Klassenraumgespräche: 2. Astrid
Für unsere Gruppenmädchens...Astrid
Astrid Anna Emilia Sony Ericsson war schon immer ein aufgewecktes Mädchen mit Phantasie. Aber leider nicht mit genügend hiervon.
So begannen wir damals uns gegenseitig Lügengeschichten zu erzählen. Damals im Literaturkurs in Vimmerby. Ja, eben jenes Vimmerby, in dem alles anfing.
„Astrid, du solltest Seeräubergeschichten schreiben“, meinte ich eines Tages.
„Langweilig.“ Entgegnete sie. „Seeräuber kann jeder.“
„Dann nimm doch eine Seeräubertussi.“
Sie begann zu grübeln: „Sie sollte Pippi heißen.“
„Nichts da“, entgegnete ich. Zu langweilig.
„Nicht langweilig“, grinste Astrid. „Das ist langstrumpfig.“
Ihr Lächeln war entwaffnend.
„Nun gut, Astrid.“ Ich atmete tief durch. Dann eben „Pippi Långstrump.“
„Dummer Name für eine Seeräubertussi.“
Meine Geduld war fast am Ende. „Zum einen ist sie keine Seeräubertussi, sondern die Tussitochter eines Seeräubers und zum anderen spendieren wir ihr mal ein paar Strapse für die Erotik und ein paar Strümpfe.“
„Aber dann mit Löchern.“
„Von mir aus mit Löchern. Dann muss aber auch der Name dazu passen.“
„Au contraire“ meinte Astrid. Eher im Gegenteil. Ein hausbackener Name für ein frühreifes Gör. Pippilotta währe passender.“
Ich musste einfach grinsen. Der Name war gut. Aber nicht gut genug. „Wenn das Gör Pippilotta Långstrump heißen soll, dann lieber gleich mit Doppelnamen. So wie bei den gebildeten Herrschaften.“
Wir steckten die Köpfe zusammen. Dann meinte Astrid: „Wie heißt noch gleich diese Königin von England?“
Aus dem Grinsen wurde ein Lachen: „Die heißt Queen Victoria.“
Astrid schaute mich strafend an: „Queen heißt doch keiner. Na ja zumindest Queen Latifa.“
„Gut. Dann nehmen wir Victoria. Nein besser nicht. Das wäre Majestätsbeleidigung. Viktualia wäre besser: Pippilotta Viktualia Långstrump.“
Das Klingeln zur Pause unterbrach unsere heimliche Konversation. Diese dumme Prusseliese vorne am Pult ist sowieso schon aufmerksam geworden.
Ein kurzes Durchatmen in der Pause. Ein Biss ins Pausenbrot und wieder zurück in die Klasse. Als Außenseiter unter den Jungs musste ich neben einem Mädchen sitzen. Sicherlich nicht die schlechteste Lösung. Aber es hätte besser sein können.
„Astrid, so eine Zicke braucht einen Vater.“
„Haben wir doch“, sagte sie: „Den Seeräuber.“
„Katholisch soll er sein!“ prustete ich und rollte fast über den Boden und die Prusseliese schaute böse auf. Schlagartig setzte ich mein ‚ichweißallesaberfragmichliebernicht‘ Gesicht auf. „Ephraim“ ist sehr katholisch. Vielleicht auch jüdisch. Aber egal. So soll er heißen.
Astrid hielt inne: „Dann wäre die Tochter die Efraimsdotter, oder genauer Efraimsdotter Långstrump.“
Eine gewisse Unruhe zog in der Klasse ein. Irgendwie waren wir doch zu laut. Und diese olle Streberin Rullgardina vor uns strafte uns mit tödlichen Blicken.
Astrid schaute mich an. Und ich schaute sie an. Hatten wir beide den gleichen, dummen Gedanken? Wir prusteten los. So soll sie auch Rullgardina heißen: Rullgardina Pippilotta Viktualia Efraimsdotter Långstrump.
„Nein. So wichtig ist sie auch nicht.“ meinte Astrid. Der Name kommt nach hinten: Pippilotta Viktualia Rullgardina Efraimsdotter Långstrump.“
Wir schwiegen. Astrid, wie auch ich mussten einmal kräftig durchatmen. „Stell dir vor“, meine sie, „wie es ist, wenn man sich mit diesem Namen vorstellen muss?“
Wieder mussten wir lachen. „Gestatten, mein Name ist Pippilotta Viktualia Rullgardina Efraimsdotter Långstrump.“
„Zu kurz, zu kurz!“
„Ok. Dann eben Pippilotta Viktualia Rullgardina Krusmynta Efraimsdotter Långstrump.“
"Und ich heiße Thomas."