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Läßt sich ...

**********henke Mann
9.666 Beiträge
Themenersteller 
Läßt sich ...
... an diesem Geschichtenanfang die Zeit des Geschehens erkennen (1) und kommt Spannung rüber (2)?

Der dicke Sternberger

Wortlos reichte der dicke Mann dem Schaffner die Fahrkarte, wortlos knipste der das Loch in deren Rand. Draußen war der Himmel blau, dieses blau des Sommers, das unverwechselbar ist, so blau wie kein Kleid zu der Zeit, blau wie Wickenblüten.

Das Abteil war halbleer, außer dem dicken Mann mit den zwei Koffern, die er schwitzend auf die Ablage gewuchtet hatte, saßen eine Städterin und ich auf den grünen Lederolbezügen und starrten ins Helle. Im Korn neben dem Gleis hob ein Reh den Kopf, sah wohl Frieden und äste dann weiter.

Der dicke Mann hatte ein Notizbuch aus der Innentasche seines leicht abgewetzten Reddingots gezogen und addierte – so sah aus zumindest von meinem Sitz aus aus – Zahlen. Jede Seite schloss er mit einem kräftigen Doppelstrich seines Kopierstiftes, den er mit blauer Zunge anleckte. Mal zu mal gab er den kurzen Stift zum Notizbuch in die linke Hand, schob die Nickelbrille zurück zur Nasenwurzel und wischte sich mit einem dunkelblauen Taschentuch die Stirn.

Der Zug bremste, und der dicke Mann zerrte die Pappkoffer von der Ablage. Der eine war braun wie alter Rost, der andere schwarz. Sehr schwer schienen die Koffer nicht, aber auch wiederum nicht so leicht wie leere. Als der Zug hielt, griff er den braunen mit der rechten, den schwarzen mit der linken und stieg, den schwarzen vor sich haltend und den braunen hinter sich, auf den niedrigen Peron von Below Bahnhof.

Ich hielt Ausschau nach Onkel Gustav, er saß auf seinem Bock und schmökte eine Zigarre. Lotte schnaubte.
„Sternberger, wüllst na Dobbin?, fragte er den dicken Mann und der antwortete hochdeutsch: „Wohlan, dort will ich meine Kurzwaren feilbieten.“
In Onkel Gustavs Augenwinkel zuckte es – so, wie wenn er den Witz mit dem Pastor und dem Ei erzählte und zu mir sagte er: „Na, Jung, du büst ja wedder wassen. Sett di moal taun Milchkann‘“

Ich half dem „Sternberger“ seine Koffer auf den Pferdewagen zu laden, warf meinen Rucksack hinterher und stieg zu den Kannen. Der dicke Mann setzte sich neben Onkel Gustav, der schnalzte und Lotte zog an. Auf dem Kopfsteinpflaster des Bahnhofsplatzes ratterten die Eisenreifen und Lottes Hufe klapperten, doch auf dem Sandweg durch die Tannen hörte man nur das feine Reiben und das dumpfe Klopfen von Huf und Rädern. Nichts sonst unterbrach das tsip-tsak, tsip-tsak und flüttötö der Lerchen und Kiebitze, ganz fern klapperte ein Dreschkasten. Jetzt schon?
erhebende 11 Zentimeter...
*****a99 Frau
3.553 Beiträge
Zitat von **********henke:
Läßt sich ...... an diesem Geschichtenanfang die Zeit des Geschehens erkennen
*ja*
Zitat von **********henke:
und kommt Spannung rüber
Mich animiert es jedenfalls zum Weiterlesen *g*
erhebende 11 Zentimeter...
*****a99 Frau
3.553 Beiträge
Zitat von **********henke:
Ich half dem „Sternberger“ seine Koffer auf den Pferdewagen zu laden, warf meinen ..,
Komma nach "Sternberger"
*zwinker*
**********silon
6.622 Beiträge
Jahrhundertwende?

Für Spannung ist es mir zu wenig Text, glaube ich? Aber die Sprache ist interessant. Dialekt und alte Worte mit drin. Mag ich.
**********silon
6.622 Beiträge
Zitat von **********henke:

Der dicke Mann hatte ein Notizbuch aus der Innentasche seines leicht abgewetzten Reddingots gezogen und addierte – so sah aus zumindest von meinem Sitz aus aus – Zahlen.

Das zwischen den - ... -: Da sind zwei mal aus zuviel? -> so sah es zumindest von meinem Sitz aus?

So?
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Themenersteller 
das erste "aus" muss ein "es" sein, aber das "aus aus" ist richtig, glaube ich, denn das eine "aus" kommt von "aussehen" und das zwei gehört zu "von meinem Sitz aus" *g*
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Themenersteller 
Zitat von **********silon:
Jahrhundertwende?

zwischen 1947 und 1952.
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Es lässt auf eine großangelegte Geschichte schließen, die ganz allmählich Fahrt aufnimmt und vermutlich noch mehr Charaktere für uns bereithält.
Auch ich mag den Dialekt und das Lokalkolorit.
Ich bin ein wenig an Theodor Fontane erinnert.
Ich würde mich gemütlich in meinem Lesesessel zurechtsetzen und mich auf mehrere Schmökerabende freuen. *les*
erhebende 11 Zentimeter...
*****a99 Frau
3.553 Beiträge
Zitat von **********henke:
aber das "aus aus" ist richtig, glaube ich,
*ja*
Alternativ könnte man es anders formulieren:
• so hatte es zumindest von meinem Sitz aus den Anschein -
o.ä.
*****e_M Frau
8.532 Beiträge
@**********henke

Spontan dachte ich an 1900-191…
und an einen Autor, dessen Werk ich kürzlich auf einer Bühne sah. (Name vergessen, gerade zu faul das Programm zu suchen.)

Der Text ist für mich eine zeitliche und auch in Stimmung, Personen und Sprache einführende Schilderung, die Lust auf mehr macht…
*******tia Mann
5.162 Beiträge
Mir waren es zu viele fremde - oder alte - Begriffe und Worte, die meinen Lesefluss ins Stocken brachten. Vielleicht auch zu viel Kommata. Bei Pferd und Kutsche konnte ich es dann zeitlich einordnen, denn mit Reddingots und Lederol konnte ich nichts anfangen.
Ok, vielleicht meine mangelnde Bildung.
Ich bin dann doch eher so der profane Typ Leser und Autor ...
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Noch ein paar zusätzliche Anmerkungen:

... dieses blau des Sommers ...
Korrekt wäre: "dieses Blau des Sommers", denn hier wird "blau" zum Hauptwort und muss groß geschrieben werden.

... aber das "aus aus" ist richtig, glaube ich ...

Ja, das ist es - aber dennoch schrecklich. Nicht alles, das zwar korrekt ist, muss nicht gut sein.

(Der Antaghar)
**********_moon Mann
280 Beiträge
Lieber "Kamelienschenke",

ich bin geradezu hingerissen, von der Stimmung in Deinem Erzählanfang!

Ich befinde mich in einem Film, der die Nähe zu Günter Grass' "Blechtrommel hat.

Ich bin nach mehrmaligem Lesen irgendwo im Osten und am Anfang des 20. Jahrhunderts. Alles, was ich lese, gehört stimmungsmäßig in meine Vorstellung davon.

Und dennoch verwirrt mich das ein oder andere, und ich erlaube mir, da Dein Text in der Schreibwerkstatt steht, dazu etwas anzumerken.

Ein Satz wie: " Im Korn neben dem Gleis hob ein Reh den Kopf, sah wohl Frieden und äste dann weiter." ist von wirklich lyrischer Qualität und großartig formuliert, wirkt in meiner "Lese" aber ein wenig unangebunden bzw. erscheint mir zu plötzlich. Aber das mag einzig und allein meinem Empfinden zu schulden zu sein.

Nicht allgemein bekannte Begriffe wurden bereits erwähnt.

"Sehr schwer schienen die Koffer nicht, aber auch wiederum nicht so leicht wie leere."

Den zweiten Teil dieses Satzes empfinde ich als nicht so wichtig, wenn sein Inhalt keine weitere Erwähnung findet.

Am Ende wirft mich Dein Erzählen ein wenig "aus der Kurve":

Woher kennen sich die an der Szene Beteiligten?
Am Anfang ist der "dicke Sternberger" für den Leser ein Fremder aber am Ende kennen sich alle offensichtlich.

Mit dem letzten Satz würde ich vielleicht das nächste Kapitel beginnen lassen, in dem es evtl.um die landwirtschaftliche Situation oder die Jahreszeit oder was auch immer geht. Als Abschluss des Intros empfinde ich ihn als verwirrend.

LG:

"Hinter dem Mond"

*g*
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Themenersteller 
@**********_moon - danke für die Hinweise.
Zitat von **********_moon:
ich bin geradezu hingerissen, von der Stimmung in Deinem Erzählanfang!
Ich versuche, mit Worten zu malen *g* .

Zu deinen Fragen:
Der Onkel Gustav kennt den Trödler, der Protagonist kennt ihn nicht, aber er ist ein höflicher junger Mann und hilft auch Fremden.

Mit dem Reh gebe ich dir recht, allerdings möchte ich in den endgültigen Text mehrere solcher Perlen einfügen, und dann ergibt es eine Kette.

Ich denke, wenn ich das "Jetzt schon?" weglasse und einfach zu einem späteren Zeitpunkt darauf zurückkomme, vielleicht mit weiteren Hinweisen, dass die Menschen Dinge tun, die der Jahreszeit nicht entsprechen, ließe sich auch dramatisch einiges mehr erreichen. Oder?
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