätzt werden. Damit wird eine sonst vielleicht selbstverständliche Autofahrt zu etwas wie einer Intervention, eine grenzüberschreitende Handlung, deren Tragweite gar nicht abzuschätzen ist.

Das hat also nichts zu tun mit einem Waldspaziergang zweier erwachsener Männer. Da werden Dinge durcheinandergeworfen, um dann von Genauigkeit und Professionalität (die man auch beide übertreiben könne) und von Menschlichkeit und Herzenswärme und Nächstenliebe zu sprechen. Das ist mir in der Tat zu ungenau!
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